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Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 128812 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

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Freydis

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Der Weihort
« Antwort #45 am: 15.01.2017, 18:30:00 »
Neugierig und fast überwältigt von all den verschiedenen Gerüchen und Eindrücken sieht sich Freydis in dem Haus der Heilerin um, wobei sie sorgfältig darauf achtet nichts zu berühren.
"Da hast eine Menge mehr zu lernen." geht es ihr durch den Kopf als sie realisiert, dass sie die wenigsten
Kräuter, Medikamente und Tinkturen in diesem Raum benennen könnte oder auch nur eine Idee über ihre Wirkung und Anwendung hat.
Ihr wird erst  bewusst, dass sich ihr Verstand mit dem Inneren des Heilerhauses beschäftigt um nicht über den Horror draussen vor der Tür nachdenken zu müssen, als Abdos Worte zu ihr durchdringen. Der Mönch hat recht, der Zusammenhang zwischen mangelnder Hygiene und der Ausbreitung von Krankheiten ist auch in Dalaran nicht unbekannt, die große Göttin selbst lehrt, das die gegenwart des Toten neuen Tod bringt nicht umsonst hat die Feuerbestattung lange Tradition auf Albion und auch in Rest von Dalaran.
Die Berührte nickt dem dunkelhäutigen Mann zu. "Ihr habt recht. Ich werde euch begleiten, wenn ihr erlaubt."


« Letzte Änderung: 16.01.2017, 20:18:53 von Freydis »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Hjálmarr

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Der Weihort
« Antwort #46 am: 16.01.2017, 14:05:52 »
Nachdem sie den Jungen auf das Bett der seltsamen Heilerin gelegt haben, besieht sich Hjálmarr die unzähligen kleinen Ingredienzien in den Regalen und Ablagen. Es erinnert ihn an die Hütte des alten Aegir, draußen an den flacheren Ufern ein ganzes Stück südwärts von Lesdag. Früher war Hjalmarr oft bei ihm und hat seine Funde aus dem Leskos bestaunt. Eingeweide und Weichteile hatte er in kleinen Gläsern eingelegt, um, wie er sagte 'Für Notfälle gerüstet zu sein', was auch immer das heißen mochte.

Neben getrockneten Kräutern und Wurzeln erkennt er auch Teile von Insekten, größer als seine Hand und Pulver in verschiedensten Farbtönen. Trotz der zuvorkommenden Reaktion der Frau ist dem jungen Mann nicht ganz wohl bei der Sache, und als Abdo ihn anspricht, ist er froh, diesen Ort schnell wieder verlassen zu können. Er nickt ihm und der jungen Frau wortlos zu und tritt ins Freie.

Draußen wartet er bis die Tür geschlossen wird und die drei sich auf dem Weg zurück zu dem Behadrim und ihrer anderen Gefährtin machen. Erst dann bricht er das Schweigen.
"Was haltet ihr von dieser Situation? Eine Seuche oder Heimsuchung in einem bedeutungsschweren Dorf mit einem Kloster der Behadrim in der direkten Nachbarschaft."

Khenubaal

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Der Weihort
« Antwort #47 am: 17.01.2017, 23:19:57 »
Als Tristan seine vielen Fragen stellt, schaut die gezeichnete Heilerin mit zusammengekniffenen Augenbrauen auf. "Ganz schön viele Fragen auf einmal. Wie wäre es, wenn ihr mal sagt, wer ihr seid? Wie heißt du? Ich habe euch meinen Namen genannt und in meine Hütte gebeten."

Ihr Blick geht zu Lif und wird weicher. Sie greift mit den Fingern in eine grobe rote Paste und beginnt, damit die Stirn, den Hals und die Brust des Jungen einzureiben. Mit einem Blick gibt sie Lif zu verstehen, dass dankbar wäre, wenn diese hilft. "Berberitze", murmelt sie. Ein fiebersenkendes Mittel, wie jede Heilerin weiß. "Heilt ihn zwar nicht, aber wenn wir das Fieber nicht senken, wird er die Abenddämmerung nicht erleben." Lif muss der Aussage leider zustimmen. Auf einem Beistelltisch steht auch abgekochte, bräunliche Brühe. Lif kann nicht einschätzen, was es sein soll. Neben dem Tisch steht ein großes Faß, dessen Geruch eindeutig und überraschend ist - Bier. Des weiteren erkennt sie auch Tinkturen aus Eichenrinde und Heidelbeere gegen Vergiftung, sowie weitere Heilmittel im Haus - im Gegensatz zum Bierfass zu erwarten in einer Heilerhütte.

Schließlich ist die Brust des Jungen eingerieben. Die gezeichnete Heilerin bedankt sich bei Lif mit einem Nicken und greift zum Krug mit der bräunlichen Brühe. Ihr blickt fällt dabei auf Tristan und sie schürzt die Lippen. "Die ersten Krankheitsfälle sind vor vier Tagen aufgetaucht, aber 'losgegangen' ist es in der Sturmnacht vor einer Woche, wenn ihr mich fragt", beantwortet sie nun dch seine Fragen. "Es war eine Sturmnacht; hat gedonnert und geblitzt als würde Askyr selbst die Wolken peitschen", erwähnt sie einen der im ganzen Land bekannten Ahnen - Askyr, den Sturmboten. "Irgendwas ist da im Kloster geschehen. Pater Halfir hat geschriien wie am Spieß. Animalisch - war durch den Donner hindurch zu hören. So, als wäre er Wahnsinnig geworden vor Schmerz"

Solveig gießt etwas von der braunen Brühe in eine Tasse und drückt diese Lif in die Hand. Selbst greift sie nach dem Kopf des Jungen und hebt ihn leicht an, damit die andere Heilerin den Trank einflößen kann. Jetzt kann Lif den Geruch zuordnen - Bier und abgekochte Berberitze. Zweites ist verständlich, aber wozu das Bier?

"Die braven Lämmchen sind natürlich sofort in Panik verfallen, haben was vom Urian gefaselt. Aber nach draußen und zum Kloster, zum Nachfragen - das hat sich keiner getraut", fährt Solveig fort. Dann richtet sie sich auf. "Ich wäre gegangen, aber die Behadrim wollen mich nicht an ihrem Kloster sehen. Und Jan wäre gegangen. Aber er war in der Nacht nicht hier.

Am nächsten Morgen. Da sind sie hin. Haben gewartet, dass die Priester das Tor aufmachen und zum Morgengebet einladen. Aber niemand kam heraus. Pater Halfir nicht und die anderen auch nicht. Das Tor auf das Klostergelände blieb geschlossen. Drei Tage später hatten sie ihren Mut so weit zusammen, dass sie reingehen wollten. Das Tor aufbrechen. Hatte ich schon an Tag eins vorgeschlagen. 'Sakrileg' haben sie gerufen. Als sie sich dann zusammengerauft haben, gingen die ersten Krankheitsfälle los. Jetzt geht keiner mehr vor die Tür, geschweige denn ins Kloster.
"

Als Solveig Lifs fragenden Blick hinsichtlich des Trankes bemerkt, lächelt sie. "Ja - Bier. Ich weiß, nicht das Beste für einen Kranken, aber ich habe keine Wahl. Ich denke, die Seuche kommt aus dem Wasser des Bachs. Sie hat zuerst die Mönche erwischt, wo der Bach aus dem Berg entspringt, und dann später uns die Strömung runter. Ich trinke seit drei Tagen nur noch Bier. Wasche mir die Hände damit. Versorge die Kranken. Der Vorrat des Wirts - er ist tot und braucht ihn nicht mehr. Und die nächste Frischwasserquelle ist anderthalb Tagesritte entfernt", bei der letzten Bemerkung schaut sie zu Abdo hinüber, der vorgeschlagen hatte, für sauberes Wasser zu sorgen.

"Meine Lehrerin sagte das immer", murmelt sie zu Lif. "Wenn es nicht die Luft ist, sind es die Männer. Wenn es nicht die Männer sind, ist es das Wasser."

"Kluge Frau, die alte Sunga - ich kannte sie gut" - ein rauchiges Krächzen aus dem Nachbarzimmer, vom Krankenbett an der Wand. Lif und Tristan war es so erschienen, als würde der alte Mann dort schlafen, aber anscheinend lag er nur mit geschlossenen Augen. Nun setzt er sich mühsam auf und entblößt schadhafte Zähne in einem müden Lächeln. Das graue Haar reicht über die Schultern, ist verfilzt und mit dem Alter rar geworden. Die Haut spannt sich trocken und furchig, wie altes Leder über die Knochen. Blaue Linien durchziehen unregelmäßig Gesicht und Hals, Schultern und Brust, Arme und Beine. Als hätte ein tolles Kind mit Kreide Schlangenlinien über den gesamten Körper des Mannes gezogen, nur dass die Linien unter der Haut liegen und hervorstechen, als wären sie aus Metall oder einer fremden Flüssigkeit und nicht aus Kreide. Im Gegensatz zum Jungen auf dem Behandlungstisch ist dieser Mann nicht aufgedunsen, sondern völlig ausgelaugt. Als würde ihn etwas von innen zerfressen.

* * *

Abdo, Freydis und Hjalmarr bekommen gerade noch Solveigs Vermutung bezüglich Wasser als Ursache der Seuche mit, bevor sie ins Freie treten. Für einen Augenblick erleben die drei die frische Sommerluft und die Sonnenstrahlen sehr bewusst - ein Kontrast zur Enge und der Gerüchemelange der Hütte.

Dann fällt ihr Blick wieder auf die pilzbefallenen Gärten der Hütten am Rand von Ansdag. In der Ferne ist Talahan auf seinem Rappen zu sehen. Das Pferd wedelt mit dem Schweif, verscheucht die Fliegen, die sich immer wieder heranwagen. Dann hört Abdo das vertraute Geräusch sich nähernder Hufschläge und erspäht einen einzigen Reiter, der von einer leichten Anhöhe im Osten auf den Dorfplatz zuhält. Er scheint von einem größeren Haus zu kommen, so hoch, als hätte es zwei Etagen und über dem Rest des Dorfes thronend.

* * *

Widerwillig nickt Talahan, als Aeryn darauf besteht, doch auf dem Dorfplatz zu bleiben. "Dann hoffen wir wider besseres Wissen, dass die verängstigten Bauern nichts Dummes anstellen", murmelt er.

Als Aeryn sich der Hütte nähert, aus der sie die Frauenstimme vernommen hatte, knarrt die Tür. "Bist du verrückt? Lass sie nicht rein!", ruft eine Männerstimme. "Beruhige dich - ich gehe raus", gibt die Frau zurück. "Das wird dein Tod sein, Frida!", schreit der Mann wieder. "Ich habe dir gesagt, rede nicht vom Tod!", gibt die Frau zurück. Dann erscheint sie vor der Türschwelle, tritt heraus und schlägt die Tür zu.

Es ist eine Bäuerin nahe ihrem vierzigsten Sommer. Arme und Beine sind muskulös und breit, gezeichnet von entbehrlichen Jahren und harter Arbeit auf dem Feld und mit dem Nutzvieh. Das Gesicht ist breit und freundlichen, die Haare mögen einst strahlend blond gewesen sein, sind aber früh größtenteils dem Grau verfallen. Aeryn ertappt sich beim Gedanken, dass diese Frau vor nicht einmal fünfzehn Wintern eine Schönheit gewesen sein muss, schlank, mit hübschem Busen, strammen Schenkeln, einem wunderschönen Gesicht und langen Haaren. Doch fünfzehn Jahre auf dem Feld und mehrere Geburten können den Körper einer Menschenfrau sehr wohl verändern.

"Es hat vor einer Woche begonnen", murmelt sie. "Ein Sturm, wie der Zorn Gottes. Und Pater Halfir schrie, wie... wie...", sie bricht ab, sucht nach Worten. "Ich weiß, das darf man nicht sagen, aber er schrie wie ein Dämon. Unmenschlich. Seitdem zeigen sich die Behadrim nicht. die Klostertore bleiben geschlossen. Wir müssen Gott erzürnt haben, dass unsere Priester verschwunden sind. Und nun rafft uns diese Seuche dahin."

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #48 am: 18.01.2017, 01:23:00 »
Aeryn blieb einige Schritt weit von der Türe entfernt stehen, sie will die Bewohner nicht unnötig verängstigen oder bedrohlich auf sie wirken. Als der Mann seiner Frau zuruft, dass sie nicht vor die Türe gehen solle, weil das ihr Tod sei, meldet sich die Elbin aber doch zu Wort. Sie schüttelt dabei nur den Kopf ob der menschlichen Ignoranz.

"Ganz im Gegenteil. Es wird euer aller Tod sein, wenn ihr euch weiter hinter euren Türen und Fenstern verschanzt. Wenn nichts unternommen wird, dann wird es auch nicht besser werden. Und irgendwann geht euch die Nahrung und das frische Wasser aus, was wollt ihr dann tun?"

Frida, die Frau, lässt sich aber offensichtlich nicht so sehr von den Vorkommnissen einschüchtern, wie die anderen Dorfbewohner. Anerkennend nickt Aeryn ihr zu, als sie heraustritt. Sie lauscht aufmerksam den Worten der Bäuerin und vor allem bei dem 'Dämon' wird sie hellhörig. Natürlich gibt es Geschichten von Dämonen, die andere Körper in Besitz nehmen, oder vielleicht waren es auch nur unmenschliche Schmerzen, die den Klang seiner Stimme derart verzerrt haben. Jedenfalls klingt es für die Waldläuferin so, als ob die Ursache für das Übel im Kloster zu finden ist.

"Dieser Pater Halfir, ist das der Abt des Klosters? War denn schon jemand im Kloster, um nachzusehen, was dort vorgefallen ist? Falls nicht, würden wir uns das wohl einmal näher ansehen."

"Und was ist mit dem Fürsten? Ist Soren Villag darüber unterrichtet worden, was hier vor sich geht?"

Wo sie schoneinmal jemanden vor sich hatte, die auch bereit war, mit ihnen zu reden, vielen Aeryn in dem Moment auch wieder die Dinge ein, die ihnen von Aegon Ayrin aufgetragen worden waren. Einen Versuch war es wert. Vielleicht wusste die Frau ja etwas oder könnte sie zumindest in eine Richtung führen, die ihnen weiterhalf.

"Noch etwas. Habt ihr von den beiden Karawanen gehört, die hierher kommen sollten und die ihr Ziel nie erreicht haben sollen? Oder einem Späher, der deren Verbleib aufklären sollte? Das muss schon einige Wochen her sein, also noch vor diesem Sturm und dem Ganzen hier."

Tristan

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Der Weihort
« Antwort #49 am: 18.01.2017, 15:53:50 »
Auch Tristan blickt Abdo nach, als dieser die Hütte verlässt. 'Tristan soll hierbleiben'—hat er mich damit gerade herausgefordert? Was spielt der Kerl sich auf, als hätte er in Talahans Abwesenheit den Befehl! Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen, sonst nimmt er sich bald alles heraus. Doch dann wird Tristan erst einmal von Solveigs Erzählung abgelenkt. Als die drei Gefährten sich dann auf den Weg zurück ins Dorf machen, scheint ihm der glaubwürdige Moment verpasst, sich der Provokation zu stellen. Beim nächsten Mal wird er rascher reagieren müssen, will er nicht in den Ruf eines Schwächlings geraten.

Allein mit den beiden Frauen—weder der bewusstlose Junge noch der kranke Alte zählen in seinen Augen als Mann—entspannt Tristan sich sichtlich.

"Vielleicht gab es durch den Sturm einen Erdrutsch in den Bergen, durch den giftiger oder verseuchter Dreck in den Bach geschwemmt wurde", mutmaßt er. Berge gibt es daheim zwar nicht, aber Unwetter, die öfters auch mal ein Stück Steilklippe wegschwemmen. "Und wer weiß, was für halb verweste Kadaver da jetzt allerorts am oder im Wasser liegen, das kann auch nicht gesund sein. Man müsste den Flusslauf absuchen und all das wegräumen."

Die 'Hexe' macht einen vernünftigen Eindruck und wenn es stimmt, dass der Abt des Klosters hinüber ist, gibt es niemanden außer ihr, an den sie sich so recht wenden könnten, zwecks Information und sonstiger Unterstützung. Es gilt also, sich mit ihr gutzustellen. Lîf gelingt dies ja schon mühelos.

"Tristan heiße ich", antwortet er daher auf Solveigs Frage. Um dem schlechten ersten Eindruck entgegenzuwirken, den er auf sie offenbar gemacht hat, bietet er ihr einen Wissenshappen über sich zur Versöhnung an: "Feenbalg hat man mich daheim genannt so wie dich Hexe. Weil ich so hübsch singen kann, dass die blutrünstigsten Seeräuber vor Ergriffenheit auf die Knie fielen, statt mich in Stücke zu hacken. Du siehst, die Sache ist eindeutig: ich wurde in der Wiege vertauscht. Anders lässt sich die Sache nicht erklären."

Eine Weile lang beobachtet er schweigend das Tun der beiden Heilerinnen und denkt nach.

"Als erstes sollten wir aber wohl doch zum Kloster und schauen, was dort Sache ist", kommt er endlich mit sich zu einem Ratschluss. "Vor toten Mönchen hat bei uns niemand Angst."
« Letzte Änderung: 18.01.2017, 20:11:15 von Tristan »

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #50 am: 18.01.2017, 20:02:40 »
Lîf ist hin- und hergerissen. Einerseits empfindet auch sie Tristans Fragen als sehr drängend und kann gut nachvollziehen, dass eine Frau, die wie Solveig unter dem Verdacht der Hexerei steht, sehr empfindlich auf ein solches Bedrängen durch quasi völlig Fremde reagiert. Andererseits hat sie auch Verständnis für ihren Mann und seine durchaus berechtigte Wissbegierde. Sie versucht daher zu vermitteln, indem sie der Gezeichneten nach Tristans Erwiderung ihre übrigen Begleiter leise vorstellt und ihr versichert: "Du siehst, auch wir schweben stets in der Gefahr, der Hexerei bezichtigt zu werden... Wir sind gewiss nicht mit feindlichen Absichten in dein Haus eingetreten, Schwester, und ich danke dir in unser aller Namen für deine Gastfreundschaft!" Die junge drudkvinde blickt Hjálmarr und Freydis nach, als sie die Hütte verlassen, und widmet sich dann dem Kranken. Ohne lange zu fragen oder zu zögern geht sie Solveig zur Hand. Sie müssen sich nicht wortreich austauschen – unter Heilerinnen sitzen die wichtigsten Handgriffe ohne nachzudenken, und ihre Arbeit geht rasch voran.

Während sie der anderen Frau hilft, den Jungen zu behandeln, denkt sie über die Worte ihres Mannes nach. Zwischenzeitlich meint sie zu Solveig: "Was ich an Wasser mitführe, soll dir gehören, Schwester." Dass eine Heilerin sauberes Wasser bei der Ausübung ihrer Pflichten entbehren muss, entsetzt sie. "Und ich werde die Große Mutter bitten, uns mehr reines Wasser zu schenken" fügt sie gedankenverloren an, denn das Schicksal der Menschen hier geht ihr zu Herzen. Wenn sie nur den Jungen ansieht – und dann auch noch hört, was die Gezeichnete über die Vorfälle in der Sturmnacht zu sagen hat... Die Natur scheint ihnen zu zürnen. "Wer ist dieser Jan?" fällt ihr mit einiger Verspätung ein, so sehr beschäftigt sie die Frage nach dem Warum.

Erst das leise Gemurmel Solveigs lässt sie ihre Sorge für einen Moment vergessen und lächeln. "Eine weise Frau..." bemerkt sie nicht minder leise. Da unterbricht die Stimme aus dem Nebenraum sie, und sie späht zu dem dürren Mann, der dort liegt und gar nicht schläft, wie sie dachte. Mit wachsendem Interesse betrachtet sie die blauen Linien auf seinem mageren Körper. Sie wendet sich an Solveig: "Was hat er? Hast du die rechte Medizin für ihn?" Offenkundig scheint er ja nicht an demselben Übel zu leiden wie ihr momentaner Patient. Zu Tristans Entschluss nickt sie kurz, doch äußert sie sich dazu nicht weiter. Hier sind die Männer der Gruppe gefragt. Sie fragt sich ohnehin, warum ein Weib wie Solveig unter all den Leuten im Dorf diesen nahe liegenden Schritt als erste befürworten musste. Sind die Menschen hier so mutlos?

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #51 am: 18.01.2017, 23:15:47 »
"Ich glaube nicht dass es umbedingt einer dämonischen Erklärung bedarf." antwortet Freydis auf Hjalmars Frage und deutet auf den nächsten der pilbefallenen Gärten. "Ich würde das nicht essen wollen und kann mir vorstellen, das was immer die Garten befallen hat auch im Wasser und damit in all jenen ist, die es getrunken haben." ihre Stimme wird zynisch.  "Aber diese ahnungslosen Narren glauben lieber an einen Fluch ihres Gottes anstatt wenigstens zu versuchen etwas gegen die Ursache zu unternehmen." Dann fällt ihr der ankommende Reiter auf und sie deutet mit einer Kopfbewegung in seine Richtung. "Aber da kommt vielleicht noch jemand der etwas mehr bei Verstand ist und uns sagen kann was hier wirklich vorgeht."
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #52 am: 19.01.2017, 10:51:56 »
Behadrim, alter Glaube, Gaia ... Abdo hat zwar einiges aufgeschnappt während der Zeit, die er nun in Dalaran verbracht hat, aber vieles von dem, was den Menschen hier offensichtlich ist, stellt ihn immer wieder vor Rätsel. Diese Behadrim, deren Kloster sich hier befindet, dienen Aris, dem einen Gott - auch wenn sie ihn anders nennen. Wieso also scheinen so viele Menschen sich vor ihnen zu fürchten? Ihr Orden scheint doch dem seinen recht ähnlich zu sein. Und wenn sie Aris' Werk vollführen, kämpfen sie für das Gute und die Ordnung auf der Welt.
Und doch ... auch seine Kameraden auf dieser Reise lassen immer wieder kleine Anzeichen erkennen, die ihm die Behadrim nicht in einem rein hellen Licht erscheinen lassen.

Wirklich erstaunt hat ihn jedoch, dass in diesem Land wohl viele Menschen noch alten heidnischen Traditionen anhängen, etwas, dass er in Ya'Kehet nur aus uralten Überlieferungen kannte. Bereits die erste Reaktion dieses Tristan auf seinen harmlosen Gruß hat ihn vorsichtig werden lassen, das Thema Religion weiter zu vertiefen. Zu unklar ist, wie heikel ein solches Gespräch werden könnte. Dennoch: Irgendwann, in einer ruhigeren Minute, muss er einen seiner Mitreisenden dazu befragen.

Doch im Augenblick stellen sich ihm akutere Probleme. Wenn die Heilerin mit dem merkwürdigen Aussehen recht hat, bestätigt sich seine Befürchtung, dass unreines Wasser zu der angeblichen Seuche hier geführt hat. Die Entfernung zur nächsten Quelle jedoch ist mit eineinhalb Tagesritten viel zu groß, um die Problematik auf diesem Weg zu entschärfen. In drei Tagen würden sich bei den meisten hier ähnliche Symptome zeigen, wenn sie weiterhin das Wasser trinken würden. Und das bisschen, was sie mitbringen könnten, würde nur einen Tropfen auf dem verseuchten Stein bedeuten.

Draußen stimmt er daher Freydis zu: "Frisches Wasser holen können wir nicht, wenn die Heilerin die Wahrheit gesprochen hat. Und daran zweifle ich nicht." fügte er schnell hinzu. "Also müssen wir die Ursache herausfinden und bekämpfen. Es kann kein Zufall sein, dass dieses Kloster geschlossen bleibt. Vor allem, wenn es flussaufwärts von hier liegt. Wir müssen dorthin reisen und nach dem Rechten sehen."
Seine düstereren Gedanken behält der Mönch jedoch lieber für sich. Diese Behadrim sollten die Anzeichen einer Vergiftung mit unreinem Wasser erkennen können. Wenn dort niemand mehr antwortet, muss etwas Schlimmeres geschehen sein. Ist das Kloster sogar die Ursache der Verseuchung?
"Zuerst sollten wir uns aber um die Leute hier kümmern, die Kadaver verbrennen, und die Menschen vor dem verseuchten Wasser warnen. Zumindest erhitzen oder mit Wein mischen sollten sie es, bevor sie es trinken, um das schlimmste zu verhindern."

Auf Freydis Bewegung hin sieht nun auch der Schwarze den Reiter, und nickt nur zustimmend zu ihrem Vorschlag, mit ihm zu sprechen, während die drei sich weiter dem Dorf nähern.

Tristan

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Der Weihort
« Antwort #53 am: 19.01.2017, 19:59:26 »
Tristan vergisst einen Moment lang seine beharrliche Patrouille zwischen den Fenstern und der Tür, um fasziniert zu beobachten, wie schnell die beiden Heilerinnen ein Band knüpfen. Schon nennt man sich Schwester! Und dass Solveig so offen von dem Geschehen hier erzählt, das liegt gewiss an Lîfs Anwesenheit. Wie hart der Blick der Fremden ist, wenn er Tristan streift, wie weich, wenn sie dagegen seine Frau anschaut!

Als Lîf ihrer Heilerinschwester ohne zu zögern ihre Wasservorräte verspricht und dazu noch, ihre Göttin um mehr zu bitten—an diesem Ort, wo die Anhänger des Einen das Sagen haben!—passiert etwas seltsames. Statt böse über diesen doppelten Leichtsinn zu werden, wird der Platz in Tristans Brust plötzlich ganz furchtbar eng. Sein Herz, so scheint es, kann das Gefühl gar nicht mehr fassen, das er für Lîf empfindet, und so fließt es über und füllt seinen Brustkorb und der Druck legt sich auf seine Lungen und steigt ihm bis in die Kehle und im Magen wird es ihm ganz flau.

Er durchquert den Raum mit zwei Schritten und schließt sein Weib in die Arme. Seine Wange an ihre Schläfe gepresst, sagt er ihr ins Ohr: "Jeg er ikke overrasket over, at Gaja har valgt dig. Du kan ikke hjælpe, men at give. Du har sådan et stort hjerte, du bare nødt til at give."[1]

Warum ihm letzteres imponieren sollte, weiß er selbst nicht, aber das tut es, genauso wie die gemeinsame Arbeit der beiden, die kaum ein Wort benötigt, um sich zu verständigen. Wie anders ist der Umgang unter Fahrtenbrüdern. Ein ständiges Rangeln um seinen Platz, ein Imponieren und Konkurrieren...

Nach diesen Worten löst Tristan sich wieder von seinem Weib und kehrt zu seinem Patrouillengang zurück.

"Obwohl ich nicht ganz verstehe", wendet er sich kurz darauf, und abermals ein wenig abrupt, an Solveig, "warum du hier an diesem Ort bleibst und den undankbaren Menschen hilfst, die dich als Hexe verschreien. Ist das nicht sehr gefährlich für dich?"

 1. Värangsk: Es wundert mich nicht, dass Gaja dich erwählt hat. Du kannst nicht anders, als zu geben. Du hast so ein großes Herz, du muss einfach geben."
« Letzte Änderung: 20.01.2017, 10:26:40 von Tristan »

Hjálmarr

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Der Weihort
« Antwort #54 am: 23.01.2017, 10:10:08 »
Hjalmarr grinst verschmitzt bei dem Gedanken, dass das Wasser an dieser Misere Schuld sein soll, doch abwegig ist es nicht. Alles was aus dem Boden dieses Landes entspringt ist zwar im Grunde rein, und meist sorgen ihre Bewohner dafür, dass dieser Zustand nicht lange währt, doch wie jede Naturgewalt gibt und nimmt auch das kühle Nass, wenn der Siedepunkt erreicht ist. Kein Lebewesen kann ohne Wasser überleben, zu oft wird es einfach für selbstverständlich und immer da angesehen, zu wenig Respekt ist vor dieser unbändigen Kraft in den Köpfen der Unwissenden vorhanden. Ob auch in diesem Landstrich Ahnen hinter den Quellen und Seen stehen. Hat dieses Dorf die Herren der blauen Massen erzürnt und ist dies nun ihre Bestrafung? Falls ja, muss hier schreckliches Geschehen sein, was eine solche Ausrottung rechtfertigen würde.

Dann wird der junge Mann aus seinen Gedanken gerissen, als Freydis sie auf den Reiter aufmerksam macht. Sein Blick bleibt nur kurz auf der Gestalt hängen und schweift dann wieder hinüber zu dem Herrenhaus, aus dem er kommt. Hjalmarr zieht die Augenbrauen nach oben und beschleunigt seinen Schritt etwas.

"Ich glaube, wir bekommen Besuch vom hohen Adel dieses dem Untergang geweihten Dorfes. Hören wir uns an, was er in einer solch schweren Stunde zu verkünden hat." Spöttisch seufzend muss der junge Mann lachen, was sich durch seine hässliche Narbe im Gesicht zu einem ungesunden Röcheln wandelt.

"Ob sie uns zu einem Umtrunk laden, um unsere Hilfe zu erkaufen?"

Khenubaal

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Der Weihort
« Antwort #55 am: 26.01.2017, 14:31:44 »
Als Aeryn ihre Fragen an Frida stellt, senkt die Bäuerin zunächst den Kopf. "Sicher - unsere Vorräte gehen zu Neige. Aber jeder der rausgeht - all die Leichen... jeder, der rausgeht, steckt sich irgendwann an. Die meisten wollen warten, bis Hilfe eingetroffen ist."

Die Frage nach dem Gottesmann ist ihr sichtlich unangenehm. "Ja - Pater Halfir ist unser Abt. In der Nacht... da ist keiner hingegangen. Ihr müsst das verstehen: die Schreie waren so unwirklich, so unmenschlich. Und dazu der Sturm. Das konnte man von den Leuten nicht erwarten..." Frida versucht ihre Mitmenschen zu verteidigen, doch so wie ihre Stimme stockt, macht sie sich und diesen selbst wohl Vorwürfe. Dann hält sie inne, fängt sich und hebt den Kopf, schaut Aeryn und Talahan an. "Wir sind am nächsten Morgen hin. Aber das Tor zum Klostergelände war verschlossen. Wir warteten bis zur Stunde des Morgengebets, wenn immer Bruder Jarus aufschloss. Doch niemand kam. Nicht Bruder Jarus, nicht Pater Halfir und auch niemand sonst. Egal, wie lange wir warteten, oder riefen. Einzubrechen wagten wir nicht. Das wäre ein Sakrileg gewesen. Jetzt, wo die Seuche ausgebrochen ist, wünschte ich, wir hätten es getan, aber jetzt traut sich keiner mehr heraus."

Bei der Erwähnung des Fürsten huscht ein spöttisches, trauriges Lächeln über Fridas Gesicht: "Soren, der alte Tattergreis hatte schon vorher kaum die Kraft, sich um Ansdag zu kümmern. Von dem erwarte ich keine Hilfe. Dann eher noch von den heidnischen Ahnengeistern, als von dem..."

Dann stockt sie und bricht ab, ihr Blick geht den Hang hoch Richtung Hufgetrappel. Auch Talahan und Aeryn folgen dem Blick und bemerken den Reiter, der sich dem Dorfplatz nähert. Während Aeryn ihre letzte Frage stellt und sich nach den Karawanen erkundigt, erreicht der Reiter den Hofplatz. Es ist ein junger Mann mit buschigen Augenbrauen und braunem Vollbart. Lockiges Haar quillt unter dem einfachen Spitzhelm herunter. Der Sichtschutz ist hochgeklappt, gibt den Blick frei auf grüne Augen und eine markante Nase. Das Wams ist einfach, abgenutzt, aber gut in Schuss und verschnürt. Metalerne Schulterschützer und ein ebensolcher Wappenrock glänzen in der Sonne. Die Hose endet in Reiterstiefeln. Der Rundschild ist auf dem Rücken. Eine Auswahl an Klingen und Wurfäxten ziert die Seite des Rappens.

"Mein Prinz", murmelt Frida und senkt den Kopf. "Wie schön, Euch zu sehen." Aeryn hört die Anrede und erkennt auf der Brust des Reiters zwei Fische, die im Kreis hintereinander schwimmen. Es sieht so aus, als würden die beiden jeden Augenblick die Schwanzflosse der anderen verschlingen.

Talahan bemerkt den Blick der Elbin. "Das Wappen des Hauses Villag", murmelt er.

Der junge Mann nickt knapp. "Ich nehme an, nicht schöner als sonst, Frida", gibt er zurück. Dann schaut er sich nach den Neuankömmlingen um. Neben Talahan und Aeryn haben auch Abdo, Freydis und Hjalmarr wieder den Dorfplatz erreicht. Als sein Blick die Berührte streift, bleibt er für einen Augenblick haften - als würde er sie wiederzuerkennen versuchen, so kommt es Freydis vor - doch dann schweift er weiter.

"Ich bin Uther Villag", sagt er schließlich. "Mein Vater schickt mich, um nach den Rechten zu sehen und zu Fragen, was euer Begehr in Ansdag ist. Falls ihr von offizieller Stelle kommt, so soll ich euch unterstützen", sagt er laut, während er nacheinander die Gefährten anschaut. Schließlich wendet er sich wieder an Aeryn. "Und um eure Frage zu beantworten: Wir haben beide Karawanen erwartet, doch sie trafen nie ein. Und auch kein Bote aus Kromdag. Dafür wissen wir von Überfällen auf mehrere kleinere Handelstrecks auf der befahrenen Route."

* * *

Bei Lifs Angebot, das Wasser der Gefährten anzunehmen, schaut Solveig überrascht und dankbar auf. "Hab' Dank, Schwester. Deine Gaben sollen nicht vergessen werden", murmelt sie. Tristan kommt es so vor, als würde zum ersten Mal etwas Weiches in der Stimme der gezeichneten Frau mitschwingen.

Vielleicht liegt es auch an seinen nun vorsichtiger und bedachter gewählten Worten. Solveig nickt mehrmals, als er spricht. "Ja, in den letzten Jahren ist der Einfluss der Behadrim immer weiter gewachsen. Seit dem Tod meiner Lehrerin, Sunga, war es schwierig. Aber ich habe der Frau des jungen Fürsten das Leben gerettet, als eine Kehlkopfentzündung sie fast dahingerafft hätte. Seitdem hat er dafür gesorgt, dass die Kuttenträger nicht zu sehr gegen mich hetzen. Und: Es ist eben meine Heimat", erklärt sie. Als Tristan dann den Bach und das Kloster als Untersuchungsziele angibt, nickt sie abermals. "Das ist auch meine Vermutung, ja. Irgendetwas verunreinigt das Wasser. Aber ich schließe inzwischen auch dämonisches Wirken nicht aus", murmelt sie.

Als Lif und Tristan sie überrascht anschauen, zuckt sie mit den Schultern. "Ich bin die Letzte hier, die sowas annehmen würde, aber was ich in der Nacht gehört hab', hab' ich gehört. Das war nicht Pater Halfir. Außerdem: diese Krankheit, diese Vergiftung - sie ist wie keine andere, die ich je gesehen habe. Und außerdem..." Sie stellt sich zu Lif und deutet auf den mit blauen Linien durchzogenen Mann. "Du hast doch gefragt, was er hat", sagt sie.

"Hey, Kleines. Zeig' nicht mit dem Finger auf mich - ist doch unhöflich!", gibt der Greis zurück, doch sein Lächeln verrät, dass er lediglich einen Witz macht.

Solveig grinst. "Dieses Großmaul hier, ist der Graue Barnas. Einer von Dreien hier im Dorf, mit genug Verstand, sich von mir behandeln zu lassen." Sie hält kurz inne und schaut zu Lif. "Aber wenn wir nicht bald eine Lösung finden, wird ihm das auch nicht helfen. Du hast gefragt, was dieser Mann hat. Hätte ich es selbst nicht gesehen, hätte ich es auch nicht glauben können. Er hat das Gleiche, wie der Junge auf dem Tisch. Wenn man das Fieber und die Vergiftung nicht behandelt, dann sterben die Menschen daran. Dann sieht man all das hier nicht. Aber ich habe es behandelt. Bei der dicken Dana, bei Ilf und bei Barnas. Nach etwa ein, zwei Tagen gehen die Schwellungen und das Fieber, die Vergiftungssymptome zurück, aber Brechreiz kommt auf und Durchfall - Verlust von Flüssigkeit und Masse in jedweder Form. Als würde der ganze Körper zurück zu Gaja schmelzen. Die Menschen verdorren."

"Ts, ts, ts", neckt Barnas. "Das ist aber nicht nett, Mädchen." Der alte Mann gibt sich Mühe, fröhlich zu klingen, doch er scheitert kläglich damit.

"Entschuldige Barnas", gibt Solveig zurück. Nach kurzer Pause fährt sie fort. "Die Dicke Dana und Ilf. Beide hatten auch diese blauen Linien. Jeweils ungefähr einen Tag. Zuerst Dana. Zum Abend hin wurde ihr ganz kalt und sie war zu schwach, um sich zu bewegen. Ich dachte, sie erlebt den Morgen nicht mehr, aber dann..." Solveig hält inne, bricht ab.

"Erzähl weiter", sagt Barnas.

Die Heilerin nickt. "Ich bin Nachts aufgewacht, weil Glas zebrochen ist. Ich war schnell auf den Beinen, habe mich ungesehen. Da war ein Fauchen, Krächzen. Ich habe gerade noch rechtzeitig den Umriss in der Dunkelheit erkannt, um ihren Händen - nein - Krallen auszuweichen. Sie wollte mich beißen, mir die Haut von den Knochen reißen. Ich griff nach dem Messer und stach auf sie ein, aber es schien ihr nichts auszumachen. Sie griff immer wieder nach mir. Erst als ich ihr die Klinge durchs Auge in den Schädel rammte, hörte sie auf."

Erstmal kehrt Stille ein. Solveig braucht noch ein paar Sekunden, bis sie wieder fortfahren kann. "Was mit Ilf ist, weiß ich nicht. Als er das mit Dana gesehen hat, ist er fortgerannt. Naja - fortgestolpert. Aber ich konnte ihn da nicht einholen. Wenn er auch zu seiner Dämonenkreatur geworden ist, dann... dann ist es vielleicht wirklich besser, ich behandle die Leute nicht, sondern lasse sie am Fieber sterben. Aber wie soll ich das tun? Ich habe geschworen, dass ich Leben schützen werde - bis wir die Heilung finden", sagt sie trotzig.

Der alte Greis schüttelt den Kopf. "Mir egal, was du geschworen hast, Mädchen", sagt er. "Wir haben es abgemacht. Bevor es heute ins Bett geht, fesselst du mich, und sollte ich der Dicken Dana nacheifern und hier Krächzer von mir geben, dann jagst du mir dein Messer direkt ins Auge - verstanden?"
« Letzte Änderung: 20.02.2017, 10:18:23 von Gaja »

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #56 am: 26.01.2017, 15:18:39 »
Aeryn nickt Frida ein paarmal zu, während sie ihr erzählt, was geschehen ist. Natürlich war es für einfache Bauersleute wie sie eine weitaus größere Überwindung, sich derart großen Problem zu stellen. Es ist nur natürlich, dass sie sich in ihren Häusern verbarrikadiert haben. Allerdings, wie die Elbin bereits zuvor sagte, würde es ihnen auf Dauer auch nicht helfen. Aber jetzt war ja Hilfe da, sie waren da, und hoffentlich würden sie die Sache wieder in Ordnung bringen und den Dorfbewohnern wieder ein normales Leben ermöglichen können.

Als dann noch Uther Villag angeritten kommt, um seine Hilfe anzubieten, ist Aeryn hocherfreut. Offensichtlich war es bis zum Fürsten durchgedrungen, dass hier Hilfe benötigt wurde, und er war auch gewillt, etwas zu tun.

"Ihr kommt gerade recht ..." Aeryn sucht einen Moment nach einer passenden Anrede, dann fällt ihr ein, was Frida gesagt hatte. "... Prinz."

"Wir sind in der Tat mit einer Aufgabe von Fürst Ayrin betraut worden und von Kromdag aus hierher gereist, um den Verbleib der verschwundenen Karawanen aufzuklären. Doch wie es aussieht, gibt es hier noch weitaus mehr Probleme als das. Wir müssen dringend Zutritt zum Kloster erlangen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Die Priester sind womöglich alle tot. Jedenfalls hat man seit einer Woche nichts mehr von ihnen gesehen und die Klostertore blieben seitdem verschlossen. Und dann gibt es auch noch eine Seuche, die Mann und Tier dahinrafft, deren Ursache noch unklar ist," fasst die Elbin in Kürze die wesentlichen Probleme zusammen, die ihnen bislang bekannt sind.

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #57 am: 26.01.2017, 16:43:33 »
Zustimmend neigt Lîf bei Solveigs Worten ihren Kopf. "Ich bin eine Dienerin Gayas wie du – ich gehorche nur Ihrem Befehl" meint sie mit dem Anflug eines Lächelns. Sie beugt sich über den Kranken, um ihm mit sanfter Geste das wirre Haar aus der Stirn zu streichen, als ihr Mann sie umdreht, in seine Arme schließt und ihr leise ins Ohr flüstert. Für die Dauer eines Herzschlags steht sie reglos, als wisse sie gar nicht recht, wie sie reagieren soll. Doch dann legen sich ihre Hände auf seinen Rücken, sie erwidert seine Umarmung und wispert zurück: "Gudinden har hendes kærlighed plantet i mit hjerte. Jeg er bare hendes hånd."[1] Dabei legt sie ihre Wange an seine Brust, schaut zu ihm hoch, und zum ersten Mal seit Tagen werden auch ihre Züge weicher. Mit einem ebenso weichen, warmen Leuchten in den Augen lässt sie ihn die Umarmung lösen und sieht ihm nach, wie er einige Schritte geht. Oh ja, sie hat ihren Streit mit ihm, und ganz gewiss wird sie nicht so einfach nachgeben – er muss sich noch warm anziehen! Aber doch zeigt er manches Mal etwas, das nicht nur das Weib in ihr betört, sondern sie auch glauben lässt, dass er in seinem Herzen wirklich anders ist als die rauen Kerle, unter denen sie zu leben gezwungen war, seit sie sie entführten. Er ist ein guter Mann, unter der Schale, die er sich unter diesen Spießgesellen zugelegt hat...

Dann wendet sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Schwester im Geiste zu und nickt kaum merklich zu deren Worten. So ist das Schicksal einer Gayadienerin: Ihr ist ein göttlicher Auftrag gegeben, der sie anhält, die Liebe und Wärme der Großen Mutter an die Menschen weiterzugeben, all ihrer Dummheit, ihrem Hass und ihrer Ungerechtigkeit zum Trotz. Weiber wie sie kämpfen nicht minder hart oder zäh als ein Mann mit der Waffe in der Hand – nur auf andere Weise. Es ist der Kampf gegen die Böswilligkeit, die Missgunst und den Unglauben... und oftmals gegen den eigenen Stolz und Trotz. Sie kann Solveig gut verstehen, das Dilemma der Gezeichneten. So hört sie auch sehr aufmerksam zu, als die andere Frau die dämonischen Kräfte schildert, die offenbar in den Kranken schlummern. "Sie scheinen vom Hauch des Bösen berührt..." murmelt sie leise, während sie den tapferen Alten mustert, der trotz seiner schweren Erkrankung so sehr darum kämpft, munter zu erscheinen. Dass er dabei auch ein wenig aufschneidet, nimmt sie ihm nicht übel. So sind die Männer eben... Doch sie fühlt mit den Erkrankten, in ihrem Blick liegen dieses Mitgefühl und eine gewisse Neugierde gemischt, als sie sich ihm nähert und die Zeichnungen auf seinem Körper sehr eingehend betrachtet. Dabei streckt sie die Hand aus, wird ihn jedoch nicht berühren, so er vor ihr zurückschreckt.

Die junge Frau wendet ihren Blick schließlich wieder Solveig zu. "Ich glaube, er hat recht: Wir sollten ihn sorgfältig fesseln, um sicherzugehen. Doch ehe wir nicht alles versucht und keinerlei Hoffnung mehr haben..." Ihre rote Mähne wirbelt herum, als sie mit blitzenden Augen den alten Mann ansieht. "...werden wir den letzten Schritt nicht ins Auge fassen. Das lasse ich nicht zu!" Nun klingt sie entschlossen. Als Tochter Gayas ist Lîf nicht weichlich, noch hätte sie Skrupel, einen Leidenden auch durch den Tod zu erlösen oder andere vor seiner Raserei zu schützen, wenn es unumgänglich ist. Da sie dessen aber noch nicht sicher ist, steht ihr Schwur, das Leben zu wahren und zu hegen, an allererster Stelle. "Noch ist nicht sicher, dass wir dir nicht helfen können, Alterchen – und solange wir das nicht wissen, wirst du nicht mehr davon sprechen" meint sie dann und blickt ihn ernst an, auf ihre Autorität als Heilerin pochend, auch dem Älteren gegenüber, den sie seines Alters wegen respektieren muss. "Bitte, Schwester: Erzähl mir alles, was du noch über diese Seuche weißt" sagt sie dann zu Solveig, während sie schon ihr Kopftuch fasst und es enger um ihre Haarmähne schlingt, damit die rote Pracht bei der Arbeit nicht im Wege ist. "...und wo du diese Dana hingebracht hast, nachdem sie tot war" fügt sie leise hinzu, ganz auf die Aufgabe fixiert, die vor ihnen liegt und in ihren Augen einem göttlichen Befehl gleichkommt.
 1. Värangsk: Die Göttin hat Ihr Liebe in mein Herz gepflanzt. Ich bin nur Ihre Hand.

Tristan

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Der Weihort
« Antwort #58 am: 27.01.2017, 17:50:24 »
Eine kurze Berührung, ein warmer Blick: endlich eine Reaktion von Lîf nach einer Woche Dauerfrost! Sein Herz wird ihm leicht—und dann ist sie wieder da, die kalte Schulter.

Was gäbe ich für einen hitzigen Ausbruch! Die sind mir noch tausend Mal lieber als die Kälte...

Während die beiden Frauen mit dem Alten beschäftigt sind und nebenbei hier und dort hantieren, tritt Tristan zu dem—noch immer bewusstlosen? oder regt sich dort was? flattert ein Lid?—Jungen, geht in die Hocke und beginnt zu erzählen. Nach wenigen Worten holt er die Flöte dazu, denn diese Geschichte wirkt, seiner Erfahrung nach, musikalisch untermalt immer besser. Es ist das erste Mal seit Sundheim, dass Tristan zur Flöte greift. Weder gespielt noch gesungen hat er seither, selbst als man ihn darum bat. Nicht einmal zum Broterwerb in ihrer Not hat er es in Betracht gezogen.

"Zu Beginn war das Eis. Wüst und öd war die Welt. Kein Licht gab es, keine Wärme, kein Leben. Nichts regte sich außer den tumben Reifriesen, deren Körper und Gedanken aus Eis bestanden, die weder Gefühl noch Verstand noch ein schlagendes Herz besaßen und statt fünf Sinnen einen einzigen, das Gehör, mehr brauchten sie nicht, und ihre Sprache war der pfeifende Wind, ihre Rufe sein Heulen in Gletscherspalten. Nicht einmal Gaja, die man später die Große Mutter nannte, hätte sie als Leben bezeichnet."

Die Erzählung gelingt ihm leidlich, das Flötenspiel weniger, denn hier sind seine Erwartungen an sich selbst größer.[1] Aber wie immer um diese Jahreszeit wollen seine Hände nicht so, wie er will. Auf Fahrt hat das nie etwas ausgemacht, da verlangten die Brüder nach einfachen, lustigen Weisen, die sie betrunken mitgrölen konnten. Dass Tristans vom Rudern steife Finger mal daneben griffen oder er ein paar Töne ausließ, bemerkte keiner von ihnen. Daheim auf Jarlsö dauerte es dann immer den halben Winter, bis seine Hände schwielenfrei waren und die Finger durch unermüdliches Üben wieder ausreichend gelenkig und Tristan endlich auch wieder solche Melodien spielen konnte, die aus seiner Seele sprachen.

"Und so verbrachte die Göttin ein ganzes Zeitalter allein in der Kälte und der Dunkelheit. Eines Tages aber begann ihr Leib anzuschwellen. Ein Berg erhob sich in ihrer Mitte, streckte sich hoch und immer höher in die kalten Lüfte empor, bis er an seiner Spitze schließlich aufbrach und einen riesigen Feuerball zum Himmel hinaufspie. So enstand die Sonne. Und ihre Wärme schmolz das Eis zu Wasser, welches sich in Bächen, Flüssen, schließlich in Meeren sammelte. Und überall, wo Wasser war, ergrünte das Erdreich. Doch noch immer spie und spuckte der Berg Feuer. Funken sprangen zum Himmel hoch und wurden zu Sternen, flüssiges Feuer lief die Berghänge hinab, immer langsamer, zäher, kälter werdend, bis sich endlich sechs Riesen daraus erhoben, halb Flamme, halb Lavastein. Dieses waren Gajas erste Kinder: die Sonne und die Feuerriesen."

Warum er ihm die Geschichte erzähle? Weil er seine Meinung hören wolle, so von Mann zu Mann. Erscheint Lîf, sein Weib, einem nicht manchmal—so auch jetzt, wie sie sich vor dem grauen Barnas aufbaut mit blitzenden Augen in rotem Gesicht und der Widerschein des nahen Herdfeuers tanzt in ihrem flammendrotem Haar—als sei sie die fleischgewordene Wiedergeburt des Brandbjergs in der Mitte der Welt, kurz vor seinem Ausbruch, zumindest aber Nachfahrin eines Feuerriesen, jedenfalls eine entfesselte Naturgewalt? So fragt Tristan den Jungen ganz leise an dessen Ohr.[2]

Er erhebt sich, steckt die Flöte zurück unter seine Kleidung und setzt den Gang durchs Zimmer fort. Dabei denkt er über Solveigs Worte nach und auch die des grauen Barnas. Seine Schlussfolgerungen spricht er unumwunden aus: "Also müssen wir im Kloster nicht nur mit toten Mönchen rechnen, sondern auch mit solchen Ungeheuern. Zu Beginn werden sie ihre Kranken ja wohl noch versorgt haben." Er bleibt stehen, sucht Solveigs Blick. "Im Ort gab es auch Fälle, stimmt's? Deshalb wollte der Vater nicht, dass wir uns um seinen Sohn kümmern. 'Lasst ihn in Frieden zu Gott gehen!'—sprich: nicht zu einem Monster werden. Das meinte er damit."

Nachdenklich reibt er sich den Kiefer und hat schließlich noch eine Frage. "Du sprichst von Krallen und Fauchen. Ja, hat diese Dana sich richtig verwandelt? Dann kann es doch keine Frage mehr sein, ob die Ursache natürlich oder dämonisch ist. Oder waren die Veränderungen nicht so eindeutig? Was hat deine Untersuchung der Leiche ergeben?"

Schnell ist Tristan an der verschlossenen Tür, hinter welcher er Danas Leiche wähnt, und drückt die Klinke.
 1. Perform (oratory) = 16; perform (wind) = 17
 2. Wenn Lîf die Ohren spitzt, kriegt sie's mit.
« Letzte Änderung: 28.01.2017, 09:54:34 von Tristan »

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #59 am: 28.01.2017, 13:27:03 »
Als die kleine Gruppe um Abdo den Dorfplatz erreicht, sind Talahan und Aeryn bereits in ein Gespräch mit einer der Dorfbewohnerinnen vertieft, bevor der berittene Neuankömmling die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Seinen Worten und auch seiner Aufmachung entnimmt der Mönch, dass es sich um einen lokalen Würdenträger handelt, offenbar den Sohn des Fürsten.
Jedoch ist Abdo überrascht, dass der Prinz die schlimme Lage dieser Dorfbewohner mit keinem Worte benennt. Wenn der Fürst Kunde von ihrer Ankunft in Ansdag hatte, so muss er auch Kenntnis über die Seuche haben. Wo also ist die Hilfe, und wenn sie nur aus Soldaten besteht, die die Leichen der Toten verbrennen? Wieso kommt dieser Mensch seiner heiligen Pflicht nicht nach, seinen Schutzbefohlenen zu helfen?

Aeryn allerdings scheint an dieser Tatsache nichts zu finden - war solch ein Verhalten in diesem Land vielleicht normal? Je länger er hier ist, desto mehr wundert Abdo sich darüber, dass es den Einwohnern von Dalaran offenbar so lange gelungen ist, den Shetani zu widerstehen.
Nichtsdestotrotz hält der Mönch es an der Zeit, den jungen Prinzen an seine Pflichten zu erinnern.
"Prinz Uther Villag, seid gegrüßt! Wie meine Gefährtin bereits sagte, ist der eigentliche Grund unseres Hierseins im Moment nicht wichtig, denn hier wütet eine Seuche, wie ihr als Schutzherr dieses Ortes ja sicherlich wisst. Wir haben inzwischen herausgefunden, dass das Wasser des Flusses schuld an der Krankheit ist. Irgendwo im oder in der Nähe des Klosters muss etwas den Fluss verseuchen, weshalb wir dringend dorthin reisen müssen, um die Ursache herauszufinden und die Verseuchung zu beenden."
Das müsste als Erklärung der Situation eigentlich ausreichen, findet Abdo, und so fährt er fort:
"Ihr solltet den Leuten sagen, dass sie das Wasser aus dem Fluss nicht weiter trinken sollen, wenn es sich vermeiden lässt. Auf Euch werden sie hören. Wenn es denn nicht anders geht, sollen sie das Wasser vorher erhitzen oder mit Alkohol mischen, um die bösen Geister zu vertreiben." Abdo hat beschlossen, dass diese Menschen auf Geister wohl eher reagieren würden als auf eine rationale Erklärung. "Und um Aris Willen, sorgt dafür, dass jemand die Kadaver außerhalb des Dorfes verbrennt. Schickt Eure Soldaten! Umso schneller wir zum Kloster aufbrechen, desto schneller wird das Wasser wieder sicher sein."

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