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Prolog: Auf feurigen Schwingen

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Luther Engelsnot:
Eyre, im Jahr 1000 nach Gründung des Königreichs der zweite Zol des Monats, hoch in der Luft über Q'Barra

Die strahlende Zukunft eines der prächtigen Luftschiffe von Haus Lyrandar schwebt majestätisch über den Wolken. Voll geladen mit Fracht und einigen wenigen Passagieren befindet sich das Gefährt auf dem Weg nach Neu-Thron, der Hauptstadt von Neu-Galifar. Der Elementarring um das Schiff brüllt unter der Last und ein ständiges Knistern der Flammen begleitet alle Mitreisenden auf jeder zurückgelegten Meile. Doch keiner der Passagiere muss etwas vor den tosenden Flammen dieses eingesperrten Elementars fürchten, denn die Kapitänin Hina d'Lyrandar hat alles unter Kontrolle und hat diese Route schon dutzende Male bereist. Nie ist etwas passiert und der Luftverkehr gilt als gesichert, die Steuerfrau als erfahren und kompetent.
Unter ihnen erstreckt sich der Dschungel von Q'barra, nachdem sie den hohen Bergkamm, der diese Gegend so isoliert, überflogen wurde. Der Wind pfeift über das Deck, während die Frühlingssonne eine angenehme Wärme verbreitet und einen ausgezeichneten Tag zum Reisen markiert. Einige wenige Wachen, nicht mehr als eine Handvoll, in Kettenpanzern mit blauen Waffenröcken mit dem Symbol von Haus Lyrander lungern gelangweilt auf ihren Posten und überall ziehen dicke Wolkenschwaden umher.
Für viele ist die Reise mit dem Luftschiff eine völlig neue Erfahrung, denn sie wurden erst vor wenigen Jahren in einem Geniestreich von den Drachenmalhäusern entwickelt. Nun stellen sie die beste und schnellste Möglichkeit zum Reisen und Transportieren von Fracht dar. Das Schicksal hat jedoch eine merkwürdige Reisegruppe zusammengeführt. Eine junge Frau mit feuerrotem Haar in Begleitung eines wirklich bemerkenswerten Kriegsgeschmiedeten. Ein Templer der silbernen Flamme, ein Mann Mitte dreißig mit einer Lauter über dem Rücken, die unbewusst alle aus demselben Grund an Bord dieses Schiffes sind. Fast so als würde ein höherer Plan dahinter stecken oder ein großer kosmischer Zufall.
Aber das waren nicht die einzigen Gäste des Luftschiffes. Ein Wandler, nur bekleidet mit einer weißen Pluderhose steht am Bug des Schiffes. Sein Körper ist überzogen mit braunen Fell und seine Gesichtszüge haben etwas Wölfisches. Dicke Koteletten zieren seine Wangen, während die Haare kurz geschnitten sind und wild abstehen. Sein Körper ist breit gebaut und er starrt nachdenklich in die Ferne. An der Reeling gelehnt steht ein kleiner Halbling. Sein durchtrainierter Körper ist in eine Lederrüstung gehüllt und sein schmales Gesicht ist mit Narben und Stammesmustern aus roter Farbe überzogen. Die feuerroten Haare stehen nach oben und auf seinem Rücken ruht ein Speer wie ein Bogen. Er schaut immer wieder den Wolken nach und grinst wie ein Kind. Neben ihm eingerollt, liegt ein Saurier. Eine bunt geschuppte Echse mit einem Federkamm und scharfen Krallen. Der letzte der sichtbaren Passagiere auf dem Deck ist ein Hobgoblin in einem feinen weißen Mantel mit goldenen Absätzen und einem dreieckigen Spitzhut. An seiner Seite ruht ein edler Rapier und unter dem Mantel lugt ein seidener goldener Wams hervor. Ein wahrlich seltener Anblick, der jedoch Clarisse und Aegis mehr als bekannt vorkommt. Es ist ein Mitglied der Wegfinder-Stiftung, der große Entdecker Mungolo.

Johann ir'Aldath:
Wie schon seit Beginn der Reise steht Johann auf dem Deck und lässt den Blick über den Horizont wandern. Er hält immer Abstand zur Reling. "Menschen sind nicht fürs fliegen gemacht.", hat er am Anfang immer vor sich hergemurmelt als das Luftschiff sich zum ersten Mal in die Höhe erhoben hat. Innerlich misstraut er der neuen Technick noch. Er hat schon mit der Blitzbahn seine Probleme gehabt, aber fliegen war noch einen Schritt weiter; schlimmer. Das merkwürdige Gefühl wurde er nicht los.

"Menschen sind nicht fürs fliegen gemacht."

Um sich selbst zu beruhigen setzt er auf eine Kiste mittig auf dem Deck. Gedankenverloren zupfen seine Finger an den Saiten seiner Laute. Seine Lippen formen den Anfang eines bekannten Trinkliedes. Wenn er ehrlich ist versucht er sich von dem mulmigen Gefühl abzulenken. Dies wid er nie zugeben. Angst ist Schwäche und wer auf der Straße schwach ist überlebt nicht lange. Und Johann hat schon lange überlebt seid er Neu-Galifar verlassen hat. Das Haus Aldath im Rücken und Eberron vor sich. Und nun führt Weg wieder zurück. Zwar hat er sich geschworen nicht zurück zu kehren. Zu seinem Vater und seinem Bruder dem Mörder, aber der Brief, der ihn erreicht hat klingt hinreichend verzweifelt. Es riecht nach einer Chance sich im Leid seines Vaters zu suhlen.

Roland ir'Aldath:
"Du bist der letzte Erbe des Hauses und musst eine schreckliche Bürde auf dich nehmen. Du musst die Fehler der Vergangenheit korrigieren und unser Haus, nein dich selbst retten, ehe es uns alle verschlingt. Wir haben schreckliche Entscheidungen getroffen, zu tief gegraben, waren zu gierig und jetzt bin nur noch ich übrig. Nein bald nicht einmal mehr das. Ich bitte dich inständig, mache dich sofort auf den Weg zu unserem Familiensitz in Wächterstein in Q'barra. Nimm dein Erbe an und errette deine Familie. Ich wünschte die Göttlichen Heerscharen könnten uns vergeben, doch ich fürchte auf mich wartet nur noch die grausige Umarmung des Raffers, wenn nicht gar schlimmeres."

Nachdem er den Brief nun sicher schon zum zehnten Mal durchgelesen hat, steckt Roland das Schriftstück wieder in seine Westentasche, nur um es wenige Augenblicke später erneut hervorzuholen.
"Von was spricht Vater nur? Hat er das überhaupt geschrieben?"
Roland ir'Aldath ist zwar nun schon einige Zeit nicht mehr auf dem Familiensitz gewesen - der letzte Heimatbesuch ist sicherlich fast ein Jahr her - aber der Brief erscheint ihm so gar nicht nach seinem Vater zu klingen. Ist es wirklich möglich, dass dieser sich mit irgendwelchen finsteren Mächten eingelassen hat, wie es der Brief zumindest anklingen lässt? Oder hat Roland das einfach nur falsch verstanden? Würde er seinen Vater schlechter kennen, würde er von einem Scherz ausgehen, aber das kann Roland getrost ausschließen.

Eines hat Roland sich jedoch vorgenommen. Wenn er zuhause ankommt, wird er endlich reinen Tisch mit seinem Vater machen; bis jetzt denkt das Oberhaupt der Familie immer noch, Roland würde sein Studium an der Universität bald beenden, während er in Wirklichkeit schon vor Jahren seine wahre Bestimmung gefunden hat und in den Dienst der einzig wahren Kirche der silbernen Flamme getreten ist. Sein Vater konnte mit Religion nie viel anfangen und würde die Entscheidung vermutlich nicht verstehen, aber es ist nun einfach an der Zeit, dass Roland sich dem Konflikt stellt und sein Vater akzeptiert, dass er seinen eigenen Weg gefunden hat. Zudem wurde er vor kurzem offiziell in den Orden der Templer aufgenommen und so ist sein weiterer Weg nun fest vorgegeben und auch Vater würde nichts mehr daran ändern können.

Im Gegensatz zu seinem letzten Besuch trägt Roland nun auch offen die Farben der silbernen Flamme, wenn er auch für die Reise natürlich auf die Rüstung verzichtet und in bequemer Reisekleidung mit Waffenrock und Umhang reist.
Auch wenn die Luftschiff-Technologie noch relativ neu ist, hat der Templer bereits mehrere Reisen hinter sich, und so widmet er sich nach kurzer Zeit der Musterung seiner Mitreisenden, während einige von ihnen offenbar noch voller Aufregung ob des Fluges sind und die Eindrücke der Umgebung in sich aufsaugen.
Es ist eine bunte Schar von Reisenden an Bord, von denen die meisten Rolands Aufmerksamkeit nicht lange auf sich ziehen. Hängen bleibt sein Blick vor allem an dem Kriegsgeschmiedeten und dem Wandler, der den Paladin zu sehr an einen echten Lykanthropen erinnert, um ihn einfach zu ignorieren. Egal, welche offizielle Haltung die Kirche jetzt vertrat: Für ihn sind die Wandler als Abkömmlinge von Lykanthropen eine zu große Gefahr für die Allgemeinheit, als dass man sie einfach so herumlaufen lassen sollte.
Der Kriegsgeschmiedete ist zwar auch eine unnatürliche Abscheulichkeit, dennoch kann Roland eine gewisse Faszination ihm gegenüber nicht verhehlen. Es geht ihm zwar zu weit, diesen Wesen gleichberechtigten Status mit den anderen Rassen zuzugestehen, schließlich wurden sie von Menschen erschaffen und können daher unmöglich eine unsterbliche Seele besitzen. Auf der anderen Seite verhalten sich viele von ihnen erstaunlich menschlich, und sie können ihren Zustand immerhin nicht per Biss weitergeben.

Schließlich lehnt Roland sich wieder an die Reling und beobachtet schweigend die vorüberziehende Landschaft, während seine Gedanken sich wieder seinem Vater zuwenden ...

Hina d'Lyrandar:
Die Kapitänin des Luftschiffes steht auf dem Achterdeck am Steuer; die himmelblaue Uniform mit Goldrändern sitzt perfekt, das blonde Haar weht im Wind. Beide Hände der Halbelfe ruhen auf dem Steuerrad - zwischen den Fingern der Linken kommt sanftes blaues Leuchten hervor, die Magie des Drachenmals, die es ihr erlaubt, so mühelos das mächtige Feuerelementar zu kontrollieren. Und in ihren Händen sieht es wirklich mühelos aus, ein Kinderspiel!
Über der linken Schulter der Drachenmaladligen schwebt ein kleineres Elementarwesen, eine Art wirbelnde Sturmwolke, die mitunter eine vage humanoide Gestalt oder Gesichtszüge ausbildet. Die Elementarbändigerin und Steuerfrau liebt allem Anschein nach ihr Handwerk und genießt den Flug. "Absolut sicher!," hat sie zu Beginn der Reise allen Passagieren versichert, "Noch nie ist gab es auf der Strahlende Zukunft einen schlimmeren Unfall, als einen vergessenen Regenschirm!"
Gerne hätte Hina d'Lyrandar gewusst, was all die unterschiedlichen Leute diesmal an Bord ihres Schiffes geführt hat. Leider haben sich nur wenige von ihnen gesprächig gezeigt, also mutmaßt sie einfach für sich, was denn ihre Motive und Ziele sein mögen. Der Blick der Kapitänin schweift vom Halbling und dessen Echse zum meilenweit bestgekleideten Hobgoblin, dann zum Wandler, auf dem er eine Weile ruhen bleibt. Danach mustert sie das ungleiche Duo - die rothaarige Menschenfrau und den bulkigen Kriegsgeschmiedeten - indem sie immer wieder zwischen den beiden hin und her schaut, sich aber schließlich kopfschüttelnd abwendet. Die letzten beiden Passagiere scheinen das Interesse der Halbelfe am längsten zu fesseln. So oft wie sie prüfend von dem einen zum anderen blickt, könnte man meinen, dass ihr eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen aufgefallen ist. Wer weiß?

Clarisse:
Clarisse steht an der Reling und lässt ihre langen roten Haare im Wind wehen. Sie genießt  den Flug, ihre leichte Höhenangst ihrer Kindheit hatte sie durch hartes Training in den Bergen überwunden. Heimlich greift sie unter ihre Bluse und fühlt das ruhe Papier unter ihren Brüsten. Auch wenn Aegis manchmal skrupellos in Wahl seiner Mittel war, hatte er sich ihr gegenüber als Gentleman verhalten. Ihr Busen war der sicherste Ort vor seinem Zugriff, und wenn sie erstmal im Dschungel waren.
 
Clarisse lächelt als unter den illustren Gästen ihren Cousin erkennt. Auch wenn sie Roland ir' Aldath
nie persönlich traf,  hatte sie natürlich Bilder von ihm gesehen. Das er sie nicht erkennt ist ihr nur recht, das könnte sie für ein kleines Spielchen nutzen. Sie dreht sich um, um zu sehen wo Aegis sich wieder rumtreibt.

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