Wie im SF-Film: Der Tantalum-Komplex wird heute eröffnet
Ein Kommentar von David Phelps
Es ist ein Bauwerk wie aus einem Science Fiction-Film: Der Tantalum-Komplex mitten im Pazifischen Ozean. Bewundert, kritisiert, in jedem Fall aber Gesprächsthema Nummero Uno fast überall auf der Welt. Vergisst man für einen Augenblick die immensen Kosten (und was man mit dem Geld sonst hätte tun können), die Vermietung von Räumlichkeiten an zumindest diskussionswürdige Institutionen (nennen wir nur das Chinesische Militär - was zur Hölle wollen die da eigentlich? - oder Liu Bio Sciences), und sogar die Tatsache, dass für den Bau größere Mengen Tantal benötigt wurden - ein seltener Rohstoff, um dessen Abbau sich einiges an Gewalt in Afrika dreht -, was bleibt dann eigentlich?
Ein architektonisches Meisterwerk, da sind sich eigentlich alle einig. Eine sich selbst versorgende Insel, auf der bis zu 50.000 Menschen - eine ganze Stadt also! - leben, arbeiten, einkaufen und entspannen können. Natürlich gibt es Versorgungslinien zum Festland, wirklich notwendig sind diese aber nicht.
Wer es öffentlich wagt, all die kritischen Punkte außen vor zu lassen, und sich auf diesen Kern zu konzentrieren, der sieht im Tantalum-Komplex ein neues, modernes Weltwunder - so etwa der britische Politiker James Edwards, der dafür - natürlich - viel gescholten wurde. Zu Recht? Oder reine Hysterie? Die Frage ist schwieriger, als sie scheint. Denn Edwards ist ja nicht irgendwer, er vertritt eine Regierung und damit ein ganzes Volk. Kann er da einfach die Kritik außen vor lassen? Riskiert er, den Betreibern des Komplexes einen "politischen Freibrief" auszustellen durch seine Aussage?
Sicher ist: Er hätte es besser formulieren können, diplomatischer, hinterfragender. Sicher ist aber auch: Dann wäre seine Aussage verwässert worden, die enorme Bauleistung, die hier vollbracht wurde, nicht angemessen gewürdigt worden. Kann denn seine Bewunderung für dieses - nennen wir es einmal so - Weltwunder nicht unabhängig davon sein, dass man die Umstände kritisch beleuchten muss?
Im Übrigen sollte man auch nicht vergessen, dass sich die Livermore Climate Foundation öffentlich jeder Kritik stellt. Und die Antworten, die sie geben, sind gut (dazu gleich mehr). Eignen sie sich, um den öffentlichen Gegenwind - man möchte fast "Shitstorm" sagen - zu beruhigen? Nur bedingt, denn die Diskussion wird äußerst emotional geführt - und Livermore argumentiert strikt sachlich. Doch was kurzfristig wie ein Fehler wirkt, könnte langfristig die richtige Strategie sein. Und wenn aus dem Tantalum-Komplex erst einmal wichtige Erfolgsmeldungen kommen, wird die Kritik Schritt für Schritt in den Hintergrund treten.
Außerdem überlässt Livermore die Emotionen den Profis. Kurz nach der offiziellen Eröffnung wird der neue "Rock Power"-Film dort seine Premiere haben, und im Film selbst gibt es auch Szenen, die sich dort abspielen. Ein genialer Schachzug, denn Rock Power steht sicherlich nicht für eine sachliche Auseinandersetzung, sondern für Spaß und Coolness. Die Eröffnung - auch durch die Premiere - zu einem medialen Großereignis zu machen, voller Stars und Sternchen, passt in diese Strategie. Und Tantalum auch zu einem Touristikzentrum zu machen, wird sein Übriges beitragen.
Wird das die Kritiker verstummen lassen? Sicherlich nicht. Aber ihre Zuhörer werden schwinden. Und bei aller Begeisterung darf man nicht vergessen, dies auch als Gefahr zu betrachten. Denn Livermore gibt zwar gute Antworten, einige Fragen sind aber nach wie vor offen.
Beantwortet sind beispielsweise die Fragen nach dem Einsatz von Tantal. Es war ein wichtiger Rohstoff für diverse technische Einrichtungen in den wissenschaftlichen Labors, aber auch für den Komplex selbst. Das Metall steckt wohl auch im "Herzen" des Komplexes, dem Lebenserhaltungssystem, und war deshalb auch namensgebend. Einige technische Hürden konnten nur durch den Einsatz von Tantal gelöst werden. Die Bezugsquellen hat Livermore vollständig offengelegt - und jeder Smartphone-Hersteller könnte neidisch werden. Um es kurz zu fassen: An dem für den Komplex verwendeten Tantal klebt nicht ein Tropfen Blut.
Unbeantwortet sind einige andere Fragen. So die eingangs gestellte: Was macht das chinesische Militär dort? Livermore verweist auf China und unterschriebene Verschwiegenheitserklärungen, versichert aber, dass auch das Militär an ethisch einwandfreien Forschungen arbeite. Chinas Militär? Ethisch einwandfrei? Man kann nur hoffen, dass es in Zukunft mehr Transparenz in dieser Hinsicht geben wird.
Auch die viel kritisierte Genetikerin Liu Ran Mae hat sich eingemietet. Ihre Forschungen dort? Ethisch einwandfrei - natürlich. Details? Spärlich, wenn auch nicht so verschwiegen wie das Militär. "Unternehmensgeheimnisse", so die Pressesprecherin.
Der Tantalum-Komplex ist ein fantastisches Bauwerk, und die Kritiker sollten auch die Faszination, die der Komplex ausstrahlt, nicht vergessen. Alle anderen aber sollten nicht vergessen, auch den Kritikern zuzuhören - nicht nur jetzt, sondern auch noch in einem, zwei oder fünf Jahren. Vielleicht ist alles an Bord des Komplexes ethisch einwandfrei - aber wir brauchen Menschen, die Transparenz einfordern, um genau das auch sicherzustellen.