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Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 129614 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

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Lîf

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Der Weihort
« Antwort #555 am: 15.02.2018, 10:38:58 »
Eine ganze Weile lang sieht Lîf Ninae nachdenklich hinterher, als das Feenwesen verschwunden ist. Beim Anblick des Gebetsraums murmelt sie leise: "Wenn ihre Anklagen wahr sind" woran die junge drudkvinde eigentlich kaum zweifelt, "hat dieser wahnsinnige Fanatiker das Unheil wahrscheinlich auch noch selbst auf sein Kloster herabbeschworen..." Sie erschauert und schüttelt den Kopf beim Gedanken an so viel blinden Hass, der auf solche Weise seine Strafe gefunden haben könnte – eine Strafe, deren Auswirkungen aber leider nicht auf die Schuldigen beschränkt blieben! Nachdem man wieder zurück ist, kann sie ihren Zorn auf die Jünger des Einen aber doch nicht auf die drei unschuldigen Knaben übertragen, weswegen sie ihnen Trost zu spenden versucht. Auch die Gebetsketten und das Amulett, welche sie fand, zeigt sie ihnen, in der vagen Hoffnung, dass vielleicht einer der Gegenstände ihnen etwas Vertrautes bieten kann, das sie ablenkt.

Tristans Geschichte, die sie nicht zum ersten Mal hört, lauscht sie mit halbem Ohr, erleichtert, dass er ihr immerhin die Sorge um die Jungen abgenommen hat. Während sie Rogar missmutig nachschaut - müssen Männer eigentlich immer demonstrieren, wie hart sie sind und wie viel sie aushalten? - überlegt sie kurz, Tristan an die Gebetskette zu erinnern, die er trägt, sieht dann jedoch davon ab. Die Aura, die diesen Gegenstand umgibt, scheint ihr zu verderblich. Und die unschuldigen Kinder mögen vielleicht noch von dem unduldsamen, hartherzigen Glauben abgebracht werden, der hier gepredigt wurde.

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #556 am: 19.02.2018, 12:43:01 »
Aeryn hatte sich ebenfalls an eine Wand des Turmzimmers gelehnt hingesetzt, um sich auszuruhen. Gespannt lauschte sie der Geschichte, die Tristan vortrug, während sie selbst in Gedanken versunken darüber nachdachte, was denn hier wohl geschehen sein könnte.

Als Lîf dann meint, dass der Abt vielleicht sogar selbst dieses Unheil heraufbeschworen habe, nickt die Elbin. "Das ist durchaus denkbar. Wenn wir wieder bei Kräften sind, sollten wir uns nocheinmal genauer umsehen. Aber auch erst, nachdem wir die anderen hier ins Dorf gebracht haben. Auf jeden Fall aber sollten wir uns die Zeit nehmen, hier alles nochmal auf den Kopf zu stellen und nach Hinweisen zu suchen. Und dann sollten wir noch Prinz Uther aufsuchen und mit ihm sprechen."

"Und dann ist da ja auch noch die Sache mit den Überfällen auf die Karawanen. Vielleicht ist es ein Zufall, vielleicht hängt es aber auch mit den Vorfällen hier zusammen," mutmaßt die Waldläuferin.

"Auf jeden Fall sollten wir aber nach der Rast als erstes mit den anderen hier ins Dorf zurückgehen."

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #557 am: 20.02.2018, 12:25:55 »
Irgendwann erwacht Abdo wieder, erneut ist die rothaarige Lîf über ihn gebeugt, doch diesmal schreckt er nicht zurück - viel zu geschwächt ist er noch, und auch über seinem Verstand liegt ein schwerer Schleier, ähnlich dem Nebel, in den die Pilzgestalt eingehüllt war. Durch diesen hört er die Gespräche der anderen, ohne deren Sinn zu verstehen, und immer wieder fällt er zurück in einen halbschläfrigen Zustand, in dem sich Traum und Realität zu einem sinnentleerten Ganzen vermischen. Der Abt taucht dort auf, Bruder Jarus, aber auch Talahan, der sich über Abdos Wunden beugt und ihm verkündet, dass der Ya'keheter selbst bald eines dieser Wesen werden würde.

Irgendwann bricht die Gruppe auf, ohne dass Abdo das Ziel kennen würde oder es ihn auch nur interessieren würde. Noch immer dringt kaum eine Sinneswahrnehmung unbenebelt zu ihm durch, und er selbst reagiert nur mit apathischen Blicken auf die Bewegungen und Geräusche der anderen. Irgendwie, gestützt von irgendwem, setzt er einen wackligen Fuß vor den anderen und lässt sich wie ein Maultier von ihnen führen. Wohin es geht - irgendwann bergauf, doch auch das dringt nicht wirklich bis zu ihm durch.

Schließlich ist die Reise zu Ende und Abdo lässt sich wieder auf den Boden fallen. Ein wenig hat sich der Nebel gelichtet, doch noch immer ist er Gefangener in seinem eigenen Schädel, unfähig zu sinnvollem Austausch mit der Außenwelt. Tristans Vortrag nimmt Abdo als beruhigenden Singsang wahr, und zahlreiche Bilder erscheinen vor seinem inneren Auge - doch wiederum entgeht ihm jeglicher Sinn des erzählten.

Je weiter die Zeit fortschreitet, desto klarer wird jedoch auch Abdos Geist. Ähnliches hat er zuhause einmal erlebt, als die Ärzte ihm nach einer schweren Verwundung eine Droge zur Schmerzlinderung gegeben hatten. Ist es diesmal sein Körper gewesen, der ihn vor den schlimmsten Auswirkungen schützen wollte? Hat Lîf ähnliche Mittel in ihrem Repertoire? War es eine Auswirkung dieser Sporenwolke?
"Aschisch?" flüstert der Dunkelhäutige, seine ersten Worte, seit er erneut in Ohnmacht gefallen ist. Und: "Wasser!" kommt es ihm krächzend über die Lippen, als er merkt, wie trocken seine Kehle ist.
« Letzte Änderung: 20.02.2018, 12:26:41 von Abdo al'Mbabi »

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #558 am: 01.03.2018, 23:10:36 »
Natürlich hat Freydis die Geschichte von Askyr, dem Sturmboten schon oft gehört. Für avalonische Fischer und Seefahrer ist er einer der wichtigsten Ahnengeister und viele von ihnen bestehen nach wie vor darauf eine Haselrute zum Schutz vor Sturm an den Mast zu binden ehe das Schiff den Hafen verlässt.  Und natürlich hat sie als Berührte ihre ganz eigenen Gründe sich mit Askyr gut zu stellen.
Aber so gut wie Tristan die Geschichte erzählt hat sie sie noch nie gehört oder gelesen. Er mag ja ein Rûngarder Pirat sein, aber auf jedenfall ist er ein begabter Geschichtenerzähler der sie scheinbar mühelos in den Bann seiner Worte ziehen kann und man hat sie erzogen Lob zu geben wo es verdient ist. Also klatscht sie Tristan Beifall als er endet und neigt annerkennend den Kopf. "Gut erzählt Skalde!"

Da ihre Kopfschmerzen eh schon schlimm genug sind und sie die Novizen nicht noch weiter verängstigen will hält sie sich mit ihrer Magie zurück. Nur sauberes und frisches Wasser für die Versorgung der Verletzten und Kranken beschwört sie, da sie das nunmal nicht anders bekommen können.
« Letzte Änderung: 02.03.2018, 14:19:02 von Freydis »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #559 am: 07.03.2018, 21:56:25 »
Die Geschichten der Ahnen, so wird zumindest gern behauptet, erzählt man sich, weil sie Lehren enthalten, die heute noch wichtig sind. Sie erinnern an Taten, denen es nachzueifern gilt, oder an Ereignisse, welche die Welt geformt haben, so wie sie heute ist, weshalb man in den alten Geschichten Rat und Antwort findet auf nahezu alle Fragen, die der heutige Mensch sich so stellt.

Doch der heutige Mensch hat andere Dinge im Kopf. Zunächst ist er vor allem viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Der Alltag bedrängt ihn ständig mit neuen Sorgen oder Aufgaben, um die es sich zu kümmern gilt, die Lebenden fordern lärmend seine Aufmerksamkeit. Da reichen weder Zeit noch Geduld, der Alten weisen Rat zu lauschen, da bleibt kein Atem, keine Kraft, Gedanken zu verschwenden an die vergangenen Sorgen längst Verstorbener. Und, seien wir mal ehrlich: die meisten Menschen wollen auch nichts weiter in den Geschichten sehen als erbauliche Unterhaltung, abends beim prasselnden Herdfeuer, in den langen Winternächten. Niemand möchte den Spiegel vorgehalten bekommen oder von den Vorfahren geschulmeistert oder ermahnt werden, und erst recht nicht in seinen Ansichten oder Glauben herausgefordert. Daher fallen die meisten der gutgemeinten Lehren wie Saatkörner auf Wüstensand.

Genauso halten es auch die Gefährten, die im Novizenturm lagern. Keiner hat mehr als ein halbes Ohr für die Lebensgeschichte des Sturmboten übrig, und auch keinen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Die Heilerin sieht darin nur eine willkommene Ablenkung für die verängstigten Kinder, die Elbin lauscht zwar mit Spannung, vielleicht, weil Menschengeschichten ihr noch unbekannt sind und daher Neugier erwecken, am Zwergen wie am Ya'Keheter dagegen geht die Geschichte völlig an den Sinnen vobei. Die Berührte schließlich denkt an die Gebräuche albionischer Fischer und stellt darauf weitschweifige Überlegungen an, ob sie in ihrem ganzen Leben denn Askyrs Geschichte schon einmal so gut erzählt bekommen habe, wie Tristan sie ihnen hier darbieten, und kommt, nachdem sie diverse, nicht immer schöne Kindheitserinnerungen diesbezüglich konsultiert hat, zu dem Schluss, dass Nein. Ist das Absicht? Dass ausgerechnet Askyrs Erbin sich mit derlei irrelevanten Fragen ablenkt? Ist dies eine bewusste Abwehr? Man könnte es meinen. Jedes Mittel scheint ihr recht zu sein, um sich nicht mit dem Inhalt der Geschichte befassen zu müssen, wo für sie unangenehme Erkenntnisse und Einsichten lauern könnten, denen zu stellen sie sich weiterhin scheut. Kein Blick in den Spiegel für Freydis. Nicht heute. Morgen auch nicht. Am liebsten nie.

Anders als die Erwachsenen bestürmen die Novizen den Erzähler mit Fragen. Warum Askyr denn nur Frauen gerettet habe, warum nicht alle Menschen, will der Jüngste wissen; warum er überhaupt jemanden gerettet habe, wenn alle vorher zu ihm so grässlich waren und dazu noch so dumm, seine Warnungen zu missachten, der Mittlere; warum er denn gestorben sei interessiert den Ältesten.

"Auch Magie hat ihren Preis", erklärt Tristan. "Wie alles auf der Welt. Und auch hier gibt es nur drei Zahlmittel: Geld, damit erwirbt man die einfachsten Dinge; Schweiß oder Geduld, damit erkauft man sich alle wichtigeren; die teuersten aber bezahlt man mit Blut."

Die restlichen Stunden des Tages verstreichen, ohne dass jemand das Turmzimmer verlässt. Ist dies entschuldbar nach einem anstrengenden Kampf auf Leben und Tod? Dass man nur noch dahockt, Stunde um Stunde, und von nichts etwas wissen will? Die Gelehrte nichts von den Magiebüchern der nahen Bibliothek, die der falsche Bruder Edgar am Vortag erwähnte? Die beiden Heiler nicht für Abhandlungen über Gifte, die dort gewiss zu finden wären? Nun ist es so, dass die drudkvinde nicht viel übrig hat für das geschriebene Wort, es gar verachtet und dabei wohl nicht einmal ahnt, dass Bücher einen gerade so viel wie ein Lehrmeister lehren können. Aber der Zwerg, der das geschriebene Wort verehrt, warum zieht es ihn nicht dorthin? Ist sein Kampfgeist derart gedrückt durch die eingebildete Niederlage, bloß weil er, der so heldenmutig gekämpft hat, so lange durchhielt, zum Schluss doch unter dem Beschuss des Feindes zu Boden ging? (Andererseits, hatte man diese Feste des Feindes nicht zu dem Zweck erobert, Erkenntnisse zu gewinnen? Hätte man nicht nach solchen suchen müssen, trotz der Erschöpfung, nun, da es so aussah, dass man die Stellung nur für kurze Zeit würde halten können?)

Als dann die Schatten länger werden, rafft Rogar sich wohl einmal auf und schlurft in den Pilgerturm hinüber, um dort noch einmal alles nach seinen verschwundenen Aufzeichnungen abzusuchen. Verflucht, wo können sie nur hingeraten sein—verloren? Ach, wie ärgerlich! Wieder und wieder sucht er dieselbe Stellen ab und weiß, dass es nutzlos ist, und doch kann er nicht ablassen. Wie schwer fällt es ihm, als es dann endlich an der Zeit ist, das Kloster ohne seine wertvollen Aufzeichnungen verlassen zu müssen!

Während der Zwerg fort ist[1], nutzt Lîf ein kurzes Einnicken ihres Gatten, um sich noch einmal in den Klosterkeller zu schleichen. So recht eigentlich weiß sie nicht, was sie dort allein bewirken kann, aber etwas muss noch getan werden! Vielleicht kann man ja doch irgendwie einen Damm... woraus? und wie soll sie das allein?... errichten? Das Herz klopft ihr bis zum Hals, als sie die Treppe hinabsteigt, ganz vorsichtig, Stufe für Stufe, immer lauschend, den leuchtenden Kamm halb in der Hand verborgen, damit ihr Schein sie nicht allzu weit ins Voraus verrät... Vielleicht wünscht sie sich, als sie sich weiter in die Gänge vorwagt, dann doch irgendwann, sie hätte sich den Gatten oder wenigstens Freydis zur Unterstützung mitgenommen. Oder den anderen wenigstens mitgeteilt, wohin sie sich auf den Weg macht? Aber ach, jetzt ist sie schon so weit gekommen, jetzt kann sie auch noch ein bisschen weiter schauen, nicht wahr?

Mit diesen Gedanken beschäftigt, fällt ihr zunächst nicht auf, dass der Wasserlärm dieses Mal viel früher laut wird, und so hält, als sie die letzte Windung des Ganges vor dem Kerker umrundet, verdutzt inne, als sie plötzlich am Bachufer steht! Die Tür zum Kerker ist nicht mehr, statt dessen bricht dort jetzt das Wasser heraus und braust ihr entgegen, nur um sich kurz vor ihren Füße gen Westen zu wenden, einen Gang hinunter, den die Gruppe gar nicht untersucht hat (und der kaum breit genug für einen Menschen war), aber der wohl auch zur Felswand führt und entweder schon immer oder aber jetzt in einem Durchbruch endet. "Und ums Aufputzen, liebster Rogar, darum kümmern sich meine Schwestern und ich" klingen ihr Ninaes Worte in den Ohren, "und auch die Nachtschwester und der Nachtbruder sollen helfen!" Zusammen hatten die fünf offenbar den ganzen Bach umgeleitet!

Eine ganze Weile lang kann Lîf sich nicht von dem Anblick (und dem Gedanken, was für Kräfte hier am Werk waren!) losreißen, dann eilt sie doch zu den anderen zurück—erleichtert und ergriffen. In Worte fassen kann sie es nicht sofort, was sie da gerade gesehen hat!

Die Stimmung auf dem Rückweg ist gedrückt. Obwohl man doch einen Sieg errungen hat! Aber eben keinen vollständigen. Und die Ursache des ganzen schrecklichen Spuks, die hat man auch nicht aufgedeckt. Schweigsam macht sich die kleine Gruppe an den Abstieg. Feinde begegnen ihnen unterwegs keine mehr, wohl aber liegen an einer Stelle auf etwa halber Strecke drei dieser Mönche zerstückelt am Boden, die offenbar von Talahan, Hjálmarr und Halfdan niedergestreckt wurden. Am Fuß der Felswand angelangt, atmen alle ein wenig auf und es geht etwas zügiger weiter. Die Stimmung hebt sich, es wird wieder gesprochen, einsilbig und kurzatmig, aber immerhin. Nur Tristan bleibt weiterhin stumm. Seine Frau, so fällt dieser auf, hat er schon eine ganze Weile nicht einmal mehr angeschaut. Tatsächlich errötet er, sobald ihr prüfender Blick für längere Zeit auf ihm ruht und ihm dies gewahr wird.

Dann endlich ist Ansdag erreicht. Die Straßen liegen so verlassen da wie am Vorabend, als sie in umgekehrter Richtung loszogen. Da man zwei Infiszierte bei sich hat, führt der Weg die Gefährten an ihrer Herberge vorbei weiter in Richtung Solveigs Hütte. Schon von weitem sehen sie, dass sich um die Hütte der Heilerin einiges in ihrer Abwesenheit getan hat. Zwei Zelte sind dort aufgestellt, etliche Leute eilen hierhin und dorthin oder stehen in Grüppchen beisammen, oft mit beiden Händen gestikulierend. Die gestikulierenden (und offenbar debattierenden) Personen scheinen allesamt Weiber zu sein in hellen, einfachen Roben. Einige Bewaffnete sind offenbar der Begleitschutz. Einer von diesen steht abseits, den Rücken zu all den anderen gekehrt, nahe der Straße. Als die Gefährten sich nähern, blickt er auf. Es ist ein kalter, abschätzender Blick, der sie hier empfängt.

Lîfs erster Gedanke ist, dass der Mann blind sein müsse, so trüb sind seine Augen. Doch es ist offensichtlich, dass er sie sieht, deshalb gelangt sie zu dem Schluss, dass er einfach wasserfarbene Augen hat. Seine Ohren sind spitz, doch nicht ganz so länglich wie die eines Elben, und sein Haar, welches er zu einem einzelnen Zopf auf dem Rücken geflochten trägt, so blond, dass man es nur golden nennen kann. Seine Gesichtsfarbe ist so gesund wie die einer Wasserleiche. Auf dem Rücken trägt er einen riesigen Bihänder, in der Hand hält er ein gekrümmtes Messer, mit dem er soeben noch an einer Pfeilspitze geschnitzt hat. Seine Lederrüstung ist an Brust und Schultern mit Metall verstärkt.

 1. Drei Absätze nachgetragen, 22.3.17
« Letzte Änderung: 27.07.2019, 15:25:03 von Gaja »

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #560 am: 08.03.2018, 15:44:30 »
Erst als die Nachmittagssonne schon tief über dem Horizont steht, wacht Abdo nach einem ständigen Wechsel aus unruhigem Schlaf und dämmrigen Wachphasen schließlich soweit auf. dass er wieder alle seine Sinne beisammen zu haben scheint. Zahlreiche Erinnerungen schwirren in seinem Kopf umher, und der Ya'Keheter zweifelt, welche davon wahr und welche nur Traumbilder sind. Doch langsam nimmt er seine Kräfte zusammen, setzt sich auf und begutachtet die Lage. Irgendwie müssen sie in den Turm gelangt sein, und zu seiner Erleichterung sieht er die jungen Mönche - Novizen hatten die anderen sie wohl genannt - die sie hier oben zurückgelassen hatten. Zumindest ihnen war also nichts geschehen.

Langsam kehren die Erinnerungen an den Kampf zurück; er war sogar wach gewesen nach dem Kampf, umhergelaufen. Dunkel erinnert er sich daran, dass tatsächlich alle überlebt haben. Doch dann muss irgendetwas ihm erneut das Bewusstsein geraubt haben - und sein immer noch röchelnder Atem sowie die Schmerzen, die er dabei verspürt, sagen ihm, was es war: Welches Hexenwerk mochte diese Kreatur gewesen sein? Mit verdorbenen Gasen und Pilzgewächsen kämpfend - gesehen hat er so etwas noch nie. Doch das alles kommt ihm immer noch wie das Werk von Dämonen vor; und sollte dies so sein, dann ist der Sieg, den sie hier davongetragen haben, nur ein kleiner Tropfen auf einem vermutlich sehr heißen Stein.

Eigentlich sieht Abdo das Werk der Gruppe in diesem Kloster noch nicht als vollendet an. Da ist auf der einen Seite das Gefühl, dass Dämonen hier ihr Unwesen im Hintergrund getrieben haben; auf der anderen Seite aber ist längst nicht klar, ob hier und in der Umgebung nicht noch weitere der verunstalteten Wesen ihr Unwesen treiben, gegen die sie überall kämpfen mussten. Was würde geschehen, wenn unschuldige Pilger hier um Zuflucht bitten wollten?
Schließlich lässt der Ya'Keheter sich jedoch überzeugen, dass sie nicht in der Verfassung sind, noch weitere Kämpfe zu bestreiten. Außerdem sind die Jünglinge in ihrem Schlepptau, und die beiden Kranken ebenso, die womöglich bei Solveig noch eine Chance auf Heilung finden könnten. Also belässt er es dabei, an jedem Weg, der zum Kloster führt, ein auffälliges Zeichen für die drohende Gefahr aufzustellen,[1] um hoffentlich unschuldige Reisende vom Kloster fernzuhalten.

Als sie sich Ansdag nähern, steigt Abdos Nervosität. Als erstes will man zu Solveigs Hütte reisen; einerseits wegen der beiden Kranken - der Ya'Keheter jedoch hofft vor allem, Talahan wiederzusehen. Und betet innerlich zu Aris, er möge Solveig die Weisheit gegeben haben, damit sie ein Heilmittel findet. Doch auf das, was sie dort bei der Hütte vorfinden, ist wohl keiner von ihnen vorbereitet. Ein heller Aufruhr herrscht dort, zahlreiche Leute eilen hierhin und dorthin, sogar Zelte hat jemand aufgestellt. Und schnell ist auch zu erkennen, dass es sich zumindest nicht bei allen um Einwohner des Dorfes handelt, als der merkwürdig aussehende Fremde sie anblickt. Nun, merkwürdig für Abdo, verbessert er sich - für die Einwohner Dalarans, die alle bleiche Haut hatten, mochte der Mann völlig normal wirken. Gefährlich wirkte er jedoch allemal, mit seinem mächtigen Schwert auf dem Rücken und dem Messer in der Hand, und Abdo ist sich sicher, dass sie es früher oder später mit dem Mann zu tun bekommen würden. Doch für den Moment zieht es ihn zu Solveig, und so geht er zielstrebig auf die Hütte zu, den Mann nur mit einem angedeuteten Nicken zur Kenntnis nehmend. Nun würde sich zeigen, ob dieser es auf Konfrontation anlegt oder er sie ungestört passieren lässt.
 1. Ich denke, es werden sich genügend Bretter finden, um ein paar Schilder zu basteln, auf die man irgendwelche in diesen Gefilden typischen Zeichen für Gefahr malen kann, sei es ein Totenkopf oder was sonst hier üblich ist.

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #561 am: 09.03.2018, 15:02:35 »
Die teuersten Dinge bezahlt man mit Blut, auch in der Magie... Tristans Worte geistern durch den Halbschlaf der völlig erschöpften Lîf. Blut ist an diesem Ort wahrhaftig mehr als genug geflossen! Der Gedanke lässt sie nicht ganz zur Ruhe kommen, so dass sie sich immer noch wie gerädert fühlt, als man schließlich zum Aufbruch rüstet. Mechanisch hat sie nach den Kranken gesehen, Abdo Wasser gebracht, ihre Pflichten erfüllt, immer wieder unterbrochen von kurzen Etappen eines wenig erholsamen Schlummers. Und obwohl sie auch kein gutes Gefühl bei dem Gedanken hat, dass hier noch nicht alle Arbeit getan ist – man wird wohl nochmals zurückkehren müssen – atmet sie doch erleichtert auf, als man die düsteren, Lifs Lebensmut erstickenden Mauern des Klosters endlich wieder hinter sich lässt und sie durch die freie, die lebendige Natur laufen[1].

Wie viel würziger und besser ist die Luft hier, zumal, wenn einem keine eiserne Klammer mehr um die Brust sitzt, welche einem Herzschlag und Luft allmählich abzupressen droht! So ist sie auch trotz aller Strapazen, trotzdem sie nicht mehr in der Lage waren, das Böse an jenem Ort endgültig auszumerzen und die Hintergründe zu klären, wieder spürbar besserer Laune, als die ersten Gespräche begonnen werden. Tristans Schweigsamkeit lässt es ihr ein wenig wehe ums Herz werden. Sie ahnt, was ihn bedrücken mag, und in der versöhnlichen Stimmung, in der sie sich befindet, schließt sie irgendwann zu ihm auf, fasst wortlos seine Hand und drückt sie sanft. Wenn er ihr daraufhin in die Augen blickt, wird er einen kleinen Schimmer von Traurigkeit entdecken, den jedoch das weiche Lächeln um ihre Lippen beträchtlich mildert. Noch einmal wird sie seine Hand drücken, ohne etwas zu sagen, ehe sie wieder ihren Platz in der Marschordnung einnimmt: bei den Kranken.

Nachdem die kleine Gruppe den Ort erreicht hat, schreitet sie zügig aus, zieht es sie doch alle zu Solveigs Behausung. Wie erstaunt blickt die junge drudkvinde aber, als die vielen Weiber und die Bewaffneten in Sicht kommen! Erst recht verwundert mustert sie den Fremden, der so eigenartig aussieht und schwer bewaffnet scheint. Doch Angst scheint sie nicht zu haben. Sei es ihr Stolz, den alle schon in eher ungünstigen Situationen zu spüren bekamen, sei es ihr Vertrauen darauf, dass ihr, einer unbewaffneten Heilerin unter dem Schutz der Großen Göttin, niemand etwas tun wird: Jedenfalls schreitet sie aufrecht weiter voran und erwidert den kalten Blick des Unbekannten furchtlos. "Lasst uns eilen. Wer weiß, wie lange sie noch Zeit haben" sagt sie zu ihren Kameraden, einen sorgenvollen Blick auf die Kranken in ihrer Mitte werfend. Da auch Abdo als ihr momentaner Anführer ohne zu zögern vorangeht, schickt sie sich an, ihm zu folgen.
 1. Lîf würde Abdos Bemühungen mit den Warnschildern unterstützen, falls sich im Gebrauch der Weisen Frauen auch Symbole oder Zeichen für ansteckende Krankheit, Gefahr o. ä. finden, und diese ergänzen.

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #562 am: 15.03.2018, 11:45:31 »
"oh...", Freydis war gerade dabei vor dem Abmarsch aus dem Kloster ihre Sachen zu packen als sie die lederne Mappe mit den Aufzeichnungen wieder findet, die sie am Vorabend in ihrem Rucksack verstaut und
in all der Aufregung völlig vergessen hat.
Für einen kurzen Moment quält ihr Gewissen die Berührte. Sie sollte dem Dainseine Aufzeichnungen wirklich wiedergeben, zu offensichtlich ist Rogars Betroffenheit über seinen Verlust. Aber die Gelegenheit aufgeben die Aufzeichnungen gegen einen Teil von Rogars offenbar beträchtlichen Wissens einzutauschen? Aber den Dain zu erpressen scheint ihr mit jedem Moment weniger richtig. Vielleicht wird seine Dankbarkeit und Freude darüber seine kostbaren Aufzeichnungen zurück zu haben ihr mehr einbringen als es der Versuch der Erpressung je könnte? Und irgentwie verdient Rogar, der sich in der kurzen Zeit seit sie ihn und die anderen im Pilgerturm befreit haben so um die Gefährten verdient gemacht hat besseres.
Also tritt Freydis, die lederne Mappe in Händen zum Dain. Sie hat aber nicht vor, ihn wissen zu lassen, dass sie Erpressung je in Betracht zog. "Verzeiht Meister Rogar, aber ich hatte dies bevor wir euch trafen zur sicheren Verwahrung an mich genommen und in all dem Trubel ganz vergessen. Könnten dies vielleicht eure vermissten Notizen sein?" spricht sie ihn an und zumindest in ihren Ohren klingt sie tatsächlich zerknirscht und ehrlich.[1]

Auch wenn sie sehr gerne noch einige Zeit in der Bibliothek des Klosters verbracht hätte, solange sie nicht wissen wieviele Hungerbestien und Pilzmönche sich hier noch herumtreiben ist es zu gefährlich sich alleine in der Anlage herumzutreiben. Ausserdem brauchen die Verletzten und insbesondere die beiden infizierten dringend bessere medizinische Versorgung als sie hier bekommen können. Alles in allem ist die Berührte froh diesen Ort des Schreckens für den Moment hinter sich zu lassen, auch wenn sie sich vornimmt eines Tages zu diesem Hort des Wissens zurückzukehren wenn die Ahnen es den erlauben.

Im Dorf angekommen hält sie sich zurück. Nach wie vor scheint es ihr wenig ratsam in dieser vom Eingott-Glauben und dem Fanatismus des verstorbenen Abtes verseuchten Gegend möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das ungewöhnliche Aussehen des Fremden weckt aber doch ihre Neugier.[2]
 1. Bluff: 17 falls Rogar versuchen will den Bluff zu durchschauen.
 2. EDIT Gaja: Hat Freydis eine Idee was es mit dem seltsamen Fremden auf sich haben könnte, Wissenswurf: knowledge (history oder local) = 9; knowledge (nobility) = 10
« Letzte Änderung: 21.03.2018, 18:34:28 von Gaja »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #563 am: 15.03.2018, 12:27:20 »
Im Gegensatz zu den meisten anderen ist Aeryn froh, dass sie das Kloster ersteinmal hinter sich lassen. Natürlich gab es hier noch viel zu tun, und vielleicht würden sie manche Spuren später nicht mehr finden, aber nichts davon rechtfertigte ihre Leben leichtfertig wegzuwerfen. Und in ihrem derzeitigen Zustand wäre das genau das, was geschehen würde, wenn es zu einer weiteren Konfrontation kam.

Nach der Pause zumindest etwas gestärkt geht es dann auch auf den Rückweg nach Ansdag und zu Solveig, in der Hoffnung, dass die Heilerin mit Lîfs Hilfe etwas für die Erkrankten tun kann, die sie noch im Kloster gefunden hatten.

Da sie selbst hier aber wenig beisteuern konnte, ging Aeryn stattdessen zielstrebig auf den Halbelben zu, der womöglich der Anführer des kleinen Trupps sein mochte, der sich hier niedergelassen hatte.

Mit einem höflichen, elbischen Gruß stellt sich die Waldläuferin vor, wechselt dann aber in die Sprache der Menschen und fragt auch gleich, mit wem sie es denn hier zu tun habe.

"Seid gegrüßt, Fremder. Darf ich fragen, wer Ihr seid, und was Euch in diesen dunklen Tagen an diesen Ort treibt?"

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #564 am: 15.03.2018, 19:53:43 »
Die Ansprache auf Elbisch entlockt dem blasshäutigen Mann keine Reaktion, die sulischen Worte immerhin, dass er den Blick seiner wässrigen Augen auf die Elbin richtet und dort so lange prüfend verweilen lässt, bis sie schon kaum noch mit einer Antwort rechnet. Dann aber spricht er. Seine Stimme ist kühl, sein Ton leichthin.

"Fremder nennt Ihr mich? Die Fremden seid ihr." Er nickt in Abdos Richtung, dann Rogars, dann wendet er sich wieder der Elbin zu—um nur die drei zu bedeuten, die ganz offensichtlich fremd in der Gegend sind. "Ich bin hier aufgewachsen. Wer ich bin wollt' Ihr gleich wissen! Reicht nicht auch der Name, den mir die gute Frau, die mich aufnahm, gab? Jan ruft man mich. Und wenn ihr Solveig sucht, dann findet ihr sie in dem großen Zelt."
« Letzte Änderung: 15.03.2018, 21:37:03 von Gaja »

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #565 am: 15.03.2018, 20:09:08 »
Aeryn nickt dem Mann zu und lächelt leicht.

"Nun, mir zumindest seid Ihr ebenso fremd, wie ich Euch."

Die Elbin deutet mit dem Kopf in Richtung der Hütte und sagt dann: "Die anderen sind bereits auf dem Weg zur Heilerin. Wir haben zwei Erkrankte aus dem Kloster dabei und einige Knaben, alle die noch zu retten waren."

"Wie sieht es hier aus? Hat die Verschmutzung des Wassers bereits abgenommen? Es sollte sich jetzt Schritt für Schritt aufhellen, die Quelle der Unreinheit ist für den Moment versiegt. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass es die Quelle war."
« Letzte Änderung: 15.03.2018, 20:10:35 von Aeryn »

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #566 am: 16.03.2018, 13:02:31 »
Da der Fremde keine Anstalten macht, Abdo aufzuhalten, entspannt der Ya'Keheter sich etwas. Knapp hinter ihm hört er den Wortwechsel zwischen Aeryn und dem Mann, was ihn dazu veranlasst, sich doch umzudrehen und den Mann genauer anzusehen. "Jan?" Der Name weckte eine schwache Erinnerung in ihm. "Jan wäre gegangen, aber er war nicht hier." "Du bist Jan? Solveig hat dich erwähnt, als wir gestern[1] hier waren. Wir waren im Kloster ... zu lang, um es jetzt zu erzählen. Wir haben zwei Kranke bei uns, die dringend eine Heilerin brauchen."
Er zögerte einen Moment, dann stellte er die Frage, die ihm vor allem anderen auf der Seele brannte: "Ist ein Mann hier angekommen? Talahan?"

Abdo wartete die Antwort ab, um sich dann dem großen Zelt zuzuwenden, das Jan erwähnt hatte.
 1. EDIT Gaja: ihr seid gestern am späten Nachmittag in Ansdag angekommen (nicht vor ein paar Tagen) und dann nach dem Treffen mit Solveig (und dem Verbrennen der Leichen) noch zum Kloster hoch. Dort musstest ihr eine Nacht verbringen und seid am späten Nachmittag, dann habt ihr den Abt bekämpft, dann seid ihr nach eurer "Mittagsrast" wieder Richtung Ansdag aufgebrochen; für die Strecke braucht man etwa eine Stunde.
« Letzte Änderung: 22.03.2018, 23:23:56 von Gaja »

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #567 am: 19.03.2018, 20:17:40 »
Da sie aufgrund des kurzen Wortwechsels zwischen ihren Gefährten und dem Blassen erfährt, wo Solveig zu finden ist, wendet sich die junge drudkvinde natürlich dem genannten Zelt zu. Der Mann selbst scheint zwar sehr interessant, zumal, als er seinen Namen nennt, und Lîfs Auge gleitet mit einem Aufblitzen von Neugier über ihn. Da sie als Heilerin aber heilige Pflichten gegenüber Siechen und Verwundeten hat, nickt sie ihm nur grüßend zu, sagt ein leises "Den Segen der Göttin" und schickt sich an, Solveig aufzusuchen. Einstweilen hat sie es eilig, diese zu sprechen.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #568 am: 23.03.2018, 19:42:03 »
Weder die Kranken noch die Knaben würdigt Jan eines Blickes und für Aeryns Frage hat er nur ein Achselzucken übrig. "Da ich in den letzten drei Tagen unterwegs war und erst seit wenigen Stunden zurück bin, und Solveig zudem noch keine Zeit gefunden hat, mich auf den neuesten Stand zu bringen, wisst ihr über diese Dinge mehr als ich", sagt er in einem unnötig defensivem Tonfall.

Der Rückweg hat sie über weite Strecken am Bachufer entlang geführt und keinem der Gefährten war ein schwarzer Schleimteppich auf dem Wasser aufgefallen. Aber womöglich hat dieser sie bereits während ihres Abstieges überholt oder er ist noch unterwegs?[1]

Aeryn bekommt das Gefühl, dass trotz seines Widerspruches vorhin, er könne kein Fremder sein, schließlich sei er hier geboren, Jan hier doch ebenso fremd ist wie sie selbst.

Von hinten angesprochen, wendet Jan sich betont langsam herum. (Abdo hat den Eindruck, die verzögerten Reaktionen des Mannes haben nichts mit mangelnden Reflexen oder Auffassungsvermögen zu tun, sondern sind gewollt, um... zu provozieren? Sich abzugrenzen? Den anderen auf Armlänge fern halten?)

"Talahan? Ja, der ist hier angekommen. Ihr findet ihn ebenfalls im großen Zelt—schlafend. Genau wie das Großmaul. Wo der dritte herumläuft, weiß ich nicht. Vielleicht auch dort. Oder er ist in den Ort rein. Er meinte was vonwegen, man müsse ein paar waffenfähige Männer dort zusammentrommeln und gleich morgen früh zum Kloster hoch und euch raushauen." Jan lacht. Es klingt gehässig. "Fast tut's mir leid, dass ihr jetzt doch noch heil zurück gekommen seid. Das hätte ich gern mitangesehen, wie er sich damit abmüht. In Ansdag!"

Bei der Nennung von Jans Namen erinnert sich Lîf an einiges mehr als Abdo[2]. Nicht nur in der Sturmnacht war er abwesend, sondern auch, als Solveig nächtens von der infiszierten Dana angefallen wurde, war er nicht bei ihr. "Weil ich ihn zum Kloster Hildridsrast geschickt habe!" hat die Heilerin protestiert, empört darüber, dass der graue Barnas ihn einen Nichtsnutz nannte. (Dazu drängt sich Lîf der Anblick von Solveigs Bettkammer auf, zu welcher Tristan sich so taktlos Zutritt verschaffte: das zerwühlte Bett, die auf dem Boden verteilte Männerkleidung...) Und da sie weiß, dass mindestens fünf Feen in unmittelbarer Nachbarschaft zu diesem dem Einen geweihten Ort leben, zweifelt sie auch nicht daran, dass er—wie Solveig selbst!—Feenblut in den Adern haben müsse. Zu gerne würde sie ihre Runenstäbe zücken und diese befragen, welche Art oder Arten da im Spiel sind. Jedenfalls doch wohl, wenn man dem Aussehen allein nach urteilt—Nachtfeen? Denn wie sagte Esja? Lîf erinnert sich zurück an jenen Tag vor anderthalb Jahren, auf ihrem ersten Thing, als ihre Lehrmeisterin ihr in so vielen Dingen die Augen geöffnet hat.

"In Taglingen", hat Esja ihr damals erklärt, "wirkt das Feenerbe so wie die Tagfeen selbst: versteckt, unauffällig, indirekt. Nachtlingen dagegen fällt es schwerer, ihre Erbschaft zu verleugnen, die nun einmal mehr als die unsrige darauf drängt, hervorzubrechen. Nachtlinge entwickeln ihre Talente oft intuitiv, ohne dass ein Lehrmeister sie ihnen beibringen muss, oft sogar ohne bewusste Anstrengung ihrerseits. Oft sind sie auch äußerlich auffällig, besitzen 'Wolfsaugen' oder einen ungewöhnlichen Hautton, grünliches Haar oder spitze Ohren, lange Finger mit je vier Gliedern oder dergleichen. Deshalb werden viele von ihnen, wenn nicht gar die meisten, von ihren Vätern nicht anerkannt, das heißt je nach Sitte, dass man sie aussetzt, erstickt oder ertränkt. Das ist einer der Gründe, warum es so viel mehr Taglinge als Nachtlinge gibt."

Von daher darf man nur erstaunt sein, dass ausgerechnet in dieser frommen Gegend, in der sich alle so ganz und gar vom alten Glauben abgewandt und dem Einen verschrieben haben, zwei Nachtling-Kinder Aufnahme fanden!

Freydis hingegen ist frustriert, wie wenig sie über die Welt weiß. Wahrlich schlecht ist sie auf das alles vorbereitet, was sie hier erlebt, was ihr hier begegnet! Sicher gehen ihre Vermutungen auch in Richtung 'Feenwesen?', aber über diese weiß sie einfach gar nichts. Das sind diese geheimniskrämerischen Druiden schuld, die in ihrer Heimat das politische Geschehen bestimmen und ihr Wissen so eifersüchtig bewachen und geheim halten. So ist es beispielsweise auf ganz Albion verboten—bei Todesstrafe!—jegliches Wissen über Feenwesen oder Feenorte schriftlich festzuhalten. Das wird auf dem Festland sicherlich ähnlich sein—überall dort, wo Gajas Diener noch die Oberhand haben. Die Mönche des Einen dagegen scheren sich wohl um so etwas einen feuchten Kericht. In ihrer Bibliothek mag man wohl so manches Werk über Feen finden. Doch wie akkurat mag das Wissen dort sein, wo sie doch nicht in die druidischen Geheimnisse eingeweiht sind, und wie sehr werden die frommen Schreiber das Wesen der Naturkinder absichtlich entstellt haben, sie in missionarischer Absicht schändlichst diffamieren?

So nähert man sich dem großen Zelt, jeder in Gedanken vertieft.
 1. Hier gehe ich davon aus, dass Lîf den anderen noch nichts von ihrem kleinen Alleingang in den Keller erzählt hat.
 2. @ Lîf: die Ergänzung im Beitrag eins drüber hast du gesehen? (Durch Fußnote gekennzeichnet.)
« Letzte Änderung: 27.07.2019, 15:41:18 von Gaja »

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #569 am: 31.03.2018, 21:28:14 »
Ein gutes Dutzend Patienten finden die Gefährten in dem großen Zelt vor, zu beiden Seiten entlang der Plane auf Strohsäcken gebettet. Ein fliegender Blick bestätigt Rogar, dass es sich ausnahmslos um "Fieberpatienten" handelt, in unterschiedlichen Stadien. Die schwersten Fälle—darunter erkennt Lîf auch den Jungen, den man am Abend des Vortages im Ort fand und zur Hütte der Heilerin brachte—sehen so aus, wie der graue Barnas aussah (der hier durch seine Abwesenheit auffällt): verdorrte Leiber, Haut, die sich ledrig über Knochen spannt, schwarzblau hervorstehende Adern. Weniger fortgeschrittene Fälle erkennt man am aufgedunsenen Leib, die leichtesten an der stark geröteten rissigen und von Eiterblasen übersähten Haut, den nässenden Wunden. Alle von ihnen ohne Ausnahme aber scheinen fest zu schlafen.

Talahan liegt bei den leichten Fällen, Hjállmar neben ihm. Auch sie schlafen.

Nicht weniger als sechs Heilerinnen schwirren umher, oder vielmehr drei von ihnen schwirren—es handelt sich dabei um junge Dinger, die fiebrige Stirnen mit Lappen kühlen oder eitrige Wunden auswaschen und die offensichtlich noch in der Ausbildung sind—drei ältere Frauen dagegen stehen in ein Gespräch vertieft mit Solveig und Halfdan. Alle sechs Ordensschwester tragen identische Roben aus ungefärbten Stoff, mit einem dünnen Strick gegürtet, sodass sich ihre Kleidung lediglich durch Gebetsketten unterscheidet, welche sie um den Hals tragen. Hier sind die der drei älteren Frauen deutlich besser gearbeitet als die der Mädchen, ist das anhängende Reifkreuz kunstvoller geschnitzt, aus edlerem Holz. (Außerdem könnte auffallen, demjenigen, der sich mit der Symbolik auskennt (oder der am Morgen Tristans Vortrag aufmerksam lauschte, als Rogar diesen danach befragte), dass es sich um das gebrochen Reifkreuz handelt, welches für den Kampf gegen das Böse steht und welches auch auf den Wappenröcken der Behadrim prangt.

Solveig und die drei älteren Ordenschwestern umstehen Halfdan, welcher offenbar gerade von seinen Erlebnissen berichtet, und lauschen aufmerksam seinen Worten.

"Ich kannte den Novizenmeister vom Sehen, ich bin mir sicher, dass er es war. Oder eben etwas, dass bloß so aussah wie er", sagte Rogars ehemaliger Kampfgefährte aus dem Pilgerturm gerade, als die Gefährten in Hörweite treten.
« Letzte Änderung: 31.03.2018, 21:45:57 von Gaja »

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