Ansdag liegt noch nicht weit zurück, da teilen die Gefährten sich in zwei Grüppchen: Tristan und die Frauen beraten das weitere Vorgehen, insbesondere wie man mit dem Fürstensohn umzugehen habe und was man ihn fragen wolle, während die restlichen drei Männer über Dämonen, Abdos Heimat und Kjartans Verlorenheit in der Welt reden. Auch wenn der ein oder andere Kommentar zwischen den beiden Gesprächsrunden hin und her fliegen mag, sei es dem Erzähler gestattet, der Übersichtlichkeit halber, sie getrennt und konsekutiv abzuhandeln.
Während Abdo seine lange Rede hält, die vom Untergang seines Landes erzählt, marschiert man noch als Gruppe gemeinsam des Wegs und jeder lauscht gebannt. Obwohl der Ya'Keheter es bereits erwähnte, als man auf Ansdag zuritt, vernimmt Tristan doch abermals mit Erstaunen, dass die Dämonen offenbar erst vor wenigen Jahrzehnten in Abdos Heimat eingefallen sind, diese dafür innerhalb kürzester Zeit verwüsteten. Das lässt ihn grübeln. Warum so viel später? Was lief dort anders? An mangelnder Kampfeskraft kann es nicht gelegen haben, wenn man von Abdo auf seine Landesgenossen schließen darf.
"Bei uns tauchten sie so vor drei-, vierhundert Jahren auf", wirft er an dieser Stelle ein.
"Und kurz darauf scharte Javrud, den man später zum Propheten ernannte, Männer um sich und wohl auch einige Frauen und führte sie in den Kampf gegen sie. Die Bestien sind niemals weit aus den Bergen herausgekommen."Dem weiteren Gespräch der drei Männer folgt er dann aber nicht, da die Gegenwart ihn mehr beschäftigt als die Vergangenheit, und da wartet Aeryns Frage auf Antwort.
Doch zunächst, bevor wir es vergessen, ein kurzer Blick über die Schulter unseres tüchtigen Apothekarius, der sich immer wieder nach den verdorbenen Pflanzen bückt und diese untersucht. Was fällt ihm dabei auf? Nun, auch wenn er nicht so recht weiß, wonach er Ausschau hält, so ist die Untersuchungsmethode doch immer dieselbe: erst kommt die Betrachtung, dann wird der Geruch geprüft, dann die Konsistenz, zum Schluss gegebenenfalls noch der Geschmack (na ja, im aktuellen Fall wohl lieber nicht). Als seien die Pflanzen mit einem schädlichen Gas traktiert worden, so schließt Rogar nach mehreren Blicken; ja, und wenn man sich vorsichtig mit einer Hand den Duft zuwedelt, dann meint man tatsächlich, ein Gas zu riechen—nein, moment, das bildet er sich ein, weil er einen Fäulnisgeruch
erwartet, tatsächlich riecht er aber nichts! Aber nun hat ja nicht jedes Gas einen Geruch, vielmehr gibt es diverse, sogar sehr schädliche Gase, die gänzlich geruchsfrei sind. Etwa zur selben Zeit, da ihm dieser Gedanke kommt, bemerkt Rogar auch, wie ihn ein leichter Schwindel erfasst—kommt's bloß von dem vielen Runterbeugen und tief einatmen oder zeigt sich hier ein Effekt des Gases? Ein Kienspan ist schnell entzündet und soll die Sache entscheiden. Mit langem Arm, das Gesicht abgewandt, hält der Zwerg das brennende Hölzchen über einen solchen verdorbenen Flora-Klumpen und tatsächlich kommt es zu einer Verpuffung. Die kurz auflschlagenden Flammen sind blassbläulich. Methan? Das würde man ja erwarten im Zusammenhang mit Fäulnis, nur eben nicht solo, sondern als Teil eines (stinkenden) Gemischs... Kurios.
Nun also zu den Gesprächen. Die Elbin hat eine Frage in die Runde gestellt: Was wolle man Uther (wenn möglich außer Hörweite von dessen Vater) denn nun genau fragen. Während Tristan nachdenkt, unterhalten die drei Frauen sich zwar über Uther—von Vertrauen ist die Rede: wie gewinnt man seins und darf man andererseits ihm vertrauen?—und von Respekt, der ihm zu zollen wäre. An dieser Stelle wird Tristan, der eigentlich sachlich antworten wollte, wenn die Weiber es schon nicht tun, dann doch zu einer Klarstellung provoziert.
"So viel Respekt, wie ein freier Mann einem anderen schuldet, steht ihm zu und soll er von mir haben. Was muss man für ein trauriger Mensch sein, dem das nicht genug ist? Nur unter Gleichen kann man stolz sein, darf man sich seiner Taten brüsten, den anderen zu einem Kräftemessen fordern. So albern es wäre, wenn ein freier Mann sich vor einem Knecht in die Brust würfe oder ihn gar herausforderte, so albern ist's, wie eure Fürsten und Herzöge sich aufführen. Respekt fordern sie, Gehorsam gar, von anderen freien Männern?"Wenn die Festländer den Widerspruch darin nicht sehen wollen, ist ihnen nicht zu helfen! denkt sich Tristan wohl dabei, erkennbar an seinem fassungslosen Kopfschütteln, mit dessen Hilfe er sich endlich losreißen kann. Er kommt zurück zur Sache.
"Uther soll uns genau berichten, wie sich sein Besuch im Kloster abgespielt hat, bis ins letzte Details. Jetzt, da er weiß—oder wir ihm berichten können—was dort oben los war, fällt ihm vielleicht doch noch etwas ein, was ihm damals harmlos erschien, jetzt aber in einem neuen Licht. Er soll uns das Bündel zeigen, dass ihm dort übergeben wurde. Und wenn das nichts klärt, dann soll er uns sagen, wer außer ihm noch einen guten Grund hatte, den Abt abgrundtief zu hassen[1] . Ach, und ob es hier in der Gegend Berührte gibt, wird er uns sicherlich auch sagen können.
Aber sag', Freydis, wenn du auch so eine Adelstochter bist, was weißt Du über die Fürstenfamilie? Erzählt man sich in deinen Kreisen nichts über sie?"Derweil war die kleine Erhebung, auf welcher der Fürstenhof thronte, erklommen. Man passiert (verlassene) Weiden und die ersten Nebengebäude. Das Hauptgebäude kommt in Sicht.