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Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 129616 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

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Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #795 am: 16.06.2020, 09:24:30 »
"Halt!" spricht Abdo mit erhobener Hand, während er komplett in das Sichtfeld Uthers tritt. "Ihr wollt uns erzählen, Ihr wisst nicht, was hier vor sich geht? Kommt herein und seht selbst! Es ist Zeit für eine Erklärung, und wenn Ihr sie uns nicht geben könnt, dann soll es eine der Mägde dort draußen tun."

Abdo macht dabei keine aggressiven Gesten, doch er lässt keine Zweifel daran, dass Uther gefälligst zum Bett seines Vaters treten soll.

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #796 am: 16.06.2020, 13:58:28 »
Lîf hat vor dem Neuankömmling mit einer Neigung des Kopfes eine Verbeugung angedeutet. Sie öffnet bereits den Mund, als Abdo schon vortritt und spricht. Gemessen nickt sie daraufhin und meint in ruhigem Ton: "Er hat recht. Einiges hier fordert eine Erklärung. Und es ist nicht anzunehmen, dass der Fürst Euch, uns oder irgendwem sonst Vorwürfe machen wird." Dabei hält sie seine Miene so gut im Blick, wie es angesichts der Beleuchtung möglich ist[1]: Ist ihm irgendeine Regung anzumerken, oder wirkt er, als seien ihm ihre Worte ein Rätsel?
 1. Wahrnehmung: 22 bzw. Diplomatie 21.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #797 am: 19.06.2020, 19:09:42 »
"Erklärung?!" entfährt es Uther. "Wollt Ihr mich etwa dafür verantwortlich machen, dass die Räuber nach zwei Monaten noch nicht gestellt sind? Ich bin hier der einzige, der überhaupt etwas unternommen hat! Aber weder ließ Vater sich überzeugen noch im Ort Freiwillige rekrutieren, da war die Ausrede zu leicht: 'Ja, ist das ein Befehl vom Fürsten? Nein? Ja also in dem Fall...' Aber von Vater werdet Ihr erst recht keine Erklärung bekommen, außer 'Abt Halfir hielt es für klug' oder 'Abt Halfir fand auch'... "

Jetzt muss der arme Mann doch einmal Luft holen. Tristan nutzt die Gelegenheit, seinem Weib zuzuwispern: "Har jeg forkert, eller er hans forargelse reel? Det synes virkelig for mig. Men ... hvordan kan en mand narre af et så barnligt trick? Han synes ikke så dum ..."[1]

Der Zweifel in seiner Stimme spiegelt Lîfs eigenes Empfinden. Auch ihr kommt die Empörung echt vor. Nicht etwa verwirrt kommt ihr der Fürstensohn vor, sondern scheint er tatsächlich zu meinen, es ginge hier um die Räuber. Als läge sein Vater dort krank im Bett. Aber das kann doch nicht sein! Aber wenn sogar Tristan das meint... Das hat Lîf schon oft erlebt (und ein wenig bewundert): wie treffsicher er sagen kann, ob jemand lügt oder Dinge vortäuscht, oder eben nach bestem Wissen die Wahrheit sagt. Zwanzig Jahre als Rechtsprecher, der als solcher zwar kein Urteil fällt, aber doch immer mittendrin dabei ist und seine Einschätzung äußern darf, haben ihn das wohl gelehrt. Und trotzdem, obwohl er und sie keine Täuschung in Uthers Worten oder Gestik entdecken können – wie ist das möglich? Die ganze Situation wirkt dadurch noch bizarrer.[2]

Doch schon ist die Atempause wieder vorbei.

"Mit den Mägden reden?" schimpft Uther. "Ja, was glaubt Ihr denn, was die von der Sache wissen könnten, dumme Dinger allesamt. Jetzt kommt da endlich aus Vaters Kammer heraus!"

Sein Blick wechselt zu Lîf hinüber, der Ton wird etwas freundlicher. "Da kennt Ihr meinen Vater aber schlecht. Er macht einem noch Vorwürfe, wenn man ihn zur Seite stößt, bevor die Hufe eines durchgehenden Gaules ihn erschlagen können. Glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung. Dass er von dem Lärm, den wir hier machen, noch nicht aufgewacht ist, haben wir wohl meiner Merle zu verdanken. Er ist ein extrem nörgeliger Kranker und wenn er es mal wieder zu arg treibt, braut sie ihm einen Schlaftrunk. Mit Kräutern kennt sie sich so gut aus wie meine Schwester. Trotzdem, wir sollten dies in meiner Kammer besprechen."

Abermals deutet er auffordernd zum Gang gegenüber.
 1. Värangsk: "Täusche ich mich oder ist seine Empörung echt? Mir kommt sie echt vor. Nur... wie kann ein Mann sich von einem solchen Kindertrick täuschen lassen? So dumm kommt er mir auch wieder nicht vor..."
 2. Lîf, die passende Fertigkeit hier ist Sense Motive. Damit ergibt Dein Wurf eine 17. Für Tristan habe ich nicht gewürfelt, weil ich nicht in Konkurrenz zu Deinem Wurf treten will, aber Sense Motive ist einer seiner drei verlässlichsten Werte. Und er spricht ja auch nur aus, was Lîf selber denkt.
P.S. Die Einschätzung schließt auch die nächsten Worte Uthers mit ein, hier ist nur die beste Stelle für den gedanklichen Einschnitt.
« Letzte Änderung: 19.06.2020, 19:22:09 von Gaja »

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #798 am: 19.06.2020, 19:20:32 »
Abdo starrt den Fürstensohn nur vor den Kopf gestoßen an. Diesmal spricht er sofort aus, was ihm durch den Kopf geht, und seine Geduld für politische Formulierungen ist verbraucht.

"Seid Ihr blind, Mann?" fährt er Uther an, während er sich vor ihm aufbaut. "Die Räuber sind es doch nicht, von denen ich rede!"
Vor seinen nächsten Worten geht er noch einen Schritt weiter und packt sein Gegenüber am Arm, um ihn notfalls mit Gewalt zum verwaisten Bett zu zerren.
"Da ist euer Vater. Ein leeres Bett, und eine billige Attrappe aus Kissen! Wollt Ihr ernsthaft behaupten, Ihr wüsstet nicht, dass der alte Mann seit Tagen, wenn nicht Wochen, nicht mehr hier war? Aber nicht einmal sauber gemacht wurde hier, eine Schande für die Mägde, die sich hier rumtreiben und nicht einmal reagieren, wenn eines der Kinder fast ertrinkt. Wären wir nicht gekommen, hättet Ihr nur eine Leiche im Wasser treibend gefunden.
Jetzt schaut, schaut her, niemand ist da, keine Spur davon, wo Euer Vater sein könnte, im ganzen Haus haben wir gesucht. Also redet jetzt, was habt Ihr dazu zu sagen?"

Rogar, Apothekarius

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Der Weihort
« Antwort #799 am: 19.06.2020, 19:29:54 »
Der Dain zuckt mit den Schultern, als sich die mehrheit für die Konfrontation entscheidet. Ist ihm sowieso lieber. So begibt er sich in den Türrahmen, lässt den Rednern jedoch Platz. Auch er erkennt den Besucher des Klosters wieder, der aufgetaucht war, während er belagert worden war. Als dieser nicht auf seine Armbrust reagiert, wird ihm klar, dass er sich wohl unbeabsichtigt versteckt haben muss. Immer wieder überschätzt er, wieviel andere ohne Sonnenlicht sehen können.

Er überlässt den anderen das Reden. Sobald Abdo ihn in den Raum einlädt, tritt er einen Schritt zurück und senkt die Armburst ein wenig. Uthers weitere Worte lassen ihn stutzen, hat er sich ehrlich hereinlegen lassen? Er kann die Miene nicht entschlüsseln.[1] Für eine Sekunde grübelt er, dann flüstert er: "Wenn er auch heringelegt worden ist, dann sollten wir besser Merle befragen. Sie könnte die Illusion zumindest für kurze Zeit vor seinem Aufbruch zur Reise aufrechterhalten haben."

Dann überrascht ihn Abdos Überfall. Verärgert tritt er aus dem Weg und entlädt die Armbrust. In einem Handgemenge wäre sie zu gefährlich.
 1. Motiv erkennen 9

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #800 am: 19.06.2020, 22:55:25 »
Aeryn konnte im Moment nicht viel beitragen. Die Elbin beobachtet daher gespannt Uthers Reaktionen, um einzuschätzen, was sie von ihm halten soll[1]. Die Kammer seines Vaters musste schon eine ganze Weile so gewesen sein. War er wirklich die ganze Zeit über nicht einmal an seiner Seite gewesen? War diese Täuschung für ihn gedacht? Menschen sind schon seltsam...

Sie will ihm schon glauben, so ist das ja nicht, schließlich hatte Ninae auch gut von ihm gesprochen und bisher waren wenig Zweifel an ihren Worten aufgetaucht. Aber eine Erklärung musste dennoch her. Hoffentlich würde Abdo sie nun aus ihm herausbekommen.
 1. Sense Motive 21

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #801 am: 20.06.2020, 13:55:47 »
Lîf nickt bei Tristans leisen Worten einige Male nachdenklich, während sie Uther mustert. Da auch ihr Mann ihn so einschätzt wie sie, besteht für die drudkvinde kaum noch ein Zweifel. Daher - und auch weil er ihr gegenüber einen hörbar freundlicheren Ton anschlägt - beschließt sie ihm zu glauben, und öffnet schon den Mund zu einer Antwort, als Abdo sie der Entscheidung enthebt, wie dem Manne die Wahrheit beizubringen sei. Die junge Frau unterdrückt ein Seufzen, kann sie doch Ungeduld und Empörung des Dunkelhäutigen durchaus verstehen - der Mann aus der Ferne ist wahrheitsliebend, wie sie mittlerweile weiß. Vielleicht... ein wenig zu wahrheitsliebend in mancher Situation.

Da sich an den Tatsachen aber nun einmal nichts mehr ändern lässt, tritt sie zu den beiden Männern, gibt Abdo einen heimlichen Wink, sich zu beruhigen, und wendet sich mit begütigender Stimme an Uther: "Bitte vergebt uns, wenn wir Euch eine böse Überraschung bereitet haben. Ich spüre Eure Verwirrung. Doch Ihr werdet sicherlich einsehen, dass wir ebenso unangenehm überrascht waren von dem, was sich unseren Augen hier bot. Vielleicht lässt sich mehr Licht ins Dunkel bringen, wenn wir gemeinsam und in Ruhe nachdenken." Wobei sie Rogar ein kurzes Nicken sendet, um seinen in ihren Augen sinnvollen Vorschlag dazu zu honorieren, auch wenn der Uthers Ohren wohl entgangen sein sollte. Sanft legt sie eine Hand auf Uthers Unterarm, der, wenn sie recht haben, immerhin erst einmal einiges zu verdauen hat, dreht es sich doch um seinen Vater. So wartet sie ab, an seine Vernunft wie auch die ihrer Gefährten appellierend, gibt ihm Zeit, sich zu sammeln.

Freydis

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Der Weihort
« Antwort #802 am: 21.06.2020, 14:27:48 »
Es ist sehr untypisch für Freydis dermaßen die Kontrolle über ihre Emotionen zu verlieren. Berührte können sich so etwas in anbetracht der möglichen katastrophalen Folgen für sie selbst und andere schlicht nicht leisten.
Seit sich ihre Kräfte manifestiert haben ist nichts Freydis mehr eingebläut worden als das.
Entsprechend verunsichert ist Sie während sie in ihrem Kopf durch mehrere Routinen läuft um Ruhe und Kontrolle zurückzugewinnen.
Dabei bekommt sie von der Konfrontation nicht mehr als ein Stimmengewirr mit. Erst Lívs versöhnlichere Worte
registiert Sie wieder bewußt.
Aber ihr ist immernoch übel[1]
und so überlässt Sie lieber den anderen das Reden: Bis Sie weiß was dieses plötzliche Aufflammen von nahezu unkontrollierter Wut ausgelöst muss Sie noch vorsichtiger als Sie es eh gewöhnlich schon ist sein.
Das hindert Sie aber nicht daran Uther sorgfältig zu mustern und gespannt seine Reaktion auf das Verschwinden seines Vaters - und seiner Ehefrau, schließlich haben Sie auch von Merle bislang keine Spur gefunden.
 1. Zähigkeitsrettungswurf gegen 11 bestanden
« Letzte Änderung: 21.06.2020, 14:28:53 von Freydis »
"The storm is up, and all is on the hazard."

William Shakespeare, Julius Cæsar (1599), Act V, scene 1, line 67.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #803 am: 23.06.2020, 20:04:19 »
Rogar kennt sich mit Menschen zu wenig aus, um sagen zu können, ob Uther nur unwissend tut oder es tatsächlich ist. Wenn letzteres, dann ist es vielleicht auch gar nicht so abwegig, dass er vor ein paar Tagen im Kloster war, ein kleines Päckchen vom falschen Bruder Edgar abholte, und wieder davonritt, ohne dass ihm etwas seltsames an dem Verhalten der Mönche auffiel.[1] Also packt er seine Armbrust erst einmal wieder ein und beobachtet den Mann weiterhin.

Dagegen erzürnt Uthers Sturheit den wahrheitsliebenden Abdo so sehr, dass er den Hausflur hinunterstürmt, um den Fürstensohn notfalls ins Zimmer des Vaters zu zerren. Doch Abdos Behauptung, der alte Soren läge keineswegs im Bett sondern sei spurlos verschwunden, lässt Uther mit einem ungläubigen "Was sagt Ihr?" ihm bereits entgegeneilen, sodass ein Handanlegen gar nicht mehr nötig wird. Der Fürstensohn drängt an Abdo und den anderen vorbei in die Kammer des Vaters und dort zum Bett. Ein kurzer Blick, ein mehrfaches Öffnen und Schließen des Mundes, dann platzt er heraus:

"Ja, soll das ein Witz sein? Da liegt er doch und schläft tief und fest! Was für ein absurdes Spiel treibt Ihr hier?" Puterrot vor Zorn ist das Gesicht des Fürstensohnes, doch die Tirade, die man nun erwartet würde, bleibt zunächst aus. Vielmehr wird seine Miene nachdenklich, dann misstrauisch.

"So ist das also", sagt er, doch anstatt seine Schlussfolgerung zu erläutern, beginnt er, vor dem Bett des Vaters auf und ab zu laufen. (Spätestens jetzt fällt Lîfs Hand, welche sie tröstend auf seinen Unterarm gelegt hat, hinab; er scheint dies gar nicht zu bemerken.)

"Seit Wochen, ja, da habt Ihr recht, ich würde sogar sagen: seit über einem Jahr, vernachlässigt mein Vater seine Pflichten gänzlich. Dass er zu alt dafür geworden ist sieht ein Blinder mit geschlossenen Augen! Warum springt sein Sohn nicht in die Bresche, das fragt Ihr Euch wohl? Weil Vater sich weigert, das Ruder aus der Hand zu geben. Warum reiße ich es nicht an mich, fragt Ihr? Ja, das begreift mein Weib auch nicht. Sie ist Jongotin, da sind die Sitten anders. Ein gebrechlicher alter Mann könnte dort niemals Fürst sein, schimpft sie. So ist's bei Euch wohl auch? Ich seh' Euch nicken!"

Zumindest Tristan tut dies auch.

"Hier bei uns aber" erregt sich Uther weiter, "erlaubt mir das Gesetz nur drei Wege, meinen Vater abzulösen: entweder er stirbt oder er dankt freiwillig ab oder ich fordere ihn vor der Thingsversammlung zu einer Übergabe des Titels heraus, wozu ich im Vorhinein sechs Fürsprecher unter den Gefolgsleuten meines Vaters bräuchte, die sagten, sie wollten lieber mir als dem Alten folgen, und dann müssten von allen versammelten Männern sieben in zehn für mich stimmen. Ja wie, und das traut sich der gute Mann nicht zu, die Thingversammlung davon zu überzeugen, dass er es besser machen könnte als sein Tattergreis von einem Vater, ist er denn so wenig tatkräftig, so wenig Anführer, so unbeliebt vor Ort? Nichts davon! Aber egal, wie gut ich mich auf dem Thing zu präsentieren wüsste, wieviele zu überzeugen es mir gelänge, es würde herauf Abt Halfir vortreten – ja, Halfir kommt sowohl zum Hohe- als auch zum Allemandsthing, obwohl dort eigentlich nur waffenfähige Männer zu erscheinen haben, und wenn er dort offiziell auch keine Stimme hat, hört man ihm doch zu – und sobald er den Mund auftut und vor der Versammlung predigt, was er für rechtens und gottgefällig hält, so ist alles hinfällig und zunichte, was ein anderer vorgetragen hat. Ja, wie soll man denn dagegen ankommen!"

Hätte Aeryn nicht schon vor diesem Auftritt vermutet, dass Uthers Ahnungslosigkeit nicht vorgetäuscht sein konnte, so ist sie sich dessen nun sicher. Wie unsinnig wäre es sonst von ihm zu behauptet, der Vater läge dort vor ihnen im Bett! Und bezüglich seiner laufenden Tirade, so scheint es der Elbin, dass der Fürstensohn im Grunde nicht mit Abdo streitet, sondern vielmehr eine hitzige Debatte aufleben lässt, die er mit seinem Weib Merle offenbar schon ausgiebigst geführt hat.

Freydis ist derweil noch so übel, dass sie sich nur mit Mühe auf Uthers Worte konzentrieren kann. Der Zorn des Mannes lässt ihren eigenen wieder aufflammen. Ihr Gesicht fühlt sich so erhitzt an, wie seines ausschaut.

"Die Pest hole sie beide!" schimpft Uther, bevor er erschöpft mit den Schultern zuckt. "Ach, was soll's. Einer der beiden wird wohl früher oder später den Löffel abgeben, dann will ich mich mit dem anderen gern anlegen."
 1. s. in der Kennenlernszene zwischen Rogar und der Gruppe hier, 4. Absatz + Folgeposts.

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #804 am: 23.06.2020, 22:20:13 »
"Es gibt hierfür nur eine Erklärung," begann Aeryn. Die Waldläuferin sprach dabei weniger Uther sondern mehr ihre Gefährten an. "Jedenfalls fällt mir nur eine ein."

"Er muss irgendwie verhext sein, so dass er die Wahrheit nicht erkennen kann. Wir müssen den Bann brechen, damit er wieder zu Sinnen kommt. Irgendjemand treibt hier ein ganz übles Spiel."

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #805 am: 25.06.2020, 23:08:21 »
Abdos Erregung schwindet ein wenig, als Uther keinen großen Widerstand leistet, sondern in den Raum tritt, um sich davon zu überzeugen, dass er einem Betrug aufgesessen ist. Doch umso größer ist das Erstaunen des Ya'Keheters, als der Mann immer noch fest davon überzeugt zu sein scheint, dass sein Vater dort im Bett liegt. Und es wirkt nicht, als wolle er sich über die anderen lustig machen - scheinbar scheint er wirklich zu glauben, was er sagt.

Aeryns Erklärung scheint Abdo einigermaßen einleuchtend zu sein; immerhin hat er mit eigenen Augen gesehen, wozu die Magie in diesem Land in der Lage ist. Dennoch schließt er immer noch nicht aus, dass Uther einfach schwachsinnig ist. Doch auch das lässt sich nicht überprüfen.

Kurz überlegt er, ob nicht eine saftige Ohrfeige die Wahnvorstellungen durchbrechen kann, doch er verwirft den Gedanken wieder: Die Hoffnung ist gering, und die Aktion würde wohl nur böses Blut schaffen. Stattdessen ignoriert er den Mann und versucht, laut seine Gedanken zu sortieren.

"Wenn er tot ist, wird Uther sein Nachfolger. Offenbar will jemand nicht, dass das passiert und spielt stattdessen diese Scharade vor. Das bedeutet wohl auch, dass der Alte längst das Zeitliche gesegnet hat. Wenn wir den Leichnam finden, können wir diese Illusion vielleicht brechen?
Und wer profitiert davon, dass alle glauben, Soren sei noch am Leben? Wer hat jetzt gerade das Sagen?"



Rogar, Apothekarius

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Der Weihort
« Antwort #806 am: 26.06.2020, 13:42:51 »
Auf Lifs anerkennendes Nicken reagiert Rogar mit einem leichten, eher unverbindlichen Neigen des Kopfes. Da er beim Anblick des allein aufgetretenden Uther nicht mehr von einer direkten Gefahr ausgeht, behält er Schild und Axt in ihren Halterungen. Das Lifs Bberuhigungsversuch ignoriert wird, lässt ihn innerlich den Kopf schütteln. Dann überrascht ihn jedoch Uthers Aussage, sein alter Herr wäre doch dort und am Schlafen. Mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenen Augenbrauen denkt er nach und lauscht Uthers Tirade. Die einfachen Rechtsmittel der Menschen würden ihn unter anderen Umständen amüsieren, aber beim aktuellen, offensichtlichen Missbrauch steigt Verdruss auf.

Nachdem er ziemlich sicher ist, dass Magie, wahrscheinlich Feenmagie, im Spiel ist, will er sich gerade einmischen, als sein Blick auf Freydis fällt. "Fräulein Redwaldsdottir, was ist?", fragt er sie kurz.

Dann tritt er hervor und zieht seinen Helm vom Kopf. Er wendet sich an Uther: "Bitte beruhigt euch, ihr irrt, was unsere Intention angeht. Wir nehmen hier wirklich etwas anderes wahr als ihr, ich zeige es euch." Mit diesen Worten ist er näher an ihn und das Bett herangetreten. Plötzlich stellt er seinen schweren Metallhelm mitten auf das Bett, neben der aufgeworfenen Decke und dem verschobenen Stroh. "Was seht ihr, was habe ich gerade getan?", fragt er mit einem freundlichen Lächeln. Als junger Dain hätte er wahrscheinlich einen Heidenspaß damit gehabt, die Grenzen dessen auszutesten, was auf Uther wirkt, nun ist es Mühe um einen diplomatischen Ton. "Wir haben im Kloster Ansdag und hier einige Beobachtungen gemacht, über die wir gerne mit euch sprechen würden. Da zu diesen Beobachtungen auch eine Seuche gehört, bitten wir euch, lasst euch von unserer Heilkundigen untersuchen." Sein Blick ging in Lifs Richtung, hoffend, das ihr klar wurde, dass er sie wegen ihrer magischen Kenntnisse, die ihm abgingen, an seiner Statt vorschlägt.

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #807 am: 27.06.2020, 14:39:11 »
Schweigend hat Lîf die ganze Szene verfolgt und Uther dabei nicht aus den Augen gelassen. Dass er ihre versöhnliche Geste ignoriert – oder vielleicht gar nicht wahrnimmt – würde den reizbaren Rotschopf sonst vielleicht in Rage versetzen. Hier jedoch kneift sie nur die Augen leicht zusammen, bleibt stehen und beobachtet ihn scharf. Eine Hand streicht in weiten Kreisen leicht über ihren Bauch, womöglich auch unbewusst. Sie nickt stumm bei sich, als würde sie durch das Gesehene und Gehörte eine Vermutung bestätigt finden. Aeryn blinzelt sie kaum merklich zu, auf Rogars Worte dagegen blickt sie erst erstaunt, hat sich der Bärtige doch sowohl als heilkundig in Bezug auf Krankheiten im eigentlichen Sinne wie auch als reichlich stolz erwiesen. Sie scheint dann aber deren Doppelsinn zu realisieren. Ihre Mundwinkel kräuseln sich kurz wie zu einem Schmunzeln, bevor sie ernst wird und wieder vortritt. "Es ist, wie unser Gefährte sagt: Wir haben Erfahrungen mit dieser Seuche gemacht. Es waren oftmals schlimme, aber immerhin verfügen wir über Erfahrung. Daher wäre es weise, wenn Ihr mich sicherstellen ließet, dass Euch keine Gefahr von dieser Seite droht."

Während dieser Rede beginnt sie in ihrem Gedächtnis schon nach allem zu fahnden, was ihr Lehrmeisterin ihr je über Flüche beibrachte. Hat sie überhaupt eine Chance, eine solch zweifellos machtvolle Verzauberung einfach zu brechen? Oder hätte sie womöglich mehr Aussicht auf Erfolg, wenn sie einen Weg herausfände, den Fluss der mystischen Energien zu stören, indem sie an den Paraphernalien ansetzt, die sicherlich eingesetzt wurden, so es sich wirklich um einen Zauber handelt? Lîfs Ehrgeiz, aber auch ihre Neugier auf solche Hexerei erwachen, weswegen sie auf Abdos Überlegungen, die sich eher mit dem Wozu als mit dem Wie beschäftigen, gar nicht mehr direkt reagiert. Stattdessen suchen ihre Blicke Uthers Erscheinung ab. Wie könnte sie wohl an ihm oder seiner Umgebung erkennen, welche Ritualgegenstände, welche Mittel zum Einsatz kamen, um seine Sinne derart zu verwirren?

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #808 am: 10.07.2020, 23:28:47 »
Während Lîf über Flüche und Verzauberungen nachdenkt[1], kommen ihr als erstes Freydis' Worte vom Vortag in den Sinn: Feen verfluchen nicht, sie bezaubern. Nun hat Lîf aber nicht den Eindruck, als kenne die Berührte sich mit Feen aus (zumal Gajas Diener sehr darauf achten, dieses Wissen für sich zu behalten), und die alte Esja hatte einen solchen Unterschied nicht gemacht.

Wenn Esja von Flüchen sprach, meinte sie damit Schadzauber in Form von Krankheit, Wahn, tierischen Plagegeistern oder ähnlichem Unglück, von Feen aus Rache, als Abschreckung oder zur Bestrafung menschlicher Freveltaten ausgesprochen. Ein Schadzauber, der, wenn man Glück hat, nur bloßstellend wirkt (Pocken im Gesicht, Eiterbeulen, Verlust der Manneskraft), auf dass man eine Lehre daraus ziehen möge, oft genug aber auch tödlich endet, auf dass andere eine Lehre daraus ziehen mochten.

Lîf überlegt sich, ob sie diese Art des Schadzaubers von nun an als Feenfluch bezeichnen soll, um ihn nicht mit dem zu verwechseln, was Freydis einen echten Fluch nennt. "Schadzauber" jedenfalls scheint auf beides zu passen. Auch, dass ein Fluch etwas persönliches ist, auf ein bestimmtes Opfer gezielt. (Dies, laut Solveig, unterscheidet ihn vom Dämonenwerk.[2])

Aber ist das, was sich hier auf dem Hof der Villags abspielt – denn auch das Verhalten der Magd draußen war schon sehr seltsam – überhaupt die Auswirkung eines Fluches, gleich welcher Art, oder sind die Menschen hier vielmehr verhext, wie Aeryn es nennt. (Wobei unklar bleibt, was die Elbin damit meint: verzaubert oder verflucht? So ein Durcheinander! Jeder nennt die Dinge, wie es ihm gerade einfällt, wie soll man da wissen, ob man vom gleichen redet?) Uther jedenfalls, soviel ist klar, ist unfähig, die Wahrheit vor seinen Augen zu erkennen. Das lässt sich ihrer Meinung nach nicht durch einen Fluch erklären. Welche Erklärung kommt aber dann in Frage?

Nun kennt Lîf sich nicht mit Berührtenmagie aus, mit Feenmagie dank der alten Esja aber durchaus. Und wenn Feen eines hervorragend können, dann ist dies Täuschen, Verwirren und Bezaubern. Sie tun dies auf fünf verschiedene Arten (und vielleicht ist dies bei Berührten ja ähnlich[3]): nämlich durch Betören oder Befehlen, durch Trugbilder oder Blendwerk oder durch Halluzinationen.[4] (Gestaltwandel zählte Esja hier nicht hinzu, obwohl dieser wunderbar zum Täuschen und Verwirren taugt, weil dies aber nicht sein eigentlicher Zweck ist. Selkies werden nicht im Wasser zu Robben und an Land gern zu Zweibeinern, um irgend jemanden zu täuschen, sondern weil man an Land mit zwei Beinen und zwei Händen wesentlich mehr anfangen kann als mit Flossen, vor allem aber weil die eine Gestalt so sehr zu ihrer Natur gehört wie die andere. Esja legte immer großen Wert darauf, die Dinge richtig einzuordnen und zu benennen. Ach, wenn sie nur nicht so früh gestorben wäre. Wie vielmehr hätte Lîf noch von ihr lernen können!)

Betören ist am leichtesten zu erklären. Mit ihren natürlichen Reizen, mit Sang, Musik, oder Tanz, mit Schauspiel, Geschichten oder einfach nur mit ihrer "Zauberstimme", sorgt die Fee dafür, dass man ihr freundschaftlich gesinnt ist, von kurzzeitiger Hilfsbereitschaft bis hin zur vollkommenen (und womöglich dauerhaften) Hingabe. Echt dabei ist das Talent, welches die Fee einsetzt: Ninae ist wirklich blendend schön, Tristans Stimme wirklich samtweich (wenn er will), und die Vodyanoi von Wodland wirklich äußerst wohlgestaltete Mannsbilder. Auch die erzeugten Gefühle sind insofern echt, als dass sie von dem Betörten selbst erzeugt werden, also nicht von außen kommen. Ein gänzlich gefühlloser Mensch, etwa, ließe sich nicht betören. Durch die Betörung wird nur stimuliert, was bereits vorhanden ist – und wenn es ein Kienspan ist, der zu einem Waldbrand auflodert. Folglich wirkt eine Betörung auch umso besser, je mehr sich der Betörte darauf einlässt, und je mehr er sich darauf einlässt, desto mehr wird er dafür belohnt, zumindest in seinem Empfinden. (Die drei Mägde des Disenopfers sahen nach der "Zeremonie" jedenfalls wesentlich glücklicher aus als zuvor, und sehr froh, bei ihren Feengatten zurückbleiben zu dürfen, um ihm drei Töchter zu gebären oder auch mehr.) Glück, Zufriedenheit, Geborgenheit, das Gefühl, einer großen, erhabenen Liebe... ein vom Schicksal Auserwählter zu sein... wie verlockend dies sein muss für jemanden, der zuvor allein, verloren, versklavt oder verstoßen war! Oft genug soll es gar vorkommen, dass jemand sich freiwillig aufmacht zu einem Ort, von dem es heißt, dass ein Feenwesen dort lebt und jeden verführt, der sich dort hinwagt, und erst nach zwanzig Jahren wieder freigibt, oder gar niemals.

Befehlen ist Betören für Ungeduldige. (Oder für solche ohne besonderes Talent.) Statt über den Umweg der Freundschaft befiehlt die Fee ihrem Opfer lieber geradeheraus, was er zu tun habe oder wie er denken solle. Nachtfeen greifen häufiger als Tagfeen zu diesem direkten Weg, obwohl man andererseits einige der mächtigsten Betörerinnen ebenfalls unter den Nachtfeen findet (Sirenen würden Lîf dabei als erstes einfallen...) und einige der Herrschsüchtigsten unter den Tagfeen (von Lamias heißt es, dass sie gar nicht erst nachfragen, was man in ihrem Gebiet zu suchen hatte, sondern die ungebetenen Gäste lieber gleich versklaven und bisweilen sogar, wenn ihnen die Diener ausgehen, sich auf die Jagd danach machen.)

Würde eines davon Uthers Verhalten erklären? Nun, gegen eine Betörung spricht seine säuerliche Gemütsverfassung. Wie er sich gleich angegriffen wähnte. Er erscheint Lîf einfach nicht... glückselig genug. Man vergleiche sein Auftreten mit dem von Kjartan, welcher noch immer von Ninaes Zauberreizen trunken ist. Obwohl er sich bewusst ist, dass man sich hier auf möglicherweise feindlichem Gebiet befindet, schwebt er dennoch mal vor Glück, mal vor Sehnsucht seufzend durch die Gänge und achtet kaum auf das, was um ihn ist. (Ohne dies aber gänzlich zu verleugnen, wie Uther es tut. Es reicht, ihn auf etwas aufmerksam zu machen, dann sieht er's wohl.)

Steht Uther also unter jemandes Befehl? Nun, dagegen spricht, dass man jemandem zwar zu lügen befehlen kann, nicht aber, ein guter Lügner zu sein. Und Lîf ist ja überzeugt, dass Uther ihnen nichts vormacht. Außerdem erscheint es ihr sinnlos zu leugnen, was jeder hier im Raum (außer Uther) mit eigenen Augen sehen kann, welche Absicht sollte dahinter stecken?

Aber noch gehen Lîf die Erklärungmöglichkeiten nicht aus. Drei sind noch übrig von den fünfen.

Ihr Blick geht zu den Gefährten hinüber, von denen einige noch immer mit Uther streiten, und kurz wird ihr schwindelig. Eine tiefe Kluft scheint sich zwischen ihnen zu öffnen, als Lîf sich bewusst wird, wie selten und kostbar das Wissen ist, aus dem sie gerade schöpft, weitergereicht seit Urzeiten, beschützt vor all jenen, die es missbrauchen könnten. Wie schwer lastet plötzlich auf ihren Schultern das Gewicht dieses Wissens, der damit verbundenen Verantwortung zu schützen, zu bewahren, geheim zu halten, aber doch auch eines Tages weiterzugeben an den auserwählten Nachfolger... Würde sie es missen wollen? Ist ihr die Last zu schwer? Oder überkommt sie ein Schauer über die Schicksalhaftigkeit ihres Lebensweges? Denn wäre sie nicht vor gut zweieinhalb Jahren von Rûngarder Piraten verschleppt worden und wäre sie nicht einem davon besonders ins Auge gefallen (wer hat hier wen betört: der Satyr die Sirene oder umgekehrt?) und hätte dieser der alten Esja nicht erlaubt, seinem jungen Weib Gajas Weg zu zeigen, und wäre Esjas eigener Lebensweg nicht so schicksalhaft verlaufen, dass sie jahrelang unter Feen lebte[5], dann... verstünde Lîf heute nicht einmal ihre eigene Natur, geschweige denn die der Feen und ihrer Zauber.

Lîf zwingt ihre Gedanken zurück zum Thema.

Trugbilder gaukeln Dinge vor, die es in Wahrheit nicht gibt. Sie werden auch Luftgespinste genannt, denn sie erzeugen etwas aus dem Nichts heraus. Trugbilder sprechen die Sinne an und müssen nicht unbedingt Bilder sein, sondern etwa auch Laute oder Gerüche. An vier Merkmalen unterscheidet man das Trugbild von anderen Täuschungen: erstens ist es ortsgebunden, zweitens täuscht es jedes Wesen in seiner Reichweite auf dieselbe Weise (außer jenen, die den Trug durchschauen): ob Tier, Mensch oder Elb, ob Mann oder Weib, ob Verbündeter oder Feind, ob der Zaubernde ihn im Blick hat von seiner Anwesenheit nicht einmal ahnt: alle nehmen dasselbe wahr. Drittens kann ein Trugbild nur etwas darstellen, das der Fee bekannt ist. (Eine erhebliche Einschränkung für eine Fee, die einen "Kurzlebigen" täuschen will; weniger für einen menschlichen Zaubernden, der einen anderen Mitmenschen an der Nase herumführen will.) Viertens können Trugbilder keine reale Person oder Gegenstand wie etwas anderes aussehen lassen.

Von daher: Auch ein Trugbild scheidet hier aus, denn ein Trugbild kann keinen Strohsack als Soren Villag erscheinen lassen.

Ein Blendwerk also? Denn dies unterscheidet sich von einem Trugbild im ersten und im letzten Punkt: es kann nicht nur, es muss sogar auf eine Person oder einen Gegenstand gewirkt werden, um ihn anders erscheinen zu lassen, als er ist (abermals auf alle fünf Sinne bezogen, einzeln oder im Zusammenspiel), oder gar den Blick gänzlich an diesem vorbeizulenken.

Aber um auf ein Blendwerk hereinzufallen, das niemanden in ihrer Gruppe täuschen konnte, müsste Uther schon recht dumm sein, um nicht zu sagen strohdumm. Das kann sie irgendwie auch nicht glauben.

Die Halluzination bleibt da als letztes noch. Von allen Täuschungen ist sie die mächtigste. Jedenfalls kann sie alles, was Trugbild und Blendwerk nicht können: sie erzeugt eine Illusion, die nur die Zielperson und der Zaubernde selbst wahrnehmen können. Sie existert einzig im Kopf des Zieles, vor dessen "geistigem Auge", im Wachen oder im Traum. Sind mehrere Personen das Ziel, so sieht womöglich jeder etwas anderes. Zum Beispiel: "das schrecklichste Monster, das du dir vorstellen kannst" – darunter stellt sich sicherlich jeder etwas anderes vor. Oder auch: "dort liegt dein Weib, tot auf dem Boden!" wird jedem ein anderes Weib zeigen. Der Zaubernde muss also nicht einmal kennen, was er dem Ziel vorgaukelt. "Dort steht das schönste Weib, das du dir vorstellen kannst!" Oder auch: "Ich bin alles, was du dir von einem Weib erträumst." Oder gar: "Du bist von der Pest befallen. Beulen übersähen deinen ganzen Körper." Eine Halluzination ist an nichts gebunden außer an die Zielperson, dessen Wissen und Vorstellungskraft. Es gibt kaum eine Grenze, was sie ihren Opfern vorgaukeln kann. Umstehende, die nicht Ziel des Zaubers sind, bekommen nichts von alledem mit – außer vielleicht das seltsame Verhalten des Halluzinierenden.

Ist es das? Halluziniert Uther? Zumindest findet Lîf nichts, was dagegen spräche. Daraus ergibt sich die Frage: ist hier eine Fee am Werk? Und damit auch eine andere Person als oben im Kloster, nur ähnlich mächtig? Doch die hiesigen Feen sind laut Ninae mit Uther befreundet. Steckten sie hinter seiner Verwirrung, könnte dies nur zu seinem Schutz geschehen sein. Die andere Möglichkeit: es steckt doch dieselbe Person dahinter und es können eben auch Berührte Halluzinationen wirken. Vielleicht kann Freydis ihr das bestätigen?

Außerdem wäre da noch die Frage, wie man Uther davon befreien könne. Rogars Aktion hätte eigentlich Beweis genug sein sollen, dass an dieser Stelle kein gichtkranker Fürst im Bett liegt, und denn Bann somit brechen, doch Uther ist noch immer nicht überzeugt. Überhaupt sollte eine Halluzination nur so lange wirken, wie der Zaubernde sie aktiv aufrecht erhält, mit allenfalls einer kurzen Nachwirkzeit von wenigen Augenblicken bis hin zu einem Tag vielleicht. Es muss hier also etwas oder jemanden geben, der die Illusion aufrecht erhält oder Uther regelmäßig von neuem verzaubert.[6]

Während Lîf über all dies nachdenkt, bekommt sie vom restlichen Geschehen in der Kammer – Uthers Empörung über Aeryns unglückliche Wortwahl 'verhext' etwa – kaum etwas mit. Nur ihren Gatten spürt sie verlässlich an ihrer Seite.
 1. Ein ganzer Post von mir für Lîfs Wurf auf Altes Wissen = 25, natürliche 20.
 2. s. hier für Solveigs komplette Erläuterung.
 3. Beim Fluch/der Seuche ist man sich ja inzwischen halbwegs einig, dass Berührtenmagie dahintersteckt. Ginge man also hier an Villags Hof vom selben Verursacher aus, stünde Uther halt auch unter Berührtenmagie. Daher die (zugegeben etwas holprige) Überleitung hier: wenn die Flüche (Feenfluch vs. "echter" Fluch) einerseits Unterschiede aufweisen, andererseits starke Gemeinsamkeiten, vielleicht ist das bei den Verzauberungen ja auch so.
 4. In DnD Terminologie:
Betören = enchantment / charm
Befehlen = enchantment / compulsion
Trugbilder = illusion / figment
Blendwerk = illusion / glamer
Halluzination = illusion / phantasma.
Hier nicht erwähnt: illusion / shadow und illusion / pattern. Hiervon hat Lîf noch nie etwas gehört und es scheint mir auch keine Erdmagie. Falls für Dalaran überhaupt geeignet, dann sehr selten und nur arkane Magie.
 5. nämlich bei den oben bereits erwähnten Vodyanoi von Wodland (der Thinginsel von Tristans Leuten), wobei sie zu den ebenfalls dort lebenden Selkies auch gute Beziehungen hatte, beides Tagfeen. (Ihren Lebensweg erzählt Esja hier).
 6. Letzten beiden Sätze ergänzt. (12.7., 11.30)
« Letzte Änderung: 12.07.2020, 11:26:13 von Gaja »

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #809 am: 11.07.2020, 20:16:29 »
"Verhext!" ruft Uther. "Zum wievielten Mal denn noch: es gibt hier keine Hexen! Hat der Abt das behauptet? Hat er nach Kromdag geschrieben? Glaubt ihm kein Wort! Meine Schwester habt Ihr doch kennengelernt – eine Hexe, laut Halfir – welch absurde Anschuldigung, das müsst Ihr doch gesehen haben! Ein herzensguter Mensch ist sie! Und meine Mutter war auch keine Hexe, und mein Weib genausowenig... Warum wird jede Frau in meinem Leben von dieser Anschuldigung getroffen? Ich gebe Vater die Schuld! Er gönnt mir einfach keine, er erträgt es nicht, wenn eine mich enger ins Herz schließt als ihn!"

Ein hasserfüllter Blick gleitet zum Bett. Da schnappt er ein paar Worte von Abdos Rede auf.

"Wer hier das Sagen hat: mein Vater natürlich! Und der einzige, der davon profitiert, ist Abt Halfir. Warum ich ihm dies nicht endlich mal laut und deutlich ins Gesicht sage, fragst du? Weil er mich dann enterben und vor die Tür setzen würde, das käme dem Abt gerade recht! Dann könnte er hier völlig schalten und walten, wie er will. Wen auch immer er zu Vaters Nachfolger machen würde, wenn er sich nicht selbst gleich zum Fürsten ernennt: was glaubst du, wie es den Bachgeschwistern gehen würde oder meiner Schwester, die zu stur ist, um ihr Heil in der Ferne zu suchen? Und wer würde die Erdkinder, sobald sie auffällig werden, zu den Heilerinnen nach Hildridsrast schmuggeln oder, ist's ein Junge, zu den Vanders hinüber in die Heilakademie?[1]"

Aeryns Eindruck, dass der Fürstensohn insgesamt ein wenig verwirrt ist und nicht immer so ganz genau weiß, mit wem er redet, verstärkt sich. Sobald es um den Abt und den Vater geht, scheint er jedenfalls mitten in einer Debatte zu stecken, die er schon öfters mit sich oder einer anderen Person geführt hat.

Von Rogar angesprochen, wendet Uther sich zum Bett. Rogars Tun lässt ihn einen Schritt vorschnellen, doch er kommt zu spät, um zu verhindern, dass der Dain seinen Helm auf dem Bett absetzt. Brauen ziehen sich finster zusammen. "Ihr habt Euren Helm auf den Bauch meines Vaters gelegt", antwortet er auf Rogars Frage (es kostet ihn offensichtliche Mühe, so ruhig zu sprechen). "Bitte nehmt ihn wieder herunter, bevor er zu Boden purzelt und Vater von dem Scheppern aufwacht."

Rogars Bitte, sich von Lîf untersuchen zu lassen, wischt er dagegen mit ungeduldigen Geste fort. "Ach was, ich bin gesund. Und mein Vater wird sich von einem Weib nicht untersuchen lassen. Bitte fasst das nicht als versuchte Beleidigung meinerseits auf", fügt er rasch in Lîfs Richtung an. "Auch in dieser Hinsicht teile ich seine Meinung keineswegs."

Sollte Rogar bis dahin der Bitte, den Helm wieder zu entfernen, noch nicht nachgekommen sein, kümmert Uther sich nun selbst darum, indem er das gute Stück vorsichtig vom Bett hebt und, weniger vorsichtig, in Rogars Arme drückt.

"Also wie gesagt, wenn Ihr nach den Räubern sucht, könnte ich euch einen Mann mitgeben", versucht er wacker zum eigentlichen Thema zurückzulenken. "Jan, er ist momentan im Ort, aber wenn ich euch meinen Ring mitgebe, dann wird er euch glauben, dass ich euch geschickt habe. Ich kann hier momentan nicht fort, das seht ihr selbst."
 1. Vander = Fürstenhaus in Jongot
« Letzte Änderung: 12.07.2020, 15:21:54 von Gaja »

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