Altena nickte bei Dans Worten und ein Lächeln stahl sich auf Ihre Lippen. Das erste Mal, dass die Miene etwas anderes ausdrückte, als Verbitterung. "Das scheint mir eine gute Wahl zu sein. Setz' dich an die Spitze. Ich und die anderen folgen dir."
Wenige Sekunden später hatten dann die übrigen Mitglieder der Gruppe sich mit Antworten und Fragen an sie gewandt. Sie setzte an zu einer Antwort auf Cesares ursprüngliche Frage, als ihr Mose, danach aber auch wieder der Purger und dann der bleiche Mann, der sich als Aeb vorgestellt hatte, dazwischen kamen. Und auch der großgewachsene Afrikaner antwortete - sogar unerwartet bereitwillig.
Sie ließ sie zunächst sprechen, antwortete dann aber, nachdem alle Stimmen verstummt waren. "
Wir haben einen Eid geleistet, Hellvetika zu beschützen. Und das tun wir auch - mit unserem Leben und auch im Tod. Aber die Menschen hier müssen auch ihren Anteil leisten, sonst wird es nicht gelingen. Es gibt nicht einmal genug Hellvetiker, um alle Grenzen in die Territorialregionen lückenlos abzusichern. Und im Inland können wir nicht überall Präsenz zeigen. Dafür bräuchte es die zehnfache Anzahl an hellvetischen Soldaten, die wir tatsächlich haben."
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Mal ganz abgesehen davon, dass bei weitem nicht alle Sippen und Dörfler uns überhaupt als Schutzmacht akzeptieren und bei sich dulden würden - Stichwort Iturba und Tal', dachte sie sich dazu, entschied sich aber dafür, diese letzte Replik nicht laut auszusprechen.
"
In dieser Region gab es in den letzten Jahren nie Probleme mit Leperos und auch keinen Übermäßigen Burnkonsum. Die Anführer in Galle und Tal haben das Gesindel unter Kontrolle gehabt. Die Klanner und Burnschmuggler haben sich nicht hierher getraut - größtenteils jedenfalls. Meine Sorge ist, dass das sich jetzt geändert haben könnte. Deswegen gehe ich nach Tal. Und deswegen frage ich danach." Bei den letzten Worten schaute sie Cesare und danach Aeb an. Die beiden schienen ihr bis jetzt die umgänglichsten zu sein. Kemwer schien ebenfalls ein guter Mann zu sein, doch zu sehr vertieft in seine Gedankenwelt - oder die Gebräuche des Kults.
'Ist er mir nur unheimlich, weil er so fremdartig ist? Oder ist da noch was?', ging es ihr durch den Kopf.
Und der Balkhaner war die übelste Sorte. Stark und mit hintzigem Gemüt - das waren viele aus dem Balkhan. Aber dieser hier war auch noch ein streng Gläubiger. Der Glaube ließ ihn denken, er wäre im Besitz der einzigen Wahrheit und gab ihm den Eifer, diese bis in den Tod zu verteidigen.
'Naja - zumindest scheinen alle das Herz am rechten Fleck zu haben, so weit. Aber ich sollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen'Ein kurzer Blick nach hinten durch das Schneegestöber und die Hellvetikerin sah, dass Mehler und Kowalski die Köpfe zusammengesteckt hatten. Ihr war nicht entgangen, dass die beiden ihre Frage ignoriert hatten. Dabei waren das doch die natürlichen Verbündeten der Hellvetiker - Richter und Spitalier.
'Wieder einmal zeigt es sich - wir sind zuallererst Menschen und bestenfalls in zweiter Instanz Mitglieder unseres Kults. Aber das sehen ja auch bei uns einige anders.'Weiter hinten nickte Mehler Leon abermals zu. "
Ja - du hast recht. Die beiden Riesen sind gute Einzelkämpfer, aber eben das - Einzelkämpfer. Und der Rest sieht nicht besonders robust aus. Bis Tal ist es nicht mehr weit. Bis dahin müssen wir den Laden zusammen halten."
* * *
Vier Stunden lang marschierte die Gruppe durch den dichter werdenden Schneefall. Die Tage wurden immer kürzer und die Wolkendecke tat ihr Übriges. Das wenige Sonnenlicht, dass durch die Wolken drang und vom Schnee vervielfacht wurde, ließ immer mehr nach. Das Weiß ging ins Bläuliche über, bis es schließlich ins Grau abdriftete.
Dann erblickte die Gruppe endlich die schwarze Sillhoutte des Schrotterwerkstatt und das warme, gelbe Licht in den Fenstern derselben. Völlig gefroren und mit dem heulenden Wind im Gesicht, war das ein seltsam schöner Anblick.
Es war noch gut zwanzig Schritte bis zur Tür, als selbige knarrend aufging und ein von Kopf bis Fuß in lumpige Kleidung eingewickelter, bärtiger Hüne im Rahmen auftauchte. "
Servus, Danny. Was hast du da für Figuren dabei? Freunde von dir? Du weißt ja - die Freunde meiner Freunde sind nur dann meine Freunde, wenn ich gerade auf Freunde aus bin."
[1]Dan sprach ein Paar zutrauliche Sätze zu Begrüßung. Dann trat Altena vor. "
Ich bin Altena Wagner, Sappeur der Hellvetiker. Wir sind Unterwegs nach Tal, in offizieller Mission. Wir sind auf der Suche nach einem Lager für die Nacht und können für Kost und Logie bezahlen."
Der Hüne kratzte sich am Kinn, die behandschuhten Finger glitten durch den Feuerroten Bart. Schließlich stieß er die Tür ganz auf. "
Na gut, Frau Wagner. Hereinspaziert! Aber sagen Sie ihren Leuten, die sollen ihre Waffenläufe unten lassen. Ich hab ungern Einschusslöcher in meinen Werkstattwänden, wenn Sie verstehen."
Einer nach dem anderen gingen Altena und die Männer durch die Tür. Der Hüne schüttelte allen die Hand und maß alle von Kopf bis Fuß mit seinen durchdringenden Blick. Buschige Augenbrauen, dunkle Pupillen, eine zerzauste und teils verfilzte Löwenmähne, eine offensichtlich einst gebrochene Plattnase, grobschlächtige, starke Hände, die Finger, schwarz vom Maschinenöl, aber flink und geschickt. "
Uther", stellte er sich allen kurz vor. "
Willkommen in meiner bescheidenen Hütte. Ich würde ja sagen, 'Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause', aber eigentlich wäre es mir lieber, sie fühlen sich zu Gast bei einem Gastgeber, der sich zu wehren und sein Eigentum zu beschützen weiß. Das trifft es nämlich auch ganz gut."
Uther begrüßte Dan mit einer kurzen Umarmung, bei Kemwer schaute er überrascht und skeptisch, und der Blick verfinsterte sich vollends, beim Blick auf den Richter. "
N'abend" war alles, was er für Mehler übrig hatte.
* * *
Eine halbe Stunde später hatten sich Altena und die anderen in einem größeren Raum zusammengefunden. Offensichtlich bestand Uthers 'Werkstatt' in erster Linie aus zwei großen Räumen - der eine war zum Leben und Arbeiten für die Gäste, der zweite als Schlafplatz gedacht. Es war wohl eher eine Schrotterabsteige. Die eigentliche Werkstatt war in einem kleineren Zimmer weiter hinten eingerichtet, in dem Uther auch zu schlafen schien. Die Räume wurden durch einen Holzofen und ein angeschlossenes Rohrsystem beheizt.
Die Gruppe bekam einen Fleischeintopf in Blechschüsseln vorgesetzt - ein dürren Jüngling mit einem stark schielenden Auge brachte das Essen. Außer Uther waren noch drei andere Besucher vor Ort. Eine schweigsame Frau in wetterfester Reisekleidung saß abseits. Zwei Rucksäcke lagen in ihrer Nähe. Sie selbst war gerade damit beschäftigt, ein Jagdmesser mit einem Schleifstein zu schärfen.
Weiter mittig saßen zwei Männer, die bereits auf den ersten Blick aus Schrotter zu erkennen waren. Verfilztes Haar, rissige Kleidung, Ölflecken und Werkzeuggürtel und Manieren, die keine Waren. "
Der alte Iturba hat es schon richtig gemacht", rief einer. Die Augen waren Glasig vom vielen Bier, das er offensichtlich schon hatte. Die Glatze warf fahl das Licht der altersschwachen Glühbirne zurück, die offensichtlich mit einem Generator betrieben wurde.
"
Was denn, Duran?", rief Uther, gerade hinter einer Art Theke stehend. "
Seinen Erstgeborenen verstoßen und die Fresse zwischen die Brüste einer Elster quetschen? Meinst du das?"
Der andere Schrotter - sehnig wie geräuchertes Fleisch, abgemagert und langgewachsen - lachte rissig und nahm noch einen Schluck."
Einen Erstgeborenen hab' ich nicht, aber zu den Brüsten sage ich auch nicht nein."
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