Autor Thema: Wohin die Wärme flieht...  (Gelesen 39274 mal)

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Menthir

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Wohin die Wärme flieht...
« Antwort #30 am: 21.12.2016, 17:51:27 »
03. Zima - 49tes Jahr des Neubeginns - Do Glaz Ostanovki - Arbamanka - 20:05 Uhr

Während sich Djirris, Koska, Kosta, oder welche Namen, Identitäten, Ausformungen und Gestalten er noch alle sein und haben mochte, mit Sawelij unterhielt, füllte sich das Gasthaus langsam weiter. Gegen acht Uhr war eine typische Zeit, in der in vielen Kleinfabriken und in den Lagerhallen des Bahnhofs von Arbamanka der Hammer fiel. Wenig verwunderlich waren es jetzt jene abgekämpften Gestalten, die ihren Weg in das Gasthaus fanden. Der Monat hatte gerade begonnen, die Zahlungen durch die Firmeneigentümer, die Betreiber, durch die Arbeitgeber war getätigt und so manche Gestalt fühlte sich in den ersten Tagen des Monats wahrhaft fürstlich, lebte über die Stränge und verfeuerte seinen Lohn für wenige Momente der trunkenseligen Beliebtheit, wenn sie einige Runden schmiss. Und solche fürstlichen Gaben luden nicht nur des Trunkenfürsten Gesinde, sondern auch so manches Gesindel, welches auf diese Form der Almosen, auf die bierige oder geistige Mildtätigkeit gierte. Wie Geier umkreisten sie die Fürsten des Tages, auf dass die eine oder andere Spirituose in ihrem Hals landete. Und als Dank gaben sie dem Suffbaron das Gefühl, für diesen Tag von Bedeutung zu sein, für einen Tag mit dem höchsten Zeichen von Stärke und Macht geadelt: Gnade und die eben daraus erwachsende, sehr kostspielige, manches Leben in der Gosse am Ende des Monats beendete Mildtätigkeit.

Heute kam der Suffbaron - so sein unausgesprochener Ehrentitel - wie so häufig eher ungewollt zu diesem Vergnügen und nicht mit der bewussten Absicht, doch schnell war klar, wer es sein würde. Drei von Kohlen geschwärzte Männer mit ehemals blauweißer Bahnermütze kamen heran, zwei von ihnen noch jung, keine zwanzig Jahre alt, mit bubenhaften Gesichtern, weichem Flaum auf den Wangen und rostroten bzw. blonden, struppigen und schmutzigen Haaren. Sie umringten in dürstender Dienstbarkeit eine großgewachsene, hagere Gestalt mit einem schmalen Kinn, schlechten Zähnen und tief eingesunkenen Augen. Das Zerrbild der noch jugendlichen Kraft seiner Anhänger. Mit schmutzigen Fingern hob er drei Finger, um dem Wirt sein Anliegen zu gestikulieren. Besucher der Kneipe blickten ihn erwartungsvoll an, die beiden Bahnerjünglinge blickten ihren Kameraden an, der sich nur unbewusst über die Lippe leckte. Irgendwo aus einer Ecke lachte ein Zwerg, dass der Bahner doch an den ehrenwerten Namen des Gasthauses denken sollte. Do Glaz Ostanovki - Bis zum Augenstillstand. Lachen erschall durch die Kneipe und brandete auch über den Ratling und den Elfen am heißen Feuer hinweg. Der Wirt zwinkerte und fügte mit halben Satz hinzu, dass sie sowieso eine lange Nacht hätten, da heute Nacht der erste Schnee des Jahres fallen solle. In den Blicken unausgesprochene Forderungen, die jeder Kneipenstammgast verstand. Dann war es passiert, die rituelle Investitur des designierten, quasi-religiösen Suffbarons hatte geklappt und der schmale, hagere Mann fügte zu seinen Finger mit kehliger, ausgelaugter Stimme hinzu. "Wenn ich drei Finger zeige, mein ich nicht drei Bier. Ich meine natürlich drei Runden für alle." Stürmisches Lachen, poltern auf den Tischen, Klopfen an der Decke, Gejohle. Das dürstende Volk hatte seinen Trunkenfürsten gefunden. Auf dessen Gesicht bildete sich das wohlige, wärmende, treudoofe Grinsen des mildtätigen Adligen, der sein Volk diesen Abend mit Schirm und Charme schützen würde, und dessen Mildtätigkeit ihren Ausdruck fand bis die Augen stillstanden.

Nach den Eisenbahnern strömten noch zwei Männer mit blutigen Schürzen in die Kneipe, wahrscheinlich Schlachter, doch selbst sie waren verhärmt und hager. Und schließlich kehrte auch die tanzende Frau mit dem Zwergen zurück, sich ganz in die Nähe von Sawelij und Djirris setzend. Der Zwerg setzte sich an den Tisch, Bröckchen Erbrochenes tanzten seinen grauschwarzen, ungekämmten Bart herab, während er seinen Kopf in den Armen verbarg, als machte ihm der Lärm, die Hitze und die Besucher Unbehagen, und als könnte er doch nicht fort von diesem Ort. Ihr entrückter Blick kehrte, unter der Schwere kohlerusiger Luft, zurück ins Hier und Jetzt und musterte Djirris einen Moment und lächelte dann. Abfällig betrachtete sie den Ratling mit seiner Katze, und schaute dann den Elfen an. Ein neckischer Blick, ihre Lippen bewegten sich, doch sie verkniff sich den anzüglichen Spruch, den ihr durch den Kopf gehen musste, da der Zwerg seine schieferige, dunige Stimme erhob.
"Scheiße.", ein tiefes Brummen folgte, seine knotigen Finger fuhren durch den Bart und schleuderten die erbrochenen Bröckchen aus ihm auf den ausgelatschten Boden. "Wieso muss es immer mich erwischen?"
"Was, Schätzchen? Kotzen ist doch keine Schande.", sagt edie Frau im dünnen Hemd, welches zu tief blicken ließ, mit einer ähnlichen Abfälligkeit, mit der sie eben Djirris belächelt hatte.
Der Zwerg machte eine wegwerfende Geste und brummelte einen Moment, sein Kopf fühlte sich wie eine alte Bleikugel an, sein Nacken hing erschöpft. Beim Erbrechen waren kleine Äderchen um seine Augen geplatzt, seine Augen waren blutunterlaufen und er hatte bestimmt länger als einen Tag nicht geschlafen. Er trug an der Nase einen Nasenring, der ihm jetzt scheinbar Unbehagen bereitete.
"Wer redet denn vom Kotzen...Nein. Dass ich immer mit viertklassigen Nutten abstürzen muss und meine Termine verpasse..."
Die blonde, erschöpfte Frau war wahrscheinlich Beleidigungen gewohnt und rümpfte die Nase spielerisch und versuchte eine gewisse Nonchalance zu bewahren. "Drittklassig dann doch...", erwiderte sie in ihrer süffisanten Art, was der Zwerg nur mit einem Grummeln quittierte.
"Scheiße. Schau es dir an, Schicht ist durch. Ich habe die verdammte Versammlung verpasst." Ein fragender Blick des Zwergen traf die dürre, blondhaarige Frau. "Hatte ich dich nicht gebeten, für mich auf die Uhrzeit zu achten?"
Sie antwortete belustig und nahm einen Schluck aus ihrer grünen Flaschen, der sie vorher einen spielerischen Blick ins Innere widmete. "Kann ich ahnen, dass der Blick in die Flasche so ein ungeeignetes Zeitmessinstrument ist?"

Der Wirt schob sich von der Seite dazwischen, stellte sechs dünne Gläser mit dünnen, schaumlosen Bier vor dem Zwergen ab und erläuterte, dass der Bahner das ausgegeben hatte. Auch Djirris und Sawelij hatten im Nu je drei weitere Gläser der Hopfenkaltschale vor sich stehen. Ein Teil des Gespräches zwischen der Blonden, die möglicherweise eine Prostituierte war, und dem Zwergen mit dem Nasenring ging im tumulthaften Jubel unter, als der metaphorische Suffbaron für seine milde Gabe bejubelt und geherzt wurde - samt eines dreifachen Prosits für die dreifache Runde.
Als der Lärm in der kleine Kneipe wieder abschwall, war auch der Zwerg wieder zu hören, mit seinem tiefen, genervten Brummeln. Die Blonde hatte sich inzwischen ihm gegenüber gesetzt, schaute aber eher zwinkernd zu Sawelij als zu dem Zwergen, der sie aufgrund seines schweren Kopfes kaum im Blick hatte.
"...Großväterchen Istvan wird kaum erfreut sein, dass ich nicht aufgetaucht bin. Ob du glaubst oder nicht, die alten Volakhi[1] sind echte Eierquetschen. Von wegen verzweifelte Alte. Hurensöhne sind's. Scheiße. Das wird Ärger geben..."
"Was wollte er denn von dir?", fragte die Blonde mit gespielten Interesse und nippte an ihrem Bier, wobei sie dann jedoch das Gesicht ob der Bierwärme verzog.
"Dieses und jenes.", sagte der Zwerg lakonisch und nichtssagend, um dann doch nach einer Sekunde das Gesicht zu verziehen, sich zu der Blonden vorzubücken und zu flüstern[2]. Ihr Gesicht verzog sich in Erschrecken, während der Zwerg sich grinsend zurücklehnte. "Genau, Schätzchen. Und er wird scheiße sauer sein, dass ich deswegen nicht dort war." Das Grinsen verschwand schnell, nachdem er sich den Moment aufspielen konnte. "Aber ich sag dir was. Wir saufen jetzt einen, den Volkov[3] finde ich schon bis morgen Mittag."
Dann setzte er das erste Bier an und begann zu trinken, obwohl er noch vor wenigen Minuten seine letzten Biere mit dem Gehweg geteilt hatte. Aber hier in Demjanowka wurde das Sprichwort - Lieber den Magen verrenken, als dem Wirt was schenken - bekanntlich sehr ernst genommen.
 1. Über die Volakhi wisst ihr auch ohne Würfe auch das, was ich im ersten Beitrag dazu geschrieben habe.
 2. 
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 3. 
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« Letzte Änderung: 21.12.2016, 17:59:12 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Menthir

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« Antwort #31 am: 21.12.2016, 21:12:08 »
03. Zima - 49tes Jahr des Neubeginns - Am Tor der Brüderschaft - Sjukowo - 19:44 Uhr

Die Worte Maras begleiteten unruhige Füße, nicht nur, weil ihre Worte einige ins Mark trafen, sondern auch, weil die Kälte, je länger man an diesem Ort verbrachte, immer unerträglicher wurde. Ein kalter Hauch des Windes ließ das alte Tor der Brüderschaft bedrohlich quietschen, symbolisch für die vernachlässigte Brüderschaft im metaphorischen wie unmittelbaren Sinne. Demjanowka litt sicher an einigen Egoismen, die jedoch unterschiedlicher Art waren. Von den propagierten, (hab-)gierigen Egoismen der Bonzen, der Fabrikanten und jener, welche Erde und Humanoid gleichermaßen zum eigenen Vorteil bluten ließen bis zu den erzwungenen Egoismen, welche eher einem Erhaltungstrieb oder einer sehr eingeschränkten Solidarität - mit der Familie, mit der Liebe, mit den Freunden oder Bandenmitgliedern, vielleicht einzelnen Kumpeln oder Kollegen - entsprang. Und zwischen diesen beiden Extrempunkten ließ sich eine straffe Leine unterschiedlichster Egoismen aufspannen, und einige fanden auch in diesem Gespräch ihre Entsprechung. Während viele der Halblingin aufmerksam zuhörten und im Kleinen, im Falle der alten Dame, des Orks und Oleg Taktovs auch im Großen, darüber diskutierten, scharrten andere ungeduldig mit den Hufen. "Immer reden. Reden füllt keine Mägen.", murmelte der eine. "Ja, das sagen die Fabrikbesitzer auch so. Es muss immer schlechter werden, ehe es besser werden kann. Kennen wir schon.", grummelte der andere. Eine abgemagerte Frau mit hervorstehenden Wangenknochen seufzte nur, während ihre Freundin, die sie stütze, sie langsam von der Menge wegführte. Beide Frauen waren steifen Schrittes, froren und entnahmen entgegen anderer keine Hoffnungen aus dem Gespräch. "Ich kann nicht mehr, Dana...", sagte die Schwächere von beiden, als sie davongeschleppt wurde, zurück auf dem Weg in die Stadt. Manche besaßen einfach nicht mehr die Kraft, sich zur Hoffnung aufzumachen, an sie zu glauben, oder ergaben sich - unbewusst - einfach dem Drang, ihrem eigenen Überlebensdrang zu folgen. Noch mehr opfern zu sollen, noch mehr leiden zu sollen. Nicht jeder konnte diesen Gedanken noch schultern. Und so waren es nach kurzer Zeit noch um die zwanzig Personen unterschiedlichster Couleur.

Oleg Taktov stand noch immer dort, der bebende Kondensatem um ihm ließ darauf schließen, dass er schneller atmete, als versuchte er seinen Zorn unter Kontrolle zu bringen. Etwas, was ihm sichtbar nicht so ganz gelingen wollte, auch wenn er jetzt etwas leiser sprach, dafür allerdings auch gepresster.
"Dann redet halt. Und lasst die zarten Knospen der Hoffnung, die ihr gerade sprießen machtet, wieder im Winter Demjanowkas erfrieren. Eure Sache. Aber was besser nicht mehr eure Sache sein sollte: die Wagen. Was glaubt ihr..." Der Zorn im Blick des Mannes erlosch augenblicklich und eine angstvolle Vorsicht drang hervor, mit schattenhaften Klauen ersetzte sie seine eben noch vorhandene Entschlossenheit, als er sich sorgsam umblickte. In der Ferne erspähte er noch immer den Alten als kleinen Punkt, der gerade unter dem langen Pfad magisch-trüber Laternen die Wohnschluchten Demjanowkas erreichte und alsbald in deren Gewirr verschwinden würde. Seine Stimme wurde noch leiser, er versuchte sie noch gepresster wirken zu lassen. Es gelang ihm, doch es war offensichtlich, dass es zu ostentativ, zu gespielt war. Er roch nach billigen Schnaps und Angst. "in den Wagen ist? Glaubt ihr, ihr werdet die Halblinge, die euch einen Wagen schicken wollten, noch finden? Wir hätten ihn überraschen können und ihr...ARGH!" Er raufte sich die Ohren und stampfte auf den harten, gefrorenen Boden. "Verdammte Scheiße!", brach es aus ihm heraus, warf wild seine Arme um sich herum, wobei ein gläserner Flachmann aus seinem Ärmel rutschte und berstend auf dem Kopfsteinpflaster aufschlug. Eine Wolke eines bräunlichen, nach Salbei und Geist stinkenden Schnapses, verteilte sich auf jene Unglücklichen, die direkt um ihn herumstanden. "Er weiß jetzt, wer ich bin. Seine Männer werden mich töten. Und euch kennt er auch. Ihr werdet genau sterben, wenn ihr ihm im Weg seid! SCHEIßE! VERDAMMTE SCHEIßE!"
Irgendwas verließ ihn, bemächtigte sich seiner, womöglich die irrsinnige Furcht, die er vor wem hatte? Dem Alten, der nur verfrorene Leichen zur Magie-Anstalt zog? Diese Mischung aus Angst und Furcht bewegte seine Beine, als sei er nur ein Automat seiner Triebe. Wie ein gehetztes Tier, hinter dem ein Schweißhund her ist, sprintete er jetzt durch die Menge. Einfach nur nach Süden, auf zu den Höfen der halblingischen Bauern. Verdutzt blickten ihm die Umstehenden hinterher.
In der Ferne stand der derweil der alte Mann an den ersten Wohnblöcken, einen Augenblick wirkte es so, als blickte er zurück auf die Versammlung, die noch immer am Tor der Brüderschaft stand, unter diesem ermatteten Licht und sich beratschlagte, wie es weitergehen würde. Dann bog er ein in die Straßen nach Bulajew, auf in die dampfende See, in das Maschinenviertel, wo die Volakhi die Leichen zur Magie-Anstalt brachten und verschwand somit aus dem Sichtfeld.

Der humpelnde Ork nickte Mara dankbar für die Definition der Solidarität zu. "Also doch ein wenig wie Kameradschaft. Es klingt gleich, aber beides verstehe ich nicht wirklich. Ja, ich verstehe eure Worte, verstehe den Satz. Aber sein Inhalt will mir nicht begreiflich werden. Vielleicht muss man solches erst erfahren, damit man es verstehen kann, was? - Ist es auch bei dieser Solidarität so, dass sie mehr Schlagwort als Wirklichkeit ist? Im Krieg sind wirkliche Kameraden was besonderes. Ein solcher Bund ist jedoch schwer geschmiedet. Schauen wir uns die Welt doch an, selbst das Weltenfeuer Ozrics[1] hat nicht alles verschmelzen können. Diese Stadt hat so viele...Tut mir leid. Ich kann mir einfach noch nicht vorstellen, wie Solidarität erreicht wird. Ich kann verstehen, was Solidarität bringen wird, wenn sie erreicht ist. Aber ich kann nicht sehen, wie sowas erreicht wird. Das geht jenen, die gegangen sind, wohl auch so. Ich glaube...", er überlegte einen Moment, wie er ausdrücken sollte, "...sie glauben euch. Sie finden nur keine Hoffnung mehr und sehen keinen Weg. Sie frieren einfach. Die Kälte ist so allgegenwärtig, dass es selbst den Seelen friert."
Er juckte seine frierende Nase und bewegte, massierte sie mit seinen Fingern, als würde er sie so aus starrem Kälteschlaf erwecken können. "Ihr wollt also, um Solidarität zu praktizieren, Personen suchen, von denen ihr glaubt oder wisst, dass sie dies praktizieren und hofft so, dass es die Bewohner der Stadt im positiven Sinne ansteckt? Das kann ich nachvollziehen, das ist auch eine Art Vorangehen. Aber was ist das Ziel dann? Schmerzen lindern, in dem Essensausgaben und die Chance auf Bett, auf eine grobe, medizinische Versorgung durch Solidarität verbessert wird. Dann über lange Zeit und darüber eine gemeinsame Basis errichten, um dann die dahinterstehenden Probleme anzugreifen, indem eine nun dankbare und solidarisch gewordene Gruppe von Personen euch und den dann gemeinsamen Zielen gewogen ist?
Er zuckte dann mit den Schultern und sagte schließlich.
"Das könnte ich auch verstehen. Aber ist dafür genügend Zeit dafür vorhanden? Und ist abzusehen, was damit erreicht wird? Sind die Personen, die wirklich in Frage kommen, nicht auch schon am Rand ihrer Belastungsfähigkeit? Was wird wohl nötig sein, um sie zu überzeugen? Und wissen wir, ob sie solidarisch sind und nicht auch - auf ihre Art - eigene Pläne verfolgen? Ich weiß auf jeden Fall, dass ich kein großer Diplomat bin. Da werden ich und meine Leute wenig helfen können."

Podkhalim räusperte sich schließlich, um den Ork zu unterbrechen, und posaunte schließlich glucksend.
"Das Buch der Engel spricht für da doch deutlich: «Der Hunger des Arbeiters arbeitet für ihn, denn sein Mund spornt ihn an.»"[2]
Wahrscheinlich war es ein Einwand dagegen, die Armen zu schnell zufrieden zu stellen, auf jeden Fall erheiterte es den Zwergen für einen Moment, während der Ork eher skeptisch dreinschaute. Die Frau - Marija Olakova - hingegen verhielt sich für den Moment still. Sorgenvoll blickte sie den Personen hinterher, die sich zurück zur Stadt schleppten. Doch auf der anderen Seite waren auch einige Personen dort geblieben, die sich weiter an die Lippen der Diskutierenden hängten. Bei ihnen war die Hoffnung wieder erwacht, so dass sie sogar das Frieren ertrugen. Sie würden sicher bereit sein, zu hören, was nun zu tun war, wie sie helfen und sich Nahrung beschaffen konnten.
 1. 
Wissen(Religion) SG 10 (Anzeigen)
 2. Entstammt eigentlich der Bibel: Sprüche 16,26
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Djirris

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Wohin die Wärme flieht...
« Antwort #32 am: 22.12.2016, 03:08:02 »
Als Sawelij seine Antwort gab, murrte die Katze, ihre Ohren sanken nach hinten und ihre Schnurrhaare sackten herab. Sie gab ein Bild des Elends ab, traurig und enttäuscht. Und auch Djirris senkte den Blick, während er sie streichelte. Die Probe war wohl nicht bestanden. "Nein, nein! Sei nicht so betrübt. Er weiß es nicht besser. Er weiß nicht, was wir von ihm erwartet haben. Wir hätten deutlicher sein sollen.", murmelte er zur Katze. Der Kopf des Ratlings erhob sich wieder und er blickte Sawelij erneut an. "Wer denkst du wird alles leiden? Wer sind diese "alle", die du meinst? Kannst du mehr sehen als nur den Konflikt am E-Werk?" War dies eine zweite Chance für den Elfen?[1]

"Wer erinnert sich noch an das wir?" Wieder kicherte der Ratling, aber kehliger, weniger freudig.[2] "Ja, du hast es nicht verstanden. Noch nicht.
Ich kenne nichts, als das Wir!
Freudlichkeit ist nicht das Einzige zwischen uns. Ein Wir besteht aus mehr. Was wäre Freundlichkeit ohne Neid und Habgier? Freude ohne Kummer? Gibt es nicht immer zwei Seiten der Medaille? Kannst du das eine begreifen ohen das ander zu kennen oder zu erleben, wie es jemandem angetan wird?
Du hast ein gutes Herz!
Und das steht dir im Weg, um wirklich zu begreifen. Versteh das bitte nicht als Beleidigung. Denn ohne dich gäbe es auch die Anderen nicht. Es braucht euch Beide. ..."


Der Ratling wurde durch das Eintreffen der neuen und alten Gäste unterbrochen. Und so schwieg er erst einmal. Statt dessen gab er erneut ein wenig Bier in seine zur Schale geformten Hand und der Katze zu trinken. Diese machte jetzt einen aufmerksamen Eindruck und betrachtete die Neuankömmlinge.
Irgendwie schienen weder Ratling noch Katze sonderlich interessiert an dem Suffbaron, außer um seine Anwesenheit wahrzunehmen.
Der Zwerg und die Dirne schienen da schon anders zu sein. Jedenfalls was die Katze betraf. Als auf den Ratling der geringschätzige Blick ging, regte sich diese, stand auf, buckelte und funkelte die Frau an, den Schweif buschig aufgeplustert. War dies eine Kampfansage? Aber eben so schnell war sie wohl wieder beruhigt, als Djirris ihr über den Rücken strich und ihr die Schalenhand hinhielt. Sie rollte sich im Schoß des Ratlings, der selbst eine Rolle im Sessel bildete, zusammen und fing wieder an zu schnurren, nachdem sie aus der Hand geschleckt hatte.
Aufmerksam lauschte der Ratling dem Gespräch und beobachte Sawelij. Hörte er auch zu? Was würde er daraus machen?
Aber anscheinend hatte der Elf entweder nicht das Gehör oder das Wissen, um die Bedeutung des Ganzen, wie er feststellen konnte.[3] Djirris würde wohl den Elfen anstupsen müssen, wenn er Volkov retten wollte. Aber sollte er das?

Dann beachtete der Ratling die beiden Nachbar nicht mehr, sondern beantwortete weiter Sawelij Fragen.
"Von Rot und Weiß und Blutgetränkt weiß ich nichts.
Aber ein Schwur!
Ein Schwur an der Statue!
Kein Schwur sollte dort leichtfertig getan werden. Und ein Schwur wie ihr ihn getan habt um so weniger.
Deshalb wohl die Worte es zu überdenken.
Weiß du wirklich was du geschworen hast?
Weißt du um die Konsequenzen?
Worte sind bei so etwas wichtig!
Du sollst für die Humanoiden eine bessere Stadt schaffen. Und mit den Psina sollst du es tun und sie in einen neuen Frühling führen.
Nun, nur für die Humanoiden? Was ist mit anderen Wesen? Tieren, Elementaren und sonstwas?
Sollst du die Stadt oder die Psinas in eine neuen Frühling führen?
Fragen über Fragen ergeben sich aus Worten, die leicht anders interpretiert werden können. Ich hoffe, das erkennst du jetzt?
Und wo wir dabei sind, erkennst du vielleicht auch, warum ich mich nicht dazu gesellt habe. Ich kann nicht nur für einen Teil eines Stadtteils da sein. Ich bin für die Stadt da, für Alles und Jeden!
Und noch etwas!
Bedenke!
Nur weil jemand schwört, daß er tut, was du ihm sagst, heißt das nicht, daß er nicht auch Dinge tut, die du ihm nicht sagst. Oder Dinge,die du ihm nicht verboten hast. Mit dem Mann zu arbeiten, wird dir mehr abverlangen, als du vielleicht ertragen kannst. Oder bereit bist zu geben. Blut scheint ihn nicht zu stören, aber dein gutes Herz bestimmt."

Djirris leerte eines der neu gebrachten Gläser und nahm aus einem zweiten einen tiefen Schluck, um seine Kehle zu befeuchten. Selten hatte er so lange Reden geschwungen. Aber der Elf war es vielleicht wert, ihm die Augen zu öffnen. Er würde sich an den Ratling wahrscheinlich sowieso nicht erinnern, sondern nur an das Gespräch. Die Frage zu einem "Verständnis der Stadt" und einer "Gleichheit" zwischen ihm und Dschaba beziehungsweise Sawelij hatte er seiner Meinung nach inzwischen mehere Male erklärt. 
"Was ich mach? Ob ich mich heraushalte?" Diesmal wieder ein amüsiertes Kichern.
"Ich bin immer aktiv im Geschehen. Ich kann mich aus nichts raushalten. Denn alles, was hier geschieht, betrifft mich. So wie es alle anderen betrifft. Nichts in der Stadt ist für sich allein. Alles bedingt einander, ist miteinander verwoben.
Aber wenn du wissen willst, was ich jetzt vorhabe?
Nun, es gibt zwei Dinge. Das Erste ist einen alten Mann finden, der eine Todeswelle verhindern kann."

Konnte der Komentar des Zwergen über "alte Eierquetscher" etwas damit zu tun haben? Und damit zu dem, was Djirris gleich preisgeben würde?
Nun reckte er sich Sawlij zu und bedeutete ihm ebenfalls näher zu kommen. Anscheinend wollte er diesem etwas zuflüstern, was er auch tat, als der Elf nah genug war.
"Jemanden namens Lavrenty Volkov warnen, daß dieser Zwerg angeheuert wurde, ihn umzubringen."
Und damit mümmelte sich der Ratling wieder in den Sessel und genoß den Rest aus dem zweiten Glas Bier, nicht ohne mal wieder seine Katze aus der Hand mit trinken zu lassen.
 1. Sorry, wenn ich Lehrer-mäßig erscheine, aber ich möchte sehen, wie du bzw dein Char diese Sache über einen blutigen Konflikt hinaus einschätzen, von dem man wohl einfach mal ausgehen kann.
 2. Ja, eine Gefühlsregung. Tatsächlich ein wenig Resignation und Einsamkeit ausstrahlend
 3. Ich nehm mir mal raus, den nicht geschafften Würfen von Sawelij vorzugreifen
« Letzte Änderung: 22.12.2016, 03:12:58 von Djirris »

Sawelij

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« Antwort #33 am: 24.12.2016, 20:19:45 »
Die Worte von Djirris ließen Sawelij schweigen. Sein Hirn marterte sich um das „wir“ und alle angesprochenen Facetten zu verstehen. Das Bier und die lauter werdende Stimmung waren dem nicht träglich. Ebenfalls schweigend nahm er die Wahl des Suffbarons hin, doch er Prostete den drei Bahnern zu, als der arme Tropf drei Runden ausschenkte. Danach kreisten seine Gedanken wieder um Djirris Worte. Die andere Seite, nein die anderen Seite. Der Suffbaron kam ihm hier als Praxisbeispiel ganz recht. Welche Seiten gab es da? Einmal wohl die des Barons selbst, der der nach Achtung lechzte und sein sauer verdientes Geld anderen in den Hals stopfte. Morgen würde, so er ihn noch erlebte, würde er diesen Moment bereuen. Das vermutete Sawelij nicht nur, sondern hatte es vor etlichen Jahren am eigenen Leib erlebt. Damals war er noch weitaus jünger, hatte seinen ersten großen Fisch gefangen und wollte eigentlich nur mit seinen Freunden anstoßen. Doch im nächsten Moment hatte er schon die erste Runde ausgegeben. Ja das Gefühl war fantastisch. Besonders für ihn damals der eher wenig im Mittelpunkt stand. Alle waren auf einmal seine Freunde, sangen, lachten und tranken mit ihm. Doch das Gefühl hielt gerade mal bis zum nächsten Morgen. Euphorie ist sehr trügerisch und füllt nicht den Magen. Ab da brauchte er noch zwei drei male, bis er den Trick raus hatte, nicht der erstbeste Suffbaron zu werden. Nun hatte er die Seite gewechselt, war zum zweiten Teil der Münze übergelaufen und gar nicht mal so schlecht darin sich ein kostenloses Bier oder Stück Fleisch zu ergattern. Seine Augen musterten die drei genauer. Ja, der sah schon schlauer aus, aber über die Jungs war mehr rauszuholen. Jetzt auf gut Kumpel machen, vielleicht selber zwei drei Münzen ausgeben und wären sie an der Reihe. Wenn er es wirklich auf ihr Geld abgesehen hätte würde es sogar noch weiter gehen. Er würde seinen neuen Kumpel voll laufen lassen und ihn dann irgendwann von seinem Geld befreien. Aber bei solchen wie den dreien ist er bis jetzt nur bis zu zwei drei weitere Bier und Ähnliches gegangen. Sie waren ja am Ende kaum besser dranne als er selbst.

Irgendwann spitzte er seine Ohren. Ah ja, die Frau und der Zwerg von draußen waren reingekommen. Offensichtlich im richtigen Moment. Wobei ihm die Blicke der Frau, auch wenn er von den geflüsterten Worten nichts mitbekam, nicht entgehen. Kurz lächelt er und Prostet ihr zu. Dem Elfen seine X-klassigen Fang abzunehmen, darauf hatte er gerade wenig Lust. Irgendwie war ihm nach der Falle und dem Schwur alles vergangen. Selbst die drei Biere vom Suffbaron standen noch unangetastet da.
Als dann Djirris seinen nächsten Schritt verriet, blickte Sawelij wieder zu dem Zwerg und der Frau. Der Rattling wollte also Lavrenty Volkov retten. Kannte er ihn? Warum, wollte er das tun? Alles betrifft ihn, denn alles betrifft alle. Tief einatmend, trank der junge Elf nun endlich sein warmes Bier aus und nahm aus dem nächsten Glas einen weiteren tiefen Schluck. „Weißt du Djirris, deine Worte wiegen sehr schwer und sind auch schwer zu verstehen. Ja die Parabel mit der Münze ist klar aber dein Weg nicht wirklich. Nicht für mich durchs einfache zuhören. So könnte ich dir nur eine halbausgegorene Antwort auf deine Frage nach dem „Wir“ geben.“ der nächste Schluck unterbrach kurz die Worte. „Darum ist es besser sie jetzt zu lassen. Schließlich, wie du ja sagst, kann ich nicht mal alle Seiten meiner eigenen Worte verstehen. Wobei ich mich frage ob es so jemanden geben kann, der alle Konsequenzen seiner Worte in weniger als einem Augenblick bedenken kann. Ich kann dir aber versichern, tief in mir fühle ich die Last der Worte. Alles hat seinen Preis. Kein Wort wird ohne Konsequenz gesprochen. So werde ich wohl meine Worte niemals ganz erfüllen können und habe somit mein eigenes Schicksal besiegelt. So die Alten wollen, wird ich aber noch einige Jahrhunderte haben. Vielleicht auch am Ende verzweifeln.“ Sawelij leckte sich über die Lippen und schob den nun leeren Krug bei Seite. „Aber was soll es? Es ist nicht meine Art den Schwanz einzuziehen und vor dem zu kneifen was kommen mag. Das Ganze, es ist eine Herausforderung und das nicht nur für mich. Denn alleine wird aus den besten Plänen nichts. Alleine, ließe sich auch kein Schicksal für alle verändern.“ Nun senkte er seine Stimme und sprach so leise wie Djirris seine letzten Worte gesprochen hatte. „Darum will ich mit dir zu dem Lavrenty. Ich bin gespannt was du, der dich alles betrifft, unternimmst. Wie du handelst um wirklich allen gerecht zu werden.“ Mit der rechten kratzte er sich am Hinterkopf und lächelte den Rattling fast entschuldigend an. „Dir sitzt halt ein Praktiker gegenüber.“[1]
 1. Herr Oberlehrer ;) , ne macht nichts.
« Letzte Änderung: 24.12.2016, 20:20:58 von Sawelij »

Djirris

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Wohin die Wärme flieht...
« Antwort #34 am: 07.01.2017, 13:20:28 »
Djirris seufzte enttäuscht und auch die Katze sah wieder unglücklich aus.
Hm, ich muß wohl noch offener werden. Warum wusseln auch all diese Gedanken in meinem Kopf herum?!
"Nicht ich habe die Frage nach dem Wir gestellt sondern du!
Wer erinnert sich noch an das Wir, hast du gefragt.
Und ich gab dir eine Gelegenheit zu beweisen, daß du es tust. Aber die Antwort, die ich erwartet habe, kam leider nicht!"

Mit einem kleinen Gedankenstoß schickte der Ratling die Katze los, um die Frau und den Zwerg abzulenken, während er sich wieder näher an Sawelij wand. Neugierige Lauscher würden sie jetzt nicht gebrauchen können.
Muckel machte seine Sache gut und schlich um die Beine der Dirne, schnurrte und verlangte eindeutig nach Aufmerksamkeit.
"Der Konflikt im und um das E-Werk ist doch nur die Oberfläche.
Was passiert, wenn der Strom ausfällt?
Die Fabriken stehen still und die Bonzen sitzen in Kälte und Dunkelheit.
Aber die Bonzen stört es nur gering. Sie haben Geld und Leute, um sich Kerzen für Licht und Holz für den Kamin zu holen. Also nur eine Unannehmlichkeit für sie.
Die Arbeiter, die nicht mehr arbeiten können, weil die Fabrik stillsteht?
Sie kriegen kein Geld für Essen, Wärme oder Licht. Für sie ist es viel schlimmer. Sie könnten Dinge tun, die dir nicht gefallen würden.
Und hier geht es deshalb auch gerade weiter. Was ist mit dem Rest der Stadt, wenn die Beleuchtung ausfällt?
Du weißt, was in der Dunkelheit an Verbrechen und Elend geboren wird, oder?
Also stell dir die Arbeiter vor, die gerade wenig bis gar nichts haben, wie sie in den dunklen Straßen nach einer Lösung suchen.
Wie einfach jemanden zu überfallen, so ungesehen!
Oder in ein Geschäft einzubrechen!
Überhaupt Dinge zu tun, die man sich sonst nie trauen würde!
Verstehst du jetzt das Wir ein wenig besser, wie ich es sehe?
Erkennst du mehr Zusammenhänge, als nur die offensichlichen?
Denn dies Gedanken sind bei weitem noch nicht alle, die es zu berücksichtigen gibt. Aber es ist ein erster Einblick, den ich dir geben möchte. Oder sollte ich Ausblick sagen."
Wieder das leise Kichern des Ratlings.
"Bedenke ein wenig davon, wenn du mit Dschaba über sein Vorhaben redest. Finde heraus, woran er alles gedacht hat. Und was ihm entgangen ist. Vielleicht sind seine Ziele weniger hehr, als er dir glauben machen will. Aber davor hab ich dich ja schon gewarnt."
Wieder ein kurzer mentaler Ruf und Muckel kam zurück auf Djirris Schoß gehüpft, der sich über das dritte Bier hermachte. Wieder kuschelte er sich im Sessel zusammen.
"Und was Worte und ihre Konsequenzen angeht?....
Nun, meiner Meinung nach sollten gewisse Worte mit sehr viel Bedacht und nicht voreilig ausgesprochen werden. Lieber erst mal Schweigen und Nachdenken, als einfach des Redens Willens etwas sagen."

Wieder kicherte Djirris.
"Allen gerecht werden? Hihihi! Ich muß nicht allen gerecht werden, sondern nur einer. Denn wenn es ihr gut geht, wird es allen gut gehen.
Aber ja, komm ruhig mit. Wir werden unser Opfer hoffentlich heute Nacht noch bei seinem selbstgewählten Arbeitsplatz antreffen."
Der Ratling hoffte, daß Lavrenty in der Nacht noch in der Zeitungsredaktion oder zumindest in der Druckerei anzutreffen war. Ansonsten würden sie dort bestimmt seine Adresse herausfinden können.
Und da der Zwerg eh noch hier war, bestand im Moment auch nicht die Notwendigkeit sich zu beeilen. Vielleicht gab es ja noch ein oder zwei Bier. Oder auch etwas zu Essen. Die Stadt würde schon für ihn sorgen, da war sich Djirris sicher.

Lavrenty Volkov

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« Antwort #35 am: 09.01.2017, 00:08:18 »
Erfreut registriert Lavrenty, dass er mit seinem Lied offenbar den Nerv der Leute getroffen hatte und hörte sich ihre Meinungen an. Marija machte sich für eine diplomatische und gewaltfreie Lösung stark, während Oleg sich wieder einschaltete und sowohl Opportunismus als auch Aktionismus predigte. Lavrenty blickte dem Wagen des alten Volakhi hinterher, so dass Taktov vielleicht klar werden würde, dass es Lavrenty begriff, dass es für den ehemaligen Polizisten wohl um etwas anderes als Nahrung gegangen war.

Rakh, der Ork, wiederum schien auch für Taten zu sein, drängte aber nicht so vehement darauf. Der Grund dafür wurde klar, als er sein Geheimnis lüftete und damit alle, auch Lavrenty selbst, verblüffte. Jetzt begriff der Liedermacher auch, warum der Ork so sehr in puncto Solidarität nachhakte: Er wollte zumindest ein wenig Sicherheit für sich und für seine Leute.

Mara ergriff für das friedvolle und langsame Vorgehen Partei und auch wenn Lavrenty sich nicht vollkommen für so einen Weg erwärmen konnte unterbrach er sie nicht. Das E-Werk zu besetzen war an sich keine verkehrte Idee, doch konnte sich der Dichter nicht vorstellen, wie es danach weitergehen sollte. Würde es als Zeichen taugen, um die arbeitenden Massen unter ihrem Banner zu vereinen und die Stadt vollkommen zu übernehmen? Oder würde man die Besatzer als Aggressoren hinstellen, so dass die Arbeiter ihnen die Schuld dafür gaben, dass sie nicht mehr arbeiten konnten? Ganz davon ab hatte Lavrenty absolut nicht vor sich mit solchen Verbrechern wie den Psina abzugeben oder gar zusammenzutun. Zwar schloss er Gewalt als Mittel der Revolution nicht aus, aber es musste nicht nur einen gerechten Anschein haben, es musste gerecht sein. Und welchen Preis würden diese Gauner erst fordern, wenn die Revolution tatsächlich Erfolg haben sollte? Anstatt Fabrikbesitzern würden dann die ehemaligen Diebe und Schläger die Leute ausbeuten... Nicht solange er, Lavrenty noch mitreden konnte.

Ein Streik in mehreren großen Fabriken und dazu noch ein stadtweiter Aufstand waren die Dinge mit denen Lavrenty liebäugelte, aber dazu waren sie noch zu wenige. Und solche Dinge brauchten eine Anlaufzeit. Sicherlich würden schneller mehr Leute dazu stoßen, wenn erst das Gerücht durch die Gassen gehen würde, doch dann würde es bald die ganze Stadt wissen. Wenn sie dann zu wenige sein würde, wäre nicht nur der Versuch gescheitert, ein neuer Versuch wäre in weite Ferne gerückt. Die Bonzen würden einen niedergeschlagenen Aufstand sicherlich zum Anlass nehmen Zeitungen zu schließen und Vereine aufzulösen und dergleichen.
Andererseits tat es Lavrenty in der Seele weh den Leuten hier nicht mehr geben zu können als Versprechungen und ein neues Lied. Er würde ihnen gerne sagen, was sie hören wollten und es dann in die Tat umsetzen. Unwillkürlich ballten sich die Fäuste des jungen Mannes, als er fühlen konnte, wie wenig er mit so viel Arbeit bisher erreicht hatte...

Seinen finsteren Gedanken nachhängend, drang das Gebaren Oleg Taktovs erst verzögert wie zähflüssiger Teer in Lavrentys Bewusstsein. Als Lavrenty begriff, was da vor sich ging, war der Mann schon weit entfernt, so dass dem Barden nur ein ungläubiger, verdutzter Blick blieb, den er Taktov hinterherwerfen konnte. Dabei hatte sich Lavrenty mit Taktov eigentlich austauschen wollen, sein eigener Vorarbeiter war verschwunden und hatte vorher ähnlich merkwürdiges Verhalten an den Tag gelegt, vielleicht wusste Taktov mehr?

Lavrenty bemerkte, wie die Leute nun auch wieder ihn anblickten, nachdem Rakh und Podkhalim gesprochen hatten, und erwarteten, dass er etwas sagte. Und auch Lavrenty hatte das Gefühl, dass er schon viel zu lange stumm geblieben war.
"Solidarität ist vielleicht etwas, dass man nur schwer wirklich erklären kann. Ich bin vielleicht ein Schreiber, aber ich bin selbst nicht gelehrt. Vielleicht ist es auch bloß ein Begriff, der von vielen genutzt aber von nur wenigen gekannt wird? Solidarität schließt sich für mich jedenfalls nicht grundsätzlich mit eigenen Interessen aus, nur mit einigen bestimmten. Jene, die eigensüchtig sind und darauf abzielen sich an anderen zu bereichern oder die Schwachen liegen zu lassen, wenn man ihnen stattdessen helfen könnte.
Solidarität kann einfach sein. Zum Beispiel, wenn sich jemand vorhin nicht an dem Gedränge beteiligt hat, als der vermeintliche Wagen kam, weil er vielleicht besser mit einem Tag ohne Essen auskommen kann, als die anderen hier. Solidarität kann aber auch herzzerreißend schwer sein. Zum Beispiel, wenn jemand seine eigenes Wohl, seine Arbeit und vielleicht sogar sein Leben riskiert, um mit vielen anderen gemeinsam stark zu sein. Dabei auf die Vielen zu vertrauen, dass sie alle für einen selbst in diesem Moment einstehen werden, wie man selbst für jeden und jede Einzelne von den Vielen."

Lavrenty schritt auf Rakh zu und streckt dabei die recht Hand in die Tasche seines Mantels und fühlte nach den wenigen Münzen, die sich darin befanden. Es war durchaus ein kleines Vermögen - ein ganz kleines jedenfalls - vom Munde abgespart und zusammen gefroren.

"Solidarität ist auch einem vermeintlichen Feind die Hand zu reichen, ihn Kamerad oder Genosse zu nennen und ihm zu versprechen, dass man versucht eine Lösung für seine Männer zu finden" Lavrenty hatte es in der Zwischenzeit geschafft die wenigen Münzen in der hohlen Hand zu verstecken, die er Rakh nun zum Handschlag reichte. Er hoffte der Ork würde sich nichts anmerken lassen. Dabei ging es ihm weniger darum seine Finanzen vor den anderen zu verheimlichen, als dass er sich nicht vorwerfen lassen wollte, dass seine Geste nicht aufrichtig sei. "Solidarisch, weil keine Gegenleistung von dir und deinen Leuten erwartet wird. Solidarität ist eine Haltung und man kann sie nicht befehlen oder erzwingen, sie beruht auf Freiwilligkeit."[1]
 1. Lavrenty gibt dem Ork sein letztes Gold (2,9 GM) möglichst unauffällig [Sleight of Hand: 20] und hofft diesem mit der Geste und dem Versprechen etwas Zuversicht und zumindest ein wenig das Gefühl von Willkommen sein zu geben [Diplomacy: 28]
« Letzte Änderung: 09.01.2017, 00:08:29 von Lavrenty Volkov »
Unser Weg ist noch nicht zu Ende,
Genossen, blickt weit voran,
seht im Wind die Fahne vor uns wehn,
sie führt die Arbeitenden an! Genossen! Los! Los! Los!
(Melodie)

Menthir

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« Antwort #36 am: 10.01.2017, 21:58:39 »
03. Zima - 49tes Jahr des Neubeginns - Do Glaz Ostanovki - Arbamanka - 20:11 Uhr

Die Hopfenkaltschale zeichnete sich genau dadurch aus, was sie in diesen Tagen in Demjanowka nur zu versprechen in der Lage war: Kälte, die auf den Zähnen schmerzte, solange man das Glas nicht am Feuer erwärmte und den schalen Geschmack, der jedem so oder so auf der Zunge liegen musste. Schal. Dieses so scheinbar einfache und gemeine Wort verbarg mehr Bedeutungsebenen, als dass die Spritzigkeit eines mit Kohlensäure versetzten Getränks und die säuerliche Frische eines Weines verschwunden war. Dass etwas schal war, bedeutete auch, dass es geistlos war. Dies traf, wenn man mit Geist den Alkohol verband, auch dieses Bier. Obwohl Djirris sein Bier in recht schneller Abfolge trank, und die wirkliche Wirkung des Bieres nicht gänzlich abzuschätzen war, fiel ihm doch die wässrige, geistlose Natur dieses Bieres auf; und vielleicht lag auch darin der Grund, dass das Bier ohne Krone war, schaumlos und kraftlos im Glase. Geistlosigkeit, das Espritlose, es haftete an diesem ganzen Ort, in der Art und Weise, wie die Besucher der Eckkneipe miteinander umgingen, wie sie sich gebahrten. Das Leben in einer Kneipe, so sehr es die Tresenromanciers auszuschmücken versuchten, so sehr Künstler in manchen Städten und vor allem in der Oberstadt das skizzenhafte Leben in einer Kneipe als Inspirationspunkt verklärten oder er es ihnen tatsächlich war; es war oftmals einfallslos. Genauso eine Routine, genauso ritualisiert wie der Arbeitstag. Statt einzustempeln, bestellte man mit dem Zufallen der Tür ein Bier: hier Wirt, ich habe meinen Tresendienst angetreten. Manch einer trank pflichtbeflissen seinen Gerstensaft und ging wieder, nachdem er mit dem Bezahlen ausstempelte. Doch so mancher fand sich schnell in Überstunden wieder: dieses Bier noch beseitigen; diesen schon zehnmal durchgekauten Gedanken im Bier aufschwimmen lassen und weiterkauen. Esprit. Das war das fehlende Element. Dieser Versammlung von Personen mangelte es an Esprit. Ihr Wille war, auch wenn sie es mit Worten und Gesten zu verdecken suchten, gebrochen und sie gaben sich gar nicht so sehr irgendeiner Form von Eskapismus hin; sie lebten ihren Arbeitsalltag auch in der Kneipe weiter. Manchmal kleideten sie sich anders, aber letztlich war selbst ihr hemmungsloser Suff eine Form von ritualisierter Arbeit; Fortführung des Prozesses. Und genauso auf Selbstzerstörung ausgelegt, wie viele der Berufe, die in Demjanowka ausgeführt wurden, sei es als Gußputzer, wo irgendwann jeder an Lungenkrankheiten laborierte, sei es als Bergmann, dessen Alltagsgefahr keine Beschreibung mehr brauchte, oder sei es als Volakhi, der dauernd Tote umherkarrte und sich selbst den widrigsten Krankheiten aussetzen musste.
Die menschliche Lage der kleinen Kneipe ließ sich bildlich an dem überheißen Ofen in der Spitze des Raumes erklären: all sein Feuer konnte nicht über die Kälte Demjanowkas hinwegtäuschen. Ein ausgegebenes Bier konnte nicht über die Kälte in den Herzen der Besucher der Kneipe hinwegtäuschen.

Derartige Überlegungen mochte den Besuchern nicht kommen, aber erst ab einer gewissen Anzahl von Bier; wenn jeder seinen philosophischen Moment bekam, ehe die Stimmung ins Rührselige und/oder ins Aggressive abrutschte. Während Djirris die Versuche seines Stubentigers beobachtete, ob dessen Anschmusen, dessen Schnurren und dessen Sinn nach Aufmerksamkeit die Kurtisane und den Zwergen ablenken konnten, erkannte er nun auch, was dem Bier insofern fehlte, dass zu viel davon dort war. Während er dorthin schaute, konnte er mit peripheren Blicke sehen, dass der Wirt hinter dem Tresen, wenn seine dunen Trinker unaufmerksam waren, dass Bier verdünnte. Jeder suchte nach einem Weg, das Beste aus der Situation zu machen.

Die Kurtisane begann tatsächlich endlich nicht mehr Sawelij anzuschauen und nachdem Süffisanz ihre Miene geziert hatte, wich dieser Ausdruck ernsthafter Freude, als Muckel sich an sie anschmiegte und nach Aufmerksamkeit bettelte und mauzte. Kokett spielte die Katze mit dem langen Flusen der zu offenen Bluse der Frau, was ihr ein glockenhelles Lachen entlockte, und sie gleichzeitig erstmalig nicht ausgezerrt und verbraucht wirken ließ, sondern wie die junge Frau, die sie eigentlich war.
"Siehst du. Erst hat sie gebuckelt. Aber ich wusste doch, dass sie mich leiden könnte!", freute sie sich, dass die Katze die frühe Zurückweisung vergessen machte.
Der Zwerg hingegen grummelte nur, als er die Katze sah und blickte unverhohlen in das sich auftuende Hemd, auf die Brüste der hageren Frau, deren Hunger sich auch in ihrem Bindegewebe zeigte. Ein zweites Grunzen des Zwergen. Er ballte die Faust und betrachtete die Katze mit zunehmenden Argwohn, doch war auch gebannt genug von ihr, dass er nicht die Worte mitbekam, die der Elf und der Ratling wechselten.
Als Muckel schließlich zurücksprang, wich der freudige Ausdruck bei der hellhäutigen Frau wieder und sie rückte ihre Kleidung zurecht, widmete sich nun wieder emotional geleert ihrem Bier. Strich gelangweilt und erschöpft über den Rand des Glases, der Rest Schrecken über die Offenbarung des Zwergen noch in den Augen.
Der Zwerg jedoch drehte sich um. Sein Nasenring wippte kurz aufgrund der ruppigen Bewegung.
"Behalt dein scheiß Flohteppich bei dir!", pöbelte er kurz angebunden. "Oder ich tritt das nächste Mal drauf!"
Dann drehte er sich wieder um, als hätte er den Ratling hinter sich schon wieder vergessen, und blickte wie Djirris und Sawelj auf die Männer um den Tresen, welche sich dem verdünnten Bier widmeten. So langsam nahm die Veranstaltung Fahrt auf. Und so dauerte es nicht lang, da standen auch vor Djirris und dem Elfen zwei weitere Bier. Es war wie Djirris dachte, auf ihre Art würde die Stadt sich darum kümmern. Und wenn sie noch lange saßen, würden ihre Gläser sich wieder füllen und füllen, bis die letzte Galle brach, die letzte Leber den Tagtod starb; oder zumindest bis die Pfeifen und Signalhörner, die erschöpften Trinker zurück in die Schicht riefen.
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Sawelij

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« Antwort #37 am: 11.01.2017, 21:19:05 »
Auch Sawelij wirkte eher endtäuscht als von den Antworten des Rattlings erschreckt oder erleuchtet. Die Zukunft welche der haarige Kumpan ausmahlte war Dunkel. Sehr dunkel, so als fehle Vertrauen. Oder war es die Blanke Wahrheit die niemand glauben wollte? Waren die Bürger dieser Stadt so schlecht, so verdorben? Innerlich scheltend, und äußerlich den Kopf schüttelnd. Irgendwie glaubte Sawelij, dass er und der Rattling etwas anderes mit dem Wort ~wir~ verbanden. Ihm dämmerte, dass der Rattling etwas metaphysisches im Sinn hatte. Etwas was auch wir war, aber nicht wirklich greifbar ist. Vielleicht meinte er, dass wenn es diesem Wir gut ging, sich das positiv auf das physische auswirkte? Irgendwie bekam der Elf Kopfschmeren bei den Versuchen den Rattling so aus dem Nichts zu verstehen. Es würde mehr Zeit kosten, mehr physische Taten bis Sawelij wirklich verstand was der Rattling meinte.
Gut, dieser Djirris scheint nicht vollkommen neutral und kalt zu sein. Denn sonst warum hätte er versucht Sawelij vor dem Schwur zu bewahren, warum will er jetzt einen Fremden retten? Warum gab er Ratschläge? Ein kurzes Lächeln huschte über die Lippen des Elfen, als er das Bier ansetzte. Die Worte waren dunkel, aber einiges an Wahrheit steckte drine. Auch ließen sie wissen das der Rattling dem ehemaligen Hundeherren auch nicht traute.

„Ich bin gespannt.“ sagte Sawelij, nachdem Djirris ihm erlaubte mitzukommen. „Vielleicht fangen wir wirklich einen netten Fisch.“ Wieder Lächelte er und brostete dem Rattling zu. Das Bier war wirklich nicht das Beste, aber sein Magen war gerade froh wenigstens so etwas zu bekommen.
Bald wurde es ihm im Sessel zu heiß. „Entschuldige mich bitte. Verschwind aber nicht ohne mich.“ Etwas behäbig stand er auf. Mit den leeren Gläsern in der einen Hand und einem noch halb vollen in der anderen ging er zum Tresen. Scherzend meinte er dort zum Wirt: „Wir wollen doch nicht das dir die Gläser ausgehen.“ Aus den Augenwinkeln blickte er zum Zwerg und der Dirne. Wenn der Bärtige wirklich etwas krummes vor hatte, musste man mehr über ihn in Erfahrung bringen. Noch einmal in eine Falle wollte Sawelij heute nicht mehr laufen, auch wenn sie für jemand anderen bestimmt war.

Elrevan Izavel

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« Antwort #38 am: 12.01.2017, 18:47:49 »
Elveran nickte zustimmend, als Vorschläge unterbreitet wurden, wie sie möglichst viele Leute erreichen konnten. In der Stadt bekannte, gute Personen würden ihren Anliegen eine enorme Hilfe sein, vor allem, wenn sie nebenbei etwas gegen Hunger und Kälte tun konnten.
Er selbst blieb erst einmal schweigsam, weil ihn gedanklich einiges beschäftigte. Selbstverständlich hörte er noch zu, dennoch beschäftigte ihn die Sorge, was es bedeuten würde, wenn der verschollene Wagen nicht wieder auftauchen würde. Solidarität war etwas Schönes, aber von Solidarität allein konnten die Kinder, für die er eigentlich heute hierhergekommen war, nicht bei Kräften bleiben.

Die Menge löste sich langsam auf, als einigen das Gespräch zu langwierig wurde – oder zu sinnfrei, wie sie es in ihrer Perspektivlosigkeit beurteilten. Es war schade, dass nur wenig blieben, um ihre Gedanken preiszugeben, aber Elveran konnte es denjenigen, die sich zurückzogen, nicht verübeln. Im Warmen wäre es sicher leichter, zuzuhören, nachzudenken und sich zu beteiligen. Hungrig und enttäuscht, wie wohl alle Anwesenden hier waren, war es noch demotivierender, darüber zu sprechen, dass die jetzige Situation sich nur durch große Mühen und noch größeres Durchhaltevermögen bewältigen ließ. Elveran war sich jedoch sicher, dass sie es schaffen konnten – ganz ohne einen Aufstand anzuzetteln.
Schließlich war es Oleg Taktov, der bei seinem Rückzug die meiste Aufmerksamkeit auf sich zog. Kurz überlegte Elveran, diesem dubiosen Kerl hinterherzusprinten, da Taktov jedoch nicht dem Volakhi folgte, sah Elveran davon ab. Während der Worte des Ex-Polizisten, war in Elveran die Befürchtung aufgekeimt, Taktov würde dafür sorgen wollen, dass der alte Leichentransporteur nichts von den Geschehnissen würde ausplaudern können, aber der Gedanke hatte sich zerschlagen, sobald Taktov die Richtung der Bauernhöfe gewählt hatte. So ganz wurde Elveran aus diesem Verhalten nicht schlau. Es war klar, dass Taktov Angst hatte, jedoch vor wem? Wen hatte er überraschen wollen? Und mussten sie alle hier sich wirklich ebenfalls vor dieser Person fürchten? In Elveran entstand eine gewisse Unruhe. Nicht, dass er nun wirklich um sein Leben fürchtete, und ganz für voll nahm er Taktov ebenfalls nicht, allerdings wollte er nun dennoch herausfinden, worüber und von wem Taktov geredet hatte.

Trotz dieser seltsamen Unterbrechung, war das Unterhaltung der Versammelten noch nicht zuende. Elveran hörte weiterhin zu. Auch wenn der Ork noch nicht ganz verstand, wovon sie eigentlich redeten, näherte er sich dem Verständnis.
„Du hast da gar nicht so unrecht, Podkhalim“, trug Elveran, nachdem auch Lavrenty zu Wort gekommen war, bei. Seine Augen fixierten danach den Ork, dem er, ebenso wie die anderen, Solidarität begreiflicher machen wollte.
„Der Hunger verbindet uns und gibt uns ein gemeinsames Anliegen. Wir verstehen das Leid des anderen, weil wir es kennen. Wir wissen, wie es sich anfühlt. Auch das bedeutet Solidarität. Solidarität und Kameradschaft sind eigentlich gar nicht so verschieden. Solidarität ist wie Kameradschaft, die nicht nur Freunde und Verwandte betrifft, sondern auch alle anderen, die sich ebenso verbunden mit sogar Fremden fühlen. Gemeinsames Leid kann dafür sorgen, dass man solidarisch wird, oder auch das Mitgefühl, das man empfindet, wenn man sieht, dass der andere leidet. Wenn man solidarisch ist, heißt das, dass man bereitwillig verzichtet, wenn man sieht, dass es dem anderen gerade schlechter geht – das wurde ja schon gesagt. Gleichermaßen merkt man in einer solidarischen Umgebung aber auch, dass einem selbst geholfen wird und man nicht allein dasteht. Wenn wir die Arbeiter in Demjanowka davon überzeugen können, dass Solidarität mehr bedeutet, als Essen zu teilen, Decken und Gemeinschaft zu erleben, sondern auch, dass wir gemeinsam bewirken können, dass sich die Situation für alle erheblich bessern kann, wenn wir geschlossen gegen die Ausbeutung vorgehen, dann haben wir den ersten Schritt zum Überleben und zu einem besseren Leben getan.“
Elveran hauchte sich in die sich langsam sehr taub anfühlenden Hände.
„Möglicherweise sollten wir dieses Gespräch wann anders weiterführen – irgendwo, wo uns nicht die Knochen einfrieren“, empfahl er dann.
„Sucht euch ein bisschen Wärme, gute Leute“, meinte er in die Ruhe. „Wir können später weiterreden, schlage ich vor. Bis dahin gibt es eine vermisste Nahrungslieferung zu suchen. Vielleicht sollten wir auch Oleg Taktov auf den Zahn fühlen. Ich bin mir sicher, dass er gerade nichts Gutes im Schilde führt. Besonders in Panik neigt man zu Dummheiten.“

Menthir

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« Antwort #39 am: 21.01.2017, 16:49:51 »
03. Zima - 49tes Jahr des Neubeginns - Am Tor der Brüderschaft - Sjukowo - 19:49 Uhr

Der humpelnde Ork nickte Lavrenty und Elrevan zu, als sie nochmal die Solidarität erläuterten. In seiner Haltung fühlte der Mann sich demnach bestätigt, relativ wortlos gab er zu verstehen, dass er die Solidarität, wie sie ihm hier erklärt wurde, mit der soldatischen Kameradschaft weitestgehend gleichsetzte. Das war etwas, was er zu verstehen vermochte; und es gab ihm das Gefühl, dass eben diese Solidarität, so wie er einst die Kameradschaft an der Front misste und gleichzeitig auch nicht misste, keine Selbstverständlichkeit war. Es war eben alles andere als ein Automatismus; sie begann bei einer grundsätzlichen (Geistes-)Haltung kameradschaftlich oder solidarisch zu sein oder sein zu wollen und musste dann das Feuer der Realität, die Prüfung der Not überstehen, um zu einem festen und belastbaren Gefüge zu werden. So oder so ähnlich sahen es Orks zumindest. Jetzt wusste jeder, wie schwer es war, in Zeiten höchster Not das Prinzip von Solidarität zu leben, gerade wenn es nicht einfach um Armut ging, sondern um blanke Existenznot, um nicht weniger als das bloße Überleben; dann eben, wenn jener Selbsterhaltungstrieb jede Ratio zu übergehen drohte.
Umso mehr merkte Lavrenty, wie Rakh von seiner Geste überzeugt war. Er erwiderte den Handschlag, und in der Festigkeit und dem beinahe unmerklichen Nicken spürte Lavrenty, dass Rakh wahrlich dankbar für die mit der kleinen Tat verbundenen Worte war.
"Ja, ähnliches gilt für Kameradschaft. Obgleich sie befohlen ist und zum Soldatenhandwerk zu gehören scheint, zeigt sich in vielen Situationen, dass die Grenzen eines solchen Befehls eng sind. Wenn jedoch die Grundhaltung der Kameradschaft aus Überzeugung besteht, ist die Chance, dass sie Wirkkraft entfaltet, viel höher. So wird es auch mit der Solidarität sein, doch Freiwilligkeit wird nicht ausreichend sein dieser Tage. Es gibt kaum eine Chance, sich einen Kopf darum zu machen. Ich sehe es, nach dem was wir gesagt haben und wir erlebt haben, mehr als eine Notwendigkeit. Wie es an der Front häufig ist, dass das Aufgeben einzelner Gruppen zur Aufgabe der ganzen Truppe führen kann, ist es doch so, dass sich hier nur auf Dauer etwas ändert, wenn die Bewohner Demjanowkas zur Solidarität finden: daher ist es blanke, unfreiwillige Notwendigkeit. Ich und die Meinen werden jedoch das Notwendige tun, wenn die Zeit kommt. So wie ihr, Volkov, die Solidarität auch selbst vorlebt."

Alle hörten danach den Worten Elrevans zu, und es war leicht zu erkennen, dass die Worte des Elfen einigen Widerhall fanden. Am Tor der Brüderschaft kroch die Kälte über die Felder zum Tor, drang genauso wie viele Reisende in die Stadt ein. Weder Podkhalim, noch Rakh Pfeilschlinger, noch irgendeiner der Anwesenden konnte sein Frieren von der Hand weisen, geschweige denn unterdrücken. Selbst die Disziplinierteste zeigte ihr Frieren, nur die Intensität des Zitterns unterschied sich. Rakh Pfeilschlinger, er hätte sicher gerne noch seine weiteren Fragen beantwortet gefunden; zu gerne hätte er eine Blaupause vorgelegt bekommen, die ihm erklärt hätte, wie diese Solidarität zu erreichen wäre. Aber der Elf, der ähnlich wie ein Volakhi lebte, brachte es auf den Punkt. Sie brauchten einen wärmeren Raum, und inzwischen war die beißende, die klirrende Kälte kaum noch zu ertragen. Hier und da pusteten sie sich in die Hände, schüttelten sie aus, aber schon jetzt biss die Kälte und die schlafenden Finger waren immer schwerer aufzuwecken.
Und so war es Marija, die sich zuerst eine Weile zurückgehalten hatte, die einen Vorschlag machte, wie es weitergehen könnte.
"Nun...", begann sie leicht zitternd und pustete sich in die frierenden Hände, die nur unzureichend gegen den Frost geschützt waren, "...das kleine Licht der Hoffnung ist entzündet und wir sehen alle ein, dass wir den Frost nicht mehr ertragen. Kümmert ihr euch ruhig um den Wagen, oder was ihr auch zu tun gedenkt. Aber der Ork hat durchaus Recht; mit diesen aufbauenden Worten ist es nicht getan. Und wir nehmen euch den Willen ab. Wie wäre es, damit wir unsere leicht entzündete Hoffnung nicht wieder in Enttäuschung umschlägt, wenn wir uns morgen Abend im Red Crescent & Dragon treffen? Dort könnt ihr dann die Fragen des Orken beantworten und wir können sehen, wie wir wirklich füreinander einstehen können, um etwas zu bewegen. Ist das im Sinne aller? Dann nach der Spätschicht, jeder der kann und will!"
Die Leute murmelten, husteten oder stöhnten erschöpft ihre Zustimmung. Rakh ließ die Hand Lavrentys wieder frei, während Marija kurz Mara und Elrevan am Arm berührte. "Und wir folgen dem Vorschlag und versuchen der Kälte zu entfliehen."

Die Traube der Hungrigen löste sich nun langsam auf. Sie gingen durch das Tor der Brüderschaft zurück nach Demjanowka. Auch wenn ihre Hoffnung auf Nahrung sich zerschlagen hatte, sie hatten etwas anderes gefunden. Das Tor der Brüderschaft, welches immer nur als lächerliches Sinnbild dessen gegolten hatte, was es darstellen sollte - ausgehöhlt durch den tatsächlichen oder zumindest so empfunden Verrat durch Viktor Pulijenko - war nun vielleicht tatsächlich zu einem Fanal neuer, im Kleinen gefundener Brüderlichkeit geworden. Brüderlichkeit als Solidarität. Und selbst wenn es das nicht war, dann gab das Reden und Leben von Solidarität im Kleinen zumindest genügend Zuversicht, um vielleicht noch einen Tag länger auszuhalten, durchzuhalten. Gab die Kraft, sich nicht an seinem Nächsten und dessen Besitz zu vergehen, um über die Runden zu kommen. Gab Hoffnung, dass es doch noch eine Aussicht auf Besserung, auf Wärme gab. Und das bedeutete in diesen Tagen mehr als man glauben mochte.

Nach wenigen Minuten standen nur noch drei frierende Gestalten am Tor. Sie sahen dem Tross hinterher, welche sich auf nach Demjanowka machten, zurück zu ihren Familien und Freunden, oder in ihre frierende Einsamkeit. Einerseits würden sie berichten müssen, dass der heutige Tag keine Nahrung brachte, aber andererseits neue Hoffnung. Jene, die die Kälte aushielten, konnten berichten, dass hinter Lavrenty Volkovs Worte vielleicht nicht nur Revolutionsromantik steckte, wie man ihm vielerorts vorwarf; dass hinter Mara Sorokins Geschichte - so sie bekannt war oder wurde - wirkliche Reue und ernstes Mitleid steckte; dass hinter Elrevan kein elfischer Hochmut lag und dass auch Elfen, dieses Volk von Flüchtlingen, an einer Lösung des Problemes interessiert waren. Dass sie ihre Hoffnung mit diesen drei Personen verbanden, das würden sie auch berichten können. Und dass diese am nächsten Abend in Demjanowkas berühmtesten Pub gastieren würden, und man sich so ein Bild von dieser Hoffnung machen könne. Die Traube, die sich verkleinert hatte, würde sich zum nächsten Abend vergrößern.

Für die drei fröstelnden Gestalten tat sich jetzt aber die nächste Frage auf. Nach den Lebensmittelvorräten schauen, doch wie anstellen? Wenn die Halblinge diese tatsächlich schickten, auf den Höfen Nachforschungen betreiben? Den Wagen des Volakhi suchen und jetzt doch noch nach den Inhalten schauen? Oder die Spur des Flüchtenden Oleg Taktov aufnehmen? Oder nichts davon; wissend, dass das kleine Licht der Hoffnung entzündet war. Stattdessen zurück in die relative Wärme einer Behausung, und dort über die nächsten Schritte brüten? Denn was war schon ein kleiner Lebensmittelwagen gegen das Schicksal einer Stadt?
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Sawelij

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« Antwort #40 am: 22.01.2017, 21:09:59 »
Der Abend war ausgelassen, das Bier floss und die Gespräche zeigten einige Dinge auf. Es war mal gut nicht immer in die selben Tavernen zu gehen. So hörte Sawelij ein paar für ihn neuere Gerüchte. Mit seiner neuen Aufgabe, mochte er jetzt auch unbewusst mehr auf die Nöte der anderen achten oder eben was sie sagten.

Auch über den Zwerg hörte er etwas, was er sehr interessant fand. Nicht das was er hören wollte aber es war interessant. Auch schienen einige hier diesen Lavrenty oder so zu kennen. Ein Menschenfreund der auf andere Völker, besonders auf Elfen, spuckte. Tz, was die Leute nicht alles sagten. Ob sie Recht hatten würde er ja bald wissen.

Irgendwann schlenderte er zum Rattling zurück. Stellte ihm ein Frisches Bier hin und sagte dabei. „hier für dich mein Freund.“ leiser fügte er an „Unser Herr Zwerg hat in dieser Taverne keine Freunde. Doch scheint er etwas mehr Dreck am Stecken zu haben.“ Sawelij legt ein gespieltes Lächeln auf und streckt eine Hand zum wärmenden Ofen. „Er scheint mit ein paar Namenhaften Entführungen in Verbindung zu stehen. Wir sollten ihn wohl darauf hin befragen.“ Langsam richtete er sich wieder auf. Das Lächeln war verschwunden. Es war gut dass er in Maßen getrunken hatte. Der Abend würde noch arg lang werden.

Djirris

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« Antwort #41 am: 23.01.2017, 10:04:34 »
Djirris genoß weiterhin die Wärme und das freie Bier. Seine Ohren waren allerdings gespitzt und er lauschte auf das, was die Leute so von ihrem Tagewerk und ihren Meinungen darüber erzählten. Er holte ein Büchlein nebst Tinte und Feder hervor und stellte sie auf dem breiten Sitz des Sessels zurecht. Sorgfältig notierte er in kurzer Form das Gehörte. Und als der Zwerg sich wieder der Dirne zuwand, fing er auf einer anderen Seite an, eine ungefähre Skizze von dessen Aussehen anzufertigen. Es würde Laventry schliesslich nicht viel bringen, wenn man ihm nur sagte, daß ein Zwerg hinter ihm her war. Denn jeder Zwerg, Elf oder sonst was sah für Djirris irgendwie gleich aus, eben seiner Rasse entsprechend. Klar konnte man bei einigen noch Frau oder Mann unterscheiden. Aber schlußendlich mußte er sich meist auf die wenigen Haare beziehungsweise Frisur, ihr Gebaren, ihre Stimme und manchmal auch nur auf die Kleidung verlassen, um sie zu auseinander zu halten.
Schliesslich war der Ratling fertig. Und er merkte, wie ihm in der Wärme das Bier in den Kopf gestiegen war. Ebenso Muckel, der inzwischen auf seinem Schoß eingeschlafen war.
Als Sawelij mit seinen Neuigkeiten ankam, bedauerte Djirris fast, sich nicht selbst umgehört zu haben. Aber dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht, als ihm klar wurde, daß die Stadt wieder einmal dafür gesorgt hatte, ihm das Wissen in der Gesalt des Elfen zukommen zu lassen. "Ja, frag ihn ruhig. Aber sei vorsichtig! Und laß dir nicht zu viel Zeit. Ich möchte bald los.", flüsterte er zurück und fing an, sich ein wenig zu recken.
Natürlich ließ er aber das eben gebrachte Bier nicht voll stehen, sondern trank auch dieses aus.
Als Sawelij dann mit seinen selbstgestellten Aufgaben fertig war, gab ihm der Ratling ein Zeichen und machte sich auf den Weg in die finstere, kalte Nacht. Muckel hatte er dabei in eine der tiefen Innentaschen des Mantels verfrachtet, denn der Kater war einfach zu betrunken, um ihn selbst laufen zu lassen. Aber auch Djirris bemerkte den Seegang, der auf mal herrschte und schwankte ein wenig beim Gehen hin und her.
Die kalte, zugige Nachtluft tat ihm allerdings gut und er genoß sie einen kurzen Moment, bevor er sie wieder ausschloß und Mantel und Schal enger raffte.
Er drehte sich zu dem Elfen um, der nach ihm aus der Kaschemme kam. "Wir gehen nicht direkt zu unserem Ziel. Ich habe noch ein paar andere Tavernen aufzusuchen. Leute treffen und so."
Und genau das tat er dann auch. Denn eine Gaststätte allein konnte ihm nicht erzählen, was heute alles in der Stadt passiert war. Er hörte sich weitere Geschichten und Vermutungen an und notierte auch diese in seinem Notizbuch. Später würde er schauen, ob er Hinweise auf Verbindungen fand, die nicht gleich offentsichlich waren. Aber im Moment war sein Kopf, auch auf Grund des weiterhin genossen Alkohols, zu benebelt, um dies gleich zu tun.
 

Mara Sorokin

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Wohin die Wärme flieht...
« Antwort #42 am: 27.01.2017, 17:02:03 »
Mit gemischten Gefühlen beobachtete Mara, wie sich langsam auch die letzten Menschen, Orks und Andere von dem Tor der Hoffnung entfernten. Das Gespräch mit den Leuten hier nicht ganz so verlaufen, wie sie es sich erhofft hatte aber sie konnte und wollte nun mal keine falsche Hoffnung machen oder lügen. Es würde ein sehr schwerer Weg werden, etwas zu verändern und wenn allein diese Erkenntnis für viele schon zu viel war und sie aufgaben, bevor sie diese Richtung überhaupt eingeschlagen hatten, dann konnte Mara nur langsam den Kopf schütteln. So sehr sie den Arbeitern, den armen, hungrigen und halb erfrorenen Frauen und Männern auch helfen wollte, so sehr sie ihnen Kraft geben wollte: Es würde nur helfen, wenn sie auch selbst etwas Kraft und Willen hatten, damit umzugehen. Wenn die Flamme schon erloschen war, konnte sie nur schwer wieder entflammt werden. Vielleicht war das eine falsche Einstellung und vielleicht würden Elrevan oder Lavrenty - die Einzigen, die jetzt noch geblieben waren - das anders sehen aber Mara wollte diesen Leuten keine falschen Hoffnungen machen und dann in ihre Gesichter blicken, wenn sie merken, dass diese Hoffnungen nie erfüllt werden. Lieber sagte sie ganz klar, wie es um sie alle stand, auch wenn manche damit nicht umgehen konnten.

Den Impuls, Oleg Taktov zu folgen, unterdrückte sie. Der Mann wusste irgendetwas. Etwas das wichtig war aber Mara musste sich um etwas anderes kümmern, bevor es zu spät war. Sie hatte den alten Volakhi und seine Ladung nicht vergessen. Noch immer war sie sich sicher, dass er etwas versteckt hatte und sie wollte wissen, warum er um sein Leben fürchtete, wenn es entdeckt wurde. War an den Gerüchten um die Volakhi vielleicht doch mehr dran, als sie anfangs geglaubt hatte? Möglich war es definitiv. Da die beiden Männer, die noch mit ihr in der Kälte warteten, nicht so aussahen, als wollten sie jetzt schon nach Hause gehen, wäre es vielleicht eine gute Idee, sich aufzuteilen. Sowohl Taktov zu folgen, als auch den Wagen der Halblinge zu suchen, waren sinnvolle Beschäftigungen - ganz davon abgesehen, dass sie den Leuten versprochen hatte, nach dem Wagen zu suchen. Doch bevor der Volakhi mit seiner dubiosen Ladung für immer verschwunden war, musste sie diesem folgen.

Während Mara ihr, aus Schrott und gefundenen oder gestohlenen Einzelteilen zusammengebautes, Gewehr schulterte, um besser das Gewicht der Waffe zu verteilen, steckte sie ihre Hände tief in die Taschen ihres abgenutzten Mantels und ließ die letzten Gespräche noch einmal Revue passieren. Zumindest eine gute Sache hatte dieser Abend bisher gehabt. Wie Marija gesagt hatte, war ein kleines Licht der Hoffnung entzündet worden und das zählte schon sehr viel in dieser Stadt. Es war nicht viel aber wenn sie dieses Licht schützten und immer weiter nährten, konnte daraus ein strahlendes Leuchtfeuer für alle Arbeiter und Bewohner dieser Stadt werden. Aus diesem Funken konnte etwas entstehen, das für immer alles verändern würde - hoffentlich zum Besseren. Mara würde sich dafür einsetzen und sie würde am morgigen Tag auf jeden Fall im Red Crescent & Dragon mit den Leuten reden. Das Licht musste genährt werden und in einem warmen Pub, bei einem etwas gefüllteren Magen, ging das besser als hier draußen in der Kälte. Sie war zuversichtlich, dass sie etwas bewegen konnten, wenn sie sich denn Mühe gaben. Es war alles eine Frage der Willenskraft.

"Also..." begann sie schließlich und sah sich nach Lavrenty und Elrevan um. "... mir ist arschkalt und ich hab Hunger aber ich bin motiviert und will noch was erreichen. Wie siehts mit euch aus? Sollen wir den Leuten zeigen, dass wir nicht nur reden, sondern auch was tun?" Das war eigentlich eine rhetorische Frage, denn Mara war sich sicher, dass die beiden Männer jetzt nicht einfach nach Hause gehen würden.
"Ich muss noch dringend in der Stadt was erledigen und es wäre auch nicht schlecht, wenn ich zu Boris und Irina gehe und sie schon mal frage, wie sie zu dem ganzen Thema stehen."[1] Mara strich sich über ihr Kinn und überlegte einen Moment. "Es wäre auch gut, wenn wir uns noch besprechen, was unsere nächsten Schritte sind. Ich glaube nicht, dass wir weit kommen, wenn wir drei uns nicht einig sind, was als nächstes zu tun ist. Ich mein, ich kenn euch beide kaum und so wie es aussieht, setzen diese Leute ihre Hoffnung auf uns drei. Wäre also gut, wenn wir uns mal kennen lernen würden und uns ein bisschen unterhalten, hm? Ich schlage also vor, dass wir heute Abend noch was reißen und uns dann direkt morgen Mittag oder Nachmittag treffen, bevor wir ins Red Crescent & Dragon gehen. Was sagt ihr?"
 1. Informationen zu den Beiden reiche ich wahrscheinlich nächste Woche noch nach.

Lavrenty Volkov

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Wohin die Wärme flieht...
« Antwort #43 am: 30.01.2017, 22:33:01 »
"Jaaaa" sagte Lavrenty in dem breiten und gedehnten Akzent seiner Heimat, der ihm manchmal noch unabsichtlich über die Lippen kam. "Ich wünsche mir schon seit einer kleinen Weile, dass mir bloß kalt wäre." Er grinste Mara an und holte etwas aus der Innentasche seines fadenscheinigen Mantels. Ein verschrammeltes Zigarettenetui aus billigem Blech.
"Reden wir und lernen wir uns kennen." Er hatte das Etui geöffnet, es offenbarte gähnende Leere, garniert mit ein paar verlorenen Tabakfäden darin. Lavrenty quittierte das mit einem Schulterzucken und einem gleichgültigem Gesichtsausdruck "Aber gehen wir dabei, dann kann man sich immerhin einbilden, dass einem weniger kalt wird. Gehen wir!" Er steckte das Blechetui zurück und deutete den Weg hinunter, in die Richtung, aus der der erwartete Wagen hätte kommen müssen und wo der Volakhi zuvor hergekommen war. Er schritt gemächlich in die Richtung und sah dabei zu Elrevan und Mara ob sie folgen würden. "Ich denke, wir suchen nach diesem Wagen. Der muss ja irgendwo sein, oder nicht? Essen gibt es für mich heute jedenfalls sowieso nicht mehr, es sei denn wir finden Geld oder eben diesen Wagen.

Und was das kennenlernen angeht: Ich bin Lavrenty Volkov. Ich schreibe für die Pravda und mache ab und zu mal Musik im Red Dragon und arbeite ansonsten im Stahlwerk. Man kennt mich einigermaßen und meine Einstellung, die durchaus ein wenig... konfrontativer als die von Mara ist, ist auch kein Geheimnis. Das heißt, wenn ihr nicht Gefahr laufen wollt ins Visier der Polizei zu geraten, solltet ihr euch überlegen, ob ihr mit mir zusammenbleibt."
Die letzten Worte klangen durchaus etwas verbittert, aber sogleich kehrte die Sanftheit in Lavrentys Stimme zurück, als er sich seinen beiden Begleitern zuwandte, "Ich will euch nicht verjagen. im Gegenteil, es ist sogar schön nicht der Einzige zu sein, der sich kümmert. Aber ich finde sowas sollte man seinen Genossen nicht verschweigen."

« Letzte Änderung: 30.01.2017, 22:36:53 von Lavrenty Volkov »
Unser Weg ist noch nicht zu Ende,
Genossen, blickt weit voran,
seht im Wind die Fahne vor uns wehn,
sie führt die Arbeitenden an! Genossen! Los! Los! Los!
(Melodie)

Mara Sorokin

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« Antwort #44 am: 14.02.2017, 04:21:08 »
Auf Lavrentys Worte zuckte Mara lediglich mit den Schultern. "Wenn wir mit dieser Sache Erfolg haben wollen, werden wir früher oder später sowieso mit der Polizei zu tun kriegen. Vielleicht auch mit Schlimmerem. Die Bonzen werden sich sowas nicht gefallen lassen und zur Not mit Gewalt vorgehen." Sie begann sich langsam in Bewegung zu setzen und dem Mann zu folgen. Etwas Bewegung würde der Kälte hoffentlich entgegenwirken. Um sich etwas aufzuwärmen, trat sie hier und da einen Stein durch die Gegend.
"Ihr könnt mich Mara nennen." begann sie sich schließlich, mit einem Seitenblick zum Elf, vorzustellen. "Früher hab ich mal Waffen gebaut aber jetzt schlag ich mich so durch. So wie der Rest. Mal ein bisschen hier arbeiten, mal dort. Wo ich halt gebraucht werde. Für Frauen und Halblinge gibts nicht viel Arbeit, da darf ich nicht wählerisch sein." erzählte sie etwas mürrisch. "Bisher hab ich höchstens mal ne Rede in irgendeinem Pub gehalten. Meistens betrunken. Mich kennt also kaum irgendjemand. War aber der Meinung, dass das langsam nicht mehr reicht. Bin froh, dass ihr auch was tun wollt. Vielleicht können wir drei ja wirklich was erreichen, wenn wir uns anstrengen." Mara schöpfte etwas Hoffnung. "Ich will versuchen, für Halblinge aber vor allem für Frauen, etwas mehr Gerechtigkeit rauszuschlagen. Gleichberechtigung. Wenn wir also wirklich mal was erreichen, könnt ihr davon ausgehen, dass ich mich für diese Themen stark mache."