Jeva ließ sich die Worte Shiras und Bergis durch den Kopf gehen und streichelte währenddessen gedankenverloren Soleb, der es sich auf den Beinen des Mädchens gemütlich gemacht hatte. Erst nach einer ganzen Weile blickte sie wieder auf und sah Shira an. "Danke." sagte sie leise und fuhr dann ernster, mit gerunzelter Stirn fort: "Vielleicht sollte ich doch mit euch kommen." erklärte sie und stand wieder auf, nachdem sie Soleb von ihren Beinen gehoben hatte.
Als Wilbur ihr das Angebot machte, einen Blick auf ihr Schicksal und damit auch das damit verbundene Schicksal der Gruppe zu werfen, nickte sie sogar wieder etwas fröhlich. Ablenkung war jetzt vielleicht genau das Richtige für das traurige Mädchen. Jeva entschied sich bei der Wahl des Attributes für Geschicklichkeit, was Wilbur nicht wirklich überraschte, denn er wusste genau, was die damit verbundenen Themen waren. Geschicklichkeit stand für Kinder und Unterhaltung... allerdings auch für Schwierigkeiten.
Nachdem das Deck gemischt und von Jeva auf dem kalten, schneebedeckten Boden verteilt worden war, entschied sich der wahrsagende Gnom dafür, dieses Mal 4 Karten zu ziehen. Eine für die Vergangenheit des Mädchens, eine für ihre Zukunft und zwei für die Gegenwart, um vielleicht das Geheimnis ihrer Anwesenheit bei der Gruppe zu lösen.
Natürlich würden sich die Karten auch auf die Situation der Gruppe beziehen - vor allem die der Gegenwart - da Jeva sehr viel mit ihnen zu tun hatte.
So deckte Wilbur langsam die Karten nach seinem Bauchgefühl auf. Er musste bei der Deutung der Karten ihr Thema ganz genau im Auge behalten. Wie auch schon bei dem Dorfmetzger Deon Jabbs zuvor, deckte er zuerst die Karte der Vergangenheit auf und schon diese Karte war kein gutes Omen.
Es war eine Lawine, die alles in ihrem Weg zerstörte. Die Karte zeigte eine riesige Schneemasse, die einen Wagen, Pferde und Menschen unter sich begrub und sie zerstörte.
Die beiden nächsten Karten gehörten zur Gegenwart. Die erste Karte zeigte einen Hasen in adeliger Kleidung, der in einer Hand ein zerbrochenes Schwert hielt. Die andere Karte zeigte einen Sumpf, über dem drei farbige Irrlichter schwebten. Eine einzelne Hand war zu sehen, die aus dem dreckigen Wasser herausragte und nach einem Ausweg suchte.
Die letzte Karte gehörte der Zukunft an und wieder war sie ein sehr schlechtes, wenn nicht das schlechteste Zeichen in diesem Deck. Die Karte zeigte drei Humanoide, die um einen Tisch herumsaßen, auf dem sich Goldmünzen und Edelsteine stapelten. Zwei Menschen mit Krähenmasken und schwarzen Federumhängen wurden von einem großen, finsteren Krähenmenschen - der eindeutig kein Mensch war - in voller Rüstung, überwacht. Seine Flügel waren bedrohlich und bereit ausgebreitet, während er gierig auf die Schätze auf dem Tisch blickte.
Wilbur hatte schon oft die Karten gelegt und wusste genau, was die Bedeutungen der Karten waren.
Die Lawine - Eine zerstörerische Kraft, die alles überrollt und dabei Desaster und Panik verbreitet. Diese Lawine würde irgendwann von alleine enden aber niemand kann sagen, wann dieser Punkt erreicht ist und wer bis dahin alles von ihr zerstört wird.
Der Hasenprinz - Er steht für den launischen, unberechenbaren Nahkampf und Duelle und Kämpfe auf Leben und Tod. Das zerbrochene Schwert zeigt, dass jeder eine Niederlage erleiden kann. Manchmal steht der Hasenprinz auch für junge Mitglieder eines Adelshauses.
Die Laterne der Dämonen - Verwirrung, Fallen, Betrügereien des Geistes und Taschenspielertricks fassen diese Karte zusammen. Es wird ein falsches Spiel gespielt. Doch es bleibt im Verborgenen, wer dieses Spiel treibt und wie weit sie bereits davon betroffen sind.
Die Krähen - Vermutlich die schlechteste Karte, die für die Zukunft stehen kann. Sie steht für das Schlechte in allen Wesen. Um genauer zu sein für Mord, Diebstahl und den schmerzlichen Verlust aller Dinge, die man liebt.
Auch dieses Mal erfasste den Gnom eine Vision. Sie war viel kürzer als die in Falkengrund und nicht viel mehr als ein einziges Bild, weshalb sie ihn auch nicht so mitnahm. Er sah für einen Moment eine Fratze vor seinem inneren Auge aufblitzen. Ein vor Wut und Blutdurst verzerrtes Wolfsgesicht. Scharfe, gelbe Zähne leuchteten im Schein einer Fackel. Die Schnauze war zum Angriff geöffnet. Dann war die Vision auch schon wieder vorbei. "Und?" fragte Jeva fröhlich. "Was sagen dir die Karten?"