Das Jahr der Roten Hexe, 1491 TZ
Irgendwann im Sommer
Irgendwo im Unterreich
Tag 9 für Tisuriel Durothil im Außenposten
Tag 2 für Orel Sturmreiter im Außenposten
Tag 1 für Heynryck, Corwin und Floki im AußenpostenDunkelheit umgab Heynryck, Corwin und Floki. Feuchtes, grobes Tuch war dicht über ihr Gesicht gespannt und machte das Atmen schwer. Sie spürten wie warme Blutströme ihren misshandelten Körper hinabrannen. Ihre Augen waren sehr viel besser in der Nacht als die der Menschen, die so große Teile der Oberfläche Faerûns beherrschten, doch sie konnten dennoch nichts sehen. Nur Dunkelheit.
Sie konnten auch nichts hören, ausser das Rascheln des Stoffs über ihrem Kopf. Teilweise war ein rhythmisches Auf und Ab zu spüren. Wie auf einem Schiff. Oder einem geschmeidigen Reittier. Dann wieder nichts. Keine Bewegung. Kein Laut. Kein Licht.
Es dauerte eine geraume Zeit, bis gedämpfte Stimmen zu vernehmen waren. Keiner der drei verstand was gesagt wurde. Die Sprache besaß stellenweise den weichen Fluß von Elfisch, doch brach dann wieder abrupt ab. Es lag eine gewisse Missgunst und Boshaftigkeit in der Melodie jener Worte.
Plötzlich schlugen die drei auf einen harten Untergrund auf. Die Säcke wurden ihnen vom Kopf gerissen. Und zahlreiche Zähnefletschenden Bestien knurrten sie an. Ja, sie konnten in einem schwachen bläulichen Licht, das von der steinernen Decke einer riesigen Höhle ausging, ein halbes Dutzend Quagosse erkennen. Hinter den zotteligen Tiefenbären waren die dunklen, schattenhaften Umrisse von Elfen zu erkennen. Dunkelelfen. Sie befanden sich in der Gefangenschaft der Drow.
Dieses Schicksal wünschte man niemanden, doch hier waren sie.
Die Quagosse legten ihnen freudig brummend kalte, schwere Eisenringe eng um Kehle und Handgelenke. Dann trat eine hoch gewachsene Drow vor die geifernde Meute. Sie trug durchscheinende Seidenroben über einer düsteren Rüstung. An ihrem Gürtel wanden sich Tentakel, während sie eine mehrköpfige Peitsche über den Köpfen der Tiefenbären Knallen ließ.
"Ich bin eure Besitzerin. Ihr nennt mich Herrin Ilvara und tut was ich sage, oder diese Peitsche zerschneidet euer Fleisch und das Gift ihrer Haken wird die zerfetzten Reste von euren bleichen Knochen brennen. Findet euch mit eurem Schicksal ab, lernt zu gehorchen und ihr mögt überleben.“Dann zischte die Peitsche auch schon auf Heynryck, Corwin und Floki herab. Ihr eigenes Blut und brennendes Gift nahm ihnen schon bald wieder die Sicht und Dunkelheit umfing sie wieder.
* * * * *
Irgendwann danach fanden sich die drei in einer deutlich kleineren Höhle wieder. Vier Laternen die das schwache, grünliche Licht von unterirdischen Pilzen ausstrahlten sorgten für eine kränkliche Beleuchtung. Die weitestgehend natürliche Kammer war gute dreißig Fuß lang und besaß die grobe Form eines Auges. An ihrer breitesten Stelle maß sie knappe zwanzig Fuß. An einem Ende versperrte ein schweres Gittertor den einzigen, sichtbaren Zugang, während sich eine bunte Mischung an anderen Gefangenen in den Schatten nahe den Felswänden aufhielt.
Es war eine wahrlich bunte Mischung aus Völkern die, wie so viele, mit den Drow verfeindet waren: drei Tiefengnome, ein Sonnenelf, ein Mensch, eine Schildzwergin und ein männlicher Zwerg mit graublauer Haut - es konnte sich um einen der berüchtigten Derro handeln - ausserdem waren da noch ein Ork, ein Quaggoss mit schmutzigem, weißgrauem Fell in einer viel zu kleinen Brokatweste, ein Kuo-Toa mit geschuppter, purpurfarbener Haut, ein grauer Mykonid mit zwei stämmigen Beinchen und ein Drow. Ja, Drow waren dafür bekannt erbitterte Machtkämpfe in den eigenen Reihen zu führen.
Durch das Gittertor war ein großer Stalagtit zu sehen der von der Höhlendecke hing. Der Abtropfstein war gut bestückt mit Tonschalen in denen das lilafarbene Feenfeuer der Drow züngelte.