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Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 129539 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

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Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #570 am: 03.04.2018, 14:31:14 »
Nachdem er Jan ein schmales "Danke" erwidert hat, eilt Abdo weiter in Richtung des Zeltes, ohne weiter über die sarkastischen Kommentare des Mannes nachzudenken; seine Sorge um Talahan ist zu groß, als dass er sich darüber nun den Kopf zerbrechen könnte.

Abdo kann nicht sagen, was er erwartet hat, als er das Zelt betritt, doch das, was dort vor sich geht, verschlägt ihm den Atem. Waren es am Vortag noch die scheinbar vom Rest des Dorfes gemiedene Heilerin und gerade mal zwei Patienten, reicht Solveigs Hütte nun nicht annähernd für die Flut von Kranken - doch gleichzeitig schwirren zahlreiche Frauen in identischen Gewändern (der Schmuck deutet darauf hin, dass es sich um irgendeine religiöse Gruppe handelt) von einem Kranken zum anderen. Wie lange sind sie weg gewesen? Zwei Wochen?

Der erste Weg führt den Ya'Keheter zu Talahan, und die leise Hoffnung, die er hatte, dass Solveig ein Heilmittel gefunden hat, sieht er enttäuscht. Schlimmer noch: Nun ist offenbar auch Hjállmar unter den Kranken. Immerhin wirkt Talahan noch recht wenig mitgenommen von der Seuche; im Kloster schien es unsicher, ob er es überhaupt bis in das Dorf schaffen würde. Fragen kann er die beiden jedoch nicht, da beide schlafen, und Abdo diesen nicht stören möchte. Also wendet er sich Solveig zu, um eine Erklärung für all dies hier zu erhalten.

Er findet die Heilerin mit mehreren anderen Frauen bei Halfdan, der es also ebenfalls hierher geschafft hat - immerhin Rogars Kampfgefährte zeigt noch keine Anzeichen der Verseuchung. Abdo schnappt gerade noch die letzten Worte des Mannes auf, als er zu der Gruppe tritt und nicht lange unbemerkt bleibt.
"Wir können euch noch mehr dazu erzählen: Wir haben den Abt gefunden - oder das, was aus ihm geworden ist. Aber das können die anderen besser als ich. Wichtiger ist jetzt: Habt ihr ein Heilmittel gefunden?"

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #571 am: 04.04.2018, 10:29:51 »
Lîf folgt Abdo in das Zelt, nachdem sie Jan noch einen letzten Blick zugeworfen hat. Ihr ist leicht erklärlich, warum der bleiche Mann so abweisend erscheint. Nachtlingsblut... wie muss es ihn als Kind und Jüngling geschmerzt haben, anders zu sein, auf Misstrauen und Ablehnung zu stoßen wegen seines Erbes, das sich so verräterisch jedem Auge zeigt. Kein Wunder, wenn er da eine schroffe, misstrauische Art entwickelt hat – noch dazu unter den frommen Anhängern des gnadenlosen neuen Gottes! Die junge Frau macht sich einen geistigen Vermerk, die Runen über ihn zu befragen, sobald sie die Muße dazu findet. Allzu wenig praktische Erfahrung besitzt sie noch mit den Feenwesen, so viel sie auch von ihrer alten Lehrmeisterin über sie gehört hat.

Als sie das Zelt betreten, sieht sich die drudkvinde um, entdeckt Talahan, dessen Erkrankung zu ihrer Erleichterung noch nicht weit fortgeschritten scheint, registriert aber auch mit Erschrecken den Zustand des Jungen und mit Trauer die Abwesenheit Barnas'. Immerhin sind einige Heilerinnen beschäftigt, die Leiden der Kranken zu lindern – die jungen jedenfalls, bemerkt sie mit einem kurzen Lippenkräuseln. Während sie auf Solveig, Halfdan und die älteren Frauen zutritt, fällt ihr Auge auf das Symbol, mit welchem sich die Schwestern schmücken, und sie zuckt kurz zurück. Freund oder Feind? schießt ihr durch den Kopf. Doch angesichts des ruhigen Gesprächs mit Solveig entschließt sie sich, die Fremden vorerst als Gefährtinnen im Kampf gegen die Seuche anzusehen. Lîf tritt neben Abdo, nickt zu seinen Worten und fügt hinzu: "Ein Teil des Übels konnte beseitigt werden, doch noch ist die Gefahr nicht vorüber. Wir haben weitere Kranke dabei – die Große Mutter stehe uns bei!"

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #572 am: 05.04.2018, 16:18:27 »
Da sie den Eindruck nicht loswird, dass Jan die ganze Unterhalterei eher unangenehm ist, lenkt Aeryn das Thema auf etwas völlig anderes, denn ihr ist gerade wieder eingefallen, dass sie ihren Vorrat an Pfeilen dringend wieder auffüllen muss.

"Vielleicht könnt Ihr mir bei etwas anderem helfen. Wie Ihr sicher sehen könnt, ist mein Köcher beinahe leer. Ich brauche neue Pfeile. Wo könnte ich die hier wohl am ehesten bekommen? Ich befürchte, dass das was wir im Kloster entdeckt haben, noch nicht alles ist und wir erst an der Oberfläche dessen gekratzt haben, was hier vor sich geht."

Nunja, so ganz ist es ihr dann doch nicht gelungen, das Thema zu wechseln. Aber die Redekunst war nun auch nicht gerade eine ihrer Stärken.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #573 am: 10.04.2018, 22:40:51 »
Die angesprochenen Frauen wenden sich den Neuankömmlingen zu. In ihren Gesichtern spiegeln sich Überraschung ob der unverhofften Unterbrechung, in einem Fall Missbilligung, dass man einfach so in ihr Gespräch eindringt, Solveig aber atmet erleichtert auf und eilt auf Lîf zu, wobei sie über die Schulter zurückruft: "Das sind die Gesandten Fürst Ayrins, von denen ich berichtete. Sie kamen mit dem Behadrim." Da wird sie aber schon unterbrochen, und überholt, von Halfdan, welcher sich mit einem bellenden Triumphschrei auf Rogar stürzt. "Ha! Da hast du's ja doch noch geschafft! Ich wollt' schon im Dorf einen Trupp zusammentrommeln und dich raushauen kommen!"

Darüber versuchte Solveig sich verständlich zu machen, in dem sie die drei Schwestern und die Gefährten einander vorstellte: "Das sind Lîf, eine Heilerin der Mutter, ihr Gatte Tristan, Abdo al'Mbabi, aus dem fernen Manila.[1] Und dies sind Schwester Hildegerd, oberste Heilerin vom Kloster Hildridsrast, mit Schwestern Gunhild und Matilda."

"Den Abt gefunden oder was immer aus ihm geworden ist?" griff Gunhild, noch immer missbilligend die Stirn runzelnd, aus Abdos Rede auf. "Die Kranken, lasst sie vortreten", kommt Hildegerd, die oberste Heilerin, aber erst einmal zum Wesentlichen.

Sighvat und Ragnar treten ein wenig zögerlich vor.

"Erklärungen können warten", sagt Hildegerd bestimmt. "Wir müssen uns zuerst um die beiden kümmern." Da führt sie ihre Patienten auch schon zu zwei freien Bettlagern. Auf einen Wink bringt eines der Mädchen Speis und Trank herbei. "Esst erst einmal, danach kümmern wir uns", ändert sie offenbar ihre Meinung, vielleicht aufgrund der hungrigen Blicke. "Aber eilt euch."

Und sie tritt zur Gruppe zurück. "Gut, dann erzählt also, was ihr oben im Kloster vorgefunden hat. Halfdan hier hat schon so einiges berichtet, das man kaum glauben kann. Nach einem furchtbaren Fluch klingt das für mich, und Euer Talahan stimmte mir zu. Und nein, ein Heilmittel haben wir noch nicht gefunden, aber sollte es sich tatsächlich um einen Fluch handeln, werden wir auch keines finden. Dann muss man nach einem Weg forschen, den Fluch zu brechen, so dieser—der Eine möge es geben!—brechbar ist."

Wer nun denkt, für eine oberste Heilerin redet Hildegerd ein wenig arg durcheinander, möge ihr die Erschöpfung, welche ihr deutlich zu Gesicht steht (den anderen auch) zu gute halten und bedenken: wesentlich früher, als Solveig sich erhoffte, ist die Hilfe aus Hildridsrast eingetroffen—man muss also stramm gereist sein—und hat hier schon erstaunliches aufgebaut in der kurzen Zeit, welche laut Jan seit ihrem Eintreffen vergangen ist.

Erwartungsvoll blickt Hildegerd von Abdo zu Lîf.

~~~

Aeryn hat die Gefährten nicht ins Zelt begleitet und auch Freydis harrt zögert auf dessen Schwelle und wirft Blicke zu der Elbin und dem seltsamen Jan zurück.[2] In ihrer Nähe, ähnlich unentschlossen, drücken sich auch die drei Novizen aus dem Turm.

"Haust Du mich hier gerade um Pfeile an?" fragt Jan, auf einmal grinsend. (Seine ganze Haltung ist viel entspannter, kaum sieht er sich nur noch einer einzelnen Elbin gegenüber, statt von einer großen Gruppe umstellt zu sein, darunter sechs Männer.) "Kannst schon ein paar bei mir kaufen. Hatte die letzten Abende nichts zu tun, außer zu schnitzen. Sind aber nicht ganz so gut wie mit Metallspitzen[3], aber da wirst du gerade nicht viel Glück haben. Den Dorfschmied hat's auch erwischt, den findest du schlafend da im Zelt, und sonst versteht sich niemand hier in Ansdag darauf. Reichen dir zwanzig? Gib mir drei Silberlinge dafür und sie sind dein. Wenn Du willst, kann ich Dir auch zeigen, wie Du sie selber machen kannst."

Das ist tatsächlich eine erstaunliche Veränderung, die da mit dem zuvor so grimmigen Mann vor sich gegangen ist.
 1. Als "Manilaner" hatte Tristan ihn der aufgebrachten Menge vorgestellt, gestern auf dem Marktplatz, als die Mutter des kranken Jungen Abdo als Dämonenboten bezeichnet hatte. Diese dunkelhäutigen Fremden werden in der heiligen Schrift erwähnt. Zwar als Seeräuber, aber wenigstens nicht als Dämonenboten.
 2. Freydis kann sich entweder ins Zelt oder zu Aeryn und Jan schreiben, wie sie will. Rogar habe ich allerdings ins Zelt geschrieben. (Dass Solveig ihn nicht vorgestellt hat, liegt daran, dass sie ihn ja gar nicht kennt.) Ich hoffe sehr, dass der Spieler Zeit findet, auf die Ansprache Halfdans zu reagieren.
 3. -2 auf Angriff, DR 2 gegen Kettenhemd, gegen flächige Metallrüstung taugen sie gar nicht
« Letzte Änderung: 10.04.2018, 23:19:00 von Gaja »

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #574 am: 11.04.2018, 00:09:31 »
Abdo muss mehrfach nachdenken, ob er sich da gerade verhört hat: Einmal, als Solveig ihn als Mann aus Manila vorstellt - an Tristans Rede am Vortag kann er sich nicht mehr erinnern, zu angespannt war die Situation damals. Doch er entscheidet sich dafür, nicht korrigierend einzugreifen: Für die Menschen hier ist es gleich, ob er aus Manila, Ya'Kehet oder Wasabiland kommt - alles zumindest besser, als für eine Ausgeburt der Hölle gehalten zu werden.
Ein zweites Mal stockt ihm jedoch der Atem, als er erfährt, das die Frauen aus dem Kloster Hildridsrast kommen. Ein Kloster, schon wieder? Sind Frauen dort nicht verboten? Hat der Abt nicht unter anderem deshalb Ninae gefangengehalten?
Doch auch hier fragt er nicht nach; die fremden Gebräuche wird er so schnell wohl nicht verstehen. Doch er nimmt sich vor, sich dies allen in einem ruhigen Moment von seinen Gefährten erklären zu lassen.

Deutlich ist jedoch, dass die Frau hier offenbar die Führungsrolle übernommen hat. Solveig schweigt seit ihrer Vorstellung, und nur Hildegerd stellt die Fragen, die Abdo hernach zu beantworten versucht.
Ruhig schildert er ihre Erlebnisse vom Zeitpunkt der Ankunft am Kloster an, und auch wenn er hier und da um Worte in der ihm immer noch fremden Sprache ringt, ist sein Bericht, so wie er es in seinem Orden gelernt hat, im militärischen Stil auf den Punkt, aber dennoch vollständig. An manchen Stellen, insbesondere bei den Beschreibungen der verschiedenen Symptome, übernimmt Lîf das Wort, und sie ist es auch, die verdeutlicht, dass es sich um zwei unterschiedliche Krankheiten (oder was immer es sein mag) handelt.
Als er schließlich bei der Konfrontation mit dem Abt ankommt, ist bereits eine gute Weile vergangen. Der Ya'Keheter bemerkt die ungläubigen Blicke der Frauen, doch er bleibt bei seiner sachlichen Schilderung dessen Endes.
"Wir haben uns letztlich entschieden, nur eine Rast einzulegen und dann hierher zurückzukehren, allein schon wegen der Kinder und der Kranken. Doch sicher ist das Kloster noch nicht. Und wir wissen nicht, was es war, das den Abt in das verwandelt hat, was wir angetroffen haben."

Erschöpft von seiner langen Rede wartet Abdo auf die Reaktion der vier Frauen.

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #575 am: 11.04.2018, 10:32:15 »
Lîf umarmt Solveig mit einem warmen Lächeln. Es tut gut, zu sehen, dass auch andere am Werk sind, das Übel zu bekämpfen, das sich hier auszubreiten sucht. Mit einem kurzen Schmunzeln sieht sie zu, wie auch Rogar von seinem Kameraden begrüßt wird. Rasch jedoch wird sie wieder ernst. Obwohl ihr die Symbole auf den Gewändern der Nonnen nicht behagen, muss sie doch zugeben, dass Schwester Hildegerds Art sie beeindruckt: Tatkräftig reißt die Frau das Ruder an sich, wo es darum geht, die Kranken zu versorgen. Die junge drudkvinde nickt kaum merklich mit dem Kopf. Ein klein wenig erinnert diese oberste Heilerin sie an die alte Esja... Auch was die praktische Seite angeht: Offenbar erkennt die Nonne den Hunger der Männer mit einem Blick. Nachdem die beiden vorerst versorgt sind, wirft Lîf Abdo einen Blick zu.

Die Aufforderung zu berichten, ergeht wohl vor allem an ihn als Anführer der Gruppe. Die junge Frau hilft ihm jedoch bereitwillig aus, wo es darum geht, Krankheitssymptome und die bisherigen Erkenntnisse über die beiden Infektionen – oder Flüche – zu schildern, denen sie begegnet sind. Vergessen ist für den Moment das Misstrauen gegenüber den Dienerinnen jenes anderen Gottes. Voll konzentriert auf die Aufgabe der Heilerin zählt sie alles in Bezug auf jene Übel auf, was ihr Gedächtnis nur vermag. Nur falls Abdo Ninae zur Erwähnung bringen sollte, versucht sie die Aufmerksamkeit der Frauen auf sich zu ziehen, indem sie auf andere Punkte zu sprechen kommt oder vorgibt, ihm bei sprachlichen Problemen zu helfen. Zu den letzten Worten des Dunkelhäutigen nickt sie mit düsterem Gesicht. Bei dem Gedanken an das Böse, das noch immer im Kloster weilen muss, spielen ihre schlanken Finger unbewusst mit den Amuletten um ihren Hals.

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #576 am: 17.04.2018, 22:51:31 »
Aeryn ist sichtlich froh, dass sie offenbar ein besseres Thema gefunden hat und Jans Gemüt sich auch ein wenig auflockert.

Zwar sind die Pfeile, die er anzubieten hat, nicht gerade die besten, aber im Moment hatte sie da leider wenig Auswahl, von daher sucht die Elbin die drei Silbermünzen heraus und hält sie dem Mann hin.

"Danke, auf jeden Fall besser als keine Pfeile mehr zu haben. Vielleicht kann ich, wenn wir nochmal zurück ins Kloster gehen, meine alten Pfeile bergen, um die Spitzen wiederverwenden zu können. Aber bis dahin bin ich froh, diese bei mir zu haben. Also, vielen Dank dafür! Wenn etwas mehr Zeit ist, komme ich gerne auf das Angebot zurück, dass Du mir einmal zeigst, wie man die Pfeile selbst schnitzt. Aber im Moment, fürchte ich, haben wir noch alle Hände voll zu tun."

"Jagst Du damit? Oder hälst Du auch schonmal Ausschau nach Banditen und anderen Gefahren? Hier soll ja auch eine Bande ihr Unwesen treiben. Das ist der eigentliche Grund, warum wir hier unten sind. Um nach dem Rechten zu sehen, weil hier in letzter Zeit doch so einige Wagen abhanden gekommen sein sollen."

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #577 am: 19.04.2018, 20:59:50 »
Vielleicht ist sein größtes Problem die Neugier, überlegt Kjartan nicht zum ersten Mal. Was könnte er glücklich und zufrieden vor sich hin leben, wenn er den Dingen nicht immer auf den Grund zu gehen versuchte. Wer, wie, warum und wozu? Mit derlei Fragen quält er sich; wann und wo, selbst diese weniger interessanten beschäftigen ihn oft. Er versucht sich zu erinnern, wie es war, wenn der Großvater seine Ahnengeschichten vor der ganzen Kinderschar erzählte. Sicherlich war Kjartan, wenn vielleicht der eifrigste, keinesfalls der einzige, der den Opa mit Fragen unterbrach, doch will er gerne schwören, dass außer ihm selbst nie ein Kind den Greis gefragt hat, wann und wo denn diese spannenden Ereignisse stattfanden. Vielmehr erinnert er sich an verdrehte Augen und einer der Brüder murrte: Das ist doch jetzt wirklich egal, erzähl weiter, Opa! Trotzdem waren ihm diese Abende in guter Erinnerung, denn der Opa beantwortete seine Fragen (bis auf einige wenige, von denen er zugeben musste, die Antwort nicht zu kennen), während andere Menschen weniger Verständnis für diese Unart zeigten. Was hat er sich als junger Mann befremdliche Blicke damit eingehandelt! Fragen, so schien man sich in seiner Heimat einig, waren etwas für Kinder, schließlich hätten die ja noch etwas zu lernen; einem Erwachsenen aber stünden sie seltsam zu Gesicht. (Erwachsene, das war ihm inzwischen selbst aufgefallen, stellten kaum noch Fragen. Woran lag das wohl, dass es regelrecht verpönt war?)

Nun ja. Jedenfalls macht es unglücklich, zu viel fragen. Wie das? Nun, man stelle sich folgende Situation vor. Ein junger Mann räkelt sich an einem lauschigen Ort zu lauschiger Stunde wohlig im Arm der Geliebten, aufs angenehmste an ihr gesättigt. Man plaudert leichthin, blickt sich in die Augen, streichelt einander, tauscht Liebesschwüre. Dazu hat er sich ermutigt gefühlt, da seine Dame sich gar so sehr freute, ihn wiederzusehen; um den Hals ist sie ihm gefallen, hat ihn geküsst und geherzt und geschluchzt vor lauter Glück: ach, oh weh, für tot habe sie ihn schon gehalten, der Mutter sei Dank, dass er noch lebe! Und dann hat sie ihn gleich in ihr innerstes Refugium gezogen, einem stillen Teich, so dicht von Bäumen und Strauchwerk und Dornenranken umwuchert, dass von Außen kein Eindringen ist und nur der Weg durchs Wasser bleibt, weshalb man hier ganz herrlich ungestört ist und sich ungeniert einander widmen kann, und dies auch tut, und das obwohl man nicht allein ist.



Die beiden Schwestern der Dame sind ebenfalls da und sie haben Besuch, man muss schon verzeihen, der Herr mit den Hörnern kommt nur zwei- oder dreimal im Jahr vorbei, da kann man ihn nicht fortschicken, da muss man ihn hereinbitten und unterhalten! Da kann man sein kleines Schwesterlein noch so sehr lieb haben und es ihr noch so arg gönnen, das Herzensglück mit dem strammen Menschenmann! Und so seltsam es diesem Mann zunächst erscheint, schon bald ist die Scheu verflogen und es kommt ihm alles nur noch schön und richtig und natürlich vor, hier das Liebesspiel zu zweit, dort jenes der Schwestern zu dritt. Es wird gelacht, gekichert, gesungen, geneckt, ein Korb mit den süßesten Früchten wird herumgereicht, dazu ein Horn mit herrlichstem Honigwein, und beides leert sich nicht, so sehr man davon nascht und durch die Kehle rinnen lässt. Man lernt sich kennen, rückt näher zusammen, verliert an Schüchternheit, dank des Weines, und überkommt die Eifersucht, dank der Regeln, die seine Dame aufstellt: gerne darf der Besuch der Schwestern sie berühren und streicheln, auch küssen wohin er will, besteigen dürfe er sie diesmal aber nicht, das darf zurzeit nur ihr Liebster. Von diesem erwartet sie dasselbe: küssen und streicheln darf er die Schwestern, kosten, kuscheln und vergleichen; lieben aber darf er nur sie, die Jüngste, seine Herzensdame.

Und nun stelle man sich vor, in dieser Situation richtet der Mann sich plötzlich auf seinen Ellenbogen auf und fragt seine Liebste: "Wie bist du eigentlich aus dem Kerker entkommen?"

Welche daraufhin in einen wirren Redeschwall verfällt, dem sich auch mit größter Mühe nur wenig Sinn entringen lässt. Befreit worden sei sie, von einer Baumtochter und einem Nachtling, einem schwarzen und einem kleinen Mann, einer Elbentochter und einer Feuerbraut. Die seien von irgendwem geschickt worden—Uther war's nicht, behaupten sie!—um das Kloster von den "Pilzmönchen" zu befreien, welche zu schwarzen Schleim zerspritzen, wenn man sie tot haut, und der Schleim war in ihren schönen Bach geflossen, was sogar den Leuten in Ansdag nicht gefiel, und Abt Halfir sei der schlimmste von allen gewesen, aber jetzt sei auch er zerspritzt, obwohl ihre Retter dabei fast tot gestorben wären.

"Und dann haben meine Schwestern und ich, und Choron und die Nachtschwester, den Bach umgeleitet, damit nicht der ganze Abt dort reinfließt, und jetzt ist er bald wieder schön sauber", schließt Ninae ihre aufgeregte Rede, seufzt wohlig auf, und küsst Kjartan auf die Brust.
« Letzte Änderung: 20.04.2018, 12:25:51 von Gaja »

Kjartan

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Der Weihort
« Antwort #578 am: 20.04.2018, 12:56:08 »
Kjartan war nach seiner Flucht aus dem Kloster auf schnellstem Weg in das kleine Dorf gerannt und hatte Ninae gesucht. Gesucht und nicht gefunden, wonach seine Seele verlangte. Unruhig streifte er durch die Straßen und fragte die alten Weiber und jungen Burschen nach der schönen Frau. Und als diese nicht helfen konnten (und ihn für verrückt halten mussten), streifte Kjartan durch die Wälder und rief ihren süßen Namen.

Es graute schon der Morgen, da war Kjartan vor Erschöpfung und Verzweiflung auf einem flachen Findling zusammengesunken und weinte bittere Tränen. Es gab nun nur noch diese eine Erklärung, nämlich dass Ninae im Kloster umgekommen sein musste. Er hatte sich an die verzweifelte Hoffnung geklammert, dass auch sie die Verwirrung der Nacht genutzt haben musste, um zu fliehen. Es musste ja einfach so gewesen sein. Wenn es einen Himmel gab, so musste es so gewesen sein. Aber es gab keinen Himmel und auch kein Glück auf Erden.

Es mutete Kjartan wie ein Traum an, als er aufsah und Ninae in der Morgenröte zu erblicken meinte, die ihn blendete. "Ninae? Bist Du das?", fragte er mit erstickter Stimme. Und das zauberhafte Wesen erwiderte, "Ja, mein Liebster. Ich bin es. Ich habe Dich gesucht und auch gefunden. Und nun sind wir wieder vereint und lassen einander nicht mehr los."

Und ehe es Kjartans Verstand recht begreifen vermochte, fand er sich mit Ninae und den verzückenden Schwestern[1], wie auch einem gehörnten Alb, der Kjartan eher unheimlich war, an einer überiridischen Waldquelle wieder. Süße Früchte und Honigwein wurden gereicht und überglücklich streichelte und küsste er Ninae, flüsterte ihr Liebeserklärungen ins Ohr und beschwor das freundliche Schicksal.

~~~

Es gibt nur eine recht begrenzte Menge an Verzückung, die ein Mann ertragen kann, ohne toll zu werden. Und ehe es sich Kjartan noch einmal überlegt, fragt er seine Liebst auch schon, wie sie aus dem Kerker entkommen ist. Und tatsächlich lässt sich das Weib darauf ein, erzählt die Geschichte in allen Breiten und Längen und mit allerlei verwirrenden Details, die sich mit Kjartans eigenen Erlebnissen decken und teilweise auch nicht decken. Ja, wenn er sich erinnert, so waren die Mönche nicht nur bitterböse auf ihn gewesen und fest entschlossen, die Schlechtigkeit mit Geißel und Beichte aus ihm auszutreiben. Vielmehr erschienen sie ihm stündlich an Verstand zu verlieren. Irgendwann brabbelten sie nur noch in einfachsten Zusammenhängen vor sich hin, während sie seinen Körper bearbeiteten. Kjartan war sich sicher, dass Narben bleiben würden.

"Es tut mir leid, Ninae, dass ich Dich nicht retten konnte. Ich war nackt und unbewaffnet. Bei den Alten, ich hatte gehofft, dass Du in der Nacht schon geflüchtet warst. Ich habe Dich überall gesucht. Und wärst Du nicht plötzlich aufgetaucht, ich hätte mir wohl die erstbeste Waffe gegriffen und... Ja, und was eigentlich? Schon während er spricht, fühlt Kjartan, wie lächerlich alles klingt. Ein tiefes Schuldgefühl macht ihm die Brust eng. Es ließ sich drehen und wenden wie man mag, doch er war zu schwach und hat seine Liebste im Stich gelassen. Und jede weitere Entschuldigung lässt ihn nur schwächer scheinen. Schon beginnt Kjartan sich selbst zu hassen. "Wer waren Deine Retter? Du sagtest, Du bist gerettet worden, oder?"
 1. Edit Gaja: Schwestern, Plural. Ninae hat ZWEI Schwestern (Tagfeen wie sie) UND eine Nachtschwester (Nachtfee).
« Letzte Änderung: 23.04.2018, 11:54:56 von Gaja »

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #579 am: 22.04.2018, 22:56:56 »
"Du wolltest mich retten? Ach, und ich wollte dich so gern retten und konnte doch nichts tun als zuschauen, wie sie dich schlugen und schlugen, und was meinst du, wie schlimm das für mich war? Wenn der Käfig nur nicht aus Eisen gewesen wäre! Aber Liebster, komm, lass' uns nicht mehr daran denken, jetzt ist ja alles wieder gut." Und sie liebkost ihn, ein wenig schläfrig. Erst jetzt bemerkt Kjartan, dass die Schatten schon recht lang geworden sind; bald hätten sie die kleine Lichtung mitsamt des Teiches erobert, aber noch glitzert hier und da ein Sonnenstrahl auf dem stillen Wasser. (Ja, es ist tatsächlich still, das Wasser, denn sogar Ninaes beiden Schwestern und ihr schier unersättlicher Gast liegen wohlig zusammengekuschelt da und schlafen halb.)

"Wer meine Retter waren? Aber das sagte ich doch schon!" erwidert Ninae auf Kjartans Frage. "Ach, du willst Namen wissen! Ich versuch ja schon, mich zu erinnern, aber du weißt doch, wie schlecht ich mit Namen bin.[1] Da merke ich mir nur die allerwichtigsten, wie deinen, liebster Kjartan, und natürlich Uther, aber auch so einen bösen wie Abt Halfir. Ach, aber den kann ich ja jetzt wieder vergessen! Siehst du, so ist das nämlich: es lohnt sich kaum, dass man sich den Namen eines Menschen merkt, ihr lebt nur so kurz! Kaum lernt man euch kennen, da seid ihr schon tot! Jetzt, wenn du mich nach den Namen der Blumen und Bäume fragen würdest, der Vögel und Waldtiere—alle könnte ich sie dir nennen ohne Nachzudenken! Gut, aber ich will's noch einmal versuchen... die Baumtochter hieß... verflixt, mir fällt's nicht ein, aber feuerrotes Haar hatte sie und das Kind ihres Gatten trägt sie unter ihrem Herzen. Der Gatte hieß... ach, es war eigentlich ein sehr schöner Name... ein sehr alter Name... aber er fällt mir nicht ein! Ein Nachtling war er jedenfalls und singen konnte er, so etwas wunderbares habe ich von einem Menschen noch nicht gehört! Dann war da noch eine Elbin... sie hieß... ach verflixt... ich weiß noch, sie hat mir ihre Kleidung geliehen, weil die Mönche mir doch alles genommen hatten... mit dem Bogen hat sie fein geschossen, das konnte ich aus der Ferne sehen. Dann war da noch der dunkle Mann. Der wollte mich erst gar nicht herauslassen aus dem Käfig, weil er dachte, ich sei gefährlich! Hat mit dem kurzen Mann gerungen, als der mir aufmachen wollte, um ihn abzuhalten, aber böse sein darfst du ihm trotzdem nicht, denn er hat sich hinterher besonders mutig auf die Pilzmönche und Schreiwesen gestürzt. Jetzt, wer war da noch, die Feuerbraut! Sie hieß... warte... sie hieß... ach, was habt ihr Menschen auch für komische Namen! So, und dann bleibt nur noch der Zwerg, der hieß... Rogar!" endet Ninae triumphierend. "Der hätte mich zum Schluss am liebsten gar nicht gehen lassen, weil er sich sorgte, mir drohe draußen in der Wildnis Gefahr! Das liegt wohl daran, dass er ein Zwerg ist, die leben in Höhlen und wagen sich kaum einmal heraus und ihre Frauen müssen drinnen bleiben, weil es dort sicherer sei. Ich glaube, bei euch Menschen ist es ähnlich, aber nicht ganz so schlimm? Ach, das klingt jetzt so, als wollte ich sagen, dass bei uns Feen alles besser sei, dabei gibt es auch bei uns manche, die in ähnlichen Verhältnissen leben, Selkies zum Beispiel! Da halten die kräftigsten Bullen sich einen Harem und alle Weibchen in seinem Gebiet haben ihm zu willen zu sein, ob sie lieber einen anderen hätten oder nicht, und die meisten Männchen gehen leer aus. Wäre ich eine Selkiefrau, fände ich das aber wahrscheinlich auch alles gut und richtig und würde den Kopf schütteln über diese flatterhaften und eigensinnigen Bachnymphen!"

Bei einer Menschenfrau hätte diese hin und herspringende Rede womöglich Anstrengung gekostet, doch aus Ninaes Mund plätschern die Worte wie ein Bergbach dahin: heiter, verspielt, liebreizend, leichtfüßig, beruhigend.

Schade, dass bald Nacht ist. Sobald die Nacht hereinbricht, hat Ninae ihm erklärt, muss er die Lichtung verlassen. Nachts gehört die Lichtung nämlich nicht ihr und den beiden Schwestern, sondern Choron und der Nachtschwester.

"Ich glaube ja, sie wurden doch von Uther geschickt", überlegt sie nach einer Weile, in Gedanken offenbar wieder bei ihren Rettern angelangt. "Auch wenn sie es leugneten. Etwas arg protestiert haben sie, gar behauptet, er hätte sie davon abhalten wollen, das Kloster zu untersuchen! Aber vielleicht hat er ihnen gesagt, sie dürften niemandem verraten, dass er sie beauftragt hat. Er muss nämlich immer acht geben, weißt du, dass weder seinem Vater noch dem Abt zu Ohren kommt, er habe sich mal wieder in Dinge eingemischt, die ihn nichts angingen! Wenn er Fürst sei, könne er es gerne so handhaben, aber noch ist er's nicht, also wird's so gemacht, wie der Vater es will! Und der Vater macht, was der Abt will. Und deshalb kann Uther die Dinge nicht einfach selbst in die Hand nehmen, so gern er es würde. Ja, so muss es gewesen sein. Denn er hätte mich niemals, hörst du, niemals dort unten im Kerker verderben lassen!"
 1. Wie gut erinnert sich Ninae an die Namen der Gruppemitglieder? S. hier.
« Letzte Änderung: 23.04.2018, 12:18:56 von Gaja »

Rogar, Apothekarius

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Der Weihort
« Antwort #580 am: 23.04.2018, 21:36:02 »
Zum Abschluss seiner letzten verärgerten und erfolglosen Suche nach seinen Aufzeichnungen macht Rogar einen Abstecher in die Bibliothek des Klosters und leiht sich ein paar Papiere, die ihm hoffentlich beim Verstehen des Geschehenen helfen könnten - vornehmlich Heil- und Naturkunde. Bei Alchemie und Magie glaubt er nicht, dass die jungen Menschen sinnvolles Wissen angesammelt haben.

Bei Abreise überrascht ihn Freydis mit den gesuchten Aufzeichnungen, die sie offensichtlich, wie er es nach Aeryns Übergabe seines Einzelblattes vermutet hatte, an sich genommen hatte. Auch wenn er keine Lüge an ihrem Verhalten erkennt, kann er es wegen diesem Geschehen nicht glauben, was sie sagt. So zieht er zunächst die buschigen Augenbrauen zusammen und seine Augen werden schmal, doch er nickt und nimmt die Papiere an sich. Nach einigem inneren Hin und Her bedenkt er jedoch, dass er keine Dain.Maßstäbe anlegen durfte, so jung wie sie noch war. Und ohne Erfahrung und Selbstvertrauen in ihrer Situation zu stecken hätte es ihm möglicherweise auch schwer gemacht, bei der Wahrheit zu bleiben. Er fragte sich, welche Hintergedanken sie wohl gehabt hat. Oder ob sie versucht hat, Kopien anzufertigen. Im Endeffekt war das Wichtigste aber gelöst: Er hatte die Papiere wieder. Nach einem deutlichen Zögern und bei nur etwas entspannterem Gesichtsausdruck dankt er schließlich doch: "Vielen Dank, Fräulein Redwaldsdottir, dies sind tatsächlich meine. Ihr habt mir eine Menge Arbeit und Fehler, die bei der Wiederherstellung hätten geschehen können, erspart. Gramt euch nicht über das Versehen, immerhin war es recht turbulent zuletzt und ihr habt nun offen und ehrlich gehandelt." Die letzte Spitze hat er sich doch nicht verkneifen können, während der Rest sehr förmlich vorgetragen war.

Die Rückreise ist anstrengend, aber er will sich nichts anmerken lassen. So hält er sich hinten und riskiert, ein wenig abgehängt zu werden. Im Dorf angekommen liegt es viel ruhiger da als bei seinem Durchkommen. Das fliegende Krankenlager nötigt ihm ein anerkenndes Murmeln ab, der Elb erntet zunächst einfache Ignoranz. Als er allerdings sein Bedauern ausdrückt, das die Gruppe heil zurückgekommen ist und er deren mögliche Verstärkung unbeteiligt beobachtet hätte, nötigt ihm ein verächtliches Zischen ab. Jans Blick erwidert er mit einem stolzen, unbeeindruckten Starren.

In den Zelten angekommen will er die Situation übersehen, als Halfdan ihn geradezu überfällt. Ein leichtes Lächeln kann Rogar nicht verkneifen, obwohl er alles andere als stolz auf seine katastrophalen 'Leistungen' ist. "Es gab Zweifel? Ich hoffe, das müssen wir nicht draußen klären gehen.", grummelt er und klopft auf seinen Axtgriff. Er hat gelernt, das Menschen Dainsche Subtilität nicht verstehen. So versucht er es mit brachialem Humor.

Nach einer Stärkung übersieht er die Krankenlager und geht den Damen zur Hand, wobei er sie, wenn sie denn bereit sind zuzuhören, mit all seinem bisherigen Erfahrungen versorgt. Dabei lässt er fallen, dass sein und Abdos Körper bereits der Erkrankung ausgesetzt waren und diese erfolgreich bekämpft haben. Ihr Blut könnte also zur Herstellung des Gegenmittels dienen. Wo es sein Zustand zulässt, hilft er den Erkrankten und hört gleichzeitig zu, wie Abdo die Erlebnisse schildert. Nur wenn sie sie allzusehr von seiner Wahrnehmung entfernen, greift er ein. Sich um sich selbst zu kümmern, seine Aufzeichnungen zusammenzufügen, die Bücher zu studieren und das Training zu beginnen, verschiebt er auf später.

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #581 am: 24.04.2018, 00:27:36 »
Irgentwie hat sich in all den Trubel um den seltsamen Fremden und die Kranken und Verwundeten keiner mehr so richtig um die drei verstörten und erschöpften Novizen gekümmert.
Die Albionerin fühlt sich eigentlich auch nicht wirklich zuständig, zumal sie keinerlei Erfahrung im Umgang mit Kindern vorzuweisen hat. Aber jemand muss sich ja kümmern. Auf jedenfall sind die Kranken und Verwundeten die in dem Zelt zu erwarten sind kein Anblick für Kinder.
"Wartet einen Moment hier." wendet sie sich in freundlichem aber bestimmten Ton an die drei Jungen. "man wird sich um euch kümmern.". Dann folgt sie den anderen in das Zelt. Gerade rechtzeitig um das Ende von Solveigs Vorstellungsrunde mitzubekommen. "Freydis Redwaldsdottir" ergänzt sie leise.
"Draußen sind noch drei junge Novizen die wir aus dem Kloster gerettet haben. Sie sind nicht krank oder verletzt, nur sehr erschöpft und verstört, aber trotzdem muss sich jemand um sie kümmern."

Der Vermutung, dass es sich bei den Ereignissen im Kloster um die Folge eines Fluches, und zwar eines recht mächtigen handelt hatte Freydis auch schon.[1] "aber ich werde ganz gewiss nicht in Hörweite so vieler verängstigter überzeugter Anhänger des Einen meine Kenntnisse über Flüche ausbreiten. Wenn die schon bereit waren Solveig, die seit Jahren unter ihnen lebt und wahrscheinlich fast jeden schon mal geholfen hat für den Fluch verantwortlich zu machen würde ich Ethgo hin oder vielleicht gar noch vor Anbruch der Nacht auf dem Scheiterhaufen enden."
Sie wird ihre Kameraden später und unter diskreteren Umständen wissen lassen, dass man den Fokus des Fluches finden muss um ihn zu beenden, weil selbst der Tod des verursachers nicht die gewünschte Wirkung hätte. "Vielleicht lasse ich sie sogar wissen, dass ich den Fokus wohl spüren würde käme ich in seine Nähe. Besonders bei einem so mächtigen Fluch. Jemand war entweder sehr ahnungslos, sehr rücksichtslos, sehr wütend oder eine Kombination davon." Aber nachdem was Ninae über den fanatischen Abt berichtet hat, wäre es dem ein leichtes solche Gefühle in einer Menge Personen auszulösen. Und in dieser Gegend hätte ein Berührter wahrlich gute Gründe seine Fähigkeiten geheimzuhalten.
 1. Wissen (Arkana) = 19, SL-Antwort s. #3 hier.
« Letzte Änderung: 25.04.2018, 21:14:39 von Gaja »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Kjartan

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Der Weihort
« Antwort #582 am: 25.04.2018, 16:12:17 »
Kjartan hört seiner liebsten schweigend zu, bis dass ihre Rede verstummt ist. Es ist ihm unbegreiflich, wie lange eine Frau reden kann, ohne eine konkrete Antwort auf eine Frage gegeben zu haben. Es ist mehr ein Singsang verschiedener Eindrücke, der benommen macht wenn man ihm länger zuhört. Das hatte ihm sein Vater immer gesagt; er sagte, dass Frauen einen bezirzen und gefangen nehmen. Aber doch nicht so Ninae! Ist ihre Stimme ein Zauber? Nein, nein gewiss nicht. Und wenn, dann würde es nichts ändern. Er würde sie auch so mit Haut und Haaren lieben. Was sagte Ninae eben? Die ganze Situation fühlt sich für Kjartan an wie ein Traum. Die Luft, das Obst, diese anmutigen Wesen - das alles war magisch. Ein Traum musste es sein, ein Traum, aus dem er bald erwachen würde, denn sein Ende kündigte er selbst schon an. Und das Licht des Morgengrauens kehrte sich um in den Schatten des Abends, so denkt Kjartan. Was sagte Ninae? Wenn er sich doch konzentrieren könnte. Noch ein letztes Mal will Kjartan im Licht einen Blick auf sie werfen. Ihre Haare glühen fast, die Lippen voll und sinnlich, die Brüste heben und senken sich mit jedem Atem. Ja, sie hat viel zu sagen, doch so lange sie spricht, darf der Traum nicht enden. Das ist ehernes Gesetz. “Sie spricht so viel, weil sie ein langes Leben hat“, denkt Kjartan. Und dabei sticht ihm das Herz. Was sagte Ninae? Die Menschen leben so kurz, dass man sich ihre Namen nicht merkt? “Mit den Menschen ist es wie mit den Tieren. Man liebt sie, man begräbt sie und dann sind sie vergessen. Ich werde kaum noch einmal so viele Winter erleben und Du bist keinen Deut gealtert. Macht Dich dieser Gedanke verrückt? Ich denke unentwegt daran. Das Leben ist wie eine Zote, der der Witz fehlt.Du hoffst, dass da noch etwas kommt, etwas, dass alles vorher in fröhliches Gelächter auflöst. Aber da kommt nichts und dann ist es vorbei. Ich kann nicht anders darüber denken, doch wenn Du da bist, ist es friedlich in mir. Darüm küss mich, lass mich noch einen flüchtigen Moment verweilen.“, fragt er sie mit starrem Blick.
« Letzte Änderung: 25.04.2018, 16:43:29 von Kjartan »

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #583 am: 25.04.2018, 19:28:08 »
Solveig erwidert Lîfs Umarmung mit reichlich Verspätung—überrascht sie die herzliche Geste so sehr, ist menschliche Nähe ihr so fremd?—dann jedoch lässt sie sich regelrecht in Lîfs Arme sinken. Ein leiser Schluchzer entfährt ihr, kaum zu hören, aber deutlich zu spüren. "Barnas", wispert sie an Lîfs Ohr. "Ich musste... letzte Nacht..."

Danach lauscht sie mit den drei Heilerinnen aus Hildridsrast zusammen Abdos Bericht und Lîfs Ergänzungen aufmerksam. Als Freydis die Erzählung unterbricht, um auf die drei Novizen am Zelteingang aufmerksam zu machen, winkt Solveig eines der drei Mädchen herbei. "Bring die drei zu mir in die Hütte und schau, ob sie noch etwas brauchen. Heute nacht können sie dort schlafen, morgen bringen wir sie zu Frida ins Dorf, sie wird sich um alles weitere kümmern." Dann lauscht sie wieder Abdos und Lîfs Bericht.

"Seid ihr euch sicher, dass die zweite Seuche durch die Sporen übertragen wird?" ist ihre erste Frage an die beiden. "So schlimm die Monster sind, das wäre noch ärger: wenn Leute aus Ansdag bereits ausgetauscht wurden, wenn mitten unter uns, unerkannt, solche Kreaturen wandeln. Aber wenn man sich nur beim Abt selbst hätte anstecken können, dann sind wir wenigstens davor sicher, denn es war niemand von uns oben im Kloster seit der Sturmnacht und es ist auch niemand von dort zurückgekehrt außer jenen, die heute morgen mit eurem Anführer kamen."

Auch die drei Klosterschwestern warten gespannt auf Antwort, auch wenn Schwester Hildegards Aufmerksamkeit kurz abgelenkt wird, als sie nämlich bemerkt, dass die Sighvat und Ragnar ihr Mahl beendet haben. Dadurch gerät sie sichtlich in einen Zwiespalt: hier noch schnell die Antwort abwarten, oder gleich hinüber zu den Patienten eilen. Wenn die Antwort kurz ist, wird sie sich noch einen Augenblick gedulden.

~~~

"Ach", meint Halfdan, als er Rogar wieder loslässt, "was heißt hier Zweifel. Nenne mich ein altes Waschweib, aber ich hatte tatsächlich Sorge, ihr hättet euch da ein etwas größeres Stück Ärger abgebissen, als ihr schlucken könnt! Wobei wir es ja auch nur mit Müh' und Not ins Dorf geschafft haben, dank des falschen Novizenmeisters und seiner beiden Heultiere."

Die jungen Damen, denen der Zwerg kurz darauf zur Hand geht, scheinen von seinen Erklärungen allerdings nicht allzu viel zu verstehen; zum Beispiel erntet er nur verwirrte Mienen, als er die Möglichkeit eines Gegenmittels erwähnt. Desweiteren fällt ihm etwas an den Patienten auf: alle, ohne eine einzige Ausnahme, scheinen zu schlafen. Sehr tief zu schlafen.

~~~

Jan zählt also zwanzig Pfeile aus seinem Bündel ab und legt, nach kurzem Überlegen, einen einundzwanzigsten dazu, und reicht sie Aeryn im Austausch für drei Silbermünzen. "Ja, für die Jagd reichen die im allgemeinen, da spar ich mir das Geld für eiserne Spitzen."

Auf ihre zweite Frage hin überlegt er. Er überlegt lange. Schließlich ringt er sich einen Entschluss ab. "Ja, ich halte schon nach derlei Dingen Ausschau. Uther steckt mir dafür immer mal wieder ein paar Münzen zu. Sein Vater kümmert sich ja um nichts und Abt Halfir hat in den letzten Jahren fast nur noch Jagd auf 'das Böse in unserer Mitte' gemacht und sich nicht mehr um Gefahren von außerhalb bekümmert. Von daher: ja, ich habe die Überreste der Karawane gefunden und Uther gemeldet. Und ich habe Spuren von Kolkar gefunden. Nicht am Ort des Überfalls selbst, aber auch nicht allzu weit davon entfernt. In Uthers Mund wurde aus den Kolkar sofort eine 'Bande' und er war sich sicher, dass sie für die Überfälle verantwortlich waren. Ich aber sage: vielleicht sind sie's gewesen, vielleicht auch nicht. Die Spuren sprachen weder dafür noch dagegen. Jedenfalls hat Uther zehn der Soldaten seines Vaters nach der 'Kolkarbande' ausgeschickt, das war vor über einem Monat, und zumindest ich habe noch nichts weiter gehört. Ich denke mal, die sind alle hops."
« Letzte Änderung: 21.05.2018, 10:20:45 von Gaja »

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #584 am: 26.04.2018, 07:06:59 »
Aeryn nickt Jan zu, als sie die Pfeile einsteckt. "Danke!"

"Uther scheint mir ein guter Mann zu sein, auch wenn er vieleicht nicht immer alles richtig macht, aber wer tut das schon. Bei unserem ersten Zusammentreffen hier, hat er nicht den besten Eindruck hinterlassen, aber so nach und nach stellt sich ein anderes Bild dar," meint die Elbin.

"Der Abt hat das Böse gefunden und mit offenen Armen empfangen. Naja, genaugenommen wissen wir nicht, wie es vor sich gegangen ist. Jedenfalls wird er sich von nun an um nichts mehr kümmern. Was die Kolkar angeht, es ist weise nicht immer den offensichtlichen Verdacht als gegeben hinzunehmen. Ich denke, wir werden dieser Sache noch nachgehen müssen und hoffentlich herausfinden, was genau passiert ist, auch wenn die Spuren mittlerweile natürlich schon kälter geworden sind. Kannst Du uns den Weg zu dem Ort beschreiben, wo Du die Überreste der Karawane gefunden hast?"

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