• Drucken

Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 128815 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Lîf

  • Beiträge: 755
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #30 am: 03.01.2017, 12:27:45 »
"Gut möglich – aber das arme Tier ist völlig verschreckt" meint Lîf auf Tristans Frage, und aus ihrer Stimme klingt eine Mischung aus Trauer und Mitleid einerseits, jedoch auch Zorn über das, was immer hier geschehen sein mag. Erst der Ruf des Mönchs lässt die junge Druidin innehalten und genauer zu ihm hinüber schauen. Sie löst sich von dem Pferd, dem sie noch einmal beruhigend die Flanke tätschelt, dann eilt sie los, ohne zu zögern. Auch wenn sie als Gaya-Anhängerin sicherlich einiges gegen seine Wortwahl zu sagen hätte, in einem ruhigeren Moment, so ist sie als Priesterin der Großen Mutter dem Leben und der Heilkunst verpflichtet. "Ich werde mir das ansehen, bleibe du hier" ruft sie ihrem Gemahl noch rasch zu – denn so selbstverständlich, wie sie sich ihm anvertrauen würde, käme es zu einem Kampf, so selbstverständlich übernimmt sie auch die Entscheidung hier. Und sie will ganz sicherlich nicht, dass er mit einer möglichen Seuche in nähere Berührung kommt. Dies ist ihre Aufgabe, und ihr wird die Göttin auch beistehen.

Bei Abdo angelangt, schürzt sie ihr Kleid und kniet sich neben ihm auf den Boden. Sie musterte die reglose Gestalt, die der Mönch hält, befühlt die Halsschlagader, hebt vorsichtig ein Augenlid des Jungen und beginnt ihn auf Anzeichen einer Krankheit zu untersuchen[1] Dabei schaut sie auch aufmerksam nach Wunden, die womöglich unter der Kleidung verborgen oder schon älter und infiziert sind. Auch Zeichen von Hunger sucht sie einzuschätzen: Hat der Unbekannte noch etwas Fett auf den Rippen, oder zeugt seine Gestalt davon, dass er geschwächt ist, vielleicht deshalb erkrankte? Um Tristans besorgte Blicke in ihrem Rücken kümmert sie sich nicht, obwohl sie sie fast körperlich spüren kann. 'Dies, mein Gemahl, ist mein Schlachtfeld, und ich stelle mich meinem Feind so wie du den deinen...' Schließlich beugt sie sich tiefer und sucht ihren Patienten zu Bewusstsein zu bringen.
 1. Heilkunde 23
« Letzte Änderung: 04.01.2017, 11:51:41 von Lîf »

Hjálmarr

  • Beiträge: 98
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #31 am: 03.01.2017, 16:58:57 »
Hjalmarr zögert. Seine Hand am oberen Wurfarm seines Bogens festigt sich. Unsicher blickt er zwischen der Gestalt am Fenster und dem wohl nur spärlich am Leben seienden Jungen hin und her. Er war kurz davor von seinem Pferd zu springen, um den Zustand des Kindes zu deuten, doch Lîf kam seiner Unentschlossenheit zuvor, wofür er fast etwas dankbar war. Automatisch rutschen seine Füße tiefer in die Steigbügel und seine Beine klammern sich für einen besseren Halt fester um den Rumpf des Pferdes. Langsam bringt er das Tier dazu sich etwas in Richtung des Hauses zu drehen, bis er eine perfekte Position hat. Ruhig streicht er über die Mähne. Von hier aus würde er einen potentiellen Angreifer binnen weniger Sekunden aufhalten und niederstrecken können.

Vorwurfsvoll richtet er das Wort an den Dorfbewohner.
"Seid ihr von Sinnen? Der Junge lebt noch! Was hat das zu bedeuten – wieso wollt ihr, dass er stirbt?"

Abdo al'Mbabi

  • Beiträge: 115
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #32 am: 03.01.2017, 18:02:26 »
Komplett fokussiert auf die reglose Gestalt ignoriert Abdo alles, was um ihn herum vor sich geht, und fokussiert sich ganz darauf, Lebenszeichen von dem Jungen wahrzunehmen. Als nur wenige Augenblicke später die Druidin an seine Seite kommt, überlässt er der erfahrenen Heilerin sofort die Führung. Einige Augenblicke beobachtet er, wie die rothaarige Frau den Körper des Jungen untersucht, dann richtet er sich langsam auf und dreht sich ruhig in Richtung des Schreihalses um. Den beinahe Ertrunkenen weiß er in guten Händen, und sollte Lîf Hilfe benötigen, würde sie das sicherlich deutlich sagen.

Während nun auch Hjálmarr sich einschaltet und das Wort an den Dorfbewohner richtet, nimmt Abdo die Szenerie in sich auf und ruft sich dessen Worte ins Bewusstsein, die er soeben noch ignoriert hat.
"Der Schutz jeden Lebens hat allerhöchste Priorität. Wann immer ein Mensch in Not ist, ist es die Pflicht eines jeden Anständigen, ihm zu helfen!" Die Worte seines Meisters sind Abdo allgegenwärtig, und das Verhalten dieser Dorfbewohner lässt einen heiligen Zorn in ihm aufflammen. Er richtet sich zu seiner vollen Größe auf und lässt dabei seinen warmen Mantel zu Boden gleiten, unter dem er nur ein leichtes ärmelloses Hemd und eine dünne Hose trägt. Er weiß inzwischen um die Wirkung seiner schwarzen Hautfarbe bei den Einwohnern Dalarans, und sein mächtiger Bizeps sowie der Oberkörper, über dessen Muskeln sich das Hemd spannt, ergeben einen beeindruckenden Anblick. Auch wenn der Mönch offensichtlich unbewaffnet ist, macht er dennoch einen bedrohlichen Eindruck und wirkt nicht so, als würde ein Kampf ihn schrecken.
"Wer seid Ihr, dass Ihr einen Knaben dem Tode überlasst, ohne einzuschreiten? Wer seid Ihr, dass Ihr Euch anmaßt, über Eures Gottes Willen zu entscheiden? Und wie könnt Ihr es wagen, uns aufhalten zu wollen, wenn wir einem hilflosen Jungen das Leben retten?"
« Letzte Änderung: 03.01.2017, 19:57:08 von Abdo al'Mbabi »

Khenubaal

  • Beiträge: 1294
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #33 am: 06.01.2017, 20:59:04 »
Schnell besieht sich Tristan den angebundenen Rappen. Er scheint gesund zu sein. Keine Verletzungen, auch kein Auslauf, der auf etwas hindeuten könnte. Es wiehert noch einmal, als Lif von ihm ablässt, doch die drudkvinde hat es offensichtlich geschafft, dem Tier die größte Angst zu nehmen.

Die Aufregung des Mannes im Fensterrahmen ist dagegen fast schon mit den Händen greifbar. Er scheint ein einfacher Bauer zu sein. Muskulöse Hände und ein breites Kreuz zeugen von harter Arbeit, blondes Haar schimmert auf sonnengegerbter Haut, ein stuppiger Vollbart und ebensolches Haar verbergen den Großteil des Gesichts, ein grobes Leinenhemd den Oberkörper.

Hinter seinem Rücken lugt der Kopf einer Frau hervor. Ein verängstigter Blick, die Hand am Arm ihres Mannes, als wolle sie ihn zurückhalten. Und Schmerz in den Augen? Das Fenster gehört zu einer der einfachen Hütten. Tristan sieht auch in den Fenstern einiger anderen Häuser Schatten huschen, doch niemand sonst den Rahmen ab.

Aeryns zielsicher ausgerichteter Pfeil und Hjalmarrs harsche Worte lassen ihn verstummen. Erschrocken macht er einen Schritt zurück, als er die Pfeilspitze auf die eigene Brust ausgerichtet sieht. Es scheint, als würde die Frau - seine Frau? - ihn wieder ins Innere zurückziehen wollen.

Derweil besieht sich Lif den Jungen. Sobald sie ihn angefasst hat, fällt auch ihr als erstes auf, wie stark er glüht. Die Haut ist gerötet, der Körper scheint leicht, wie bei einer schweren Vergiftung. Die Haut ist rissig. An vielen Stellen gibt es daumennagelgroße Abschürfungen. Eiter bedeckt wie ein milchiger Film das ungesund blasse, rosane Fleisch darunter.

Der Atem des Jungen ist flach, doch er scheint noch nicht lange mit dem Kopf unter Wasser gewesen zu sein. Keine Erstickungserscheinungen. Als sie eines des Lider anhebt, schreckt selbst die Druidin kurz zurück. Die Pupillen sind so stark blutunterlaufen, dass sie bereits mehr rot als weiß sind und der sanfte Druck auf die Haut lässt eine große Menge Tränensekret auslaufen. Anscheinend sind die Tränenbeutel ebenso voll, wie das Gewebe rundherum geschwollen. Das Auge zeigt rudimentäre Lichtreflexe, jedoch schwach.

"Ihr könnt ihm nicht mehr helfen! Es ist zu spät. Er will nur zu Gott, also lasst ihn!" Es ist wieder der Mann im Fensterrahmen. Er hat all seinen Mut zusammengenommen und schreit nun Hjalmarr seine Antwort entgegen. Die Frau zerrt an seinem Arm. "Bitte, Rani. Lass' sie!"

Talahan schüttelt nur stumm den Kopf und schürzt die Lippen. Sein Blick geht zu Lif, während die Drudkvinde weiter den Jungen untersucht. Da schreitet Abdo an den beiden vorbei, entblößt die gewaltigen Muskelwülste unter der olivfarbenen Haut und schreit dem Mann seine Fragen entgegen. Der Ya'Keheter ist wahrlich ein beeindruckender Anblick. Mit offenem Mund weicht der Mann zurück. Mit Zeige- und Ringfinger der Rechten tippt er sich gegen die Stirn und murmelt ein Stoßgebet zum Allmächtigen. Auch seine Frau macht das Zeichen nach. "Oh, bei Gott, dem Einen, Rani! Ein Dämonenbote! Wir sind wahrlich verloren!", ruft sie.

Der Mann nickt völlig verstört, dann huscht ein kleiner Schatten an den beiden vorbei, der Kopf eines kleinen Mädchens taucht am unteren Rand des Türrahmens auf - goldene Locken klingeln. "HILF IHM, GUTER HERR! BITTE, HILF IHM!, ruft sie mit lauter Stimme. Da greift auch schon die Rechte des Mannes nach ihrer Schulter - "Helga!" - und zieht sie zurück in die Dunkelheit des Hütteninneren.

Wie gebannt schauen die Gefährten auf das Schauspiel. Plötzlich durchbricht eine Stimme das Gewirr: "Das ist sein Vater."

Überrascht blicken sich Talahan, Lif und Abdo um. Insinktiv hebt der Paladin die Schwertspitze. Nur wenige Schritt von ihnen entfernt steht eine schlanke Frau, doch ihr Anblick ist verstörend. Das Gesicht ist mit weißem Puder bedeckt - schwarze Linien ziehen sich von der Stirn bis zum Kinn - sie ähnelt mehr einem Geist, als einem Menschen. Die Kleidung: Mit schwarzen Lederriemen verstärktes Leinen, dass rudimentären Schutz bietet und die Bewegungen nicht behindert. Sie hebt abwehrend die leeren Hände. "Sein Vater", ruft sie wieder.

Der Paladin lässt die Schwertspitze leicht absinken. "Was soll das sein? Sprich! Klar und schnell!", ruft er bestimmt.

Die Frau schaut ihn mit zusammengezogenen Brauen wütend an. "Euer Dunkler hier hat gefragt, wer der Mann da sei, dass er sich anmaßt, über den Jungen zu entscheiden. Dieser Verrückte ist sein Vater, der ihn zum Sterben rausgeschickt hat."

Bei diesen Worten taucht der Mann wieder im Fenster auf. "HALT DICH FERN VON MEINEM SOHN, DU HEXE, HÖRST DU! LASS IHN IN FRIEDEN!", schreit er voller Zorn und Verzweiflung.

Die Frau würdigt ihn keines Blickes und schaut weiter Talahan an. "Und ich bin die Heilerin, die ihn lieber lebend sehen will", schließt sie die Erklärung ab. Dann geht ihr Blick zu Abdo und dann zu Lif, die immer noch den Jungen in den Armen hält. "Wenn ihr ihm wirklich helfen wollt, helft mir, ihn in meine Hütte zu bringen, wo ich ihn behandeln kann. Es ist nicht weit", sagt sie.


Aeryn

  • Beiträge: 1201
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #34 am: 06.01.2017, 22:58:55 »
Aeryn hat, nachdem klar geworden ist, dass keine direkte Gefahr von den Leuten ausgeht, und sie einfach nur Angst haben, den Pfeil von der Sehne genommen und den Bogen gesenkt. Sie nimmt die ganze Szenerie in sich auf, als sich die Menschen anschreien, und versucht ein wenig Sinn in das ganze Gewirr zu bringen.

Der Sohn des Bauern ist offensichtlich von einer schweren Krankheit befallen, und die Familie weiß nicht, wie man ihm helfen könnte. Der 'Hexe' vertrauen sie nicht, soviel ist klar. Dennoch, auch wenn es der eigene Vater ist, so hat er in den Augen der Elbin nicht das Recht über den Tod des Jungen zu urteilen. Leben muss erhalten werden, sofern es möglich ist. Durch ihre Langlebigkeit und die verhältnismäßig geringe Zahl an Nachfahren hat das Leben jedes Einzelnen bei den Elben einen sehr hohen Stellenwert. Und auch, wenn es sich hier 'nur' um einen Menschen handelt, so sieht Aeryn auch in diesem Leben einen hohen Wert, den es zu schützen gilt. Notfalls auch vor seinem eigen Fleisch und Blut, wenn es dazu kommen sollte.

"Gebt ihm eine Chance!" ruft sie der Bauernfamilie entgegen. "Lasst die Heilkundigen versuchen, sein Leben zu retten. Wenn Gaia seinen Geist zu sich ruft, dann ist es sein Schicksal zu gehen. Aber vielleicht schenkt ihm die Mutter noch mehr als diesen einen Tag, wenn man ihm die Chance gibt, gegen seine Krankheit anzukämpfen. Vielleicht ist er stark genug, sie zu überwinden. Überlasst sein Schicksal denen, die sich um sein Leben sorgen, und kapituliert nicht vor der Angst vor seiner Krankheit. Das Leben ist ein Geschenk, welches man nicht achtlos wegwerfen sollte."

Die Elbin wartet einen Moment ab, um ihre Worte wirken zu lassen. Dann erhebt sie erneut die Stimme in Richtung der Bauernfamilie.

"Während man sich um ihn kümmert, könntet ihr uns erzählen, was hier vorgefallen ist. Euch plagen Sorgen, die über das hinausgehen, was wir hier sehen können, fürchte ich. Kommt nur heraus, ihr braucht vor uns keine Angst zu haben. Wir werden euch nichts antun, sofern ihr uns keinen Grund dafür gebt."

In diesem Moment blickt sich die Elbin einmal unter ihren sehr verschiedenen Gefährten um, in der Hoffnung, Zustimmung in Form eines Kopfnickens oder einer ähnlichen Geste zu erhalten. Sie konnte nicht wirklich für die anderen sprechen, aber so, wie sie sie bislang kennengelernt hatte, glaubt sie nicht, dass sie hier zuviel verspricht.

Lîf

  • Beiträge: 755
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #35 am: 07.01.2017, 14:28:35 »
Schweigend sieht sich Lîf die verschiedenen Symptome an und wiegt den Kopf bedenklich. "Bei der gnädigen Göttin – der Junge braucht wirklich dringend Hilfe..!" murmelt sie sichtlich besorgt. Sie lässt sich nicht sonderlich von dem wortreichen Streit hinter ihrem Rücken beeindrucken, da der Kranke nicht nur ihr Pflichtgefühl anspricht, sondern auch ihr Mitgefühl erregt. Nur die Aufforderung, ihn seinem Schicksal zu überlassen, lässt sie ihren Kopf zornig zurückwerfen, dass ihre Mähne wie ein Wirbel aus rötlichen Tüchern um sie fliegt. Ihre Wangen sind gerötet, und ihr Busen hebt sich unter einem tiefen Atemzug, als sie sich umwendet und schon ansetzt, die schicksalsergebenen Dörfler wegen ihres mangelnden Vertrauens in die heilende Kraft der Großen Mutter auszuschelten. Doch noch ehe sie den Mund geöffnet hat, erschallen bereits die Stimmen des Mönches und der Elfe, und Lîf nickt grimmig zu ihren Worten, innerlich ein Dankgebet an ihre Herrin formulierend, die da aus den Herzen ihrer Gefährten gesprochen hat. Auch Hjálmarr nickt sie kurz zustimmend zu, der mit seinem Verhalten ebenfalls Unterstützung signalisiert.

Dann beugt sie sich wieder über den Jungen, wobei sie bereits in den zahlreichen Taschen ihrer großen Schürze wühlt, die typisch für Kräutersammlerinnen ist. Zielsicher bringt sie einige Beutelchen mit getrockneten und zerriebenen Blüten, knorrig aussehenden Knollen und runzligen Früchten zum Vorschein, die sie neben ihren Knien am Boden ausbreitet. In einer behutsamen Bewegung streicht sie die Strähnen des Jungen aus seiner Stirn und beruhigt sich langsam wieder. Doch noch immer ist ihr Gesicht gerötet von der Empörung, als sie aufblickt, denn die Frau mit dem eigenartigen Aussehen hat in ihrer Stimme einen Klang, der etwas in der Druidin klingen lässt wie eine Saite. Wer ist dieses Weib, das so selbstbewusst spricht und dabei von den Dörflern als Hexe bezeichnet wird – Hexe! Ein Wort, das Lîf hassen und fürchten gelernt hat, denn allzu oft schon ist sie selbst so bezeichnet worden, von den Unwissenden, von jenen, die nicht glauben wollen, dass Gaya ihre Dienerinnen dazu anhält, zu heilen, nicht zu schaden – es sei denn, Sie selbst und Ihre Kinder würden bedroht, was auch von einer Drudkvinde mit aller Gewalt beantwortet würde, derer sie fähig ist!

Langsam wendet sie sich im Knien um und mustert die Fremde, die sich selbst als Heilerin bezeichnet[1]. Eine Schwester im Geiste..? schießt es der jungen Frau durch den Kopf, und unwillkürlich huscht ihr Blick zu Tristan, sucht seine Reaktion auf die eigenartige Gestalt abzuschätzen. Aeryn nickt sie gemessen zu. Dann spricht sie das fremde Weib an: "Wenn du eine Jüngerin der Heilkunst bist, so sind wir Schwestern. Ich bin Lîf und diene der Großen Mutter." Sie unterstreicht ihre Worte, indem sie eine kreisförmige Geste über der linken Brust macht, gefolgt von einer leichten Berührung ihrer Lippen: Ich trage mein Herz auf der Zunge – üblich unter ihresgleichen, um sich gegenseitig das Vertrauen anzubieten, und womöglich auch ihrem Gegenüber bekannt...
 1. Motiv erkennen 18

Tristan

  • Beiträge: 330
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #36 am: 07.01.2017, 20:16:20 »
Tristans fragender Blick geht zu seiner Frau. Er begreift noch immer nicht, was hier los ist. Hätte der Junge eine furchtbare Seuche, wäre die Hysterie der Eltern verständlich, allerdings würden sie dann ja wohl eher davor warnen, den Jungen anzufassen und die Krankheit so zu verbreiten; statt dessen ist von Gott, Hexen und Dämonen die Rede. 'Ein Dämonenbote! Wir sind wahrlich verloren!' schreit die Frau beim Anblick Abdos wie von Sinnen. Doch wenn es dämonisches Wirken ist, das die Eltern hinter dem Zustand ihres Sohnes befürchten—Besessenheit, eine dämonische Pest—was soll dann das Geschrei des Vaters: 'Er will nur zu Gott! Lasst ihn in Frieden zu Gott gehen'! Müsste er sich in diesem Fall nicht besonders um die Seele des Sohnes sorgen?

"Har alle her paddehatte spist undtagen pigen?" murmelt Tristan bei sich.[1]

Genauso widersprüchlich erscheint ihm die zweite Frau: Hexe wird sie gerufen, Heilerin nennt sie sich selbst und gibt sich doch alle Mühe, mit ihrer weißen und schwarzen Schminke im Gesicht, wie eine Hexe zu wirken oder zumindest wie jemand, der mit "heidnischen" Kräften im Bunde ist, was für fanatische Anhänger des Einen Gottes das gleiche ist wie Dämonenbuhlin. (Die Frage, ob sie überhaupt ein Mensch ist, erscheint dagegen berechtigt. Ihre Augen sehen wölfisch aus, ihr Haar ist weiß, obwohl sie sonst jung erscheint—oder hat sie es sich mit Kreide oder dergleichen gebleicht?—und ihre Ohren, so meint er zu erkennen, auch wenn die Spitzen vom Haar verdeckt werden, laufen spitz zu. Dazu hat sie eine seltsame—knöcherne?—Erhebung an Stirn und Nasenwurzel.)

Doch um diese Frau kümmert Lîf sich bereits, also denkt Tristan lieber einen Schritt weiter: Wenn sie gemeinsam der stadtbekannten "Hexe" zu deren Hütte folgen, den Jungen gegen elterlichen Willen dorthin verschleppen, und sich dazu auch noch herumspricht, sie hätten einen "Dämonenboten" in ihrer Mitte, ganz zu schweigen davon, dass sie hier alle von Gaja und der Großen Mutter reden, dann trommelt der fromm geifernde Vater  womöglich eine Meute zusammen, die mit Äxten und Mistgabeln bewaffnet gegen die Fremden ins Feld zieht.

Also steckt Tristan sein Sax zurück in den Gürtel (das Messer ist schnell genug wieder gezogen, den Schild behält er in der Hand) und tritt neben Aeryn, die soeben an die Eltern appelliert, natürlich auch sie in Gajas Namen. Als sie geendet hat, schließt Tristan sich daher ihrem Appell an—in der Sprache, die hier im Ort wohl eher gesprochen und verstanden wird: er zitiert aus den Worten des Propheten.

Zu Beginn ist er noch sehr überrascht, wie leicht die Worte aus den verstaubtesten Tiefen seines Gedächtnisses emporsteigen, gespenstergleich, und ihm ohne Stocken oder Grübeln, wohl aber mit einem leichten Schauer, von den Lippen gehen. (Sieben Jahre seines Lebens hat er damit verbracht, sie zu großen Teilen auswendig zu lernen; in den letzten anderthalb Jahrzehnten aber hat er sie nicht mehr laut rezitiert und seit mindestens einem Jahrzehnt keinen Gedanken mehr daran vergeudet.)

Er wählt aber auch einfach die erste passende Stelle aus der heiligen Schrift, die ihm in den Sinn kommt: von dunkelhäutigen Seefahrern ist dort die Rede. Hünenhaft, todesmutig und—für seinen Zweck weniger günstig: verschlagen—überqueren sie das Meer und überfallen ein dalaranisches Küstendorf. An dieser Stelle bricht Tristan ab, bevor die sogenannten "Manilaner" noch schlimmeres anstellen. Jedenfalls ist damit belegt:

"Dies ist ein Mann, du dummes Weib. Sperr doch die Augen auf! Ein ganz einfacher Mann, mit dem Schiff angekommen aus einem fernen Land, wo die Sonne den ganzen Tag senkrecht vom Himmel brennt. Anders als seine Vorfahren kam er hierher, ins Dorf des Propheten, um Rat zu suchen."

Das zweite Zitat handelt von der Pflicht eines jeden Gottesfürchtigen, sich um die Hilfsbedürftigen zu kümmern, seien es Kranke oder Blinde, Hungernde oder Obdachsuchende, Waisenkinder oder Greise. Auch diese Stelle passt zwar einigermaßen—und ist eine der bekanntesten—bleibt aber zu allgemein, um sich ihrer jetzigen Lage zwingend aufzudrängen. (Aber vielleicht sieht er das nur zu kritisch. Wollte er selbst etwas passendes schreiben, wären seine Ansprüche nun einmal wesentlich höher.) Dafür wird Tristans Vortrag selbstsicherer, seine Stimme lauter, die Haltung und Gebärden drohender: ganz der Wanderprediger, zu dem die Mönche von Gotburg ihn hatten erziehen wollen!

Und als er zum Schluss mit all den Qualen der Hölle droht, die demjenigen bevorstehen, der Gottes Gebote missachtet—hierbei allerdings erinnert er sich nicht so recht an den Zusammenhang, in dem es auftaucht, und muss daher hoffen, dass dieser entweder passt oder niemand in Hörweite sich daran erinnert—da erzittern um ihn herum die Leichtgläubigen und die Frommen in wollüstigem Schauer vor dem Zorn Gottes und seines Propheten.[2]

Dann eilt Tristan den beiden Heilerinnen hinterher, die sich inzwischen wohl längst, mit dem kranken Jungen und entsprechendem Gefolge, auf dem Weg zur Heilerhütte befinden.
 1. Värangsk: "Haben hier alle außer dem Mädchen Fliegenpilze gegessen?"
 2. Intimidate = 18;
Wissen (Religion) = 11.
« Letzte Änderung: 08.01.2017, 00:43:50 von Tristan »

Freydis

  • Beiträge: 230
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #37 am: 08.01.2017, 01:49:41 »
Freydis Angst verfliegt ein Stück bei Abdos beeindruckendem Auftritt. "Wahrlich ein stattliches Mannsbild - und nicht unattraktiv auf seine exotische Weise." geht es ihr eher unfreiwillig durch den Kopf. Seiner ehrlichen Empörung und seinen Fragen kann sie allerdings nur aus vollem Herzen zustimmen.
Der Auftritt der Hexe oder Heilerin überrascht sie aber noch viel mehr, denn nach allem was sie über die Behadrim und ihren Glauben gelesen und gehört hat hätte sie es für unmöglich gehalten, dass jemand der so aussieht an diesem Ort für länger als einen Tag toleriert würde ohne sich auf der Folter und schließlich auf dem Scheiterhaufen wiederzufinden.
"Du wirst schon sehen, es ist ein großer Unterrschied zwischen der Welt in deinen Büchern und der Welt da draußen." hatte die alte Undis ihr immer wieder Kopfschüttelnd erklärt. Einmal sehr sieht die junge Berührte die Worte ihrer Tutorin bestätigt.
Daher hält sich ihre Überraschung tatsächlich im Grenzen als ein Rúngarder, für sie, wie für die meisten Bewohner Albions, dessen Schiffe und Küsten häufig Ziel der Überfälle der Inselpiraten sind, ist Tristan leicht als solcher zu erkennen, anscheinend die Worte des einen Gottes zitiert.
Die "Hexe" hat allerdings ihre Neugier geweckt, so dass sie sich Tristan anschließt, als er den beiden Heilerinnen und ihrem Patienten folgt. Dabei verstaut sie das Zepter wieder auf ihrem Rücken, die unmittelbare Gefahr ist ausgeblieben und die Heilerin scheint bei klarem Verstand zu sein und wird ihnen eher als die verängstigte Bauernfamilie erklären können was hier eigentlich los ist.
Aber Freydis ist nach wie vor nervös und sieht sich auf dem Weg zu Hütte der Heilerin/Hexe beständig um, allerdings muss sie sich anstrengen um mit den Tristans längeren Beinen Schritt zu halten.[1]
 1. Perception: 14
« Letzte Änderung: 08.01.2017, 01:50:36 von Freydis »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Abdo al'Mbabi

  • Gast
Der Weihort
« Antwort #38 am: 09.01.2017, 00:12:41 »
Als Abdo bemerkt, dass der schreiende Mann nur ein einfacher Dorfbewohner ist und keine Anstalten macht, sie in irgendeiner Weise zu bedrohen, entspannt er sich schnell wieder und will sich gerade zu Lîf umdrehen, als der Anblick des kleinen Mädchens ihm einen Stich versetzt. Auch wenn sie jünger ist, glaubt er zunächst, Leifs Tochter Hilda wiederzusehen, die ihm in seiner Zeit in Albion soviel Freundschaft und Wärme entgegengebracht hat, als er sie am nötigsten hatte. Unwillkürlich werden Erinnerungen in ihm geweckt, als er halb verhungert und ohne die Sprache zu kennen auf seinem Lager lag, und sie ihn jeden Tag freudestrahlend dazu brachte, seine Mahlzeit einzunehmen, und so lange auf ihn einredete, bis er schließlich begann, erste Worte zu verstehen. 

Ihr Flehen bestärkt Abdo darin, den Jungen zu retten, koste es, was es wolle, und so kehrt er wieder zu Lîf zurück, um zu sehen, ob seine Hilfe benötigt wird. Gerade in diesem Moment taucht die andere Frau auf, fremdartig bemalt - oder zumindest fremdartig für ihn. Der Mann ist also der Vater des Jungen, was das Mädchen zu seiner Schwester macht; so langsam fügt sich das Bild zusammen. Denn die Druidin macht einen eher besorgten Eindruck, was wohl bedeutet, dass der Zustand des Jungen eher kritisch ist. Die angebotene Hilfe der neu aufgetauchten Frau ist dem Mönch daher sehr willkommen, und das Verhalten von Lîf deutet darauf hin, dass sie das ebenso sieht. Mit einem Nicken gibt er der Heilerin zu verstehen, dass er sich um den Jungen kümmert und hebt ihn dann vorsichtig auf, um ihn zur Hütte der bemalten Frau zu tragen.

Die Predigt, denn anders kann man das wohl nicht bezeichnen, die Lîfs Gatte in der Zwischenzeit den Bewohnern des Dorfes hält, nimmt der dunkelhäutige Mann nur am Rande auf. Zwar bekommt er durchaus mit, was Tristan über ihn sagt, doch beschließt er, die Worte nicht zu kommentieren, auch wenn sie ihm eher beleidigend erscheinen. Was der junge Mann dann jedoch weiter erzählt, macht Abdo zum ersten Mal wirklich deutlich, was er bisher nur am Rand hier und da mitbekommen hat: Anders als in seiner Heimat, wo der Glaube an Aris unbestritten ist, scheint es hier eine Reihe von rivalisierenden Religionen zu geben, die wohl nicht immer friedlich miteinander auskommen.
Über Religion war in Leifs Haus nur wenig gesprochen worden; natürlich hatte Abdo schnell erkannt, dass die Familie andere Götter anbetete als Aris, doch dieser lehrt, dass man die Menschen nach ihren Taten bewerten solle, und der Mönch sah keinen Grund, seine Gastgeber zu irgendetwas bekehren zu müssen, nur weil sie Aris in anderen Formen und mit anderen Namen anbeteten.
Dass die Religionen hier in diesem Land jedoch solche Kontroversen erzeugen, hat er erst seit dem Aufbruch aus Kromdag erfahren, denn immer wieder führten die Gespräche unter den Teilnehmern ihrer Expedition auf das gleiche Thema und dabei zu Spannungen. Abdo hat noch bei weitem nicht verstanden, um was es bei den verschiedenen Standpunkten eigentlich im Detail geht, doch längst fragt er sich, wie es sein kann, dass die Menschen hier im Angesicht der Bedrohung durch die Shetani derart viel Energie für den Streit aufwenden können, welchen Namen sie Aris geben.
« Letzte Änderung: 12.01.2017, 13:49:14 von Khenubaal »

Hjálmarr

  • Beiträge: 98
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #39 am: 10.01.2017, 12:36:15 »
Hjálmarr beobachtet grimmig die Szene und stimmt seinen Gefährten stumm zu, als diese harsch auf den Bauern einreden. Er bemerkt, wie er mit gerunzelter Stirn unterbewusst den Kopf voller Unverständnis schüttelt, immerhin geht es hier um ein Kind. Noch schlimmer, es geht scheinbar um sein Kind, seinen Sohn, wenn man der plötzlich auftauchenden Frau mit der seltsamen Gesichtsbemalung trauen kann. Zumindest ist sie die Einzige, die sich um das Leben des Jungen schert. Hjálmarr spürt den Zorn in ihm aufkeimen, während er den Bauern anstarrt und wendet sich schließlich ab.

Mit einem Satz springt der junge Mann von seinem Pferd, führt es mit schnellem Schritt zu Abdo und reicht ihm die Zügel. Er hat eine Entscheidung getroffen und selbst wenn niemand dies für Gut heißen wird – obgleich er sich sicher war, dass die meisten seiner Reisegefährten es befürworten werden – er kann und wird den Jungen nicht einfach seinem Schicksal überlassen.

Einen Moment später steht er neben Lîf. Die Blicke Tristans, die ihn fast schon automatisch erfasst haben, als er in das nähere Umfeld seiner Frau eingetreten ist, ignoriert er völlig.
"Eure Mittel hier scheinen begrenzt. Wir haben vermutlich keine Wahl. Sehen wir, was sie tun möchte." Dann blickt er auf den Kranken in Abdos Armen. Wie lange er wohl in dem Trog hing? Seine Haut ist nass und heiß, sein Atmen kurz und schwach. Es scheint wirklich schlimm um ihn zu stehen. Jede Emotionslosigkeit weicht aus Hjálmarrs sonst so starrem Blick und er wirkt aufrichtig besorgt. Doch so schnell dies zu erkennen war, so schnell besinnt er sich wieder und beginnt zu handeln. "Ich nehme ihn. Falls er wirklich krank ist, ist es besser so, glaubt mir!" Dies ist kein Angebot gewesen, sondern eine Feststellung, doch Hjalmarr wartet einen Moment auf Abdos Reaktion.
« Letzte Änderung: 11.01.2017, 21:10:05 von Hjálmarr »

Khenubaal

  • Beiträge: 1294
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #40 am: 12.01.2017, 16:57:31 »
Als Aeryn das Wort an die Menschen in den Hütten richtet, wird sie immer wieder unterbrochen. "Das ist keine Krankheit!", "Er will ihn nur vor dem Urian retten!" schallt es hinter geschlossenen Fenstern hervor. Offensichtlich hören auch andere Dorfbewohner zu. "Es gibt keine Rettung!" schallt es aus einer der Hütten, doch dann ist eine laute Ohrfeige zu hören und eine Frauenstimme fährt ein: "Halt den Mund, Dummkopf! Die Kinder hören dich."

Dann sagt Aeryn, die Dorfbewohner sollen keine Angst vor der Gruppe haben und rauskommen, und hysterisches Gelächter kommt zugleich aus mehreren Kehlen. Der Vater des Jungen - Rani, wie ihn sein Weib genannt hatte - bemerkt den fragenden Blick der Elbe durch die Schweinsblase des wieder eingesetzten Fensters. Als sein lauter und dennoch trauriger Lachanfall zu Ende ist, schreit er ihr entgegen: "Wir haben keine Angst vor euch, Spitzohr! Wir haben Angst vor dem Fluch des Urian, der hier wütet. Deswegen kommen wir nicht raus, bis die Behadrim uns zu Hilfe kommen. Aber steht ihr nur weiter rum da vorne und redet. Schon bald wird euch die Seuche dahinraffen."

Da tritt Tristan hervor und zitiert die Worte des Propheten und der Mann hält inne und muss mehrmals schlucken. Auch die anderen Dorfbewohner verstummen, je mehr der Rungarder zitiert.[1] Wahrscheinlich flüstern sich manche etwas zu, doch so etwas ist hinter den geschlossenen Fenstern nicht zu hören und so scheint völlige Ruhe eingekehrt zu sein, als Tristan endet. Hinter den Fenstern erkennt er zum Teil bedröppelte, zum Teil beeindruckte Gesichter, dann fixiert er die als "Hexe" bezeichneten Frau. Der Neuankömmling erwidert trotzig seinen Blick, und er sieht, dass sie ihn mit einer Mischung aus Neugier und Argwohn beäugt.

Hinter den Rücken von Talahan, Tristan und Aeryn kümmern sich die Übrigen um den kranken Jungen. Auch Lif fallen die äußerlichen Unterschiede des Neuankömmlings zu den herkömmlichen Gesichtern der Menschen auf. Die knöcherne Erhebung über der Nasenwurzel und die weißen Haare, ebenso wie eine leicht veränderte Form der Ohren. Doch ansonsten scheint die Frau normal auszusehen. Die weiße und schwarze Farbe auf dem Gesicht ist wohl genau das - Farbe. Wichtiger als das Äußere ist der Drudkvinde aber das Innere der selbsternannten Heilerin. Nachdem sie ihr Zeichen gemacht hat, wartet Lif auf eine Reaktion und beobachtet die Frau. Diese bemerkt die Geste. Sie wiederholt sie nicht, nickt jedoch knapp. "Für Gaya und die Ahnen" murmelt sie fast lautlos einen häufigen Leitspruch der Druidinen. Eine einfache Geste, doch sie wirkt ehrlich und bestärkt Lif in ihrem Vertrauen in den Neuankömmling.[2]

Als Abdo Lif den Jungen abnimmt und aufsteht, verstehen es alle, als stumme Einigung zum Aufbruch. Abermals nickt die bemalte Frau. "Man nennt mich Solveig - meine Hütte steht nur hundert Schritte vom Dorf entfernt in nördlicher Richtung", sagt sie. "Folgt mir"

Nur wenige Schritte sind getan, da tritt Hjalmarr an Abdo heran und bittet ihn, ihm den Jungen zu übergeben. Die bemalte Frau bemerkt das. "Mir egal, wer ihn trägt, aber macht schnell."

So bricht die kleine Truppe auf und macht sich auf den Weg durch die nach Norden führende Gasse. Solveig geht vor, Lif folgt und beäugt weiter den Jungen. Sie ist sich inzwischen sehr sicher, dass es sich um eine schwere Vergiftung des Körpers handeln muss. Die nässenden, eiternden Wunden und die geschwollenen Glieder deuten ebenso darauf hin, wie das hohe Fieber. Allerdings kann sie die genaue Ursache nicht einordnen. Es scheint, als habe sie diese Art von Vergiftung noch nie gesehen.[3]

Hjalmarr und Abdo laufen neben ihr und tragen den Patienten. Freydis schließt die kleine Prozession ab. Der Berührten geht einiges durch den Kopf. Der Weihort - Ansdag - in den Geschichten der Behadrim ein erhabener Ort. Der Flecken, an dem der Prophet aus eigener Hand die Weihe empfing. Heiliger Boden. Das heißt, das stimmte nicht ganz. Sirssudo - die Feste der Behadrim am Hang des Berges: sie war um eine kleine Bergquelle herum gebaut worden und genau in dieser hatte der Prophet lange vor dem Bau die Weihe empfangen. Doch da lässt es sich schlecht hausen. Der Bergbach verlief - so stand es in den Büchern - von da an lange unterirdisch, bevor am Fuß des Berges unweit von Ansdag wieder an die Oberfläche brach. Da hatten die Behandrim - um die Quelle herum - ihr Kloster von Ansdag errichtet. Wenn sie sich recht entsinnte, war das Dorf Ansdag, der Weihort, keine Meile vom Kloster entfernt entstanden.[4] Unbewusst geht der Blick der Albionerin nach Norden, sie versucht das Kloster in der Ferne auszumachen, doch Bäume versperren die Sicht. Dafür fixiert sie den kleinen Gemüsegarten des nächstgelegenen Hauses. Der Boden sieht verdorben aus - Schimmelpilz liegt wie ein weißer Teppich über der Krume. Kohl und Karotten sind schwarz und deformiert.Als ihr Blick umhergeht, bemerkt sie weitere Felder dieser Art - dann die Hütte der bemalten Frau in der Ferne.[5]

Nur wenige Augenblicke später erreicht die kleine Prozession das Haus der bemalten Frau. Wie von ihr geschildert, steht es etwas abseits zwischen mehrere alten Kiefern. Es ist ein geräumige - alt aber stabil - mit einer kleinen Terasse vor der Tür. Vom Dach der Terasse hängen mehrere Beutel und Ahnenzeichen. Auf einem Beistelltisch liegen Kräuter. Lif nimmt sofort den typischen Geruch der Heilpflanzen wahr. In einem kleinen Holzgefäß gären einige zu Muß zerstoßen zu einer Salbe.

Solveig macht knarrend die Tür auf und geht hinein. Die anderen folgen ihr. "Legt ihn da auf den Tisch", sagt die Frau und deutet auf einen großen Eichentisch mitten im Zimmer. Ein schneller Blick offenbart, dass auch drinnen fast jede Fläche des großen Raumes für Tinkturen und Muße aller Art, sowie für Ahnenzeichen genutzt wird. Das hier ist das Zimmer eines Kräuterweibes, keine Frage. Zwei Türen führen weiter. Eine steht offen - Ein Bett ist zu erkennen, indem jemand liegt. Vielleicht ein Patient. Die andere Tür ist zu.

* * *

Aeryn und Talahan beobachten vom Dorfplatz aus, wie die Prozession das Haus der Heilerin knapp 200 Schritt von ihnen entfernt betritt. Hinter den Fensters sind immer noch Silhoutten von neugierigen Gaffern zu erkennen. Eine ungewöhnliche laute Fliegenwolke zieht an den beiden vorbei, macht sich auf zum Pferdekadaver auf der anderen Seite des Platzes.

"Bitte helft uns, wenn ihr wirklich könnt! Vertreibt die Dämonenseuche", schreit eine Frau aus einem der Häuser. Sie blickt dabei zu Aeryn, vielleicht ein verspäteter Appel nach ihren Worten zu beginn.

Talahans Pferd wiehert. Der Mann lenkt das Tier zu Aeryn und beugt sich hinunter. "Ich glaube, wir werden derzeit niemanden hier rauslocken. Lass uns lieber sehen, was die anderen machen", schlägt er vor.

 1. Ergebnis Intimidate 18
 2. Ergebnis Sense Motive 18
 3. Ergebnis Heikunde 23
 4. Ergebnis Knowledge (History) 21
 5. Ergebnis Perception 14

Lîf

  • Beiträge: 755
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #41 am: 12.01.2017, 20:34:27 »
Tristans Gemurmel kann Lîf von ihrer Position aus nicht verstehen, doch verraten Tonfall und Miene ihres Mannes der jungen Frau, was ihn bewegt. Sie macht eine begütigende Geste in seine Richtung, ehe sie ihre Utensilien wieder verstaut und sich in die Höhe stemmt, um Solveig und den Männern zu folgen. Die furchtsamen Bewohner des Örtchens scheint er im Griff zu haben, wie sie hört – auch wenn sie missbilligend die Stirn runzelt, als er die Schriften derer zitiert, die Mutter Gaya nicht als die Große Göttin anerkennen wollen. Da sie ahnt, was sie mit einem lauten Protest lostreten würde, schweigt sie jedoch dazu, zumal Solveig es ebenso hält. "Ein kräftiges Mannsbild, gesund und sicherlich eine Freude in den Augen der Großen Mutter – wie es wohl in seiner Heimat aussehen mag? Ob dort alle Kerle so gut gebaut sind? Und die Weiber? Dann wäre es ein gesegnetes Land..." geht ihr beim Anblick des Mönches durch den Kopf, bevor sie sich an Hjálmarr wendet und ihm antwortet: "Ja, für den Jungen ist es sicherlich das beste."

Denn die leise Entgegnung hat sie davon überzeugt, dass sie es bei der Fremden mit einer Schwester im Geiste zu tun hat. Ganz gleich, wie deren Äußeres wirken mag: Die Wege der Großen Mutter sind vielfach verschlungen, Ihr ist zueigen, Ihren Kindern jede Gestalt zu geben, die Ihr gefällt. So beeilt sie sich, Schritt zu halten. Denn die Vergiftungssymptome des Leidenden wollen ihr ganz und gar nicht gefallen. Gifte können ihr Werk sehr rasch tun... und Solveig, die mehr zu wissen scheint, hat es ja offenkundig eilig, ihm zu helfen. In der Behausung der sogenannten Hexe angelangt, tut der Rotschopf einen tiefen Atemzug und fühlt sich umgehend zuhause. So roch es auch bei ihrer Lehrmeisterin..! Einen kurzen Blick wirft sie in Richtung des zweiten Kranken, den das fremde Kräuterweib zu behandeln scheint, doch wendet sie sich ihm nicht zu. Das zu tun, ohne um ihre Meinung gebeten worden zu sein, hieße andeuten, die andere Heilerin sei womöglich nicht imstande, ihm zu helfen. Sie konzentriert sich lieber auf den Jungen und darauf, was Solveig anstellen wird, um ihn zu behandeln.

Aeryn

  • Beiträge: 1201
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #42 am: 12.01.2017, 21:52:22 »
"Ich glaube, diese Leute brauchen unsere Hilfe dringender als die anderen. Da können wir ohnehin nichts tun als zusehen und hoffen, dass es noch nicht zu spät für den Jungen ist," meint Aeryn zu Talahan.

Dann richtet sie sich nocheinmal an die Dorfbewohner.

"Wenn ihr nicht rauskommen wollt, dann lasst uns doch zu euch hereinkommen," schlägt sie vor. "Wir würden wirklich gerne erfahren, wie sich das alles hier zugetragen hat. Und vielleicht gibt es ja einen Weg, wie wir euch helfen können, dieser Plage Herr zu werden. Aber dazu müsst ihr uns schon erzählen, was ihr wisst. Vor allem, was geschehen ist während dies alles hier begonnen hat."

Langsamen Schrittes geht die Elbin auf das Haus zu, aus dem sie die Stimme der Frau zuvor vernommen hatte, die ihr im Moment zumindest am Vernünftigsten erscheint.

Tristan

  • Beiträge: 330
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #43 am: 13.01.2017, 00:39:02 »
Lîfs und das eigene Pferd führend, bildet Tristan die schweigende Nachhut. Er wartet auf Erklärungen. Doch weder Lîf noch Solveig äußern sich unterwegs zu der Krankheit des Jungen. Als die Hütte der Heilerin in Sicht kommt, holt er die Frau mit ein paar Schritten ein und fragt: "Was ist das denn jetzt für eine Seuche und wie lange grassiert sie hier schon?" Nach einer kurzen Denkpause setzt er nach: "Und wie lange warten die Leute hier schon vergebens darauf, dass die Behadrim ihnen zu Hilfe eilen? War schon mal jemand bei denen und hat direkt angefragt? Gab es seither überhaupt Kontakt mit dem Kloster?"

Denn die Hilfe ist ja offenbar mehr als überfällig, so sein Hintergedanke bei der Frage. Dafür drängen sich ihm zwei mögliche Gründe auf: entweder diese 'Dämonenseuche' hat als erstes das Kloster getroffen und dort alle dahingerafft, oder aber man hat sich dort aus Angst vor der Seuche verbarrikadiert und denkt gar nicht daran, irgendwelchen Dörflern helfen zu wollen. So oder so verflucht Tristan sich dafür, seine Frau auf diese Reise mitgenommen zu haben.

~~~

Während Tristan seine Frau dabei beobachtet, wie sie sich um den kranken Jungen kümmert und in der Hütte der anderen Heilerin regelrecht auflebt—trotz der ernsten Lage leuchten ihre Augen, entspannt sich ihre Haltung, sie atmet auf—da begreift er endlich, was sein erster, sein größter, eigentlich sein einziger Fehler gewesen ist. Kein Wunder ist sie so wütend auf mich und braust bei jeder Kleinigkeit gleich auf!

Und da es für ihn momentan nichts zu tun gibt, außer zwischen Fenstern und Tür zu patrouillieren, um die nähere Umgebung der Hütte im Auge zu behalten—natürlich wandert sein Blick dabei auch immer wieder durch die volle Stube—bleibt Tristan viel Zeit zum Nachdenken.[1] Zum Beispiel darüber, was zu tun ist, um die Sache mit Lîf zu klären. Denn klären muss ich das mit ihr. Sobald wir mal kurz für uns sind, muss ich das aus der Welt schaffen.

Weiter kommt er mit seinen Überlegungen erst einmal nicht.
 1. Perception = 14.
« Letzte Änderung: 13.01.2017, 16:20:29 von Tristan »

Abdo al'Mbabi

  • Beiträge: 115
    • Profil anzeigen
Der Weihort
« Antwort #44 am: 13.01.2017, 17:26:06 »
Als Hjálmarr den Mönch auf dem Weg zur Hütte bittet, ihm den Jungen zu übergeben, lässt Abdo ihn ohne Widerspruch gewähren. Der Mönch selbst ist nicht sonderlich bewandert in der Heilkunde, und wenn der Bärtige sich in solch resoluter Weise einsetzt, wird er wohl seine Gründe haben, so dass sich Abdo dessen Kompetenz beugt.

Erleichtert von seiner Last, versucht er, auf dem Weg zur Hütte Sinn in die Szene zu bringen, die sich gerade abgespielt hat. Offenbar haben die Menschen hier keine Ahnung, womit sie es eigentlich zu tun haben. Während sie auf der einen Seite von einer Seuche sprechen, sagen sie fast im gleichen Atemzug - oder waren es andere? - es sei keine Krankheit. Dann ist vom Fluch des Urian die Rede; immerhin soviel hat Abdo inzwischen über den Glauben in diesen Ländern herausgefunden, dass er weiß, dass der Urian in der hiesigen Mythologie die Verkörperung des Bösen darstellt. Und schließlich darf natürlich auch die Dämonenseuche nicht fehlen.

Zwar liegt Ya'Kehet in Trümmern, doch das aufgeklärte Wissen vergangener Zeiten ist noch längst nicht verblasst. Dass die meisten Krankheiten eine natürliche Ursache haben und durch Keime oder ähnliches verursacht werden, ist den Einwohnern Ya'Kehets noch immer wohlbekannt. Dass mangelnde Hygiene die Ausbreitung vieler Krankheiten begünstigt, ebenso. Wenn sich der Mönch hier jedoch umblickt, scheint das den Bewohnern dieses Ortes nicht unbedingt bewusst zu sein. Statt die faulenden und stinkenden Kadaver zu beseitigen, verschanzen sie sich aus ihrem Aberglauben heraus lieber in ihren Hütten, wodurch sie die Lage vermutlich noch verschlimmern. Die Haltung der Leute hier erscheint ihm wie aus den Erzählungen seines alten Lehrers Mahmut zu stammen, in denen dieser von früheren Zeiten erzählte, als die Menschen jegliche Schicksalsschläge durch böse Geister und übernatürliche Mächte zu erklären versuchten. Eine Haltung, die allerdings, wie er sich eingestehen muss, in den letzten Jahren wieder Aufwind bekam. Ein Gedanke kommt ihm plötzlich in den Sinn: "Wahrscheinlich sind es schlechte Zeiten, die die Leute anfällig für Aberglauben machen."

Währenddessen hat die kleine Prozession die Hütte der merkwürdig gezeichneten Heilerin erreicht und sie und Lîf machen sich gemeinsam daran, den Jungen zu behandeln. Da Abdo hierbei zunächst nicht gebraucht wird, sieht er sich etwas in der Hütte um und wirft auch einen längeren Blick in das Nebenzimmer, in denen ein weiterer Kranker liegt, wobei er sich Mühe gibt, dessen Ruhe nicht zu stören. Die zahlreichen Tinkturen und Kräuter, die fast jeden Flecken des kleinen Raumes ausfüllen, geben der Hütte eine merkwürdig gespenstische und beengende Aura, und der Mönch kann dabei durchaus nachvollziehen, weshalb die Bewohner des Ortes wohl eine eher ambivalente Haltung zu ihrer Heilerin pflegen. Dennoch scheinen die beiden Frauen zu wissen, was sie tun, und Abdo schickt ein kurzes Gebet an Aris, in dem er ihn um Ruhe und Weisheit für die Heilerinnen bittet.

Nachdem er sich umgesehen hat und sicher ist, dass die beiden Frauen wohl eine Weile beschäftigt sein würden und keine Störung gebrauchen können, beschließt er, sich anderweitig nützlich zu machen. Ihm ist klar, dass Tristan seiner Frau wohl nicht von der Seite weichen wird - und es ist sicherlich sinnvoll, wenn einer von ihnen hierbleibt, um die Heilerinnen gegebenenfalls unterstützen zu können, doch er wendet sich mit seinem Vorschlag an Freydis und Hjálmarr: "Ich denke, hier können wir im Moment nichts tun. Tristan soll hierbleiben, falls die beiden Hilfe benötigen, aber wir sollten damit anfangen, die Kadaver in dem Dorf zu beseitigen. Wenn hier wirklich eine Seuche umgeht, dann müssen wir die Leichen verbrennen und für soviel Sauberkeit wie möglich sorgen. Außerdem sollten wir uns dort umsehen und dafür sorgen, dass alle sauberes Wasser haben."
« Letzte Änderung: 16.01.2017, 11:20:05 von Abdo al'Mbabi »

  • Drucken