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Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 131437 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

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Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #120 am: 11.04.2017, 20:11:45 »
Aeryn zuckt kurz mit den Schultern. Die Beeren verstärken ihren Verdacht nur, dass die Mönche nicht mehr das sind, was sie einmal waren. Vorsichtig schiebt sie die Türe weiter auf, um einen Blick hineinwerfen zu können.

Sie ist zwar darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden, aber wenn sie doch ein Mönch zur Rede stellen sollte, so würde sie sich ihm nicht unterordnen. Sie waren im Auftrag des Fürsten unterwegs, um die Vorkommnisse hier in der Gegend zu untersuchen. Dem hatten sich auch die Ordensbrüder unterzuordnen.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #121 am: 12.04.2017, 22:34:02 »
"Ich?" ruft Talahan. "Ich rühre mich hier nicht vom Fleck, bevor Bruder Edgar mir nicht Rede und Antwort steht!"

"Und ich", meldet sich eine leicht akzentbehaftete Stimme von hinten, "lasse mein Weib an einem Ort wie diesem hier ganz sicher nicht aus den Augen." Schon legt sich ein kräftiges Paar Hände auf Lîfs Schultern und zieht die forsche junge Frau wieder einen Schritt zurück. Lîf bleibt keine Zeit für einen Protest, denn nun wird auch der Bibliothekar laut.

"Ihr sprecht von beleidigen?" spiegelt Bruder Edgar Talahans Empörung. "Ja, wer beleidigt hier denn wen? Ich bitte Euch lediglich darum, für einen Krankenbesuch Eure Waffen abzulegen, Ihr aber bezichtigt mich der Lüge! Was hier vor sich geht? Pater Halfir hatte einen schweren Unfall, Bruder Meirik ist bereits voriges Jahr in die heilige Feste gegangen und eine dreiste Räuberbande überfällt Händlerzüge! Das ist die Lage, so wie ich sie überblicke. Mehr wird Pater Halfir Euch auch nicht erzählen können! Aber bitte, wer den Abt sprechen will, den will ich nicht daran hindern. Und wer beten will: die Kapelle ist nicht zu übersehen. Einfach außen herumlaufen. Das Tor ist offen."

Nach diesen Worten erhebt sich der Bibliothekar ein wenig zu schwungvoll (ein Fäßchen Tinte gerät kurzzeitig in Gefahr, entscheidet sich dann aber doch, nicht umzukippen), schiebt geräuschvoll die Bank zurück und begibt sich ein paar Schritte zur Tür, durch die zuvor Bruder Jarus verschwand. Wer seiner auffordernden Handbewegung mit dem Blick verfolgt, sieht, dass Bruder Jarus dort in eben diesem Augenblick wie gerufen erscheint. "Bruder Jarus geleitet euch gern", beendet der Bibliothekar das Gespräch. "Eure Waffen könnt Ihr neben dem Durchgang ablegen."[1]

Die fünf verbleibenden Gefährten blicken einander an. Die heftige Reaktion des Bibliothekars kommt ihnen seltsam vor. Er scheint Talahan zu imitieren. Die steife Haltung, das vorgestreckte Kinn, die fordernden Gesten... eins zu eins vom Ordensritter kopiert! Nur Talahans rote Gesichtsfarbe lässt sich wohl nicht nachahmen. Anteilnahme zu heucheln macht ja wenigstens noch Sinn, könnte Abdo sich denken, aber wozu Wut vortäuschen?[2]

Die sechs Mönche derweil lassen sich von nichts irritieren. Noch immer sind sie über ihre Schreibarbeiten gebeugt und kritzeln eifrig weiter.

~~~

Vor Aeryn liegt ein großer, dunkler Raum. Selbst ihre Elbenaugen benötigen etwas Zeit, sich anzupassen. Anders als im Skriptorium brennt keine einzige Kerze, auch wenn es irgendwo weiter hinten im sich weitenden Raum wohl ein schmales Fenster geben muss. Jedenfalls lichtet sich das Dunkel allmählich zu einem schwachen Dämmerlicht, das so gerade eben ausreicht, die nächste Umgebung zu erahnen. Zu ihrer Rechten führt ein schmaler, von hohen Schränken einseitig gesäumter Gang zu einer Tür; ein breiterer Gang führt geradeaus, von welchem linkerhand nach wenigen Schritten eine Tür abgeht. Von rechts strömt der Elbin ein übermächtiger Kräuterduft entgegen, allen voran der warme Heuduft der Kamille, aber auch schärfere Töne mischen sich darunter. In den brusthohen Regalen dort lagern wohl, in allen möglichen Kästchen und Töpfchen, die Heilmittel des Klosters. Etwa ein Dutzend Schritt voraus öffnet sich der Gang in einen großen Raum. Mehr kann Aeryn von hier aus nicht erkennen, also spitzt sie die Ohren: alles still. Sie schnuppert noch einmal: rechts die Kräuter, aber was ist mit links? Links, da riecht es irgendwie nicht so gut. Ein vorsichtiger Schritt in diese Richtung, ein Schieflegen des Kopfes: summt da etwas hinter der Tür?

~~~

Hjálmarr marschiert ohne klares Ziel vor Augen—nur raus aus der stickigen Stube will er!—in den Klostergarten hinaus und tritt dort, nach einigem wahllosen Wandeln zwischen Kräutergängen, durch die erste Tür, die ihm unterkommt. Er blinzelt im Gegenlicht. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite des großen Saales, fällt die Abendsonne durch ein für hiesige Verhältnisse recht großes Fenster, bestimmt dreiviertel Elle breit und zwei hoch. Ein Schritt zur Seite und abermaliges Blinzeln offenbart ihm, dass er sich in die Bibliothek verirrt haben muss. Zumindest schaut er auf sechs Reihen Regale, die sich von etwa der Mitte des Raumes bis zu den Fenstern gegenüber erstrecken. Er meint, gerade noch einen schlurfenden Schritt gehört zu haben, doch jetzt ist es still. Kein Mensch ist zu sehen. So recht eigentlich weiß Hjálmarr nicht, was er hier will.[3]
 1. Wer immer dem Bruder Jarus folgen will, kann seine Waffen ablegen und es tun. Talahan wird sich da nicht vordrängeln und auch Tristan wird sein Weib nicht gewaltsam zurückhalten können.
 2. s. Würfe hier.
 3. Auf Deinen Wunsch habe ich gewürfelt, welche der drei Türen vom Hof aus gesehen du genauer untersuchst.
@ Hjálmarr: Aus meiner Sicht ist noch nicht geklärt, ob H. lesen und schreiben kann, da du keine Erklärung dafür hattest, wo er (bzw. der Müller-Vater) es gelernt haben könnte. Auf meine Nachfrage (s. hier) hattest Du nicht geantwortet. So wie ich euch gerne versprochen habe, dass alles, was ihr bzgl. eurer Chars mit Khenubaal ausgemacht habt, bei mir auch gilt, möchte ich im Gegenzug aber auch nicht alles neu verhandeln müssen, was er bereits durchgesetzt hat: Lesen und Schreiben ist wirklich eine ganz besondere und seltene Fähigkeit, die nicht einfach jeder Bäcker, Müller, Fischer beherrscht. Denk Dir halt was aus! Vielleicht warst Du mal längere Zeit mit einem straffällig gewordenen Gelehrten/Geistlichen in derselben Zelle eingesperrt? Oder Du gibst den übrigen Punkt doch für "Feensprache" aus.
« Letzte Änderung: 13.04.2017, 11:36:16 von Gaja »

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #122 am: 13.04.2017, 10:55:08 »
Da sie sich durchaus bewusst ist, dass hier hinter jeder Tür Gefahren lauern könnten, beschließt Aeryn zunächst etwas Unterstützung zu holen. Hatte sie da nicht gerade zuvor Hjálmarr gesehen, wie er ebenfalls das Gebäude in den Kräutergarten verlassen hatte? Wo war er wohl hingegangen? Das ließ sich sicher leichter herausfinden, als was hier im Kloster nicht stimmt.

Daher tritt Aeryn erneut in den Klostergarten hinaus und schließt die Türe leise, um nachzusehen, wo der Mensch sich gerade aufhält, und ob sich vielleicht sogar noch jemand ihnen anschließen könnte, ohne großes Aufsehen zu erregen.

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #123 am: 13.04.2017, 14:45:41 »
Abdo kann sich wirklich nur noch über die Entwicklung wundern. So wie er es verstanden hatte, war ein Kloster doch ein Ort zur Andacht, zur Arbeit und zur Ruhe. Dass sich hier plötzlich ein lautstarker Streit entwickelt, an dem sich auch der fromme Mann beteiligt, und dies auch noch so plötzlich, lässt ihn vergleichsweise ratlos zurück.

Dennoch nutzt Abdo nun die Gunst der Stunde und geht auf Bruder Jarus zu. "Waffen trage ich keine." tut er dem Mönch kund und zeigt nach traditionellem Brauch seine offenen Handflächen. "Aber ich würde gerne mein Gepäck ablegen, bevor ich zum Abt gehe." Bei den letzten Worten streift er den Rucksack ab, den er immer noch auf dem Rücken trägt und legt ihn neben dem Durchgang ab.
"Lîf, kommst du nun mit? Die Augen einer Heilerin schaden gewiss nicht."

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #124 am: 13.04.2017, 15:32:43 »
Die gesamte Situation lässt Lîf langsam aber sicher daran zweifeln, ob sie wach ist oder einen absurden Traum hat. Kaum hat sie Talahans heftige Attacke gegen den Mönch und das damit verbundene Ignorieren ihrer Worte – Männer eben..! – verdaut, da fühlt sie sich auch schon von Tristan gehalten und hört zugleich Edgar seinerseits laut werden. Immer mehr glaubt sie sich in einer Art Tollhaus und beginnt sich zu fragen, ob vielleicht etwas in der Luft liegt, das die streitbare Stimmung so anfacht. Ein Zauber – oder ganz einfach die Sporen von Pilzen..? Ihre Augen huschen zwischen den beiden Streithähnen hin und her, und sie spannt sich in Tristans Griff spürbar an, hält sich aber dennoch mühsam selbst zurück. Es hat keinen Sinn, weiteres Öl ins Feuer zu gießen, indem sie mit ihrem feurigen Temperament sich auch noch an der Diskussion beteiligt.

Und dann fällt ihr Edgars seltsames Gehabe wieder auf. Sie schaut über die Schulter hoch zu ihrem Mann und hebt bezeichnend die Augenbrauen. Als der Streit schließlich vorerst ein Ende gefunden zu haben scheint und ihr dunkelhäutiger Gefährte sie direkt anspricht, nickt sie entschlossen. Mit sanftem Nachdruck schiebt sie Tristans Hände von ihren Schultern, wendet sich ihm zu und sagt leise: "Ingen vil vove at skade mig. Alle ved, at du beskytter mig."[1] Damit greift sie in ihre Schürzentasche und zieht Tristans Leihgabe hervor, um ihm die Klinge zu geben. "Auch ich bin unbewaffnet" verkündet sie dann mit einem spöttischen Unterton, da die Mönche anscheinend fürchten, selbst ein Weib könne ihren Abt angreifen. "Außerdem ist meine Sache das Heilen, nicht das Schlagen von Wunden" fügt sie leiser hinzu.
 1. Värangsk: Niemand wird wagen, mir etwas anzutun. Jeder weiß, dass du mich schützt.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #125 am: 13.04.2017, 23:19:28 »
Während Hjálmarr noch unschlüssig dasteht, geht irgendwo rechts von ihm eine Tür und es nähern sich Schritte. Möchte er unbemerkt bleiben, ist es noch nicht zu spät, wieder in den Hof hinauszutreten oder sich rasch hinter ein paar halbhohe Regale zu ducken, die noch vor den großen Regalreihen quer dazu stehen.[1]

~~~

Kurz denkt Lîf, Tristan würde sie nicht gehen lassen. Als sie dann auch noch sein Sax aus ihrer Schürze hervorzieht und ihm zurückgibt, schüttelt er verzweifelt den Kopf. "Hvorfor tager du ikke det ... det var godt skjult ... Fordømt, forhåbentlig har de fast bundet til abbeden, uanset hvad han vender!" murmelt er.[2] Nach einigem Zögern nimmt er das Messer aber doch an und steckt es an seinen Gürtel. Sein Blick wandert zu Abdo und wieder zurück zu Lîf. Dann gibt er sich einen sichtlichen Ruck, darauf aber seinem Weib noch eine Warnung mit auf den Weg: "Stol ikke på dem. De kan lide at tale om sandhed, men ligger så smukke som alle andre. For dem, sandheden er hvad der er tilbage, når man bringer til tavshed alle stemmer undtagen sine egne."[3] Damit lässt er sie schweren Herzens ziehen.

"Führ diese beiden zu Pater Halfir", weist der Bibliothekar seinen Glaubensbruder an. Bruder Jarus nickt den Genannten zu und verschwindet abermals durch die seitliche Tür. Abdo und Lîf folgen ihm und betreten kurz darauf die Bibliothek, welche verlassen im Halbdunkel daliegt. Rötliches Abendlicht fällt durch drei hohe Fenster zu ihrer Rechten, doch außer dem ersten verstecken diese sich hinter mehreren Regalreihen und verraten sich nur durch zwei helle Streifen weiter vorne, in denen der Staub tanzt. Kein Laut ist zu hören außer den eigenen Schritten.[4]

So durchqueren die drei den stillen—manche würden ihn erhaben nennen—Saal des Wissens und treten auf der gegenüberliegenden Seite durch eine zweite Tür. Vor ihnen befindet sich ein langer, rechterhand ein kurzer Gang, jeweils mit zwei Türen. Obwohl sich ihre Augen bereits an das Halbdunkel der Bibliothek gewöhnt haben, ist es hier nun so finster, dass sie kaum die Hand vor selbigen sehen. Die einzige Lichtquelle ist ein Fenster irgendwo ganz hinten, hinter einer weiteren Ecke. Ihr Führer trägt weder Kerze nach Fackel, bewegt sich aber zielsicher nach rechts und öffnet die Tür am Ende des Ganges. Dahinter befindet sich ein Treppenhaus. Eine Wendeltreppe führt hinauf in den Turm und hinab in den Keller. Fensterschlitze erhellen die eine, an der Wand befestigte Öllichter die andere Richtung. Nach einer einladenden Handbewegung macht Bruder Jarus sich daran, die Treppen hinabzusteigen.

~~~

Freydis, Talahan und Tristan bleiben im Skriptorium zurück, zusammen mit dem Bibliothekar und seinen sechs eifrigen Schreibern. Für einen Augenblick weiß niemand, was er sagen soll.
 1. In letzterem Fall bitte ich um einen Stealth-Wurf.
 2. Värangsk: "Warum nimmst du es nicht... es war doch gut versteckt... Verdammt, hoffentlich haben sie den Abt gut verschnürt, in was auch immer er sich verwandelt hat!"
 3. Värangsk: "Trau ihnen nicht. Sie nehmen gern das Wort 'Wahrheit' in den Mund, aber sie lügen so prächtig wie alle anderen Menschen. Für sie ist Wahrheit das, was übrigbleibt, wenn man alle Stimmen außer der eigenen zum Schweigen bringt."
 4. Hjálmarr Stealth = 13; Lîf und Abdo perception 12 und 10; Jarus gewürfelte 4, s. hier.
« Letzte Änderung: 14.04.2017, 20:09:48 von Gaja »

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #126 am: 14.04.2017, 22:08:19 »
Nur höchst ungern hätte sich Freydis von dem beruhigenden Gewicht ihres Streitkolbens getrennt,
dafür ist es zu offensichtlich, dass mit den Mönchen etwas nicht stimmt.
Bei Bruder Edgars ausbruch wird ihr klar wie ihr die Situation vorkommt. "Schauspieler!" fährt es ihr durch den Kopf "Nicht wie echte Mönche, sondern wie Schauspieler die so tun als ob!" Entweder täuschen die Brüder Normalität vor, oder etwas noch viel monströseres geht hier vor.[1]
Auf jedenfall hat die junge Berührte eine Idee wie sie unauffällig ein bischen nach der Wahrheit stochern kann.
Sie lehnt sich eine Mischung aus Langeweile und Neugierde vorspielend über die Schulter eines der Schreiber und deutet dann auf dessen Werk. "Entschuldigt Bruder, aber sollte dieses Violett nicht den gleichen Ton haben wie jenes? So wie es jetzt aussieht verträgt es sich gar nicht gut mit dem orangerot." kommentiert sie dann Erstaunen häuchelnt.[2] Dabei klopft ihr Herz so schnell, dass sie überzeugt ist kaum besser zu Schauspielern als die Mönche, so nervös ist sie.
 1. Sense Motive 23
 2. Bluff: 24
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #127 am: 15.04.2017, 14:04:39 »
Stumm nickt Lîf ihrem Mann zu und drückt sachte seine Hand. Wenn er die Befürchtung hat, sie könne den Mönchen echtes Vertrauen entgegenbringen, kennt er sie schlecht! Dennoch: Auch wenn ihr die Einladung nach einer Art von Falle zu riechen scheint, kann sie sich dem Gedanken nicht verschließen, dass sie wissen müssen, was mit dem Abt los ist – und ganz abgesehen davon ein womöglich siecher Mensch ihre Hilfe braucht. Ihre Pflicht als Heilerin zu verleugnen hieße aber die Große Mutter erzürnen. Daher ist sie entschlossen, sich dem fremdländischen Gefährten anzuschließen und der Sache auf den Grund zu gehen. Sie hat keine Angst, zumal sie noch immer ein wenig darauf zählt, dass sie es immerhin mit Menschen zu tun haben, die ein unbewaffnetes Weib wohl nicht so einfach angreifen würden.

Sie erwidert also Jarus' Nicken und geht ihm an Abdos Seite nach, die Hand auf ihren gewölbten Bauch gelegt und tief durchatmend, obgleich sie sich im Moment nicht sonderlich unwohl oder erschöpft fühlt[1]. Man weiß schließlich nie, ob es nicht noch nützlich sein kann, wenn die Mönche die Schwangere harm- und hilfloser wähnen, als sie es wirklich ist. Auf dem Weg blickt sie sich aufmerksam um und schnuppert immer wieder, ob sie den eigenartigen Pilzgeruch außer von den Brüdern ausgehend auch anderswo wahrnehmen kann. Kurz zögert sie, als es in den finsteren Gang geht, doch folgt sie dem Mönch weiter. Ein Stirnrunzeln dürfte wenig später auch Abdo nicht verborgen bleiben, denn dass der Abt in einem Kellergewölbe untergebracht sein soll, erscheint ihr höchst seltsam. Doch sie rafft ihr Kleid und macht sich daran, die Treppenstufen langsam und vorsichtig zu nehmen, ihre Sinne aufs äußerste gespannt.
 1. Bluffenwurf: 19, siehe hier.

Hjálmarr

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Der Weihort
« Antwort #128 am: 16.04.2017, 10:43:22 »
Hjalmarr ist es eigentlich gleich, ob er hier nicht sein durfte. Regularien und Verbote haben ihn noch nie groß geschert, und dennoch, als er das Geräusch ein paar Regal Reihen weiter hört, nimmt er reaktiv die Spannung aus den Beinen und sackt hinter einem halbhohen Sekretär zusammen. Neugierig lugt er er langsam um einen Kante und erkennt die Rücken von Lief und Abdo. Einer der Mönche, Hjalmarr hat seinen Namen bereits vergessen, führt die Beiden. Scheinbar haben sie sich entschieden mit dem Pater zu sprechen. Leise folgt er dem Gespann einen Moment später bis zur Tür und bemerkt das dunkle, kalte Treppenhaus, in welches der Bruder seine beiden Gefährten geleitet. Eigentlich war sein Plan die Erkundung des Gemäuers, doch der Weg in die Keller schien für einen Krankenbesuch des Kloster-Oberhauptes nicht der Richtige. Misstrauisch beschließt der Lesdager ihnen mit etwas Abstand und besonderer Vorsicht zu folgen.

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #129 am: 18.04.2017, 12:24:33 »
Abdo macht keine weiteren Anstalten zu warten und folgt ihrem Führer durch die seitliche Tür in die Bibliothek. Ein kurzer Blick über die Schultern vergewissert ihn, dass Lîf sich glücklicherweise entschieden hat, ebenfalls mitzukommen. Falls der Abt Zeichen der Seuche tragen würde, kann die Heilerin diese sicherlich besser erkennen; schließlich hat sie nach ihren eigenen Worten bereits eine andere von der Krankheit Gezeichnete gesehen.

Die Anzahl der Bücher in der Bibliothek erfüllt ihn mit einem warmen Gefühl - in Ya'Kehet konnten die Anhänger des Ordens nur einen kleinen Teil der vorhandenen Bücher retten, und jedesmal, wenn ein weiteres Buch auf einer Mission gefunden wurde, war dies eine Tag der Freude für den gesamten Orden. Er selbst ist zwar kein Gelehrter, und die hiesige Sprache bereitet ihm weiterhin mehr Probleme, als ihm lieb ist - vor allem die Runen, die zur Niederschrift der Sprache verwendet werden, machen ihm zu schaffen - doch Abdo nimmt sich vor, wenn es sich irgendwie einrichten lässt, die Bibliothek zu besuchen und sich in das eine oder andere Buch einzulesen.
Jetzt allerdings liegt sein Fokus woanders, und er folgt Bruder Jarusm, der keine Pause einlegt, durch den Raum und einen weiteren dunklen Korridor zu einer Treppe. Hier gibt es zumindest wieder eine schwache Beleuchtung und Abdo folgt dem Mönch in kurzem Abstand treppabwärts.

Der Gedanke, dass es merkwürdig sein könnte, einen Kranken im Keller zu pflegen, kommt dem Ya'Keheter nicht - schließlich sind seine Landsleute seit Jahren gezwungen, einen Großteil ihres Lebens unterhalb der Erdoberfläche zu verbringen, wo sie vor den umherziehenden Horden einigermaßen sicher sind.

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #130 am: 18.04.2017, 15:02:54 »
Da Hjálmarr so schnell wieder verschwunden ist, wie er aufgetaucht war, ist die Elbin zunächst etwas unschlüssig, was sie nun weiter tun soll, entscheidet sich am Ende aber dafür, nochmal zu der Türe zu gehen, um weiter zu beobachten, was sie dort zuvor für ein Summen gehört hatte. Vielleicht ist es ja einfach nur ein Ort, wo die Klosterbrüder Bienenstöcke haben, um Honig zu sammeln. Sie nimmt sich reichlich Zeit, wenn sie wieder dort ist, um die Eindrücke zu ergründen, die ihre Ohren in dem Raum auffangen können.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #131 am: 18.04.2017, 15:37:19 »
Das Summen klingt nicht nach Bienen. Bienen fliegen ruhiger, zielbewusster. Außerdem hat Aeryn die Bienenstöcke des Klosters draußen im Hof gesehen, warum sollte es im Inneren weitere geben? Vielleicht ein Wespennest in einem unbenutzten Raum? Würde man wohl direkt neben der Krankenstube auch nicht dulden. Und eigentlich klingt es auch eher nach den erratische Flugkünsten von Schmeißfliegen.

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #132 am: 18.04.2017, 18:06:41 »
Nachdem sie sich das Summen eine Weile länger angehört hat, kommt Aeryn eine andere Idee. Das würden sie untersuchen müssen, aber dazu müsste sie zunächst die anderen informieren. Daher begnügt sich die Elbin zunächst damit und macht lediglich eine mentale Notiz, später zusammen mit dem Rest nocheinmal hier nachzusehen. Dann kehrt sie zurück zur Schreibstube, um zu sehen, wie die Lage dort mittlerweile ist.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #133 am: 20.04.2017, 22:44:02 »
Als Freydis einen der Schreiber anspricht und auf Farbfehler seines Manuskriptes aufmerksam macht, hält dieser inne. Und nicht nur er, bemerkt Freydis hellhörig: alle sechs Federn im Raum hören abrupt auf, über Pergament zu kratzen. Gerade noch ist Freydis, ist die ganze Gruppe, außerordentlich beeindruckt von der Disziplin und dem Diensteifer der Schreiber gewesen, welche sich nicht einmal durch die lautstarke Auseinandersetzung wenige Schritt neben ihnen hatten irritieren lassen, jetzt lassen alle sechs sich durch die einfache Ansprache eines von ihnen ablenken; jetzt lauschen alle sechs mit geneigtem Kopf Freydis' Worten. Der Angesprochene schaut auf seine Arbeit, die anderen fünf zu den beiden herüber, dabei alle sechs mit der gleichen, ausdruckslosen Miene. Irgendwie hat Freydis nicht das Gefühl, dass der Mann neben ihr überhaupft versteht, was sie meint. Antworten tut er nicht.

Talahan versucht es derweil noch einmal mit Vernunft.

"Nun kommt schon! Wir sind jetzt unter uns. Ob Ihr's glaubt oder nicht, der junge Mann, der sich da schüchtern im Hintergrund hält, zitiert den Propheten so inbrünstig und wortgetreu, dass es uns beiden die Schamesröte ins Gesicht triebe, wollten wir versuchen, uns mit ihm darin zu messen. Also sagt endlich: was ist hier los? Wir sind gekommen, um zu helfen."

"Uns helfen wollt ihr?" fragt Bruder Edgar. Wer ein bisschen Einbildungskraft besitzt, könnte meinen, er klingt überrascht, dabei ist's wohl nur die hochgezogene Augenbraue, die einen auf diese Idee bringt. (Ein Schauspieler, denkt Freydis abermals, doch seine nächsten Worte lassen sie schaudern. Ganz leise spricht er sie.) "Uns helfen könnt ihr ganz leicht. Ob ihr es wollt ist eine andere Frage."

Nach diesen Worte bückt er sich und öffnet eine Lade an seinem Schreibpult.

Während Aeryn in umgekehrter Richtung durch den Klostergarten huscht, fällt ihr zum ersten Mal auf, dass an einem der schmalen Fenster im zweiten Stock tatsächlich ein Späher lauert, der, kaum treffen sich ihre Blicke, mit einem raschen Schritt in die Obskurität zurückweicht. Im Skriptorium angelangt, drängen sich ihr drei Beobachtungen gleichzeitig auf: dass von den ihren nur noch Talahan, Tristan und Freydis anwesend sind; dass Freydis gerade—verbotenerweise!—einen der Schreiber über die Schulter weg anspricht; dass der Pilzgeruch wenige Augenblicke später (oder hat sie bloß nicht eher darauf geachtet) plötzlich an ihr hochbrandet, dass ihr fast übel davon wird. Ein einziger Schreckmoment ist ihr gegönnt, dann krachen Schemel, Manuskripte, Tintenfäßchen zu Boden, als die sechs Schreiber sich synchron erheben und ihre Pulte öffnen und hineingreifen.

Freydis, deren Augen an die Lichtverhältnisse im Skriptorium besser angepasst sind als Aeryns, erkennt noch vor der Elbin, was die Schreiber da aus ihren Pulten ziehen: Knüppel.[1]

~~~

Immer weiter in die Tiefe windet sich die Treppe, die Bruder Jarus Abdo und Lîf—und ohne sein Wissen auch Hjálmarr—hinunterführt und danach weiter, einen Gang entlang. Die Sinne der Gefährten sind aufs Äußerste angespannt. Das einzige Licht hält Bruder Jarus, der das letzte Öllicht am Fuße der Treppe aus der Halterung genommen hat; Hjálmarr kommt nur tastend und lauschend voran.

Sie alle hören: mehr Schritte, als sie Personen um sich wissen. Mindestens drei Paar schleichende Schritte wähnen der Ya'Keheter und die junge drudkvinde hinter sich; Hjálmarr dagegen so ein oder zwei Paar vor sich. (Genau drei, denkt sich Abdo, doch zwei davon schleichen derart im Takt miteinander, dass es fast wie eine Person klingt. Der dritte Schleichter dagegen tut sich schwer: sein Rhythmus ist unregelmäßig, mal hält er zögernd inne, mal eilt er voran, um aufzuholen, mal stolpert er. Die anderen zwei stolpern nicht und zögern nicht.) Kurz nachdem (bzw. bevor) man einen Seitengang passiert hat, haben diese zwei sich zu den eigenen Schritten dazugesellt und begleiten sie nun getreu, trotz etlicher Türen und zwei weiteren Abzweige, bis der Gang schließlich immer abschüssiger und unebener wird. Längst besteht der Boden nicht mehr aus Steinfliesen, sondern aus nacktem Fels. Die Luft wird immer schwerer, immer feuchter; feucht sind auch die Wände. Gemauert, ja, noch sind sie es—doch wie lange noch? Die Decke ist es nicht mehr: Fels oder Erdreich, von massigen hölzernen Querstreben gestützt.

Weit vor ihnen ertönt ein Glucksen und Plätschern.
 1. Kampf eröffne ich morgen. Komme heute abend nicht mehr dazu. Muss die Karte neu bearbeiten, weil ja nur vier statt sieben von euch da sind, etc. Initiative habe ich schon gewürfelt.
« Letzte Änderung: 23.05.2017, 12:33:16 von Gaja »

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #134 am: 21.04.2017, 09:51:30 »
Nachdem die Treppe immer tiefer führt, wird auch Abdo langsam misstrauisch. So tief in der Erde würde doch kein normaler Kranker behandelt werden? Mussten sie den Abt hier unten festhalten, weil er zu einem wilden Tier mutiert war, so wie er es bereits befürchtet hat? Dass der Gang am Fuße der Treppe nun unbeleuchtet ist, trägt nur zu seinem noch weiteren Unbehagen bei.

Plötzlich bemerken seine durch die Dunkelheit geschärften anderen Sinne, dass er verfolgt wird - oder besser, dass ihnen dreien Schritte folgen: Drei Paar, um genau zu sein, wobei eines nicht zu den beiden anderen zu passen scheint. Hat der Mönch sie etwa in eine Falle gelockt? Sind dies zwei Attentäter, die ihm und Lîf den Hals umdrehen sollen, um das fürchterliche Geheimnis des Abtes nicht zu enthüllen?

Eine Weile folgt er ihrem Führer schweigsam und denkt darüber nach, welche Optionen er nun hat, doch mehr und mehr wird deutlich, dass dies hier unten kein gutes Ende nehmen kann - inzwischen sind die drei offenbar in einer Art Stollen, der direkt ins Erdreich getrieben wurde, unterwegs, weit unterhalb der Klostermauern.

Der Ya'Keheter sieht nur eine Möglichkeit: Er muss den Spieß umdrehen und das Überraschungsmoment für sich nutzen, und die Verfolger stellen, bevor die Falle endgültig zuschnappt. Doch hier unten in der Dunkelheit gestaltet sich das Ganze schwierig. Er tritt etwas näher an den Mönch heran, wie um ihm eine Frage zu stellen, versucht dann jedoch, ihm mit einem schnellen Griff die Lampe zu entreißen. Doch der Mönch scheint das Vorhaben geahnt zu haben und weicht Abdos Hand mit einer kurzen Bewegung aus.[1]
Dennoch wirbelt der Ya'Keheter herum und ruft in Richtung der Dunkelheit:
"Wer da? Zeigt euch!"
 1. Misserfolg beim Kampfmanöver
« Letzte Änderung: 23.04.2017, 01:15:00 von Abdo al'Mbabi »

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