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Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 130860 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

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Lîf

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Der Weihort
« Antwort #255 am: 29.06.2017, 20:21:50 »
Schweigend, aber mit einem dankbaren Blick für Tristan tut die rothaarige Heilerin ihre Arbeit. Nachdem sie sich davon überzeugt hat, dass Abdos Atem ruhig und gleichmäßig geht und er nicht mehr in unmittelbarer Gefahr schwebt, wendet sie sich dem kleinen, aber erstaunlich breiten Mann zu, froh, dass Tristan sich um die Schnallen und Gurte der schweren Rüstung kümmert, mit denen sie sich nicht auskennt. Dann tut sie ihr bestes, ihm beim behutsamen Befördern der Verwundeten auf die Pritschen zu helfen. Nachdem sie glücklich dorthin verfrachtet sind, zieht sie dem kleingewachsenen Mann recht unzeremoniell die Unterkleidung bis zum Gürtel aus, um den Oberkörper auf Wunden zu untersuchen, mit ihren schmalen Händen die Rippen auf Brüche abzutasten und nach Anzeichen von Blutungen zu sehen. Ihr Gesicht hat dabei den Ausdruck völliger Versunkenheit angenommen. Im Moment ganz Heilerin, ist der Fremde für sie ein Patient wie jeder andere. Auch für seine beeindruckenden Muskelberge hat sie jetzt keinen bewundernden Blick übrig.

Sobald sie zu wissen glaubt, wo und wie schwer der Mann getroffen wurde, beginnt sie auch ihn vorläufig zu versorgen, um seinen Zustand zu stabilisieren. Dazu zählt, dass sie – wie auch bei Abdo – die offenen Wunden reinigt, vor allem von möglichen Spritzern des widerlichen Schleims, die im Kampf umhergeflogen sind, und eventuell gebrochene Knochen richtet, solange der Bewusstlose keine Schmerzen spüren kann. Die Hände des Rotschopfs bewegen sich dabei sicher und entschlossen, und sie nutzt auch das Gewicht ihres Körpers, um an den Stellen Druck auszuüben, an denen die Kräfte eines Weibes womöglich nicht ausreichen. Sie scheint für nichts außer ihren Pflegebefohlenen Augen zu haben. Bis sie schließlich doch aufschaut und ruhig sagt: "Ihr solltet mir erlauben, auch Euch zu versorgen, Herr Talahan. Meine Erfahrung sagt mir, dass Ihr Hilfe benötigt." Ihre Stimme klingt dabei sanft, aber ihr Blick zeigt, dass sie nicht gewillt ist, wirklichen Widerspruch zu dulden. Nicht, wenn es um die Pflicht geht, die ihr die Große Mutter auferlegt hat. Man merkt ihr an, dass sie davon überzeugt ist, hier mit der Autorität der Göttin zu sprechen.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #256 am: 29.06.2017, 22:17:44 »
Talahan antwortet nicht auf Lîfs Ansprache. Sein Atem geht schwer, seine Lider flattern. Das Gesicht ist trotz seiner vorangegangenen Bemühung noch immer zu verdreckt, um etwas zu erkennen außer seinen Lippen, welche rissig sind.

"Die Handschuhe", sagt Tristan, der abermals lautlos hinter sie getreten ist. "Dafür hat Solveig sie dir doch gegeben."

Lîf zögert. Mit Handschuhen wird sie nicht feststellen können, ob er wirklich ein Fieber hat.


"Was hier los ist?" antwortet Halfdan derweil verspätet auf Freydis' Frage. "Woher soll ich das wissen? Nach der Sturmnacht wurden erst etliche Leute krank, dann verwandelten sie sich in diese Monster da. Ein paar Mönche sahen wir noch durchs Nordtor fliehen, aber da waren wir schon abgeschnitten und es blieb uns nichts übrig, als uns hier zu verbarrikadieren. Seit vier Tagen harren wir hier aus in der Hoffnung, Bruder Meirik ist entkommen und holt Hilfe. Wir waren mal drei Kämpfer, jetzt sind wir nur noch zwei. Astrid oben ist auch noch ganz patent, der Rest nutzlos."

Rogar, Apothekarius

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Der Weihort
« Antwort #257 am: 30.06.2017, 13:59:05 »
Das Entfernen der Rüstung von dem 'Zwerg' provoziert bereits erste Regungen, anscheinend kann er jetzt - im Gegensatz zum Kampf - Schmerzen spüren. Aber außer Zuckungen und flachem Atem zeigen sich keine weiteren Reaktionen. Erstaunlich wenig Blut sickert aus der Vielzahl von Wunden, die die meisten Menschen längst getötet hätten. Die Untersuchung ergibt, das er für den Moment stabil ist. Etwas anderes fällt bei der Kontrolle des Atems auf: Er riecht ziemlich übel. Was auch immer er zuletzt zu sich genommen hat, mit Sicherheit war es verdorben oder zuindest vergoren. Wie auch immer die Lage gewesen war, die ihn dazu gebracht hat, das zu sich zu nehmen, es dürfte üble Folgen haben.

Gerade ist die Versorgung des Patienten fast abgeschlossen, da flattern seine Augenlider unter den dichten Augenbrauen. Er murmelt etwas auf einer unverständlichen, harten Mundart. Dann macht er unkoordinierte, jedoch immer noch kräftige Abwehrbewegungen, bevor er still wird, nun mit offenen Augen. Völlig ermattet kneift er die Augen zusammen und scheint Mühe zu haben, Lif und Tristan zu fokussieren. Dann wandert sein Blick wieder und er fragt mit schwerer Zunge etwas auf seiner Sprache. Schließlich reckt er seine Arme und versucht in einer schwachen Bewegung, nach deren Wasserschläuchen zu greifen. Die nächsten Worte, die von einem trockenen Husten begleitet werden, klingen bittend.

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #258 am: 30.06.2017, 15:52:39 »
Als Abdo zum zweiten Mal erwacht, ist der Schrecken kleiner als zuvor. Zwar braucht er einen Moment, um zu erfassen, wo er ist, doch diesmal kniet niemand über ihm, als seine Lider sich zaghaft öffnen. Die drei Frauen ... es war nur ein Traum - die Realität war der Kampf gewesen. Noch immer kraftlos, schließt der Ya'Keheter die Augen wieder und lauscht zunächst den Gesprächen der anderen. Den Kampf haben sie offenbar gewonnen, doch hört er auch unvertraute Stimmen - es gab also doch Überlebende, die sie gefunden haben. Und wenn er alles richtig deutet, scheint niemand auf ihrer Seite im Kampf gefallen zu sein.

Neue Kraft schöpfend durch die Erleichterung darüber, stemmt Abdo sich auf seine Ellenbogen und richtet den Oberkörper so weit auf, dass er die Lage etwas besser überblicken kann. Sein Kopf bedankt sich mit einem wummernden Schmerz für diese Anstrengung, doch mit großer Willensanstrengung schafft er es, nicht sofort wieder zurückzusacken. Schmerz ist kein Unbekannter für ihn, und wer in Ya'kehet nicht schnell wieder auf die Beine kommt, wird schnell Opfer der Shetani. Und auch hier macht sich der Kämpfer keine Illusionen darüber, lange Zeit zur Erholung zu bekommen. Dieser Kampf hat dem Unheil sicherlich noch kein Ende gesetzt, und es bleibt ihm nichts anderes übrig, als schnell auf die Beine zu kommen - auch wenn er sich kaum stark genug fühlt, um aufzustehen.

In der Nähe sieht Abdo Lîf, wie sie einen kräftig gebauten Mann behandelt - Talahan? Nein, ihr Anführer ist dort drüben, zwar ebenfalls mitgenommen, aber auf den Beinen. Einer der Geretteten? Plötzlich sieht Lîf in seine Richtung, und schnell wendet er seinen Blick ab - er kann ihr nicht in die Augen blicken. Ob er es nach diesem Traum jemals wieder können wird?
Stattdessen hört er dem fremden Mann zu, der nun davon erzählt, wie er und seine Gefährten ausgeharrt haben. Schließlich spricht er selbst mit noch brüchiger Stimme:
"Wisst ihr, wieviele von diesen Kreaturen es hier noch gibt?"

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #259 am: 30.06.2017, 16:24:11 »
Männer..!! Mit wachsendem Ärger registriert Lîf die geringe Beachtung, die ihre Anordnungen als Heilerin finden: Talahan reagiert noch nicht einmal auf ihre Worte – wobei in seinem Fall auch ein Fieber mitschuldig sein könnte – der unbekannte Kämpfer hat sich schon wieder von ihr abgewandt, sein breit gebauter, kurzer Freund regt sich und behindert damit ihre Arbeit, und zu alledem macht Abdo auch noch Anstalten, sich aufzurichten, was seine Wunden wieder aufbrechen lassen könnte! "So – nun ist es aber genug!" blafft sie ihre Patienten unvermittelt an und wirft ihr rote Haarmähne in einer aufgebrachten Kopfbewegung zurück. "Talahan, Ihr setzt Euch dorthin, und ich wasche Euch zunächst diesen Schleim ab, bevor er Euch krank macht. Ihr da bleibt gefälligst liegen und lasst uns bringen, was Ihr braucht" wendet sie sich an den Zwerg und meint leise zu ihrem Mann: "Venligst give ham vand."[1] Und an Abdos Adresse schnappt sie: "Und Ihr legt Euch schleunigst wieder hin und bleibt liegen, bis ich etwas anderes sage." Nach diesem Ausbruch zieht sie die von Tristan erwähnten Handschuhe an, ergreift einen Wasserschlauch und ein Tuch, um sich mit Talahan zu beschäftigen. Sobald sein Gesicht gesäubert ist, wird sich gefahrlos prüfen lassen, ob er fiebert, wie sie hofft.
 1. Värangsk: Gib ihm bitte Wasser.

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #260 am: 30.06.2017, 17:47:46 »
Wie vom Blitz getroffen sackt Abdo bei den Worten der Heilerin wieder in sich zusammen; sein Körper reagiert auf die Anweisung, noch bevor sein Geist wirklich aufnehmen kann, was sie gesagt hat - allein der Tonfall macht deutlich, wer hier die Befehle erteilt, und der Ya'keheter ist weise genug, sich nicht mit Lîf anzulegen, die immer deutlicher macht, dass sie nicht allein das Anhängseln Tristans ist, für das einige sie zu Beginn gehalten haben.

Hjálmarr

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Der Weihort
« Antwort #261 am: 03.07.2017, 10:19:25 »
Irgendwann in den vergangenen Minuten war Hjalmarr, nachdem er seinem Schockzustand entrinnen konnte, im Raum des Turmes erschienen. Mit finsterer Miene beobachtet er lautlos die Unbekannten und das Treiben um sie herum. Leger im Türrahmen lehnend kreisen seine Finger gedankenversunken über die Spitze eines Pfeiles. Für diesen ganzen Mist riskiert er sein Leben, Ärger brodelt in ihm. Ärger über diese verdrießliche Situation, in der er sich befindet, Ärger über seinen gekränkten Stolz, nachdem er Hals über Kopf vor der drohenden Gefahr geflohen ist und Ärger über ihr Unwissen, was hier jetzt genau vor sich geht. Erst als Lif sich bückt, um Tristan dabei zu helfen die Verletzten auf die nahestehenden Barracken zu heben, setzt der junge Mann sich in Bewegung. Wortlos tritt er neben Sie und greift ruhig an die Arme des Verletzten, um ihr zu zeigen, dass er ihren Platz einnimmt. Kurz nur sieht er auf ihren Bauch, um ihr sofort zu verstehen zu geben, dass eine Diskussion zwecklos wäre.

Danach wendet er sich dem Fenster zu und beobachtet die Wege vor dem Kloster.

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #262 am: 03.07.2017, 13:39:44 »
"Ich kann auch nichts sehen," bestätigt Aeryn mit Blick in Talahans Richtung. "Und eine Verfolgung ist leider ausgeschlossen."

Die Elbin tritt vom Fenster in den Raum zurück und überblickt die Lage. Ihre Gruppe ist, zumindest vorläufig, um zwei weitere Kämpfer gewachsen. Das ist gut. Allerdings sind mindestens zwei von ihnen, der dunkelhäutige Mann und der Zwerg, so schwer verletzt, dass sie im Moment nichtmals richtig stehen können. Sie weiß nicht, wieviel Heilmagie Lîf und Talahan besitzen, aber wahrscheinlich wird es einige Zeit brauchen, bis sie wieder stark genug sind, um sich den Gefahren dieses Ortes entgegenzustellen.

Für den Moment brauchten sie vor allem Ruhe, und somit einen Ort, an dem sie sich eine ganze Weile aufhalten konnten. Offensichtlich hatten die Überlebenden, von denen noch mehr im Turm sein sollen, das hier schon ganz gut hinbekommen. Es lag also nahe, sich weiter hier im Turm zu verschanzen. Genug Material, um die Eingänge zu blockieren hatten sie auch.

"Es sieht wohl so aus, als würden wir eine Weile hierbleiben müssen. Können die Verletzten bewegt werden? Hier im Eingangsbereich sind sie nicht sicher. Oben gibt es noch mehr Überlebende?" meint sie in Halfdans Richtung. "Wir sollten ihnen zumindest bescheidgeben, dass die Lage für den Moment ersteinmal ruhig ist, und natürlich, dass ein paar mehr Leute hier sind. Was meint Ihr, Halfdan, ich denke Ihr könnt euren Freund guten Gewissens für einen Moment in den kundigen Händen unserer Heilerin belassen."

"Danach sollten wir zusehen, dass wir anständige Lager für die beiden herrichten. Wie sieht es oben aus, gibt es da Liegen? Und dann den Zugang wieder versperren und natürlich bewachen, so dass es keine bösen Überraschungen gibt."

Dann macht die Elbin Anstalten, nach oben zugehen, wartet aber ab, ob Halfdan sie begleitet.

"Ich bin übrigens Aeryn," sagt sie schließlich, als ihr auffällt, dass sie sich selbst in dem vorherigen Trubel noch garnicht vorgestellt hatte.

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #263 am: 04.07.2017, 13:04:43 »
Mit Wundversorgung kennt sich Freydis zwar nicht aus, aber auf anderem Wege vermag sie zu helfen. Als der
Vorat in Lív`s Wasserschlauf zu Neige geht tritt Freydis hinzu. "Wenn ihr erlaubt, Druidkvinne.".
Trotz der noch immer pochenden Kopfschmerzen fixiert sie das Gefäß mit Augen die sie einmal mehr blau verfärben und vollführt sie mit der linken Hand eine Geste,  als würde sie etwas aus der Luft greifen und dann von ihrer flachen Hand fließen lassen. Wie von Geisterhand füllt sich der Schlauch mit kühlem, klarem Wasser.  Und nur ein kurzes Stirnrunzeln und eine unwillkühliche Bewegung der  freien Hand in Richtung Schläfe lassen den Preis Ahnen den die Berührte für den Zauber zahlt.[1] "Sagt bescheid wenn ihr mehr davon braucht oder ich anders helfen kann." ergänzt sie leise.
Bei Aeryns Worten nickt sie zustimmend. "Freydis Redwaldsdottir" stellt sie sich, dem Beispiel der Elbin folgend ebenfalls vor.
 1. drench
« Letzte Änderung: 04.07.2017, 13:05:50 von Freydis »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #264 am: 04.07.2017, 22:41:41 »
"Von den Viechern da?" Halfdan deutet auf eine der Hungerkreaturen. "Neun war'n das mal, als die ganze Scheiße hier anfing. Einen haben wir gleich in der ersten Nacht erwischt und ich mein, Uldrig hätt' gestern einen zweiten mitgenommen, bevor er selbst draufging. Die Kolkra da, keine Ahnung, wo die herkommt, oder ob außer ihr in den letzten vier Tagen noch andere dazugekommen sind. Kolkra dürfte es hier an der Ostküste gar nicht geben, außer südlich von Jongot. Aber der hier", Halfdan beugt sich über die Kreatur in zerrissener Kutte neben der Kolkra, "ja, der ist von hier." Er tritt zum zweiten und denkt kurz nach. "Bruder Gottwin, tät' ich sagen. Da, der kleine Finger fehlt. Das macht also neun weniger vier, und eine nicht bekannte Anzahl Neuankömmlinge..." Er schnalzt missbilligend mit der Zunge.

"Aber Aeryn hat recht, wir sitzen wohl doch die Nacht hier noch mal fest, also lasst uns später quatschen. Rogar kann eh besser erklären, was es mit diesen Viechern auf sich hat, er war die ganze Zeit mit Bruder Wulfhart in der Krankenstube zugange. Du und du", er zeigt auf Tristan und Hjálmarr, "helft mir, neue Barrikaden aufzurichten. Ich hoffe, ihr habt noch mehr Wasser dabei, als Rotlöckchen da gerade als Waschwasser über euren Talahan entleert hat. Wir sind hier alle ziemlich durstig."[1] Er ruft noch kurz in den oberen Stock hinauf, dass alles in Ordnung sei, dann nickt er Aeryn zu, wie um zu bestätigen, dass er ihrem Rat damit hinreichend gefolgt ist, und verschwindet dann auf der Wendeltreppe nach unten.

Tristan hat derweil, auf Lîfs Anweisung, dem kleinen Mann Wasser eingeflösst, und sich weder am Gespräch noch an der allgemeinen Vorstellung beteiligt. Wozu soll das gut sein, wenn einer der beiden Fremden im Raum bewusstlos ist und der Rest ihrer Gruppe im Stockwerk drüber? Gescheiter wär's, man wartet, bis alle beisammen sind, dann spart man sich, alles wiederholen zu müssen. (Auch hat Tristan sich sein Lebtag noch keine fünfmal bei irgendwem vorstellen müssen, die Notwendigkeit dazu ergab sich einfach selten—Verzeiht, ich bin Tristan Olavsson, ich raub euch jetzt aus und dann erschlag ich euch!—daher fehlt ihm jeglicher Reflex dazu.) Als Halfdan ihn mit "Du" anredet und gleich herumkommandiert, hat Tristan gar kein Problem damit—genau dasselbe hätte er jetzt auch vorgeschlagen. Er folgt den Anweisungen des Mannes wortlos. Die abfällige Bemerkung über seine Frau entlockt ihm allerdings ein Zähnefletschen. Nicht, dass seine Fahrtenbrüder nicht genauso daherredeten. Aber das waren seine Fahrtenbrüder. Der Kerl hier... sollte ein wenig dankbarer über die Unterstützung sein.

Hjálmarr hat die Zeit genutzt, um aus allen vier Fenstern zu schauen. Aus dem Westfenster sieht man in den Hof, die Türen zu Bibliothek und Schreibstube, den Platz vor dem Nordtor. Aus dem Südfenster sieht man den restlichen Hof, inklusive der Tür zum Infirmarium und dem Osttor, durch das der falsche Bruder Jarus sie einließ. Der Hof liegt verlassen da, die Schatten verlängern sich zunehmend, erobern ihn immer schneller. Nach Süden hin schaut man auf den Weg, der in einem Rechtsbogen um das Kloster herum zu der Steige führt, die sie heraufgekraxelt waren. In etwa hundert Schritt Entfernung beginnt lichter Wald und, nach kurzer Senke, eine weitere Steigung, diesmal bis in schneebedeckte Höhen, die in den letzten Sonnenstrahlen leuchten. Der Blick nach Norden zeigt dieselbe, trügerische Abendstille. Von der Nordpforte führt ein Weg ebenerdig entlang des Kammes, bis er sich in weiter Ferne im Wald verliert. "Ein paar Mönche sahen wir noch durchs Nordtor fliehen", hat Halfdan vorhin gesagt. Dann fordert der Mann Hjálmarr auf, ihm beim Barrikadenbau zu unterstützen. Nichts leichter als das.

Aeryn, die Halfdans Bericht aufmerksam gelauscht hat, bemerkt erst als er fort ist, dass hinter ihr die beiden Verletzten längst auf Pritschen gebettet sind. Es hat noch vier weitere unzerschlagene und unbesudelte Pritschen in diesem Raum, der bis auf die fehlenden Trennwand zwischen Schlafbereich und Aufenthaltsbereich—und den vier Fenster in Sichthöhe—dem unteren gleicht.

Die drei Männer sind also auf dem Weg ins Erdgeschoss, während die drei Frauen bei den Verletzten zurückbleiben. Erst jetzt tritt Freydis zu Lîf und bietet Hilfe an. So ganz, wie sie sich das vorgestellt hat, will ihr die Sache aber nicht gelingen. Das war früher schon immer das Problem gewesen... die Ströme zu kontrollieren... kanalisieren... nicht einfach wild losplatschen zu lassen... Aber am Ende erreicht sie doch ihr Ziel—es landet ausreichend Wasser im Schlauch, um ihn prall zu füllen. Dazu ist Talahan wesentlich sauberer als zuvor, was schließlich Ziel der Übung war. Natürlich ist außerdem die ganze Pritsche nass. Und Lîf auch.[2]

Nach dem etwas unerwarteten Bad ist Lîf sich sicher, dass sie Talahan gefahrlos ohne Handschuhe berühren kann, und als sie dies tut, setzt ihr Herz kurz aus: Talahan Stirn glüht wie ein Kessel überm Feuer. Seine Wangen sind aufgedunsen, die Lippen rissig, seine Augen sind so blutunterlaufen, dass man kaum noch Weißes erkennen kann. Ihr erschrockener Blick trifft den seinen. Er lächelt müde.

Darauf erhebt er sich und begibt sich schwankend zu den beiden anderen Verletzten, vor deren Pritschen er kniet. Zunächst legt er die Hand auf den Fremden, dann Abdo, dann wieder den Fremden.[3] Sein Gebet murmelt er mit so heiserer Stimme, dass man ihn kaum verstehen kann.

Sobald sein Werk vollbracht ist, lässt er sich von Lîf wieder Anweisungen geben, die er stumm befolgt.

Schließlich kommen Halfdan und Hjálmarr wieder hoch und beginnen, auch den Zugang zur Wendeltreppe zu verbarrikadieren. Zwischendurch schnappt Halfdan sich zwei der Seile, die jeder der "Mönche" um die Hüfte geschlungen trägt, knotet sie zusammen, verschwindet damit in der Feuerstelle, in deren Inneren er das eine Ende wohl irgendwo befestigt, bevor er sich so richtig in den Abzug hineinreckt und das andere Ende in den Schacht hinablässt.[4]

Gerade als aus dem oberen Stockwerk eine besorgte Frauenstimme wispert: "Alles in Ordnung? Können wir 'runterkommen?" regt sich der kleine Mann auf der Pritsche.[5]

Draußen ist inzwischen sternklare Nacht.
 1. Es ist genug Material da, beide vorgeschlagenen Stellen zu verbarrikadieren (Tür zum Hof; Wendeltreppe zum 1. Stock). Bis Rogar zu sich kommt und sein Zeug unten bergen kann, vergehen gut zwei Stunden. In der Zeit könnte unten ja schon wer eindringen. Ihr könnt euch gerne bei der Einteilung der Wachen für die Nacht dann noch einigen, welche Barrikade ihr bemannen wollt. So oder so müssen immer zwei Leute Wache halten, da man von keiner Barrikade aus viel sehen kann.
 2. Übertrieben? Ich kann's ändern, abmildern, wenn's Dir zuviel des Guten ist, Freydis... Aber drench means drench, um T. May zu paraphrasieren. Das ist nicht Create Water, wie Du selbst richtig anmerktest. :wink:
 3. Lîf, ich bin davon ausgegangen, dass Rogars Wunden zu diesem Zeitpunkt schon per Treat Deadly Wounds versorgt sind.
 4. Aeryns ursprüngliche Idee aufgreifend...
 5. Gut zwei Stunden sind seit dem Kampf vergangen.
« Letzte Änderung: 12.07.2017, 10:38:05 von Gaja »

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #265 am: 05.07.2017, 11:38:51 »
Lîf hat sich nicht weiter um die Gespräche gekümmert, sondern schweigend ihre Arbeit getan. Nur bei den verächtlichen Worten Halfdans hat sie kurz aufgeschaut und geschnappt: "Mein Name ist Lîf! Und wenn Ihr wollt, dass er krank wird und uns womöglich ansteckt, dann sagt nur bescheid!" Danach hat sie in ihrer typischen Art das Haar zurückgeworfen und sich verächtlich von ihm abgewendet, um Talahan weiter zu waschen. Denn das kennt sie schon von den Kumpanen ihres Mannes: Die Männer haben sie nie ganz ernst genommen – doch wenn sie nach einem ihrer Raubzüge verwundet waren, dann kamen sie stets zu ihr und den anderen heilkundigen Weibern gekrochen und jammerten, man solle ihnen doch helfen! Wenn es um die Behandlung Verwundeter, Kranker, Alter oder schwangerer Frauen geht, haben sie alle keine Ahnung, daher lässt sie sich auch nicht beirren.

Nach Rogar und Abdo hat sie ebenfalls noch einmal gesehen und Tristan leise gesagt, worauf er achten und wann er sie rufen soll. Doch den Hauptteil der Arbeit hat sie selbst erledigt, zumal die Mannsleute sich schließlich alle um die Verteidigung kümmern – wo sie der Meinung des Rotschopfs nach auch besser aufgehoben sind und weniger Unheil anrichten können. Die Hilfe Freydis' hat sie natürlich gern angenommen, aber überrascht aufgeschrien, als sie plötzlich samt Talahan und Pritsche mit einem Wasserschwall übergossen wurde. Leise seufzend hat sie sich jedoch beherrscht und nur versucht, sich Haare und Kleider notdürftig auszuwringen, bevor sie sich neben Talahan gekniet hat, um ihm mit einem nassen Tuch (daran mangelt es ja nun nicht mehr) die Stirn zu kühlen und mit einigen Kräutern aus ihrer Schürze einen Absud vorzubereiten.

"Heißes Wasser brauchen wir noch, damit ich ihm einen Trank bereiten kann, der das Fieber senkt." murmelt sie und wendet sich dann an die Gezeichnete. "Freydis, bitte frage doch die Weibsleute hier, ob sie uns etwas von dem Wasser heiß machen können. Ich brauche es, um Talahan zu behandeln, und auch von den Leuten hier mögen einige krank sein." Denn just glaubt sie von oben eine Weiberstimme gehört zu haben. Sie selbst konzentriert sich allerdings, nachdem sie sich von dem stabilen Zustand ihrer beiden anderen Patienten überzeugt hat, ganz auf Talahan. Dabei versucht sie ihn beruhigend anzulächeln und ihre Sorge nicht mehr zu zeigen. Auch die zunehmende Müdigkeit versteckt sie sowohl vor ihm als auch vor den anderen. Nur wenn sie sich unbeobachtet glaubt, lehnt sie sich gelegentlich zurück, hockt auf ihren Fersen und hält eine Hand auf ihrem gerundeten Bauch, um tief und ruhig durchzuatmen. Um zu vermeiden, dass die Ermattung ihre Hände zittern lässt, geht sie mit energischen Bewegungen vor. Wie viel Zeit vergangen ist, hat die junge Frau gar nicht bemerkt.

Rogar, Apothekarius

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Der Weihort
« Antwort #266 am: 06.07.2017, 06:47:31 »
Lifs deutliche Worte und Anweisung wird von dem kleinen Patienten mit einem dankbaren, schmalen Lächeln und Nicken quittiert, bevor er sich soweit zurücklegt wie möglich, ohne den Kopf aus einer aufrechten Position kommen zu lassen, die das Einflößen von Flüssigkeit gefahrlos macht. Zumindest Instinktiv scheint er zu wissen, wie man sich zu verhalten hat. Nachdem er eine ganze Menge Wasser vorsichtig von Tristan entgegen genommen hat, legt er sich zurück und flüstert: "Diolchir." Kurz dreht er den Kopf noch kraftlos in Lifs Richtung und murmelt: "Mae gan dân fel Rika." Dabei greift er nach dem Amulett, das er um den Hals trägt und einen vielzerkratzten Edelstein beherbergt. Gleich darauf ist sein Bewusstsein wieder weg, die Hand bleibt um sein Amulett verkrampft.

Beim Umbetten mit Hjálmarrs Hilfe erwacht der Kleinwüchsige erneut und hilft. Er wirkt schon wesentlich kräftiger und erholter. Entweder hatte ihn zu Beginn noch etwas anderes zu schaffen gemacht oder seine Erholungsrate ist außergewöhnlich. Er nickt und lächelt seinen Versorgern zu. Als dann Aeryn und Freydis sich vorstellen, scheint er es zu verstehen, und gibt ein heiseres: "Rogar, Alcemydd." von sich. Freydis Magie scheint er nicht mitbekommen zu haben. Und Talahans verschläft er später.



Die Stunden der Versorgung gehen vorüber, ohne das der Kleingewachsene lang genug zu Bewusstsein kommt, um noch mehr halbwegs Verständliches zu tun. Mit der Frauenstimme von oben wacht er endgültig auf. Ohne hektische Bewegungen richtet er sich vorsichtig auf und sieht sich aufmerksam um. Dabei trifft sein Blick Halfdans und mit einem stummen Nicken scheinen sie etwas nonverbal geklärt zu haben. Er wendet sich zur Treppe und antwortet: "Im Moment ist alles in Ordnung, Fräulein Astrid, wir sind unter Freunden." Sein Suli hat eine schwache Färbung der anderen Sprache, die er in seiner Semibewusstlosigkeit verwendet hat, ist aber wohlgesetzt und problemlos verständlich.

Er schiebt sich seine Bettstatt zurecht, damit er halb gelehnt sitzen kann und sieht dann in die Runde. Sein breiter, aber untersetzter Körper ist neben den frischen Verbänden übersät mit alten Narben, von denen einige tödlicher aussehen als die neuen, die einfach durch ihre schiere Masse seine unmenschliche Zähigkeit unterstreichen. An sich wirkt er dick, was der Unmenge an Muskeln geschuldet ist. Seine Haut ist bleich, als hätte sie nicht viel Sonne gesehen, was dazu passt, dass er eine Metallhaut trug, die fast alles bedeckt. Mit einem immer noch müden Lächeln beginnt er: "Wir schulden euch Dank, ihr habt uns aus einer misslichen Lage befreit. Wir waren oben durch die Verdorbenen eingeschlossen, da der größere Teil keine Kampfausbildung aufgewiesen hat und auch wenig Talent dafür. Leider können wir weder mit Lebensmitteln oder unverdorbenen Wassermengen dienen, die waren uns schon zur Neige gegangen mangels Einhaltung der Rationierung." Die letztere Information gibt er mit Blick auf Lifs letzte Worte, wobei er kurz irritiert die Augen zusammenkneift, als er sie betrachtet.

"Ich unterstelle euch dreisterweise mal, keiner beherrscht die Sprache der Dain, daher wiederhole ich meine Vorstellung noch einmal: Mein Name ist Rogar, ich gehöre der Gilde der Apothekarie an.", setzt er fort und neigt den Kopf leicht. Mit scharf eingezogener Luft richtet er ihn wieder auf und ignoriert die Schmerzen. "Zu unserer Ausbildung gehören Heilkunde, Pflanzenkunde, Anatomie und Alchemie, um die Gesundheit unserer Volksgenossen effektiv wiederherzustellen und zu erhalten." Halfdans gemurmelter Einwurf, dazu gehöre wohl auch, die Gesundheit anderer 'effektiv' zu verringern, quittiert der Dain mit leichter Unverständnis: "Nein, Kämpfen gehört zur Grundausbildung aller Dain."

Danach lässt er der Runde Zeit, sich vorzustellen, wobei er bei Aeryn aufstrahlt: "Eine Elbin unter den jungen, es ist mir eine besondere Freude. Bei Gelegenheit erzählt mir doch, wie es euch hierher verschlagen hat." Lif erntet einen besonderen Dank und ein Lob ihrer Heilkünste, die 'für eine so junge Dame schon weit fortgeschritten wären'. Talahan erhält gleich einige weiterführende Fragen: "Ihr kommt nicht vom Kriegerkloster her, oder? Dafür wäret ihr zu schnell gewesen. Habt ihr fliehende Mönche getroffen? Was ist der Grund eurer Anwesenheit, so ihr den uns eröffnen könnt?" Abdo erntet einen skeptischen Blick, Rogar verkneift sich aber die offensichtlichen Fragen, wohl, um nicht unhöflich zu sein.

Anschließend bietet er an: "Ihr habt sicherlich eine Menge Fragen, ich werde versuchen, sie euch nach bestem Wissen zu beantworten. Aber ich würde das gerne mit Nützlichem verbinden." Er sieht mit Bedauern auf seine immer noch verdreckte und chaotisch zusammengeworfene Rüstung. Dann wendet er sich an den Menschen in seiner Begleitung: "Herr Halfdan, wäret ihr so freundlich, und könntet mir bitte meine Ausrüstung bringen? Meine Armbrust samt Bolzen von oben, was von meinem Gepäck noch übrig ist, und meinen Schild." Aus dem Stockwerk bittet er um seine Rüstung und Äxte und als die Frage, ob das untere Stockwerk erreichbar wäre, bejaht wird, fragt er: "Sind meine Aufzeichnungen noch da? Ihr wisst schon, die Lederrolle voller Papyrus. Mein Helm, mein Kochgeschirr und Handwerkszeug ist hoffentlich auch noch da?" Sobald er die Mittel hat, beginnt er, seine Rüstungsteile routiniert, aber sorgfältig zu säubern und zu prüfen.

"Ich hätte auch noch eine Frage: Wie lange war ich ohne Bewusstsein? Ein ehemaliger Kamerad Maduk - ein blonder Dain - war noch immer unter den Belagerern. Ist er erneut entwischt oder wenn nicht, was ist mit seiner Leiche und Ausrüstung geschehen?"`Seine erschöpfte Stimme passt gut zu seinem Gesichtsausdruck, der eine Mischung aus Trauer und Hoffnung widerspiegelt.

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #267 am: 06.07.2017, 13:56:21 »
Immer noch geschwächt, war Abdo nach seinem Erwachen mehrfach in einen leichten Schlaf hinein und wieder heraus geglitten, so dass er von den Gesprächen der anderen nur Bruchstücke mitbekam. Als er schließlich endgültig aufwacht, weiß er daher nicht, was von dem Gesagten Traum gewesen ist und was Realität. Bevor er sich noch richtig orientieren kann, kniet der Gotteskrieger schon neben ihm und legt ihm, einige schwer verständliche Worte murmelnd, die Hand auf.

Plötzlich weiten sich die Augen des dunkelhäutigen Mannes, und ein weiteres Mal richtet er sich abrupt auf. Diesmal jedoch hämmert kein Schmerz in seinem Kopf, denn was auch immer Talahan gerade gemacht hat, es war, als bräche eine Welle reiner Energie über Abdos Körper herein. Seine Sinne scheinen geschärft, seine Schmerzen gelindert, und seine Kräfte wiedererweckt. Verwundert greift er an seinen Hals, an dem er gerade noch einen pochenden Schmerz fühlte, der sich nun zu einem warmen Kribbeln gewandelt hat. Vor seinem inneren Auge sieht er noch einmal die Kreatur, die sich in ihm verbeißt, spürt sein warmes Blut aus der Wunde strömen. Vorsichtig tastet er nach dem Kräuterverband, den Lîf ihm aufgelegt hat und hebt ihn an, um nach der Wunde zu tasten, nur um einen Moment später zurückzuzucken: Dort wo eigentlich tiefe Bisswunden sein sollten, spürt er nur noch leichte Spuren, als hätte die Wunde auf einen Schlag zwei Wochen Heilung erhalten!

Er legt den Verband, von dem er nicht mehr sicher ist, ihn überhaupt zu brauchen, dennoch wieder an - mit der Heilerin möchte er sich nicht noch einmal anlegen. Ehrfürchtig tippt er Talahan, der sich inzwischen dem kleinen Mann zugewandt hat, von hinten an die Schulter: "Was ... was war das? Wie hast du das gemacht?"

~~~

Einige Zeit später hat sich auch der Kleinwüchsige deutlich erholt und erklärt den Versammelten, was sich hier zugetragen hat. Abdo lauscht den Worten von seinem Lager aus - sein Glück möchte er nicht zu sehr auf die Probe stellen, und die Heilerin sieht ihn jedes Mal streng an, wenn er Anstalten macht, aufzustehen - und stellt sich vor, als er an der Reihe ist, wobei er die skeptischen Blicke des Mannes durchaus bemerkt. Doch auch er selbst hat allen Grund, Rogar neugierig zu mustern, denn so langsam erkennt er, dass der Mann nicht einfach ein kleinwüchsiger Mensch ist - dazu passen die Proportionen einfach nicht. Sind die Dain, von denen der Mann spricht, etwa ein eigenes Volk, so wie es Menschen und Elben gibt? Immerhin hat er hier bereits die Bekanntschaft mit einer der Kolkra gemacht, die es in seiner Heimat ebenfalls nicht gibt. Zumindest hat er nie von solch Kreaturen gehört.

Als Rogar schließlich geendet hat, beschließt Abdo, mögliche Vorurteile schnellstmöglich aus dem Weg zu räumen: "Ich habe Fragen, aber vorher will ich mein Aussehen erklären. Nein, ich bin kein Dämon, auch wenn viele mich hier wohl für einen halten. Ich bin ein Mensch - doch dort, wo ich herkomme, hat niemand so helle Haut wie ihr hier. Dort brennt die Sonne stärker und länger vom Himmel als hier, und so wie Fleisch erst im Feuer seine goldbraune Farbe erhält, glaube ich, ist die fehlende Wärme der Grund für eure fehlende Farbe.

Wie dem auch sei, wir kämpfen auf der gleichen Seite, und die Farbe soll keinen Keil zwischen uns treiben. Ebenso wenig wie die Größe - denn in meinem Land kennt man keine Erwachsenen eurer Größe. Ist es das, was Dain bedeutet?

Aber um zu dem zu kommen, was hier passiert ist. Wir haben drüben im anderen Gebäude einige Kreaturen erschlagen, die zunächst wie Mönche aussahen. Ich glaube nicht, dass es nur neun waren. Am wichtigsten aber ist: Was ist mit den Mönchen passiert? Sie haben sich offenbar verwandelt - was hat dazu geführt? Und wer wird sich noch alles verwandeln? Wenn es ansteckend ist und welche entkommen sind, was dann?"


Er mag gar nicht daran denken, dass sich auch in dem Dorf schon Menschen verwandelt haben sollen. Wie soll man diese Seuche kontrollieren - vor allem, wenn unbekannt ist, was sie hervorruft?
« Letzte Änderung: 06.07.2017, 15:00:27 von Abdo al'Mbabi »

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #268 am: 07.07.2017, 11:37:26 »
Lîf hat, trotz ihrer intensiven Bemühungen und Talahans Wunder, verschiedentlich ungläubig den Kopf geschüttelt. Obwohl sie sich eigentlich wohler fühlt, wenn sie für Schwangere sorgen kann – immerhin steht dann ein freudiger Anlass hinter ihrem Tun – kennt sie sich dank Tristans früheren Gefährten und ihrer brutalen Profession mit Schnittwunden, Knochenbrüchen und ähnlichem besser aus, als ihr lieb ist. Und wie gut der kurz geratene Mann seine Blessuren überstanden hat, bleibt ihr da ein kleines Rätsel. Er muss über eine bemerkenswerte Konstitution verfügen, soviel ist klar. Jedenfalls macht sie sich bald um einen ihrer Patienten keine allzu großen Sorgen mehr. Und nachdem auch Abdo deutliche Anzeichen der Besserung zeigt, beginnt die Anspannung für den verbissen gegen den Tod kämpfenden Rotschopf nachzulassen.

Nur Talahan selbst bereitet ihr noch Kummer. "Tristan, jeg har brug for varmt vand" meint sie müde über ihre Schulter, ehe sie realisiert, dass ihr Mann ja gar nicht mehr bei ihr steht, sondern sich mit den anderen Mannsleuten um die Barrikaden kümmert. Mit einer fahrigen Bewegung wischt sie sich über die Augen, unterdrückt ein Gähnen und wiederholt murmelnd ihre Worte für alle verständlich: "Ich brauche heißes Wasser..." Ihr wird ein wenig schwindlig, und sie muss sich neben dem Gotteskrieger hinsetzen. Die Erschöpfung macht sich trotz ihrer Zähigkeit langsam bemerkbar. Die Gedanken der jungen drudkvinde beginnen sich zu verwirren. Hatte sie vorhin nicht noch jemanden wegen des heißen Wassers angesprochen..? Freydis..? Sie glaubt sich dunkel zu erinnern.

Sicher ist jedenfalls, dass Talahan ihren fiebersenkenden Absud braucht! Daher stemmt sie sich mühsam wieder hoch, streicht sich gedankenverloren das Kleid über dem Bauch glatt und sieht auf den Verwundeten hinab. Die lobenden Worte ihres neuesten Patienten quittiert sie mit einem schwachen Lächeln. Zu mehr reicht ihre Aufmerksamkeit nicht aus. Nicht einmal die Erwähnung der Heilkunde, die sie sonst hätte aufhorchen lassen, reißt sie aus der beginnenden Lethargie. Ihre Glieder fühlen sich schwer an, und sie hat das Gefühl, als sei sogar das heranwachsende Kind in ihrem Leib erschöpft. Schwerfällig und träge ist sie, zum ersten Mal so sehr, seit Tristan ihr das Geschenk seiner Manneskraft gemacht hat. Bislang fühlte sie sich eigentlich sogar sehr gut.

Fast gleichgültig beobachtet sie, wie Abdo sich bei Talahan bedankt. Ihre Mundwinkel kräuseln sich kurz. Bei dem Gotteskrieger ist es ein Wunder, für das die Leute dankbar sind. Ruft sie allzu offen die Große Mutter an, um deren zauberische Kraft zu wirken, läuft sie Gefahr, von den nächstbesten Bauern an einen Pfahl gebunden und als Hexe verbrannt zu werden... Wie haben es die Anhänger dieses neuen Gottes nur geschafft, die Schöpferin allen Lebens von Ihrem Platz zu verdrängen? Zu müde, um im Moment wegen dieses Gedankens gegen die Umstände aufzubegehren, sinkt sie wieder neben Talahan nieder und versucht ihm mit einem feuchten Tuch die heiße Stirn weiter zu kühlen, die Augenlider mühsam offenhaltend.

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #269 am: 09.07.2017, 16:37:49 »
Lívs Aufforderung folgend macht sich Freydis auf ins dritte Stockwerk. Dort kann Astrid zwar mit einem kleinen
Kochtopf dienen, aber das Wasser ist den belagerten schon lange ausgegangen und in den oberen Stockwerken des Turmes gibt es keine Feuerstellen die man zum erhitzen nutzen könnte.
Also nahm die Berührte den Topf wieder mit hinunter nur um einen rußverschmierten Halfdan vorzufinden,
der gerade dass Seil im Schornstein installiert hatte um dem Wachposten im Erdgeschoss einen raschen Rückzug an der Barrikade vorbei zu ermöglichen.
Also ist auch diese Feuerstelle derzeit nicht für ihren eigentlichen Zweck zu gebrauchen. Aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten. Freydis plaziert den Topf auf der ohnehin schon durchnässten Pritsche und
fokussiert und wiederholt die Gesten von vorhin. Diesmal gelingt es ihr schon etwas besser, die Ströme zu kanalisieren und den Wasserschwall auf Topf und Pritsche, und die Wand dahinter zu beschränken.[1]
Der zweite Teil wird weniger kompliziert sein. Der Anflug eines Lächelns stielt sich auf das Gesicht der Berührten als sie sich an die zahllosen kleinen Übungen erinnert, die die alte Undis sie absolvieren hat lassen,
immer und immer wieder, damit es ihr in Fleisch und Blut überginge Konzentration und Fokus zu bewahren und
die Energien nach ihrem Willen zu formen. Aber es ist lange her, dass sie diese besondere Übung das letzte mal durchgeführt hat.
Sie kniet sich vor der Pritsche auf den Boden und fokusiert den Topf und seinen Inhalt vor sich mit Augenn die wieder beginnen sich blau zu verfärben. Dn schließt die Augen und beginnt Energie zuerst zu einem sanften warmen Nebel zu formen und diesen dann weiter zu erhitzen und schließlich in das Gefäß zu leiten. Dieser Strom ist viel sanfter und lässt sich so viel leichter kontrollieren. Dafür dauert es aber auch eine ganze Weile, während der Freydis  nur vor der Pritsche zu knien scheint, die Augen geschlossen und die Hände ausgestreckt wie um den Topf zu ergreifen, ehe Dampf aus dem Gefäß auf steigt und schließlich das Wasser zu kochen beginnt.
Erst da öffnet die Berührte die wieder fast grauen Augen und reibt sich die schmerzenden Schläfen. Gerade rechtzeitig um Lívs erneute Frage nach heißem Wasser zu hören.
"Hier" sie deutet mit einem erschöpften Kopfnicken auf den dampfenden Topf."Tut mir leid, dass es solang gedauert hat. "Sie muss ganz schön erschöpft sein wenn sie mich nicht bemerkt hat. Oder konzentriert auf ihr Handwerk." denkt sie bei sich. "Wahrscheinlich beides. Dir geht es ja auch nicht anders wenn die Schmerzen zunehmen und die kleinste Unachtsamkeit einen Zauber katastrophal scheitern lassen kann.



Freydis hat in ihren Büchern von den Dain gelesen und auch in einigen der Geschichten die man sich auf Albion erzählt kommen Zwerge, klein, bärtig, übellaunig und zäh vor. Aber Rogar ist der erste dem sie in Fleisch und Blut begegnet und natürlich weckt er ihre Neugier so dass sie sich immer wieder dabei ertappt ihn anzustarren.
Aber erst als der Apothekarius sich formal vorstellt wird ihr klar, dass er der Besitzer und anscheinend sogar Autor jener Schriftstücke ist, die sie vor einer gefühlten Ewigkeit im Erdgeschoss an sich genommen hat.
Sie braucht eine Weile ehe sie ihren Rucksack wieder findet, den sie achtlos abgestellt hatte um Lív zur Hilfe eilen. Mit der ledergebundenen Mappe in der Hand zögert sie nervös und aufgeregt.
Der Apothekarius wird gewiss in seiner eigenen Sprache schreiben, und wenn dies wirklich seine Aufzeichnungen sind, dann müssen es die Dain gewesen sein, von denen die alten Albioner das schreiben gelernt haben und vieleicht noch mehr. Sie weiß, das die alten Albioner Magie gekannt haben, höchst wahrscheinlich mehr als die heutigen Bewohner der Insel. Es gibt Berichte und Gerüchte von Funden und es heißt sogar, dass die Zwartjod einen ganzen Hort solcher Funde sicher verwahren sollen.
Aber haben die alten Albioner auch Magie von den Zwergen gelernt? Und was wissen die heutigen Dain über die Magie der Berührten? Tausend Fragen gehen ihr durch den Kopf und wenn Rogar tatsächlich all das Wissen besitzt, das er sein Gilde zuschreibt dann wird er viele davon beantworten können. Aber soll sie die Antworten als Preis für die Rückgabe seiner Notizen verlangen, oder das Buch zurückgeben und auf seine Dankbarkeit hoffen? Oder die Aufzeichungen für sich behalten um sie eines Tages, wenn sie die Schrift der Dain gelernt hat selbst zu entziffern, während sie ihn in dem Glauben lässt, die Angreifer hätten die Mappe entwendet?
Schließlich verstaut sie ihre Beute wieder im Rucksack. Sie will erst mehr über den kleinen Bärtigen Apothekarius lernen ehe sie entscheidet. Dafür entnimmt sie dem Gepäckstück mehrere ihrer sorgfältig in gewachstes Tuch eingewickelten Rationen.
"Wir haben noch Rationen, und für frisches Wasser kann ich sorgen." bietet sie an.
 1. drench
« Letzte Änderung: 11.07.2017, 10:49:26 von Freydis »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

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