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Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 129468 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

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Hjálmarr

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Der Weihort
« Antwort #60 am: 09.02.2017, 09:44:32 »
Hjalmarr begutachtet den jungen Mann auf seinem hohen Ross argwöhnisch. 'Der hohe Adel des Dorfes. Polierte Rüstung, maßgeschneiderte Kleidung und gutgeschliffene Waffen. Wie man es erwarten würde von Leuten, die glauben, sie seien etwas besseres. Vermutlich haben diese Waffen noch keinen Kampf gesehen. Was ihr Wappen wohl zu bedeuten hat...' denkt er bei sich und kann sich ein verschlagenes Grinsen nicht verkneifen.

"Nun Abdo, ich denke König Villag," betont der Lesdager übertrieben, "beschäftigt gerade genug Soldaten, die seinen Hof schützen können, denn sonst hätte er längst sicher allen voran mit seinem Sohn das Kloster gestürmt, um die Behadrim um Hilfe zu ersuchen, aber auch um herauszufinden, was dort in der Nacht des tobenden Sturms geschehen ist. Liege ich mit meiner Annahme richtig, Prinz?" Hjalmarrs schneidender Tonfall ist leicht zu erkennen, jedoch wartet er trotz seiner angebrachten Spitze gespannt auf eine Antwort.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #61 am: 14.02.2017, 19:34:01 »
Derart aus drei Richtungen bestürmt, lässt der Fürstensohn den Blick mehrmals abschätzend über die vor ihm Versammelten schweifen, vielleicht um sich die Zeit zu verschaffen, die ernst gemeinten Anfragen vom Spott zu sortieren. Vielleicht ist er es auch einfach nicht gewohnt, dass Fremde ihn so formlos ansprechen und bedrängen, ihm gar—ohne sich vorzustellen oder ihren Rang kundzutun—Vorschläge unterbreiten, die in ihrer Direktheit Anweisungen ähneln. Doch anstatt dies anzusprechen, schluckt er sichtbar, und nur an seiner säuerlichen Miene lässt sich erraten, wie ihm das geschmeckt hat, was er da gerade ungesagt schlucken musste.

"Also erst einmal stimmt es nicht, dass die Klostertore seit einer Woche geschlossen sind", widerspricht er zunächst der Elbin. "Als mich gestern ein Auftrag meines Vaters dorthin führte, wurde ich eingelassen, und mir ist auch nichts Ungewöhnliches dort aufgefallen. Wenn ihr eure Zeit unbedingt verschwenden wollt, reitet dorthin und überzeugt euch selbst. Haben die Leute hier im Dorf euch etwa erzählen wollen, die Priester seien alle tot? Ich frage mich, woher sie das wissen wollen, wenn sie ihre Häuser nicht verlassen und sogar die allernötigste Arbeit auf den Feldern liegenlassen."

Das letzte klingt ein wenig scharf, doch sofort hält er inne, als schelte er sich selbst, und fährt darauf in gemäßigterem Ton fort: "So fromm die Leute hier auch sind, so abergläubisch sind sie gleichzeitig. Hinter jeder Dürre, jeder Krautfäule, jeder Mutterkorn-Vergiftung, jedem verendeten Schaf wird gleich dämonisches Tun oder zumindest ein Hexenwerk vermutet. Was soll es diesmal gewesen sein? Woran starben der Gaul dort und das Schwein da drüben: Dämonenseuche oder bösem Zauber?" Sein tiefer Seufzer kommt von Herzen. "Auch wenn man es ihnen so recht eigentlich vielleicht nicht verdenken kann. Die Angst sitzt uns allen im Nacken." Mit einer halben Drehung des Kopfes deutet Uther nach Süden, Richtung Gjolkard-Wall, momentan natürlich nicht zu sehen, da man direkt vor einer Häuserreihe steht.

"Zweitens haben die Mönche längst die Ursache für die Verunreinigung des Flusses gefunden und beseitigt—eine unglückliche Anhäufung von Tierkadavern auf halber Strecke zwischen Kloster und Dorf, geschuldet dem Sturm und einem Dummkopf, der seine Schafe nicht sicher genug untergebracht hat, sodass der Bach, als er über die Ufer trat, die halbe Herde mitriss. Drittens sind zehn der zwölf Gefolgsleute meines Vaters bereits seit fünf Wochen unterwegs, um die Räuberbande zu jagen, die hier ihr Unwesen treibt. Vor acht Tagen kam Rapport, man sei endlich dem Lager auf die Spur gekommen, von dem aus die Angriffe gestartet würden—seither nichts mehr. Und dabei ist es nur eine Tagesreise dorthin. Also wenn Fürst Ayrin euch tatsächlich damit beauftragt hat, nach verschwundenen Karawanen zu fahnden—endlich jemanden, es wurde auch Zeit!—dann tut doch bitte genau dies, statt nach den Ursachen der 'Dämonenseuche' zu suchen, welche nur in den Köpfen der Leute existiert. Ich kann euch alle Information mitgeben, die mich bisher erreicht hat, und einen Mann, der die Gegend kennt und euch zum vermuteten Räuberversteck führen kann. Was sagt ihr?"

Uther bemüht sich sogar um ein Lächeln.

~~~

"Halt!" ruft Solveig noch, da hat Tristan schon die Tür aufgestoßen und einen Schritt in den Raum dahinter getan. Er befindet sich in einer Schlafkammer. In einer sehr unordentlichen Schlafkammer. Das Bett ist wild durchwühlt, überall, auch auf dem Boden verstreut, liegen weibliche Kleidungsstücke. Das heißt, wenn man etwas genauer hinschaut, sind sie zu einem gewissen Anteil mit männlichen vermischt. Womöglich gehörten diese dem bereits erwähnten Jan, der in der Sturmnacht leider nicht hier gewesen ist, dem Solveig aber den Mut zutraute, zum Kloster zu eilen, um nach dem Rechten zu sehen?

Viel zu lange steht Tristan da, vor diesem eindeutig privatem Refugium. Da er sich für einen gänzlich anderen Anblick gewappnet hat, benötigt er einfach so lange, um das Gesehene zu verarbeiten und den richtigen Schluss daraus zu ziehen: Rückzug! Bevor die Tür aber wieder ins Schloss fällt, bemerkt er noch den großen Spiegel an der Wand direkt über dem Bett. Ein schönes Stück mit filigran verziertem Silberrahmen. Als erfahrener Seeräuber fragt er sich nicht: Wo hat Solveig den her? sondern nur: Was mag der wert sein? Auf so kurzen Blick schwer zu schätzen. Von dem Erlös jedenfalls wären Lîf und er mühelos bis zu ihren Eltern gekommen. Bei sparsamem Wirtschaften hätte man wahrscheinlich ein halbes Jahr davon leben können.

"Entschuldigung", sagt er. "Ich hatte geglaubt, die dicke Dana befände sich dahinter."

Solveig antwortet nicht sofort. Sie hat genug damit zu tun, nach Luft zu schnappen.

"Hinten", bringt sie schließlich hinaus, "im Garten. Beerdigt. Hätte sie lieber verbrannt, aber Feuerbestattungen sind hier verboten. Heidnischer Brauch. Böse! Das Verbrennen von lebendigen Hexen dagegen ist natürlich gottgefällig." Luft ein. Luft aus. Luft ein. Der Blick streift Lîf, doch selbst das lässt Solveigs Miene nicht milder werden. Diesmal nicht. "Eine Schaufel findest du im Verschlag hinter meiner Hütte. Bedien dich! Richtung Meer, gleich bei den Dornensträuchern, da musst du graben!"

Lîfs erste Frage scheint Solveig darüber völlig vergessen zu haben. Und Tristans sowieso.
« Letzte Änderung: 17.02.2017, 15:29:11 von Gaja »

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #62 am: 15.02.2017, 09:55:11 »
Aeryn stutz zunächst, als der Sohn des Fürsten seine Erklärungen darbietet. Es klang alles ein wenig zu gut, um wahr zu sein. Frida hatte ihnen erzählt, dass sie am Tag nach dem Sturm beim Kloster waren und seitdem wahrscheinlich nicht mehr. Vielleicht gab es tatsächlich eine einfache Erklärung dafür, dass die Klostertore an diesem Tag verschlossen waren und die Priester bis heute nicht ins Dorf gekommen sind. Vielleicht ging dort wirklich alles seinen normalen Gang und Prinz Uther hatte die Wahrheit gesagt.

Ihre erste Reaktion ist ein Blick in Fridas Richtung. Sie hatte ihnen schließlich erzählt, dass das Kloster geschlossen war. Wie reagierte die Frau auf Uther Villags Worte, die sie im Prinzip der Lüge bezichtigten? Sie hatte zumindest bislang nichts dazu gesagt. Im Endeffekt würden sie sich selbst ein Bild machen müssen, aber da kommt Aeryn ein Gedanke, etwas was Fürst Ayrin ihnen mit auf den Weg gegeben hatte.

"Das sind gute Nachrichten, Prinz. Ihr solltet es den Leuten nachsehen, wenn sie in Zeiten wie den unseren, in denen Dämonen von allen Seiten in unser Land eindringen, ihr Wirken überall dort sehen, wo eine einfachere Erklärung bislang nicht vorhanden ist. Natürlich werden wir uns dieses Räuberversteck ansehen, deswegen sind wir schließlich hier. Aber zunächst sollten wir zum Kloster, um mit dem Abt zu sprechen, so wie Fürst Ayrin es uns aufgetragen hat. Vielleicht wollt ihr uns ja begleiten?"

Dass sie gewisse Zweifel an seinen Worten hat und diese durch einen Besuch beim Kloster überprüfen will, sagt die Elbin natürlich nicht. Aber sie ist gespannt darauf, wie er reagieren wird. Wird er ihnen ausreden zum Kloster zu gehen, die Dringlichkeit der Räuber in den Vordergrund stellen? Etwas in dieser Richtung würde sie jetzt eigentlich erwarten. Außerdem ist da immer noch Frida, vielleicht hat die Bäurin auch noch etwas zu dem Gespräch beizutragen.

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #63 am: 17.02.2017, 14:45:49 »
Abdo blickt sich um: Was er sieht, konterkariert die beschwichtigenden Worte des Edelmannes. Selbst wenn er mit seinen Aussagen recht hat, durfte das doch keine Entschuldigung dafür sein, diesen Leuten hier nicht zu helfen. Denn dass hier Krankheit und Elend herrschen ist offensichtlich. Was der Mann sagt, passt jedoch zu Abdos Vermutung, dass irgendwo etwas den Fluss verseucht hat. Wenn das Problem nun tatsächlich gelöst ist, umso besser.

Dennoch erinnert er sich auch an die Worte des Fürsten, der das Geschlecht der Villag mehr oder minder als unwichtige Provinzler beschrieben hat, die unter der Fuchtel der Mönche im Kloster standen. Daher stimmt er Aeryn zu, dass sie zunächst mit dem Abt sprechen sollten.
"Das ist richtig, unser Auftrag lautet, zunächst mit dem Abt zu sprechen. Am besten schickt Ihr Euren Mann mit uns mit, so dass wir uns im Anschluss direkt zu den Räubern aufmachen können. Dennoch wäre es gut, wenn jemand helfen würde, hier aufzuräumen und die Dorfbewohner zu beruhigen. Wenn Ihr keine Männer entbehren könnt, sollten wir anpacken. Umso schneller können wir uns unserem eigentlichen Auftrag widmen. Am besten wird es sein, außerhalb des Dorfes einen Scheiterhaufen zu errichten, auf dem wir die verseuchten Tierkadaver verbrennen können."

Abdo sieht sich noch einmal um und blickt dann erwartungsvoll zu seinen Gefährten. Weitere Worte erscheinen ihm überflüssig, nun müssen Taten folgen.
« Letzte Änderung: 21.02.2017, 15:27:52 von Abdo al'Mbabi »

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #64 am: 18.02.2017, 15:12:23 »
Als Tristan auf die Tür zu tritt und Solveigs Ruf hinter ihm erschallt, schaut Lîf auf. Auch sie öffnet den Mund und rafft schon ihr Kleid, um ihm energischen Schrittes nachzugehen, da hat er die Tür bereits geöffnet. Mühsam beherrscht presst sie die Lippen zusammen. Männer..!! Konnte er seine Ungeduld nicht zügeln?! Sie brauchen doch das Vertrauen ihrer Schwester im Glauben dringend – und da platzt er einfach so ohne deren Erlaubnis in diesen Raum hinein... Sie schließt für einen Moment die Augen und seufzt lautlos, da er viel zu lange in der Türöffnung stehen bleibt und Solveigs Empörung so offensichtlich wird, dass man keine empathische Begabung braucht, sie zu spüren. "Ich entschuldige mich bei dir für Tristans Voreile, Schwester. Er meinte es gewiss nicht respektlos, sondern wollte nur helfen" sagt sie leise zu Solveig gewandt. Es kratzt schwer an ihrem Stolz, um Verzeihung für den Fehlgriff ihres Mannes zu bitten, doch alles andere wäre ein Hemmnis für die Ausübung ihrer Pflichten als Heilerin an diesem Ort.

Daher schluckt sie ihren eigenen Zorn mit einiger Mühe hinunter, blickt zwischen beiden hin und her und bringt es zu ihrer eigenen Überraschung fertig, in sanftem Ton zu ihm zu sagen: "Bitte, schließ die Tür wieder, Mann. Wir müssen unsere Gastgeberin und ihre Wünsche achten." Dann schaut sie zurück zu Solveig. Immerhin hat sich nun auch Tristan bei ihr entschuldigt, und einen sehr großen Schaden – abgesehen von der Verletzung der Gefühle der Frau – hat er nach Einschätzung des Rotschopfs ja nicht angerichtet. Kaum merklich nickt sie ihm beruhigend zu, als die Hexe ihn anfährt, denn sie weiß, dass er fast ebenso stolz und reizbar sein kann wie sie selbst. "Vielleicht kannst du ja den anderen draußen helfen? Das hier im Haus ist Weiberarbeit, also überlass es am besten uns Weibern." Um doch noch eine Antwort zu erhalten, aber auch um die Wogen noch weiter zu glätten[1], wendet sie sich schließlich wieder an Solveig: "Diese Seuche – bitte, ich möchte gern alles darüber wissen, damit ich helfen kann."
 1. Falls ich Diplomatie oder ähnliches würfeln soll, bitte bescheid sagen

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #65 am: 19.02.2017, 14:32:59 »
Freydis erkennt das Wappen der Villag sofort als sie mit Abdo und Hjalmar zum Dorfplatz zurückkehrt.
Normalerweise würde sie das Wappen eines kleinen nicht Albionschen Klans nicht umbedigt erkannt haben,
Aber erstens herrschen die Villag über den Ort an dem angeblich der Prophet des einen Gottes dass erste mal Dalaranschen Boden betreten hat und zweitens hat Soren, "der Vielgeliebte" sich einen zweifelhaften Ruf erworben.[1] "Fünf Ehefrauen, aber nur ein überlebendes Kind." ginng ihr durch den Kopf was sie über den alternden Fürsten Soren gehört und gelesen hat. "Das ist dann wohl Uther, der Erbe, über dreißig, seit was, drei Jahren?, verheiratet und noch kein Erbe bekannt? - der letzte aus einem sterbenden Haus, und wenn das hier typisch für die Art ist wie sich die Villag um die Menschen unter ihrer Obhut kümmern, können sie kaum früh genug aussterben." denkt sie verächtlich. Weder ihr Vater noch ihr Bruder hätten solche Zustände je in Edthgo-Landen geduldet, weder die Unordnung noch die Unwissenheit und den Aberglauben der Bevölkerung. "Allerdings würde Redwald seine Autorität auch nicht von eine Horde hergelaufener Mönche und Priester unterwandern lassen, wie Soren es getan hat. - und wenn das hier typisch für den "Segen" des einen ist, dann möge Gaja Albion und Dalaran davor bewahren."
Skeptisch und eisig musster sie den Erben des Hauses Villag als dieser sich und sein Haus rechtfertigt.
Zu gerne würde sie ihn fragen, warum, wenn die Ursache der Pestilenz bereits bekannt und beseitigt ist, erst jetzt jemand die Dörfler informiert und von ihrer Panik erlöst. Warum keine Hilfe im Dorf ist die beim Aufräumen und bei der Pflege der Kranken und der Beerdigung der Toten hilft. Aber erstens würde das wohl kaum helfen und zweitens ihre eigene Tarnung gefährden. Sie hat nicht die Absicht, sie leichtfertig als Adelige zu erkennen zu geben. Also überlies sie Abdo das Wort. Als der aber vorschlägt das Kloster aufzusuchen schüttelt die Berührte den Kopf. Sie wird sich nicht frewillig in die Gewalt einer Horde Fanatiker des einen Gottes begeben, schon gar nicht inmitten einer Krise in der die Herren fast sicher nach einem passenden Sündenbock suchen. "Ich bezweifle sehr, dass ich in dem Kloster willkommen wäre. Ich bleibe lieber hier und helfe Solveig und Liv wo ich kann."
 1. Knowledge Nobility 20. Komplette Antwort, s. hier. [Edit Gaja].
« Letzte Änderung: 04.03.2017, 10:42:49 von Gaja »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #66 am: 19.02.2017, 17:44:44 »
Es wird vieles gesagt, vieles wohl auch verschwiegen. Besonders Freydis scheint für jedes Wort, das sie ausspricht, fünf zu verschweigen, denkt sich Aeryn. Aber ihr besonderes Augenmerk gilt Frida und deren Reaktion auf die Neuigkeiten. Das Gesicht der einfachen Bauersfrau zeigt eine Abfolge von Gefühlen. Offenbar hat sie nie gelernt, diese zu verbergen. Bei Uthers Worten weiten sich zunächst ihre Augen und der Mund steht ihr offen, als traue sie ihren Ohren nicht, was sie da zu hören bekommen. Dann schaut sie verwirrt. Dann verunsichert. Dann runzelt sie die Stirn, als denke sie nach. Der verwirrte Ausdruck kehrt zurück, dennoch schüttelt sie leicht den Kopf. Als im Gespräch eine längere Pause entsteht, öffnet sie den Mund und holt tief Luft, doch nach einem Blick in Uthers Richtung schließt sie ihn wieder und sieht zu Boden.

Uther beachtet die Frau nicht, sondern schaut die Gesandten aus Kromdag einen nach dem anderen an. Etwas scheint ihn zu ärgern, denn seine Miene wird schon wieder säuerlich. Nur kurz lässt er die vier über den Grund rätseln, dann platzt er heraus: "So, euer Auftrag lautet also, zunächst mit dem Abt zu sprechen! Nicht mit dem eigentlich zuständigen Fürsten! Wer hat denn dem Haus Bulvaj einen Treueeid geleistet: Halfir oder Vater?"

Freydis muss zweimal hinschauen, um sich sicher zu sein, dass dem Mann dabei kein Geifer von den Lippen tropft. Da scheint einer ihre Meinung über Pfaffen zu teilen! Ihre Blicke treffen sich. Ein seltsames Gefühl der Vertrautheit verbindet Freydis auf einmal mit dem ihr fremden Mann—trotz oder vielleicht wegen der abfälligen Gedanken, die sie sich vor einem Augenblick über ihn und sein Haus gemacht hat. Doch dann ist das Gefühl auch schon wieder verflogen.

Leicht errötet, fährt Uther fort: "Schön, wenn das euer Auftrag ist, dann will ich euch da nicht reinreden. Aber zum Mitkommen sehe ich keinerlei Anlass. Was ich dagegen tun kann: hier im Dorf für das Verbrennen der Tierleichen zu sorgen. Ihr wollt nicht wirklich den halbverwesten Gaul da bis zum Dorfrand schleppen? Helft mir nur, ihn hier in die Mitte des Platzes zu zerren, und das Schwein dazu, dann sollen die Leute hier Stroh und Feuerholz rausgeben, und schon ist die Sache erledigt. Schau nicht so erstaunt, Frida. Ich bin kein Tattergreis wie mein Vater, ich kann mitanpacken."

Und er krempelt sich bereits die Ärmel hoch.

"Und wegen des Räuberlagers... Heute wollt ihr da bestimmt nicht mehr los." Er nickt in Richtung Sonne, die bereits deutlich im Westen steht. "Ich schicke euch also morgen meinen Mann hierher ins Dorf. In den 'Bunten Hahn'?"

~~~

Solveig schickt Tristan noch einen bösen Blick hinterher, dann schüttelt sie den Kopf und gleichzeitig damit den Ärger ab. Zumindest glättet sich ihre Miene und ihre Stimme klingt ruhig, als sie Lîf antwortet.

"Ich habe dir schon fast alles gesagt, was ich weiß. Am schlimmsten gewütet hat die Seuche unter dem Vieh, da ist gut die Hälfte verreckt, nämlich alles Vieh, das am Bach getränkt wurde. Das, welches nur Regenwasser bekam, blieb bis jetzt verschont. Dafür findet man überall wilde Tiere, Eichhörnchen, Hasen, Marder, Füchse, Bachstelzen—alle verendet. Sogar die Ratten. Von den Leuten im Ort hat es ein gutes Dutzend dahingerafft. Einzelheiten weiß ich aber nur von den dreien, die meine Hilfe suchten. Dana kam als erstes zu mir. Drei Tage nach dem Sturm habe sie am Bach Wäsche gewaschen, erzählte sie. Plötzlich sei das Wasser, ihre Hände, die Wäsche, alles schwarz gewesen. Ein schwarzer Teppich sei da auf dem Bach geschwommen, wie Algen oder Öl, aber es sei weder noch gewesen, obwohl es sich ähnlich widerlich anfühlte. Wäre sie nicht so auf ihre Arbeit vertieft gewesen und hätte früher einmal davon aufgesehen, hätte sie den Teppich vorher bemerkt und würde vielleicht noch leben..."

An dieser Stelle schleicht sich ein Zittern in Solveigs Stimme und sie wendet sich ab. Eine geraume Weile bleibt es still, da mischt der graue Barnas sich ein. "Es war nicht deine Schuld, Mädchen. Du hast getan, was du konntest—und was du musstest." An Lîf und Tristan gewandt, erklärt er noch: "Vorletzte Nacht ist's passiert und dieser Nichtsnutz von Jan war natürlich wieder nicht da. Wie immer, wenn man ihn braucht."

"Weil ich ihn zum Kloster Hildridsrast geschickt habe!" protestiert Solveig, herumwirbelnd.

Der Alte lacht. Genau diese Reaktion hat er offenbar erreichen wollen.

"Jetzt unterbrich mich nicht ständig", schimpft Solveig und fährt, nach kurzem Nachdenken, nahtlos in ihrer Erzählung fort: "Bei Barnas war's ähnlich. Eins seiner Schafe war ins Wasser gestürzt, er ist hinterher und fand sich plötzlich in so einem schwarzen Giftteppich. Du siehst, was das bedeutet, nicht wahr? Man muss das Gift nicht einmal trinken, es wirkt schon bei Hautkontakt. Barnas ist sich zwar nicht sicher, ob ihm nicht Spritzer in den Mund gekommen sind, aber Dana hatte bloß ihre Hände im Wasser. Und Ilf, Ilf hat seinen nassen Hund gestreichelt, der im Bach geschwommen war. Da war es allerdings schon dunkel, ihm ist im Wasser also nichts aufgefallen, aber daheim hat er entdeckt, dass das Fell des Tieres mit schwarzem Schleim bedeckt war.

Man kann also fast verstehen, warum die Leute sich nicht mehr aus ihren Hütten trauen. Das alles ist so seltsam. Die pilzbefallenen Gärten auf der dem Bach zugewandten Seite des Dorfes—wie soll man die erklären? Und Danas Verwandlung! Sie war nackt, muss sich selbst die Kleidung vom Leib gerissen haben, und ihre Haut war schuppig oder borkig, jedenfalls ganz hart, fast wie ein Lederpanzer. Und stark war sie plötzlich. Gekreischt hat sie, das einem das Blut in den Adern stockte, aber kein Wort gesprochen. Nur tierhafte Laute von sich gegeben. Und sie war... sie war... hungrig. Sie hat mir Krallen in den Arm geschlagen und wollte mich in die Kehle beißen."


Zum Beweis schiebt Solveig ihren rechten Ärmel hoch und lockert auch den Verband darunter. Drei parallele, frisch verschorfte Kratzer finden sich darunter. Der Verband geht vom Ellebogen bis fast zur Schulter hoch.

"Jedenfalls weiß ich mir auch keinen Rat mehr. Deshalb habe ich Jan vorgestern mittag, noch bevor das mit Dana passierte, ins Kloster Hildridsrast geschickt. Dort gibt es Heilerinnen. Echte Heilerinnen, keine solche Quacksalber wie die Mönche vom Kloster hier, die einem Menschen bei gebrochenem Arm noch Buße und viel Beten verordnen würden. Aber die Reise nach Hildridsrast dauert anderthalb Tage hin und ebenso viele zurück. Jan kann frühestens morgen mittag zurück sein. Ich hoffe, er kommt mit einer Heilerin zurück. Oder mit einem halben Dutzend. Oder mit Brid. Ja, ich hoffe, er bringt Brid mit."

Dann ergreift sie plötzlich Lîfs Hände. "Ich bin froh, dass du hier bist, Schwester! Du hilfst mir, ja? Ich kann eben nur an einem Ort sein. Solange ich mich um meine Patienten kümmere, kann ich nicht nachschauen, was da los ist am Bach. Ich hab ja versucht, die Männer im Dorf zu organisieren, aber es hat keiner auf mich gehört. Und Jan ganz allein den Bach hinaufschicken, wollt' ich auch nicht. Aber ihr seid zu siebt! Ihr könntet nachschauen! Sechs zum Schutz und eine, die weiß, wonach sie ausschauen muss! Werden die anderen auf dich hören? Du musst ihnen klar machen: alles, was wir über die Ursachen herausfinden, bevor die Hilfe von Hildridsrast eintrifft, kann die Suche nach einem Heilmittel nur beschleunigen und damit Leben retten!"
« Letzte Änderung: 20.02.2017, 12:24:46 von Gaja »

Tristan

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Der Weihort
« Antwort #67 am: 19.02.2017, 20:50:04 »
Tristans erste Reaktion auf Solveigs Schelte und, schlimmer noch, die Ermahnung seiner Frau ist tatsächlich der Gang zur Haustür. Schön, wenn er Danas Leiche ausgraben soll, um eine Antwort auf seine Frage zu erhalten, dann macht er das halt! Aber wieso entschuldigt Lîf sich für mich? fragt er sich, als hinter ihm die Tür ins Schloss knallt, dass die Hütte wackelt. Als sei ich ein kleines Kind, das es eben noch nicht besser weiß! Dabei hatte ich mich doch längst selbst entschuldigt. Das muss ja wohl reichen! Hatte der schöne Karl am Ende doch recht, als er meinte, ich hab' mein Weib nicht im Griff? Darf man sich als Mann so etwas gefallen lassen?

Auf halbem Weg um die Hütte herum gelangt Tristan zu dem Schluss: Sie schämt sich meiner. Eine Last bin ich ihr. Ihr rüpelhafter Inselmann, der sich so gar nicht zu benehmen weiß. Keine Tischmanieren, der grobe Kerl, und außer Plündern nichts gelernt! Am liebsten wäre sie mich los.

Als Tristan vor dem erwähnten Werkzeugverschlag ankommt, meldet sich sein Verstand zurück. Zunächst mit dem dringenden Zweifel, ob die Heilerin ihre Aufforderung zum Ausgraben der Leiche ernst gemeint hat. Zum zweiten: Lîf hätte ihn in Kromdag verlassen und sich das letzte Stück zu ihrer Familie mit Leichtigkeit allein durchschlagen können. Wenn sie es gewollt hätte. Also wollte sie es nicht. Vor einer Woche zumindest wollte sie es noch nicht.

Tristan kehrt in die Hütte zurück. Dort erzählt Solveig gerade von einem schwarzen Schleim, der im Bach schwamm, als der graue Barnas ein Schaf aus dem Wasser retten wollte. Tristan lehnt sich mit verschränkten Armen gegen die Wand und lauscht. Ab und zu schaut er zu dem kranken Jungen hinüber. Er schläft. Sogar halbwegs ruhig. Nur ab und an wirft er stöhnend den Kopf herum.

Als Solveig bei ihrer Bitte angelangt, tritt Tristan neben seine Frau. "Einer hört auf sie", sagt er. Das meint er ernst trotz der Selbstironie, die in seinen folgenden Worten mitschwingt: "Das haben wir dir ja soeben vorgeführt." Zu Lîf gewandt fügt er hinzu—in einem Tonfall, den sie nicht zu deuten vermag: "Bitte, wenn du hier dann alles geklärt hast—ich muss mit dir reden. Ich wart' draußen."

Diesmal zieht er die Haustür leise hinter sich zu.
« Letzte Änderung: 19.02.2017, 21:05:24 von Tristan »

Hjálmarr

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Der Weihort
« Antwort #68 am: 20.02.2017, 12:52:50 »
Prinz Uthers Worte klangen wie eine hohle Ausrede und der klägliche Versuch einer Vertuschung der wahren Umstände, doch kann Hjalmarr nicht mehr in seinem Blick und seiner Gestik lesen. Das Einzige, auf was er sich stützen kann, ist sein Bauchgefühl. Als der Adlige so erzürnt auf den Besuch im Kloster reagiert, muss der Lesdager grinsen.

"Wer sagt denn, dass wir nicht wünschen, auch mit eurem Vater Soren zu sprechen. Der Dritte seines Namens, oder war es doch der Vierte?" rezitiert er hämisch Fürst Ayrin, "Wie dem auch sei, wir befolgen nur die uns dargelegte inoffizielle Rangfolge und sprechen daher zuerst mit dem Abt des hiesigen Klosters." fügt Hjalmarr kaltschnäuzig hinzu, wohl weißlich um den Prinzen noch etwas mehr aus der Reserve zu locken.

Er hustet und wischt sich mit der Rückhand über die schreckliche Narbe, ehe er wieder mit gewohnter düsterer Miene weiter fortfährt. "Unser Auftrag dient nicht dazu, den Treueeid eurer Familie oder die Aufrichtigkeit der Behadrim auf die Probe zu stellen. Wir sind hier, um für eure Probleme eine Lösung zu finden und dabei ist es dienlich jede Möglichkeit oder Verbindung zu ergründen, das seht ihr sicher ähnlich."

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #69 am: 20.02.2017, 13:23:52 »
Noch ein wenig verunsicht ob des plötzlichen Wutausbruchs, der wahrscheinlich sogar mehr den Behadrim als ihnen galt, findet Aeryn im Verlauf des Gesprächs doch, dass Prinz Uther scheinbar auch eine ganz anständige Seite hat. Jedenfalls ist die Elbin für's Erste mit seinen Worten zufrieden und nickt diesem zu.

"Hervorragend! Das halte ich für eine sehr gute Idee," kommentiert sie seinen plötzlichen Arbeitseifer und das Angebot, den Führer am Morgen ins Dorf zu senden, der ihnen helfen soll, das Räuberlager zu finden.

Dass er seinen eigenen Vater als 'Tattergreis' bezeichnet zeugt zwar nicht gerade von viel Respekt, aber viel weiter denkt Aeryn darüber auch nicht nach. Wichtiger sind ihr die Dinge, die hier geschehen müssen, damit den Leuten geholfen werden kann. Und genau das dürfte jetzt ja passieren.

Die Waldläuferin versucht währenddessen noch einen Sinn in Fridas Reaktionen zu bringen. Sie würde mit der Frau nochmal unter vier Augen sprechen müssen. Irgendetwas war da noch, was ihr nicht ganz ins Bild passte, und sie hat auch schon eine Idee, was das sein könnte. Aber das hat Zeit für später.

"Und wie bereits gesagt, ist es unser konkreter Auftrag, mit dem Abt zu sprechen. Und natürlich auch mit eurem Vater, ..."

... dem 'Tattergreis', ... fallen ihr Uthers Worte in diesem Moment wieder ein.

"... wobei ich nicht annehme, dass er uns viel mehr sagen können wird als Ihr es gerade getan habt. Aber natürlich ist ein Besuch schon rein aus Höflichkeit angebracht. Vielleicht morgen, nachdem wir hoffentlich mit der Hilfe Eures Mannes das Räuberlager ausfindig gemacht haben. Mit etwas Glück können wir dann ja schon eine gute Nachricht überbringen."

Eher an ihre Gefährten als an Prinz Uther gewandt, sagt die Waldläuferin noch: "Zum Kloster hingegen würde ich gerne noch heute gehen, wir sollten uns beeilen, die Sonne steht schon tief."

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #70 am: 21.02.2017, 16:36:53 »
Nachdem es aus Abdos Sicht keinen Grund für weitere Diskussionen gibt, beginnt er ohne Umschweife, dem Fürstensohn zu helfen, die Kadaver auf einen Haufen zu zerren. Mit nacktem Oberkörper, um sein Hemd nicht durch die Fäulnis der meist von Insektenscharen bedeckten Tiere zu ruinieren, beginnt er schnell ob der Anstrengung zu schwitzen und muss Uther nachträglich zustimmen, dass es besser ist, das Feuer hier in der Nähe aufzuschichten. Zwar wird der Gestank des verkohlenden Fleisches für die Dorfbewohner sicherlich keine angenehme Sache sein, doch wenn sie heute noch zum Kloster gelangen wollen, dürfen sie keine Zeit verlieren. Durch den gemeinsamen Einsatz kommen sie immerhin schnell voran.

Während der Arbeit gehen Abdo vor allem Gedanken über das sogenannte Kloster durch den Kopf. Während seiner ersten Zeit in Dalaran wurde natürlich auch über sein Leben in Ya'Kehet gesprochen, und nachdem Abdo ihm von seinem Orden erzählt hatte und worin seine Aufgabe bestanden hatte, hatte Leif gesagt, dann sei er wohl ein Mönch. Das Wort hatte Abdo bis dahin natürlich nie gehört und Leifs Aussage daher einfach hingenommen, aber inzwischen, nach dem, was er zwischen den Zeilen so über diesen hiesigen Orden aufgeschnappt hat, ist er sich nicht mehr so sicher, ob die Beschreibung wirklich auch auf ihn passen würde. Zumindest ist er gespannt, was ihn dort erwartet - mit Sicherheit etwas anderes als sein Orden zuhause.

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #71 am: 22.02.2017, 21:22:34 »
"Hm, geht Dir also doch gegen den Strich wie die Behadrim hier die Macht und Autorität übernommen haben, die Du eigentlich eines Tages erben solltest." denkt sich Freydis beim Ausbruch des Prinzen.
Der hatte allem Anschein doch mehr Mumm und Tatkraft in den Knochen als sein Vater, aber hatte er die Wahrheit über die Ursache der Vergiftung und ihre Beseitigung gesagt? Oder war die Schafherde nicht die Ursache sondern blos das erste Opfer der Vergiftung gewesen? Mit eisgrauen Augen mussterte die Berührte den[1]. Es wollte irgentwie  nicht so recht zu seiner Geschichte passen, dass erst jetzt jemand im Dorf nach dem rechten sieht.
"Und wenn er lügt, oder die Möche ihn belogen haben, komme ich wohl nicht umhin mit ins Kloster zu gehen, abers selbst wenn, sei Vorsichtig und lass sie nicht wissen was Du bist wenn es nicht umbedingt sein muss." antwortet die warnende Stimme der alten Undis.
Ihr Blick fällt auf das herrenlose Pferd, dass Lív bei ihrer Ankunft beruhigt hatte. Der Braune steht immer noch angebunden am Pfahl an dem auch Freydis ihr Pferd angebunden hat ehe sie Lív und den anderen zur Hütte der Heilerin gefolgt ist. Sie lächelt kalt.  Hier ist ein Weg den Prinzen und seine Geschichte auf die Probe zu stellen.
"Prinz Uther, wisst ihr wessen Pferd dies ist? Es war schon hier bei unserer Ankunft und scheint mir nicht das Pferd eines Bauern zu sein. Und wenn ihr niemanden hergeschickt habt, wo ist sein Reiter?"
 1. Sense Motive: 13
« Letzte Änderung: 22.02.2017, 21:25:23 von Freydis »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #72 am: 23.02.2017, 19:32:58 »
Schweigend hört Lîf den Schilderungen Solveigs zu und versucht sich auf deren Worte zu konzentrieren. "Ein schwarzer Teppich... wie Algen oder Öl..." murmelt der Rotschopf nachdenklich und lässt eine lange, matt schimmernde Haarsträhne mehrmals durch die schlanken Finger gleiten. Schließlich nickt sie nachdenklich. "Du hast recht – das klingt sehr bedenklich, Schwester. Ich werde dir beistehen, so gut ich kann!" Mit offenkundiger Sorge mustert sie die sichtbar werdenden Teile der Kratzer am Arm der Gezeichneten, streicht mit den Fingerkuppen darüber und prüft, ob sie gut verheilen oder womöglich die Spuren eines unter der Oberfläche schwärenden Prozesses an sich tragen[1]. Sie wirkt noch immer besorgt, nickt aber nochmals tief, als Solveig ihre Hände ergreift. "Wir werden zusammenstehen, wie es der Wille der Göttin ist, Schwester" stellt sie fest, und ein weiches Lächeln gleitet wie ein Lichtstrahl über ihre ernsten Züge. "Eine gute Idee!" meint sie dann.

Auf Tristans wütenden Abgang hat sie derweil nur mit einem leisen Seufzer reagiert. Doch als er nun zu den beiden Heilerinnen zurückkehrt und klarmacht, dass er sie bei ihrer Aufgabe nicht allein lassen wird, kann sie nicht anders, als auch ihm ein Lächeln zu schenken, so warm, wie man es selten bei ihr sieht. Seine ironischen Worte kommentiert sie nicht, senkt nur kurz den Blick und verbirgt ein Schmunzeln. Doch seine Aufforderung, ihm zu folgen, lässt sie wieder ernst werden und nicken. "Ja. Ich komme gleich" meint sie leise und ohne die in letzter Zeit häufig demonstrierte Bissigkeit, und ihr Blick folgt ihm, bis er die Tür hinter sich geschlossen hat. Mit einer Miene, in der sich so unterschiedliche Gefühle mischen, dass sie schwer zu deuten sind, wendet sie sich Solveig zu. "Er ist ein guter Mann, im Grunde seines Herzens. Wir streiten oft, aber an Tagen wie heute tut es mir aufrichtig leid. Manchmal denke ich, er hat ein besseres Weib verdient. Sanfter vielleicht..." Sie zuckt ratlos die Schultern.
 1. Heilkundewurf für die Einschätzung der Kratzer: 20

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #73 am: 23.02.2017, 20:13:27 »
Als die Männer zu Werk gehen, um die Tierkadaver zu verbrennen, sieht Aeryn ihre Chance früher als erwartet gekommen, um nocheinmal unter vier Augen mit Frida zu sprechen. Sie geht auf die Bäurin zu und nimmt sie beim Arm, um mit ihr ein paar Schritte zu gehen. Dabei spricht sie leise zu ihr, Prinz Uther musste es nicht unbedingt mitbekommen, was sie mit ihr bereden wollte.

"Frida. Ich konnte nicht umhin, zu bemerken, dass Du sehr überrascht über die Ausführungen des Prinzen warst. Ich wüsste gern, was dahintersteckt. Du hattest ja gesagt, dass ihr beim Kloster gewesen seid, und dass ihr die Tore geschlossen vorgefunden hattet. Ich habe keinen Grund, an Deinen Worten zu zweifeln. Warst Du selbst dort? Oder hast Du es nur von anderen erfahren? Wenn letzteres, wer war beim Kloster, um dort nachzusehen? Wer hat die Kunde überbracht? Vielleicht... Vielleicht ist doch noch etwas mehr dran an dieser ganzen Sache, als Prinz Uther uns glauben lassen will. Ich wäre Dir auch sehr verbunden, wenn dieses Gespräch hier unter uns bleibt."

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #74 am: 24.02.2017, 15:29:46 »
Hjálmarrs erneute Spitzen tut der Fürstensohn diesmal mit einem Achselzucken ab. "Jedenfalls ist er der letzte mit diesem Namen, wenn er so weiter macht", kommentiert er trocken. Nur der ihn misstrauisch beäugenden Freydis fällt der Seitenblick auf, den Uther Hjálmarr im Fortgehen noch schenkt, und sie schließt daraus: Aha. Das hat er sich für später gemerkt.

Insgesamt weiß sie nicht so recht, was sie von Uthers Auftritt halten soll. Ein wenig pompös. Großspurig. Klar, er will zeigen, dass er Herr über die Lage ist—und ist's wahrscheinlich nicht. Wenn er die Wahrheit gesagt hat, dann waren es die Mönche des Klosters, die sich gekümmert haben, und ihnen wird die Dankbarkeit der Leute gelten. (Die fernen Räuber werden sie nicht halb so sehr interessieren, damit wird Uther sich die Herzen seiner Untertanen nicht erobern können, selbst wenn seine Männer die Missetäter stellen.) Hat er aber nicht die Wahrheit gesagt, müsste man sich nach dem Grund fragen. Ein naheliegender wäre, dass er der Panik ein Ende setzen will, welche die Leute von Ansdag hinter geschlossenen Türen festhält, während auf den Feldern die Wintergerste überreif auf ihre Ernte wartet. Viel gehört nicht dazu, sich die Hungersnot im kommenden Winter vorzustellen, wenn das Getreide verkommt. Aber das wäre nur Freydis' erster Gedanke, befände sie sich an Uthers Stelle. Ob er ein Mann ist, der das naheliegende sieht, kann sie nach so kurzer Zeit noch nicht beurteilen.[1]

Aeryns Zustimmung dagegen nimmt Uther mit einem wohlwollenden Nicken zur Kenntnis, auch wenn ihre folgenden Worte ihn die Stirn runzeln lassen, doch er entscheidet sich dagegen, die Elbin zu korrigieren[2]. "Mein Vater ist krank", erklärt er lediglich.

Dann macht er sich mit Abdo, Hjálmarr und Talahan zusammen an die Arbeit. Nachdem er rasch ein paar Seile aus einem nahen Stall besorgt hat, ist zunächst der Gaul und dann das Schwein dran. Zu dritt und dank der Seile hat man diese beiden Kadaver bald an die Stirnseite des Platzes geschafft, welche sich zur Dorfwiese öffnet, die sich ihrerseits bis zum Bach hin erstreckt. Der Platz ist gut gewählt. Die beiden am nächsten gelegenen Häuser sind Steinbauten und mit Holzschindeln gedeckt, nicht mit Stroh. Funkenflug sollte kein Problem sein, zumal kaum einmal ein Windhauch ihre überhitzten Gesichter erfrischt. Binnen Kürze sind alle vier nassgeschwitzt und der Kadavergeruch sitzt fest in ihren Nasen. Immer verlockender wird der Gedanke auf ein Bad im nahen Bach nach getaner Arbeit!

Nach dem Pferd und dem Schwein wird's einfacher. Die vier tragen zusammen: zwei Ziegen, drei Schafe und vier Lämmer, siebzehn Hühner und einen Hund. Letzteren hätten sie fast übersehen. In einem Verschlag für Feuerholz hat er sich in die hinterste und dunkelste Ecke verkrochen; Abdo, der ihn entdeckt hat, duckt sich hinein, befestigt das Seil an einem Vorderlauf und zieht das Tier ins Freie. Es ist ein großer, schwarzer Hütehund. Nein, fuchsbraun war das Tier einmal, doch sein Fell ist verklebt mit schwarzem, getrockneten Schleim. Ein zweiter Fund gelingt ebenfalls nur dank Abdos scharfer Augen: ein komplettes Rattennest.[3]

Uthers Versuche, weitere Helfer zu rekrutieren, schlagen leider fehl. Die Hitze, die dreckige Arbeit, das scheint ihm doch aufs Gemüt zu schlagen. Je öfters er Ausreden zu hören bekommt oder gar nur ein Kopfschütteln zur Antwort, desto mehr verliert er die Geduld mit den Leuten, desto deutlicher zeigt er seine Verachtung für die Feigheit und schicksalsergebene Untätigkeit der Dorfbewohner.

"Verdammt noch mal, seid ihr Männer oder was? Was glaubt ihr denn, wer euch und eure Familien schützen soll, wenn ihr selbst dafür nicht einmal einen Finger krumm macht!" platzt er schließlich heraus. "Nicht einmal so viel wollt ihr tun, ihr feigen Hunde!"[4] Zu seinen drei Helfern murmelt er errötend. "Ist doch wahr! Ganze drei Burschen im ganzen Ort waren bereit, bei der Räuberjagd zu helfen, dabei sind die Räuber eine Gefahr für alle. Immer dreister werden die Überfälle, immer näher wagen sie sich an Ansdag heran. Wo soll das enden? Und der gute Pater predigt derweil von der Kanzel herab, man solle auf den Schutz des Einen Gottes vertrauen, er helfe den Notleidenden und erhöre die Gebete der Schwachen. Von der irdischen Obrigkeit aber braucht man keinen Schutz erbeten, nein, man darf ihn fordern, dazu seien sie ja schließlich da! Ja wie, ganz ohne Männer, die mitanpacken? Allein soll ich die Räuberbande stellen? Wie lächerlich diese Forderung ist—und wie weit sie mit ihren Gebeten kommen— werden die Leute erst merken, wenn die Räuber demnächst vor Ansdag stehen!"

"Oh, keine Sorge", meldet sich Talahan unvermittelt zu Wort. "So weit wird Pater Halfir es nicht kommen lassen." Einen Schreckmoment lang starrt der Prinz ihn nur ungläubig an; offenbar überlegt er noch, ob er da recht gehört hat. Talahan wartet so lange, bis der Prinz zu einem Entschluss gekommen und sein Gesicht entsprechend dunkelrot angelaufen ist, bevor er nachsetzt: "Ist die Situation erst einmal so weit eskaliert, tauchen im letzten Moment die Krieger des Lichts auf und retten alle. Und die Bevölkerung jubelt ihren Rettern zu. Und die Retter bleiben. Zum Schutz."[5]

Die Erklärung lässt Uther erschauern. Drei Burschen, die im nahen Stalleingang lungern (und in deren Richtung Talahan vornehmlich gesprochen hat), scheinen nicht zu begreifen, wovon überhaupt die Rede ist. Sie rühren sich nicht.

Und so ist die einzige Hilfe, die man von den Dorfbewohnern einzufordern schafft, einige Karren Feuerholz, Stroh und ein kleines Töpfchen Fackelpech.

~~~

Bei all diesem Ärger verwundert es nicht, dass Uther den Zuruf Freydis', wem denn das Pferd gehöre, nicht mitbekommt. Antwort erhält sie trotzdem.

"Gehört 'nem Pilger", ertönt eine männliche Stimme hinter ihr. Als sie sich umdreht, sieht sie ein bärtiges Gesicht durch einen Spalt der Fensterläden lugen. "Vor neun Tagen bei uns abgestiegen. Gleich am nächsten Morgen auf zum Kloster, noch nicht zurück. Das Vieh ist uns letzte Nacht aus dem Stall getürmt. Vielleicht bringt Ihr's ums Haus? Hättet eine Übernachtung gut bei uns." Freydis' Blick geht nach oben, wo ein bunt bemaltes Schild, mit wohlwollender Phantasie, einen Hahn zeigt.

Derweil wird Aeryn am Arm in eine Ecke abseits aller Fenster- und Türöffnungen gezogen. Statt aber die Fragen zu beantworten, kommentiert Frida zunächst den Wutausbruch des Prinzen: "Geschämt habe ich mich für unser ganzes Dorf. Man kann von Uther halten, was man will, aber in der Sache mit den Räubern hat und hatte er recht. Zwei Dutzend Männer hätten wir ihm mitschicken sollen. Mindestens. Das ganze dumme Gerede über Zuständigkeiten. Zwei Burschen aus unserem Dorf waren beim letzten Handelstreck dabei, ihre Leichen derart in Stücke gehauen, dass die eigenen Mütter sie kaum wiedererkannten!"

Sie fängt sich wieder. "Am Tag nach dem Sturm waren wir beim Kloster oben, aber es hat uns keiner geöffnet. Seitdem wird nur geredet, wir sollten noch mal hin und einbrechen, falls sich abermals keiner zeigt, aber dann fingen die Probleme hier im Ort an und keiner traute sich mehr raus. Es könnte stimmen, was Uther sagt." Sie schaut unsicher. "Aber warum hat sich seither keiner der Mönche in Ansdag gezeigt? Warum ist Hensgars Pilger noch nicht wieder aufgetaucht? Und wieso..." sie schluckt, "wieso hat Ilf seine ganze Familie getötet? Wieso, wenn dies keine Dämonenseuche ist, hat er sich in einen Dämon verwandelt und seinen beiden Schwestern die Kehle durchbissen? Der Mutter mit bloßen Händen die Eingeweide aus dem Leib gerissen? Eine ersoffene Schafsherde soll das erklären können?"

~~~

So sehr Solveig bemüht ist, ihre Erleichterung zu verbergen, so wenig gelingt es ihr. Sie mag eine kompetente Heilerin sein, aber mit dieser Situation, so ganz ohne Unterstützung, wäre wohl jeder überfordert.

"Danke", sagt sie leise. Dann warnt sie noch einmal: "Aber fasst das Zeug nicht an, ja? Hast du feste Handschuhe? Sonst nimmt meine. Hier." Aus einem kleinen Schubladenschrank holt sie ein Paar dünner Handschuhe aus glattem, geschmeidigen Leder heraus und drückt sie Lîf in die Hand. Nur kurz wird ihr Blick skeptisch: als Lîf ihren Mann lobt. Ein Blick zur Tür, dann wieder zu Lîf. "Die meisten Männer haben nicht die Frau, die sie verdienen", lautet, doppeldeutig, ihre Schlussfolgerung.

Die Kratzer an Solveigs Arm scheinen gut zu verheilen. Aber erstaunlich tief sind sie! Das lässt sich mit 'langen Fingernägeln' auf jeden Fall nicht erklären, das sieht mehr nach einem Raubtier aus. Jedenfalls nicht infiziert, soweit Lîf beurteilen kann. Das darf man Solveig ja wohl auch zutrauen, dass sie Wunden zu reinigen weiß. Vielleicht wäre der Biss gefährlicher gewesen? Bei tollwütigen Tieren ist es ja so, dass der Biss—der Geifer in der Wunde—die Krankheit auf den Menschen überträgt. Und so wie Solveig die nächtliche Attacke beschrieb, war Dana ja wie toll gewesen und hat ihre Heilerin—ihre Freundin?—beißen wollen.[6]

Aber dann ist es Zeit zu gehen, will man heute noch den Bach hinauf und wieder zurück nach Ansdag. Schon im Gehen begriffen, erinnert Lîf sich an ihr Versprechen und händigt Solveig ihren gefüllten Wasserschlauch aus. Ihr Mann trägt zwei und morgen früh kann sie Gaja um die Gabe des Wassers bitten.[7]

"Viel Glück", verabschiedet sie sich von Solveig und dem Grauen Barnas.

"Dir auch", wünschen die beiden ihr.

Als Lîf vor die Hütte tritt, sieht sie ihren Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Schatten einer Eiche auf und ab marschieren.

 1. Freydis: Sense Motive 13
 2. Die anderen wissen, warum er die Stirn runzelt und was er hier nicht korrigiert: er sagte vorhin, dass es zum Räuberlager eine Tagesreise ist. Da kann man schwerlich am selben Tag abends beim Soren vorsprechen.
 3. Abdo: perception 24
 4. Uther: Diplomatie 8
 5. Talahan: Diplomatie 10
 6. Lîf: Heilkunde 20
 7. Nur ein Vorschlag: Tristan hat know direction, Lîf könnte diesen also verlustlos gegen Create Water eintauschen.
« Letzte Änderung: 09.06.2018, 11:16:46 von Gaja »

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