Ein bösartiges Grinsen machte sich auf dem entstellten Gesicht von Jorlan Duskry breit.
"In der Tat, ihr könntet mir ebenfalls einen kleinen Gefallen tun. Wartet auf mein Zeichen."Während der Drow davonschlurfte knurrten die Tiefenbären den Halbelfen noch etwas an, bevor auch sie sich langsam entfernten.
Kurze Zeit später senkte sich unruhiger Schlaf auf die Männer und Frauen in der grünlich beleuchteten Höhle herab. Hier und da schreckte ein Gefangener rasselnd wieder auf, doch dann wuchsen die Schatten, sie wurden schwarz, undurchdringlich und griffen nach den Sklaven der Drow.
Amaryl, Orel, Heynryck, Floki und Corwin fanden sich in den dunklen Tunneln des Unterreichs wieder. Jeder von ihnen war allein. Sie wussten nicht wie lang sie bereits das Labyrinth aus den gewundenen Gängen durchwanderten, doch plötzlich hoben sich die schwarzen Schatten zu ihren Füßen als ölige, pechschwarze Tentakel und griffen nach ihnen. Sie begannen zu rennen und ein haarsträubendes Heulen erhob sich irgendwo hinter ihnen über den eigenen, ohrenbetäubenden Herzschlag. Sie stürzten und die Wunden, die ihnen die Drow zugefügt hatten, platzten wieder auf. Weiße, fette Maden krochen aus den blutenden Öffnungen in ihrem eigenen Fleisch hervor. Kurze Zeit später waren sie umgeben von pulsierenden schwarzen Tentakel und weißen Maden die sie langsam erstickten.* * * * *
Das Jahr der Roten Hexe, 1491 TZ
Irgendwann im Sommer
Irgendwo im Unterreich
Tag 4 für Orel im Außenposten
Tag 3 für Heynryck, Corwin und Floki im Außenposten
Tag 2 für Amaryl im Außenposten
Tag 1 Thalra im AußenpostenHeynryck wurde aus der pulsierenden Masse gerissen und baumelte kopfüber von einer Tentakel. Dunkelheit umgab ihn. Neben ihm erschienen zwei riesige, feurige Augen in den undurchdringlichen Schatten. Dann schrie ihn das unsichtbare Maul unter den glühenden Monsteraugen an. Der heiße Atem der alptraumhaften Kreatur brannte wie Feuer auf seiner Haut, bevor die ölige Tentakel zu schmelzen begann. Das dunkle Fleisch schmolz und tropfte wie Pech in die Dunkelheit hinab. Dicke Ketten kamen zum Vorschein, deren Glieder den Halbelf plötzlich nicht mehr in der Luft halten wollten und ihn in den freien Fall schickten. Dann stoppten sie den Sturz heftig und schmerzhaft. Heynryck baumelte orientierunglos in der Dunkelheit und drehte sich im Kreis, dann zog ihn die Kette langsam nach oben auf die glühenden Monsteraugen zu. Langsam schälte sich aus den Schatten eine riesige Eiserne Jungfrau. Das Folterwerkzeug ragte bedrohlich über Heynryck auf, dann schlugen ihm Flammen aus den glühenden Augen der geschlossenen Jungfer entgegen. Hilflos hing er mitten in der Luft. Erst als jegliche Bewegung aus der Kette und dem Halbelf geschwunden war erklang die blecherne, donnernde Stimme der eisernen Riesin:
"Wissen ist Macht, Heynryck."
Dann zersprang die Kette, von der der Paktmagier baumelte, und er stürzte in die Finsternis.Nach Luft ringend und Schweiß gebadet erwachte der Halbelf inmitten der anderen Gefangenen, die ihn besorgt ansahen. Er wusste, dass er geträumt hatte, doch er wusste auch, dass im Unterreichs etwas schrecklicheres als die Drow lauerte.
So fiel den wenigsten von den Gefangenen auf, dass Sarith nicht mehr der einzige Drow hinter dem Gittertor war. Ethena "Thalra" Claddt'tar rappelte sich auf. Ihr Schädel schmerzte, ob der heftigen Strafen, die Herrin Ilvara über sie verhängt hatte. Die Worte der Priesterin hallten noch immer durch ihren gemarteten Kopf:
„Finde dich mit deinem Schicksal als Sklavin der Spinnenkönigin ab, lerne zu gehorchen und du magst überleben.“Vier Laternen die das schwache, grünliche Licht von unterirdischen Pilzen ausstrahlten sorgten für eine kränkliche Beleuchtung der kleinen Höhle. Die weitestgehend natürliche Kammer war gute dreißig Fuß lang und besaß die grobe Form eines Auges. An ihrer breitesten Stelle maß sie knappe zwanzig Fuß. An einem Ende versperrte ein schweres Gittertor den einzigen, sichtbaren Zugang, während sich eine bunte Mischung an anderen Gefangenen in den Schatten nahe den Felswänden aufhielt.
Es war eine wahrlich bunte Mischung aus Völkern die, wie so viele, mit den Drow verfeindet waren: drei Tiefengnome, zwei Waldgnome, eine Oberflächenelfin, ein Halbelf, ein Mensch, eine Schildzwergin und ein männlicher Zwerg mit graublauer Haut - es konnte sich um einen der berüchtigten Derro handeln - ausserdem waren da noch ein Ork, ein Quaggoss mit schmutzigem, weißgrauem Fell in einer viel zu kleinen Brokatweste, ein Kuo-Toa mit geschuppter, purpurfarbener Haut, ein grauer Mykonid mit zwei stämmigen Beinchen und ein Drow. Ja, Thalras Volk war dafür bekannt erbitterte Machtkämpfe in den eigenen Reihen zu führen.
Durch das Gittertor war ein großer Stalagtit zu sehen der von der Höhlendecke hing. Der Abtropfstein war gut bestückt mit Tonschalen in denen das lilafarbene Feenfeuer der Drow züngelte.