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Autor Thema: Das Disenthing  (Gelesen 44544 mal)

Beschreibung: Kapitel 1

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Lîf

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Das Disenthing
« Antwort #45 am: 14.09.2017, 16:34:19 »
Die jungen Weiber und Burschen hören äußerst aufmerksam zu, ganz im Gegensatz zu den Älteren an den weiter entfernten Feuern, die ja Tristans Vortrag bereits kennen und überdies selbst erlebt haben, was er den Jüngeren hier beschreibt. Gereckte Hälse, atemlose Stille, Augen, die gebannt an seinen Lippen hängen: Ein so andächtiges Publikum erlebt selbst der Skalde mit der Zauberstimme selten. Kein Wunder, sind doch vor allem die Mädchen und werdenden Weiber in banger Ungewissheit, was die Zukunft ihnen bringen wird, was ihre Rechte und Pflichten sein werden, wie ihr Leben aussehen soll. Sicherlich haben sie begonnen, ihre Mütter zu beobachten, seitdem es für eine nach der anderen von ihnen konkret wurde mit dem Bräutigam, mit dem Feilschen um die Braut, mit den Ansprachen und den Vorbereitungen für die Hochzeit. Sie haben alten Weibern, denen sie sonst kaum einen Blick gönnten, freiwillig im Haus geholfen, um sie vorsichtig auszuhorchen, wie das denn nun sei, wenn man von einem Mann heimgeführt wird, was zu beachten, was zu vermeiden sei. Meist allerdings haben sie für einen ganzen Tag Schweiß und Rückenschmerzen bei der großen Wäsche der Greisinnen lediglich ein zahnloses Grinsen und den weisen Rat geerntet, nur hübsch aufzupassen, wenn sie beim Thing all das erklärt bekämen – und waren so klug wie zuvor.

Nun hört ein jede hin, nicht ahnend, dass die anderen genauso ahnungslos sind, weil die Alten es als Verstoß gegen die Sitten betrachten, die Belehrung durch den Rechtsbewahrer vorweg zu nehmen, dessen Pflicht es zudem ist, all die Regularien im Kopf zu haben, wohingegen eine alte Frau wohl das eine oder andere vergessen oder nicht mehr ganz so genau nehmen mag... Auch Lîf hat, ohne das Wissen Tristans, die alte Hulda bedrängt, erst schüchtern und verlegen, indirekt, dann immer deutlicher, bis auch sie sich mit demselben kümmerlichen Erfolg zufrieden geben musste wie ihre Schicksalsgenossinnen: Die Magd hat ihr nur mit verschmitztem Grinsen vorgehalten, dass sie schließlich das Weib des Mannes sei, der in solchen Dingen bestens bescheid wisse – warum sie ihn denn nicht frage statt einer alten Dienerin, die ja nie einer zu seinem Weib gemacht habe. Wohl wissend, dass der Rotschopf sich eben gerade geniert, mit einem Mann über derlei zu reden, sind doch auch recht intime Weiberdinge unter den Fragen, die ihr unter den Nägeln brennen. So steht also auch sie angestrengt lauschend zwischen den jungen Weibern, während sie versucht, das Grinsen Helgas aus ihren Gedanken zu verbannen, die wahrscheinlich die Sorgen der zierlichen, eher flachbrüstigen Lîf besser durchschaut hat, als dieser recht ist. Hätte sie sich nur nicht zu dieser letzten Frage hinreißen lassen..!

Derweil also die Weiber lauschen, gelegentlich miteinander tuscheln und zu den jungen Burschen hinüber schielen, die sich bei diesem Teil noch zurückhaltend und überlegen geben – in Wahrheit aber ebenso die Ohren spitzen – trägt Tristan die Litanei vor, die ihm wie von allein über die Lippen fließt, ohne dass er sich nach den vielen Wiederholungen in den vergangenen Jahren noch sonderlich anstrengen müsste, sich den Wortlaut der Gesetze ins Gedächtnis zu rufen. Gleichmäßig, ruhig und gut verständlich klingt seine sonore Stimme über die Menschen, die ihn umstehen, untermalt vom Prasseln der Feuer, dem Knacken des Holzes. Schließlich beendet er den ersten Teil seiner Belehrung, und die Zuhörerinnen an dem einen Feuer sehen sich gegenseitig an. Leises Fußscharren, hier rückt eine ihr Kopftuch zurecht, da spielt eine andere an ihrer Schürze. Keine meldet sich zunächst zu Wort, und Tristan will bereits wieder anheben, als sich doch eine etwas zittrige, helle Stimme vernehmen lässt: "Was ist, wenn das Weib seinem Mann keinen Sohn schenkt? Darf er sie dann wieder heimschicken..?" Elske ist es, die sich nur schwer dazu durchgerungen hat, eine so peinliche Frage zu stellen. Lîf, die wohl bemerkt hat, dass etwas sie beschäftigt, hat sie leise flüsternd dazu ermutigt und drückt ihr auch nun leise die Hand. Die anderen Weiber sehen sie kurz an und schauen dann alle wieder zu Tristan – froh, nicht selbst diejenige zu sein, die zugegeben hat, von solchen Sorgen geplagt zu sein, aber ebenso froh, dass jemand eine solch heikle Frage stellte, auf die sie nun wohl eine Antwort erhalten werden. Dann das Gerücht hält sich hartnäckig, dass immer wieder unglückliche Weiber in Schimpf und Schande ins Haus ihrer Eltern zurückkehrten und auf immer als bessere Magd dort versauerten, weil keiner mehr eine will, die ihm nicht wenigstens einen strammen Erbfolger schenken kann.

Tristan

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Das Disenthing
« Antwort #46 am: 14.09.2017, 19:25:09 »
Bei Elskes Frage verzieht Tristan das Gesicht und beginnt unwillig: "Ob es Fragen zu meinen bisherigen Erklärungen gäbe, wollte ich wissen, statt dessen greifst du vor auf Scheidungsgründe, wo wir doch gerade erst bei der Eheschließung sind!"

Über die Rüge erschrickt Elske dann allerdings derart heftig, dass Tristan sie rasch zu beruhigen versucht: "Also schön, ein Vorgriff auf das Scheidungsrecht. Es gibt nur zwei Dinge, aus Sicht des Mannes, welche den Ehevertrag ungültig machen und ihn dazu berechtigen, sein Weib heimzuschicken, wie du es nennst: das wäre zum einen, dass er sie im Bett mit einem anderen Mann erwischt—und in diesem Fall muss sie froh sein, wenn er sie nur heimschickt, denn bei solch schändlichem Ehebruch hätte euer Gatte gar das Recht, nicht nur euren Geliebten totzuschlagen, sondern euch gleich mit, um seine Ehre wiederherzustellen. Eure väterliche Sippe wird dies ohne Wenn und Aber einsehen, sodass ihm dafür auch keine Blutrache droht. Voraussetzung ist—merkt wohl auf, ihr Burschen!—dass euer Gatte den Fehltritt mit eigenen Augen bezeugt hat. Burschen, ich warne euch, geb acht, dass ihr euch da niemals etwas einreden oder närrisch machen lasst, durch Neider und dergleichen bösen Zungen, die so etwas gerne einmal behaupten. Im Zweifelsfall glaubt an die Treue euer Frau und versucht die Sache zu klären. Und selbst wenn ihr einen fremden Mann im Bett eures Weibes erblickt, haltet euch wenigstens so lange zurück, bis ihr festgestellt habt, dass dieser nicht gegen ihren Willen dort ist, in welchem Fall ihr wohl daran tut, den Schuft auf der Stelle zu erschlagen, euer Weib hernach aber auf Knieen um Vergebung zu bitten, dass ihr sie nicht besser habt schützen können.

Zurück zu den Scheidungsgründen: Untreue wäre der eine, der zweite aber, dass ein Eheweib ihrem Gatten in sieben Jahren—dies ist die Zahl, die in den meisten Verträgen steht, fragt mich nicht wieso—gar kein Kind schenkt. Auch dies gibt ihm das Recht, den Ehevertrag für ungültig zu erklären. Schenkt sein Weib ihm in dieser Zeit aber eine Tochter, so ist der Vertrag damit erfüllt. Denn ein Mann, der nur eine Tochter hat, kann sie mit einem Burschen verheiraten, der wohl tüchtig ist, aber keinen eigenen Hof hat, etwa weil er ein jüngerer Sohn ist, und diesen beiden kann der Vater alles vererben und seine greisen Jahre bei ihnen verbringen. Aber da sind wir schon beim Erbrecht. Im übrigen wird ein Mann auch ein kinderloses Weib nicht leichtfertig verstoßen. Ist sie nämlich tüchtig und versteht sich mit ihrem Gatten gut, so holt er sich eher ein zweites Eheweib ins Haus als dass er sein erstes verstößt, doch zur Fridelehe sage ich später noch was. Und selbst wenn es zum ärgsten käme, hat das Weib unter gewissen Umständen die Möglichkeit zu widersprechen, sollte nämlich ihr Gatte das Ehelager vernachlässigt haben, in welchem Fall man die Kinderlosigkeit nicht ihr zu Last legen kann. Da gab es übrigens mal einen Fall, dass es zwei Nachbarn so ging, und sie beschlossen schlau, einfach die Weiber auszutauschen, und siehe da, schon das Jahr darauf hatten beide Kinder! In einem anderen Fall heiratete ein Mann einfach noch die jüngere Schwester seines Weibes hinzu und alle drei waren glücklich. Häufig dagegen kommt es vor, dass ein Mann, im Fall dass sein Weib ihm keine Kinder schenkt oder aber diese allesamt vor ihm sterben, ein oder mehrere Kinder, die er mit seinen Kebsen zeugte, nachträglich vor dem Recht anerkennt. Mit all dem will ich sagen: es geschieht sehr selten, dass ein Mann sein Weib einfach verstößt, weshalb es recht überflüssig ist, sich schon vor der Hochzeit darüber zu sorgen."


Nachdem Tristan dies alles sehr geduldig erklärt hat, endet er nun doch wieder leicht verstimmt: "Also bitte, wenn niemand hier tatsächlich eine Frage zu dem hat, was ich bisher vortrug, so fahre ich nun fort."

Die jungen Frauen schütteln betreten, teilweise verschüchtert die Köpfe, worauf Tristan sich also an die Burschen wendet, nicht ohne zuvor die Weiber zu ermahnen, dennoch gut zuzuhören.

"Nun also zu euch Burschen, das heißt zu euren Rechten und Pflichten als Hausherr und Ehegatte. Zunächst einmal: Auch wenn Gesetz und die gute Sitte vorsieht, dass euer Weib euch untertan sein soll, so habt ihr sie zu achten und zu ehren und für ihr Wohlergehen zu sorgen, denn es gäbe nichts schändlicheres, als dass ihr sie wie eine Magd behandeln wolltet. Als zweites müsst ihr wissen, dass ihr für euer Weib in vollem Maße buß- und rechtspflichtig seid. Das heißt ihr vertretet sie vor Gericht, haftet für ihre Taten oder macht ihre Ansprüche geltend. Außerdem gehört dazu, wie ich vorhin den Weibern erklärte, dass ihr einen Handel, den sie vereinbarte, nicht rückwirkend ausschlagen könnt, sondern für ihr Wort in gewisser Weise mit dem euren haftet. Drittens habt ihr für ihren Schutz zu sorgen und den der gemeinsamen Kinder, indem ihr zum einen mit allen Mitteln den Hausfrieden verteidigt, nämlich dass niemand auf eurem Grund und Boden es wagen soll, euren Hausgenossen Schaden zuzufügen, ob an Leib oder Ehre; zum anderen bedeutet dies, dass ihr nicht nur das Recht auf Blutrache habt, sollte jemand eurem Weib oder Kindern ein Leid gleich welcher Art antun, sondern geradezu die Pflicht. In diesen und auch sonst allen Dingen vertretet ihr eure Familie nach außen.

Eine weitere Pflicht des Hausherrn ist, sich um die Versorgung und Gesundheit aller Familienmitglieder zu kümmern sowie für die Erziehung der Kinder zu sorgen, also dafür, dass sie alles lernen, was sie zum Leben brauchen, die Töchter das Haushalten und Wirtschaften und auf sich acht geben, die Söhne Todesmut und Ehre, wie man Schild und Waffe führt, reitet, schwimmt und die See bezwingt, fischt, jagt und allerlei handwerkliche Dinge verrichtet, so ihr sie nicht gar mit zehn zum Lehrling nehmt oder einem Schmied, Bootsbauer, Tischler, Sattler oder Skalden in die Lehre gebt. Für eure Töchter wiederum gilt es, einen möglichst günstigen Ehevertrag auszuhandeln, dazu müssen sie mindestens zwölf sein, also auch bei einer geplanten Verlöbniszeit von drei Jahren.

Bei der Wahrung der häuslichen Ordnung habt ihr eurem Weib zur Hand zu gehen, damit das rechte Benehmen aller Hausgenossen untereinander gewährleistet ist. Zur Hand gehen will heißen: so euer Weib einen nachteiligen Vorfall dieser Art nicht allein in den Griff bekommt, bevor er euch auffällt. Also etwa, dass es Streit im Haus gibt, den die guten Worte der Hausfrau nicht zu schlichten vermochten, so sollen die Streithähne durch eure Hand angemessene Züchtigung erfahren, das wird sie dann wohl zur Vernunft bringen. Ein weiterer Fall, bei dem ihr einschreiten müsst, ist der, dass euer Weib diejenige ist, deren Fehlverhalten es zu maßregeln gilt, was sie ja schlechterdings an sich selbst verrichten kann, oder eins der Kinder, was eurem Weib vielleicht schwerfallen wird.

Wenn es bei einer Züchtigung um euer Weib oder die Kinder geht, möchte ich zwei Warnungen aussprechen: zum einen, dass euer Weib, solltet ihr sie im Übermaß prügeln, gar für den kleinsten Fehler, zu ihrem Vater oder Bruder gehen könnte und diesen um Schutz vor euch bitten. Sie bleibt nämlich trotz der Heirat ein Mitglied der väterlichen Sippe, und wenn sie auf diese Weise bittet, so haben ihre Verwandten das Recht, sie gegen den eigenen Mann zu schützen. Dazu wird der Vater oder Bruder sich anhören, für welche Vergehen ihr Gatte sie auf welche Weise gezüchtigt hat, und kommt er zu dem Schluss, dass ihre Missetat in keinem Verhältnis zu der Strafe stand, so mag er beschließen, den Gatten, der so gar kein Auge für das rechte Maß zu besitzen scheint, doch selbst einmal aufs prächtigste zu verprügeln, um ihm dieses zu demonstrieren. Dies ist einem Mann meiner Bekanntschaft passiert und es war nicht schön. Schlimmer ist nur noch der Fall, dass ihr als Gatte euch auch danach nicht bessert, dann kann das Weib euch nämlich verlassen und aus eigener Entscheidung zu den ihren zurückkehren. Ja, auch sie hat zwei gute Gründe vor dem Recht, den Ehevertrag für ungültig zu erklären: unmäßige Prügel ist einer davon. Also seht euch vor und lasst stets das rechte Maß walten—ein guter Rat in jeder Lebenslage!—vor allem aber, wenn es um die Züchtigung von Weib oder den Kindern geht, denn zu deren Schutze könnte euer Weib ebenfalls die Hilfe ihres Vaters oder Brüder erbeten und die meisten von ihnen täten es sogar noch eher aus diesem Grund als zum Selbstschutz, denn nichts auf der Welt ist stärker als der Instinkt einer Mutter, ihre Kinder zu schützen. Meine zweite Warnung hat nichts mit dem Gesetz zu tun, ich spreche sie aber trotzdem aus: schlagt euer Weib niemals in den Bauch, weder mit der Faust noch mit einem Fußtritt, und stoßt sie auch nicht zu Boden, egal ob ihr von einer Schwangerschaft wisst oder nicht, denn oft ist das Weib schon schwanger und weiß es selbst noch nicht oder hat den rechten Moment noch nicht gefunden, es dem Gatten zu sagen, und ein Tritt oder Hieb in den Magen oder auch ein Sturz wird ihr das Kind mit großer Gewissheit kaputtmachen. Auch diesen Fehler hat ein Mann, den ich vor langer Zeit kannte, wieder und wieder begangen und daher selbst das elendste und einsamste Leben verbracht, das man sich nur ausmalen kann, doch sehe ich nicht, dass man ihn dafür bedauern müsste, denn er hat es sich selbst so eingebrockt.

So, was bleibt noch zu sagen? Dass es eure Pflicht ist, eurem Weib regelmäßig beizuwohnen, erwähnte ich bereits, denn Kinder sind der vorrangige Zweck einer Ehe. Tut ihr dies nicht, so hat sie ihrerseits das Recht, den Ehevertrag für ungültig zu erklären und zu ihrer väterlichen Sippe zurückzukehren. Dies trauen sich, zugegeben, nur wenige, doch unterschätzt nicht die Entschlossenheit einer Frau, die sich Kinder wünscht, und ihr macht ihr keine.

Und damit wären wir bei der letzten Pflicht des Hausherrn oder auch dem letzten Recht, denn zumeist sind dies zwei Seiten derselben Münze: bei jedem Kind, das euer Weib euch gebiert, habt ihr zu entscheiden, ob ihr es annehmt, das heißt in den Rechtsschutz eurer Familie aufnehmen wollt, oder ob es ausgesetzt werden soll. Um als Vater ein Kind rechtskräftig anzunehmen, habt ihr drei Dinge zu tun: ihr nehmt es auf und legt es auf euer Knie; ihr benetzt es mit Wasser; ihr gebt ihm seinen Namen. Sobald dies getan ist, erlischt euer Recht, das Kind auszusetzen. Dies wäre dann eine Schandtat, für die ihr schlimm büßen müsst. Wollt ihr das Kind also nicht annehmen, weil es krank oder missgestaltet ist oder weil ihr euch in so großer Not befindet, dass ihr die anderen Familienmitglieder kaum ernähren könnt, so legt es namenlos bei Ebbe an den Strand, dass die Flut es holen möge und die Geister all eurer Vorfahren, die im Meer ihr Leben ließen, sich um seine Seele kümmern können.

In diesem Sinne: hat jemand Fragen zu dem, was ich soeben vorgetragen habe?"

« Letzte Änderung: 15.09.2017, 13:05:00 von Tristan »

Lîf

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Das Disenthing
« Antwort #47 am: 15.09.2017, 14:03:47 »
Die jungen Frauen senken alle die Köpfe, als Tristan so unwirsch antwortet und die Fragende rügt. Elske gar scheint im Boden versinken zu wollen, während die Burschen am anderen Feuer sich gegenseitig grinsend in die Seiten stoßen und etwas von Weibern und Neugier tuscheln. Lediglich ein Augenpaar sieht Tristan noch offen entgegen: Das seines eigenen Weibes. Lîf reckt trotzig das Kinn, hat Elske demonstrativ den Arm um die Schultern gelegt und sie an sich gezogen und funkelt ihn nun an, offenbar nicht bereit, durch ihr Verhalten auch nur ansatzweise zuzugeben, dass sie seinen Unmut für gerechtfertigt hält. Wär' er selbst ein junges Weib, so wüsste er wohl, welche Sorgen und Ängste ihre Kameradinnen erfüllen und wie sehr sie die Seele quälen und das Herz unruhig pochen lassen! Wie kann man es da der armen Elske verdenken, dass die Not ihr die Frage über die Lippen drängte?! Sie schießt auch einen wütenden Blick zu den jungen Burschen hinüber, die sich heimlich über die Zurechtweisung zu amüsieren scheinen, die eindeutig an das Weiberfeuer gerichtet war. Dann erst senkt auch sie den Blick, lässt aber ihre neue Bekannte nicht los, sondern streichelt ihr die Schulter und versucht sie zu trösten, indem sie sie sanft an sich drückt. Einige Hände aus dem Kreis der jungen Weiber um die beiden stehlen sich zu ihnen, um ihnen ebenfalls Hände oder Arme zu drücken, rückversichernd, auch wenn nicht eine es wagt, unter dem Blick des gestrengen Gesetzesverkünders offen ihre Solidarität auszudrücken. Immerhin brennen jeder Einzelnen von ihnen solche Fragen unter den Nägeln. Nur der Zufall wollte es, dass eben Elske als die Nasewaise erschien und keine andere.

Immerhin aber beweist Tristan aber so viel Einfühlungsvermögen und Verständnis wie wohl kaum sonst je ein Mann auf den Inseln: Er lenkt ein und erläutert den künftigen Eheweibern, was sie so dringend interessiert. Das fassen auch die Burschen am anderen Feuer als Mahnung auf, dass der Zwischenfall von eben vergeben und vergessen sein soll, und wenden sich dem Skalden wieder lauschend zu. Lîf hebt den Blick wieder, und diesmal scheint das Funkeln in ihren Augen, umrahmt von den roten Zöpfen, von einem sanfteren, tiefgrünen Feuer zu stammen. Ihre Lippen zeigen ein kaum merkliches Lächeln. Die Mädchen, werdenden Frauen, hören ihm wieder andächtig zu, und ihre männlichen Gegenstücke widmen seinen Worten nun anscheinend immer mehr Aufmerksamkeit, beginnt es sich doch hier auch um Fragen zu drehen, in denen sie selbst noch im Nebel des Ungewissen umherirren. Wie ist das nun zwischen Mann und Weib? Was sind denn die Rechte des Mannes, des Familienoberhaupts? Dass Weib und Kinder zu gehorchen haben, widrigenfalls ihnen, den Männern, das Recht der Züchtigung zusteht, lässt sie alle befriedigt nicken. So haben sie sich das auch vorgestellt, so soll's sein! Als Tristan jedoch beginnt, die Pflichten des Mannes aufzuzählen, die Verantwortung, die er für alle die hat, die ihm derart untertan sind, beginnen die Mienen länger zu werden. Was denn, geradestehen müssen sie auch für die losen Mundwerke ihrer Weiber, zu sorgen haben sie für alle, und wenn sie es gar zu arg treiben, steht dem Weibe gar zu, sich zu den Seinen zu flüchten..?! Eijeijei... so mancher kratzt sich betreten am Kopf und tauscht ratlose Blicke mit den Nachbarn.

Sollt' es wohl sein, dass ihre alten Herren ihnen doch keinen Bären aufgebunden haben, als sie sagten, der Mann sei zwar der uneingeschränkte Herrscher über die Seinen, doch mit der Macht komme auch die Verantwortung? Als sie behaupteten, Weiber und Kinder, altersschwache Greise wohl auch, die alle könnten sich erlauben, unvernünftig zu sein, aus dem Bauch heraus zu urteilen, Dummheiten zu begehen – niemals aber der Mann, von dessen klugen Entscheidungen das Wohl und Wehe der Familie abhänge..? Das klingt nun nicht ganz nach dem lustigen, sorglosen Herrenleben, das sich die halbstarken Burschen bei einem Becher Met in lustiger Runde oft so gern ausgemalt haben... Fast scheint es, als seien Rechte und Pflichten zwischen den Geschlechtern zwar höchst ungleich, aber mitnichten ungerecht verteilt. In dem einen oder anderen Kopf beginnt sich schwerfällig der Gedanke zu regen, dass die Altvorderen Gesetze und Sitten wohl durchdacht haben müssen, um den Frieden in den Familien auf lange Sicht zu sichern. Indes, es ist unangenehm zu erfahren, dass ein Fehltritt einem jungen Weib zwar einen hübschen Tanz der Rute auf ihrem Hinterteil einbringen mag, einem jungen Mann jedoch fast ebenso leicht eine Tracht Prügel vom Schwiegervater, ein kaltes Eisen in den Bauch gar in schweren Fällen. Die Mienen der Mädchen am anderen Feuer, die das betretene Schweigen durchaus wahrgenommen haben, sind nicht direkt schadenfroh, aber ihre Blicke scheinen doch ein stummes "Aha! Seht ihr wohl, ihr Burschen..." zum Ausdruck zu bringen. Das gibt dem Übermut der jungen Männer einen spürbaren Dämpfer, und da die Ermahnung Elskes noch nicht vergessen ist, erntet Tristan auf seine Erkundigung nach weiteren Fragen von den Herren der Schöpfung diesmal nur eiliges Kopfschütteln und das eine oder andere gemurmelte: "Nein, nein, 's ist ja alles ganz klar..." Auch die Weiber bleiben stumm. Lîfs Blick ruht jetzt mit einem unergründlichen Ausdruck auf ihrem Gemahl.

Tristan

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Das Disenthing
« Antwort #48 am: 16.09.2017, 01:12:53 »
Tristan entgehen weder die Blicke der jungen Weiber in Richtung der Burschen noch die betretenen (getretenen?) Mienen letzterer und er fragt sich, ob er in seiner Rede womöglich einseitig den Weibern zuviel zugestanden hat, den Burschen aber zuviel auferlegt? Dabei hat er sich so bemüht, ein ausbalanciertes Bild zu zeichnen, welches beide Seiten gerecht darstellt! Um den kecken Weibern also wieder ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen, den Burschen dagegen Rückendeckung zu geben[1], mahnt er erstere: "Nicht wahr, das habe ich deutlich gemacht, dass ein Eheweib bei allem, was sie tut, ob Haushalten, Wirtschaften oder einen Handel eingehen, klug und vernünftig vorgehen soll, sich niemals übernehmen, vielmehr stets überlegen, ob was sie tut auch im Sinne ihres Gatten wäre? Was seinem Ansehen schadet, schadet auch eurem, was seinem Geldbeutel schadet, ebenso, und muss er vor Gericht büßen, büßt die ganze Familie mit. Daher muss das Weib wie der Mann bei allem, was sie tut, stets an das Wohl der Familie denken."

Darauf nimmt Tristan sich kurz Zeit, sich den Einstieg ins neue Thema zu überlegen, denn es ist erfahrungsgemäß ein etwas heikleres, zudem eins, auf dass die Eltern ihre Töchter in den seltensten Fällen vorbereiten, sodass eigentlich nur solche, die etwas frechere Brüder haben, welche nämlich vor den Schwestern damit prahlen, überhaupt wissen, wer sich da alles nachts in die Betten der Mägde verirrt. Derweil Tristan überlegt, geht er vor den drei Feuern auf und ab und räuspert sich mehrmals; so allmählich wird er doch ein wenig heiser. Gut, dass der erste Teil bald geschafft ist. Nein, gut, wenn dieser Teil endlich geschafft ist! Längst hat Tristan sich die Worte zurechtgelegt und trotzdem noch nicht begonnen. Da erst erkennt er den eigentlichen Grund: es ist ihm unangenehm, vor seinem eigenen Weib davon zu sprechen. Heiser ist er überhaupt auch nicht, da sitzt ihm bloß ein Kloß im Hals. So ist das also! Da wette ich doch, die anderen Kerle sind heilfroh, dass sie das Thema fein ihrem Gesetzessprecher überlassen dürfen! Schließlich bleibt er aber doch mit einem Ruck vor dem mittleren Feuer stehen (ist es das, an welchem Lîf sich wärmt oder hat er Glück?)[2]

"Bisher habe ich nur die reguläre, also die Vertragsehe besprochen. Es gibt noch drei weitere Formen. Zunächst einmal die Kebsehe. Damit ist nun nicht die Ehe zwischen einer Magd und einem Knecht gemeint, auch handelt es sich recht eigentlich nicht einmal um eine Ehe, daher ist der Ausdruck unglücklich gewählt. Gemeint ist, dass auch ein verheirateter Mann das Recht hat, seine Kebsen zu begatten, allerdings unter mehreren Bedingungen. Erstens, dass er dies außerhalb des Hauses tue, vor allem niemals in seinem Ehebett, und auch niemals so, dass sein Weib es mitansehen muss. Zweitens darf er es ihr aber auch nicht verheimlichen, denn Heimlichkeit ist die Schwester der Feigheit. Was beim unverheirateten Burschen niemanden interessiert, kann beim verheirateten Grund für viel Aufgewühltheit, Eifersucht, Verdächtigungen oder gar Nachstellen beim Eheweib führen. Daher hat ein verheirateter Mann sich unter seinen Mägden nicht mehr als drei herauszusuchen und sie zu seinen Kebsfrauen zu erklären, damit sein Weib wenigstens nicht herumrätseln muss: tut er...? mit welcher...? wann... wie oft... wo...? Und die dritte Bedingung ist die bereits genannte: euer Weib darf darüber nicht zu kurz kommen. Wie gesagt, mit der Kebsehe verbinden sich in keinster Weise eheliche Pflichten oder Rechte. Fünf Vorteile aber hat die Sache: für euch Burschen erstens, dass eure Ehre so gewahrt bleibt, um die es bei jeder Heimlichkeit geschehen wäre; zweitens stellt ihr auf diese Weise sicher, dass nur ihr der Magd beiliegen dürft und keiner eurer Söhne, Brüder oder Gäste, und wenn's doch einer tut, dürft ihr Bußgeld fordern; drittens für die Magd, dass sie vor Besuchen besagter Personen geschützt ist; viertens aber auch für das Eheweib, dass sie nicht in Ungewissheit verharren muss, vermuten, verdächtigen, und doch wieder hoffen, derlei Herzeleid bleibt ihr so erspart! Fünftens solltet ihr Weiber die Alternative bedenken, die wahrlich schrecklich wäre."

Tristan blickt nun doch die Weiberriege mahnend an, der Reihe nach, auch Lîf, diese aber nur ganz kurz.

"Denn es ist nun einmal so", erklärt er, sich innerlich windend, "dass Männer einen viel größeren Drang verspüren als die Weiber. Also, bei den meisten Männern ist das so"—Huch, diese Einschränkung ist neu!—"und deshalb ist es für alle das Beste, die Ehegatten erleichtern diesen gelegentlich an den Mägden und nicht an anderen Weibern, also etwa, dass er unverheirateten Mädchen nachstellt. In ständiger Sorge um eure Töchter wärt ihr! Eher noch schlimmer aber wäre es, er tät sich unter den verheirateten Frauen umschauen, dann müsstet ihr nicht nur um sein Leben bangen, sondern auch um das eurer Freundinnen, denn stellt euch vor, euer Mann steigt eurer besten Freundin ins Bett, worauf deren Gatte die beiden erwischt und rechtmäßig erschlägt! Also ist's doch besser—nicht wahr, das seht ihr ein?—er geht ab und zu einer Magd unter den Rock. Die Herrin des Hauses seid ihr, da braucht man auf so ein Geschöpf nicht neidisch sein. Und eurem Gatten seht es nach, so wie er euch eure ganzen Weibermarotten nachsieht, das Tratschen und die Neugier und die Schmucksucht."

Nein, bei den letzten Worten schaut er Lîf nicht an. Er will nicht, dass sie denkt, er habe sie in dieser Hinsicht bereits um Verständnis zu bitten, wo er doch, seit er sie heimgeführt hat, für keine Magd ein Auge hatte, für kein Weib, außer für sie.

"Die Fridelehe dagegen ist tatsächlich eine Ehe, doch einer minderen Art. Was der Vertragsehe gleichbleibt betrifft lediglich die Kinder, die aus dieser Beziehung hervorgehen. Der Vater hat das Recht, sie anzuerkennen oder nicht. Lehnt er sie ab, entscheidet das Weib selbst, was sie damit tut. Wenn er sie aber anerkennt, sind sie seinem Schutz unterstellt und gelten als seine Erben, ganz so, als wären sie aus einer Vertragsehe hervorgegangen. Das Weib aber, oder auch fridla genannt, gelangt nicht in seinen Rechtsschutz, das heißt er erhält nicht die Vormundschaft über sie und muss sie nicht vor dem Gesetz vertreten, auch wird keinerlei Brautschatz oder sonst etwas verhandelt. An ihrem Rechtsstatus ändert sich nichts. Die Fridelehe wird oft als Zweitehe geschlossen, unter einer Voraussetzung: die Erstfrau muss zustimmen. Dies geschieht eigentlich nur dann, wenn sie ihrem Mann keine Kinder schenken konnte und nun Angst hat, er könnte sie verstoßen, oder sich aber sorgt, was aus ihm und ihr im Alter werden solle. Was aber bewegt die fridla dazu, sich auf so etwas einzulassen? Nun, den Fall mit der jüngeren Schwester, die der älteren helfen und diese auch nicht missen wollte, erwähnte ich bereits. Oder die fridla ist eine junge Witwe, die ihren eigenen Hof hat und Kinder aus der ersten Ehe und dies erbrechtlich nicht durcheinander bringen will. Der dritte Fall ist das noch unverheiratete junge Weib, das sich hat verführen lassen und nun bereits ein Kind unter dem Herzen trägt. Für ein solch leichtfertiges Ding die Verantwortung zu übernehmen, da würden die meisten Männer sich scheuen, daher ist eine Fridelehe ihre beste Hoffnung. Wenn sie sich ihrem Mann beweist, kann dieser später immer noch mit dem Vater oder Vormund einen Vertrag aushandeln, sodass sie sein rechtmäßiges Weib wird. Die Kinder, in jedem Fall, sind rechtmäßig, so der Vater sie annimmt."

Trotz der erschütternden Dinge, die Tristan da vorträgt, werden seine Zuhörer immer unruhiger. Er spürt, dass sie sich den Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit nähern und dringend eine Verschnaufpause benötigen. Doch eine letzte Sache muss er noch loswerden—in eigener Sache.

"Die vierte und letzte Form der Ehe, die ich übrigens in diesem Jahr aus gegebenen Anlass zum ersten Mal aufführe, ist die Raubehe."

Plötzlich werden auch etliche der Leute an den anderen Feuern hellhörig. Ein neues Thema? Nach sechzehn Jahren? Ringsum verstummen Gespräche und bestimmt zehnmal so viel Augenpaare wie zuvor heften sich gebannt auf ihren Gesetzessprecher.

"Um überhaupt herauszufinden, was es damit auf sich hat, musste ich tief in Torbens Aufzeichnungen stöbern, aber ich wurde fündig. Und weil man ja nicht wissen kann, ob sich der ein oder andere meiner Fahrtenbrüder nicht eines Tages in derselben Lage wiederfindet wie ich mich vor wenigen Monaten, möchte ich ihnen meinen Fund nicht vorenthalten. Die Alten, die sich an entsprechende Fälle noch erinnern, dürfen gerne aufmerken und mich verbessern oder aber mir zustimmen, ob das alles seine Richtigkeit hat, was ich hier vortrage.

Die Raubehe also ist der Vertragsehe, die ich als erstes beschrieb, in jeder Hinsicht vor dem Recht ebenbürtig. Einzig die fünf Rechtsakte, durch welche sie ihre Rechtsgültigkeit erlangt, unterscheiden sich teilweise. Der erste Rechtsakt ist, wenig überraschend, der Raub und die Heimführung der Braut. Der Raub ist hierbei ein zweifacher: erstens raubt man ihrer Sippe ein Mitglied und zweitens ihrem Vater die Vormundschaft. Dabei ist zu beachten, dass ein Raub von Jarlsö, Ingla oder Seeholm nicht rechtmäßig wäre, denn dies würde gegen den Frieden verstoßen, den wir einander geschworen haben. Hier bleibt einzig der Vertragsweg, im selteneren Fall auch die Fridelehe. Hat man sich aber entweder von Albion oder dem Festland oder auch aus Frankia ein Weib heimgeführt, so ist der zweite Rechtsakt ihre Zustimmung zu der Ehe. Ihr habt richtig gehört: ohne die Zustimmung der Braut kann eine Raubehe nicht rechtsgültig sein. Warum ist dies so? Nun, man hat ja schon ihrem Vater das Recht geraubt, über die Tochter zu bestimmen, aber jemand muss zustimmen aus ihrer Sippe, das kann also in diesem Fall nur sie selbst sein. Die restlichen drei Rechtsakte sind dann dieselben wie bei der Vertragsehe: Schlüsselübergabe, Hochzeitsmahl und Beilager.
[3]

Die Alten bestätigten Tristans Rede tatsächlich mit Klopfen oder mit Zwischenrufen: "Ja, so war's damals beim langen Knut!", worauf ein anderer kicherte: "Und seine Gerda war bloß halb so groß wie er, aber er wollt' sie unbedingt haben! Aus Frankia hatte er sie." Und derlei obskure Bemerkungen, die Tristan aber mehrere Steine vom Herzen fallen lassen. Während der gesamten Rede zur Raubehe ruht sein Blick auf Lîf; halb hoffnungsvoll, halb besorgt achtet ihr Gatte auf jede noch so kleine Regung auf ihrem Gesicht. Endlich gelangt er zum Schluss.

"An dieser Stelle kämen jetzt eigentlich die vier Scheidungsgründe, welche wir schon erledigt haben. Witwer und Witwe handele ich gern zusammen mit dem Erbrecht ab, für das es jetzt aber recht spät geworden ist. Daher würde ich sagen, wir begeben uns jetzt erst einmal auf einen wohlverdienten Rübeneintopf zu den Langhäusern hinüber. Das heißt, ich versuch's doch noch einmal: Hat jemand noch Fragen zu meinem Vortrag?"
 1. Tristan, anders als meine bisherigen Barden, hat leider keinerlei Konzept von "mixed metaphors"...
Sense Motive = 16 fürs richtige Deuten der Weiberblicke.
 2. Lîf darf gern auf sense motive würfeln, mit Gattenbonus, gegen DC 12 (= Es ist Tristan schrecklich peinlich, von dem nächsten Thema zu sprechen) bzw. bei erreichtem DC 15 (= Es ist Tristan peinlich vor ihr davon zu sprechen).
 3. Hier hätte ich einen Vorschlag für Fersland, von dem Lîf vielleicht weiß, vielleicht auch nicht: auch in Fersland gibt es die "Raubehe", die eigentlich genauso funktioniert wie die Inselvariante, nur dass die Reihenfolge der ersten beiden Rechtsakte vertauscht ist. Trotzdem zählt der Raub hier auch als Gewalttat, da die Rechte des Vaters/Vormundes der Frau und die ihrer Sippe verletzt werden. Frauenraub in Fersland ist gesetzlich verboten und strafbar. Die Sippe der Frau könnte den betreffenden Herren erschlagen, wenn sie seiner nur habhaft wird. Allerdings sieht das Gesetz ebenfalls die Möglichkeit einer friedlichen Einigung vor, ggf. vor Gericht, vorausgesetzt, dem Raub folgte eine rechtsgültige Eheschließung.
« Letzte Änderung: 16.09.2017, 22:13:58 von Tristan »

Lîf

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Das Disenthing
« Antwort #49 am: 16.09.2017, 19:22:46 »
Das unterdrückte Kichern der jungen Weiber verstummt rasch wieder, als auch sie ihren Dämpfer von Tristan bekommen. Sie nicken alle pflichtschuldig. Es war ja nicht bös gemeint, sie wissen schließlich, dass Mann und Weib eine Schicksalsgemeinschaft sind, wollen ihren künftigen Männer gewiss gute Weiber sein... doch eine kleine Neckerei hier und dort, der ist schwer zu widerstehen, lassen sich doch auch die jungen Burschen selten zweimal bitten, auf ihre Kosten zu scherzen. Der Ernst, mit dem Tristan seinen Vortrag hält, löst wohl bei den Zuhörern immer wieder unwillkürliche Anstrengungen aus, es ihm gleichzutun, doch es bleibt dem Skalden der Eindruck, dass die jungen Leute in ihrer Unbekümmertheit wohl erst noch durch die harsche Schule des Lebens werden gehen müssen, ehe sie die volle Tragweite all seiner Worte recht erfassen können. Selbst bei seiner Lîf kann er sich nicht sicher sein, wie reif sie wirklich schon ist. Gewiss, sie ist nach gültigem Brauch allemal alt genug, einem Mann beizuwohnen, ihm Kinder zu schenken und seine Güter zu verwalten. Indes, sie ist noch nicht lange dem Mädchenalter entwachsen, und wie sie so inmitten der jungen Weiber steht und sich offenbar immer besser mit ihnen zu verstehen beginnt, nun... vielleicht ist es ja auch ihre jugendliche, frische Art, die ihn anzieht: ein wenig unbedarft, ungestüm, naiv sicherlich, aber auch unverdorben und weit entfernt von der oft mürrischen Art alter Matronen. Nur so wankelmütig und hitzköpfig...

Er bleibt, zu seinem Ungemach, ausgerechnet vor jenem Feuer stehen, an dem sich die Weiber versammelt haben, und schaut beim Aufblicken Lîf fast direkt in die Augen. Sie sieht ihn aufmerksam an, runzelt die Stirn leicht, als er sich merklich windet[1] – ist ihm etwa peinlich, was nun folgt? ...ihretwegen?! Sie wundert sich zunächst nicht wenig, hat er diesen Vortrag doch nach ihrem Wissen schon viele Male gehalten. Doch je länger er redet, desto deutlicher glaubt sie zu wissen, warum er zögert. Natürlich: Hier verkündet er Regeln, die nur von Männern ersonnen und zu Gesetzen erhoben worden sein können! Alle möglichen Formen von Rechten, die ihnen erlauben, ihr Vergnügen bei vielen Weibern zugleich zu suchen! Sie schnaubt wütend, als sie sich umsieht. Die anderen Weiber schweigen, blicken zum großen Teil zu Boden, wohingegen die Burschen am Nachbarfeuer wieder grinsen wie die Honigkuchenpferde – natürlich! Der Rotschopf verschränkt die Arme und schürzt unwillig die Lippen. Kebsehe – ha! Eine legale Möglichkeit für den Mann, unter viele Röcke zu kriechen! Und sein Weib?! Das muss natürlich zufrieden und dankbar sein, wenn es davon Mitteilung erhält, denn mehr steht ihr ja nicht zu! Obwohl sie geahnt hat, dass diese Sitte, die es auch in Fersland gibt, unter den raubeinigen Piraten hier auf den Inseln kaum gerechter geregelt sein konnte, fühlt sie doch Enttäuschung.

Vielleicht, weil ihr bewusst wird, dass auch für sie nun derlei gilt: Wenn es Tristan einfällt, dass er Bedürfnisse hat, die sie nicht befriedigen kann, so muss sie ihn schweigend gewähren lassen, falls er ihr verkünden sollte, dass er sich zwei oder auch drei Kebsen nimmt. Ungerecht! Ungerecht und dreimal ungerecht! Hat die Große Mutter den Weibern nicht die heilige und wichtige Pflicht auferlegt, das junge Leben in ihrem Leib auszutragen, hat ihnen damit Schmerzen und Ungemach aufgebürdet, die ein Mann niemals kennenlernt?! Und fügen sich die Weiber nicht dieser Pflicht willig, werden sie nicht wieder und wieder geschwängert, verbringen ihr halbes Erwachsenenleben mit einem dicken Bauch, Rückenschmerzen, Übelkeit, um dabei umso rascher zu altern? Und dann sollen sie auch noch friedlich mit ansehen, wie die Mannsleute, frei und schlank wie zuvor, anderen Röcken nachsteigen?! Sie zieht einen Schmollmund wie ein kleines Kind – fast sieht die heißblütige Lîf aus, als wolle sie mit dem Fuß aufstampfen. Oh, und gewiss ist es gerecht, wenn man dem Manne solches nachsieht, verzeiht er einem doch das gelegentliche Klatschen mit der Nachbarin, wenn er monatelang auf Raubfahrt unterwegs ist, und den – warum wohl? – typisch weiblichen Wunsch, neues zu erfahren aus der weiten Welt, von welcher die Haus und Hof Hütende, meist Schwangere ja stets nur aus zweiter Hand erfahren kann.

Das sind sicherlich gleichwertige Fehler, ja, ja..! Wieder schnaubt sie, und Elske fasst besorgt ihre Hand. Der Blick der jungen Frau ruht starr auf Tristan, während er über die Raubehe zu sprechen beginnt. Sie weiß genau, dass sich in diesem Augenblick die Augen der jungen Weiber auf sie richten, und dass ihre Wangen rot aufflammen, beschreibt er doch da ganz exakt, was ihr widerfuhr. Nun, fein, dann ist ja alles rechtens! geht es ihr mit bitterem Sarkasmus durch den Kopf. In diesem Moment vergisst sie, dass er sie weit anständiger behandelt hat, als sie, einfache Magd und Kriegsbeute, hoffen durfte. Sie vergisst auch, dass sie ihre notwendige Zustimmung gab, wie er ausführte, weil sie... oh, welche Empfindungen für ihn sie realisierte, schiebt sie in Gedanken auch gleich beiseite, es stört nur ihren Zorn, ihre Empörung! Sie will jetzt empört sein! Da hilft auch Elskes sanftes Drücken der Hand nichts, hilft das verständnisvolle Nicken der umstehenden Jungweiber nicht. Wieso bloß hat sie all dem zugestimmt, ist sie sein Weib geworden? Er hat sie schließlich geraubt. gemeinsam mit seinen liederlichen Kumpanen! Wenn sie nur an ihrer Gefährtinnen denkt, die angstvollen Augen unter den hässlich geschorenen Schädeln... Was hat sie dazu gebracht – seine Stimme? Hat er sie verzaubert..? Nein, Lîf weiß tief in ihrem Inneren sehr wohl, was sie veranlasst hat, ja zu sagen. Denn es lässt sich auch jetzt nicht wirklich leugnen, als er sie anschaut. Sie kann seinem Blick nicht standhalten und senkt mit tiefrotem Gesicht den Kopf. Elske schaut zwischen ihr und Tristan hin und her, besorgt, ratlos.[2]

Auf Tristans Frage meldet sich auch diesmal niemand von den jungen Leuten, obwohl zumindest die Burschen nichts von den stummen Blicken bemerkt zu haben scheinen, die da zwischen dem Weiberfeuer und dem Rechtsverkünder hin und her gehen.
 1. Motiv erkennen mit einem Ergebnis von 14 +2 "Gattenbonus" = 16.
 2. Den Vorschlag zur Variante der Raubehe in Fersland finde ich gut. Den können wir gern so übernehmen.
« Letzte Änderung: 16.09.2017, 19:26:19 von Lîf »

Tristan

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Das Disenthing
« Antwort #50 am: 16.09.2017, 22:32:27 »
Da Tristan, als er die Kebsehe erklärte, gezielt überallhin nur nicht auf seine Lîf geschaut hat und erst zum Thema Raubehe wieder ihren Blick sucht, ist er recht erschrocken, welche Veränderungen sich inzwischen dort ereignet haben. Und das wird nicht besser, sondern eher schlimmer, als er sie der Rechtmäßigkeit ihrer Ehe zu versichern sucht, deren Gleichwertigkeit zur Vertragsehe. Kann Lîf nicht einfach erleichtert sein über die Belege, die er gefunden hat, dass tatsächlich alles rechtens ist mit ihrer Ehe? Dass niemand an ihrem Rechtsstatus rütteln kann, indem er etwa behaupten wollte, sie sei ja wohl eher eine fridla denn ein rechtes, also ein geschütztes wie auch erbberechtigtes Eheweib? Dass Lîf, sollte Tristan von der nächsten Fahrt nicht heimkehren, in jedem Fall versorgt sei, denn sie würde sein Hab und Gut erben, außer es gäbe bis dahin einen Sohn, jedenfalls dass niemand sonst sich seinen Besitz unter den Nagel reißen könnte? Aber man schaue sich das Weib an: wie zornig funkelt sie ihn an, wie empört bläst sie die Backen auf! Überhaupt, er trägt hier doch bloß die Gesetze vor, was straft sie ihn mit Blicken, als sei er allein dafür verantwortlich, dass die Welt ist, wie sie ist? Ein wenig ermüdend ist das ja schon, ihr ständiger Gemütswechsel, die sich aus heiterem Himmel zusammenbrauenden Gewitterstürme! So sehr er sich auch um sie bemüht, ihr Sicherheit geben will, eine Freude machen, und das hier ist doch meist sein Lohn dafür![1]

Aber manchmal ist sein Lohn eben auch, dass sie sich an ihn kuschelt wie heute morgen oder auch gestern abend, dass sie lacht und ihm plappernd etwas erzählt und er kann sich nicht satthören am Klang ihrer Stimme, dass sie eine Hand unter sein Wams gleiten lässt, seine Brust zu streicheln...

"Gut, also dann, wenn alles klar ist..." Tristan schaut sich nach Jarl Gisle um, welcher bereits herannaht und dabei laut über dem Kopf in die Hände klatscht, um die letzten Unaufmerksamen unter den Anwesenden zu alarmieren, dass sich hier jetzt etwas tut, nämlich:

"Ihr habt meinen Skalden gehört, auf zum wohlverdienten Mahl. Und danach hören wir uns dann Thorsteins Klage gegen seinen Vetter Björn bezüglich Rike, des ersteren Weib an. Tristan—dank für deinen Vortrag. Besonders aufschlussreich, diesmal!" Dazu gibt's einen kräftigen Schlag auf die Schulter. Die nächsten Worte des Jarls gehen an Tristan persönlich, gegen die vorige Lautstärke sind sie fast schon geflüstert, sodass die Weiber am nahen Feuer nur hier und da ein Wort verstehen, die sich in der Summe aber zu keinem Sinn verknüpfen lassen. Der Jarl zieht Tristan mit sich fort, immer noch plaudernd, da treten Ole und der einäugige Ansgar hinzu und mischen sich ein, und bald ist Lîfs Gatte der Mittelpunkt einer bewegten Männertraube. Seine Schulter wird noch mehrmals geklopft, es wird grob gelacht, und ein etwas lauterer Ausruf des Jarls dringt zu Lîf hinüber: "Keiner erklärt den Weibern die Sache so gut wie du!"

Darauf gerät die Menge jedoch in Unruhe. Deren Urheber bleibt Lîf zunächst verborgen, bis Tristan sich endlich einen Weg durch die geschlossenen Reihen ins Freie erkämpft hat. Er hebt die Rechte zu einem allgemeinen Abschiedsgruß, setzt noch ein "Bis nachher!" hinzu, ist schon fast davon, da fasst ihn jemand am Arm und redet wieder auf ihn ein.

Unentschlossen schaut Tristan zwischen Lîf und dem Mann hin und her, scheint zu zögern—trotz des Versprechens, das er ihr gab! Geht Lîf dieser Gedanke durch den Kopf? Wird ihre Miene deshalb noch finsterer? Oder bildet Tristan sich beides nur ein? Indes, wäre er ein weiserer Mann, als er ist, würde Instinkt ihm nun raten, seinem braven Eheweib erst einmal Zeit zu geben, sich zu beruhigen, Abstand zu gewinnen, statt sofort ihre Nähe (oder gar Meinung) zu suchen. Aber ein weiser Mann ist Tristan wahrlich nicht, dafür einer, der zu seinem Wort steht. Und er hat ihr sein Wort gegeben; dass zu dem Zeitpunkt eitler Sonnenschein herrschte, jetzt aber der Sturm die Wellen peitscht, rüttelt daran nichts.[2] Also reißt er sich los und geht zu Lîf hinüber—fieberrot im Gesicht.

"Mutiger Kerl!" ruft ihm jemand noch hinterher und erntet dafür Gelächter. Tristans Gesichtsfarbe wechselt zu Purpur.

Vor seinem Weib bleibt er stehen und, als sie keine Anstalten macht zu ihm zu treten oder sich auch nur von Elske zu lösen, räuspert er sich.

"Wollen wir zusammen zurückgehen, Liebes?" fragt er bemüht jovial.
 1. Nebenbei: eine Mehrehe, wie Tristan sie hier im Zusammenhang Fridelehe beschrieb, dürfte es in Fersland dann doch nicht geben, das ist eine Spezialität hier auf den Inseln (ggf. noch Albion), getreu Alberichs Motto: ein Weib auf jeder Insel.
 2. will save gg. Furcht geschafft mit einer 15 vs. 12.

Lîf

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Das Disenthing
« Antwort #51 am: 17.09.2017, 12:55:53 »
Der Ruf und die kurze Ansprache des Jarls lassen die ohnehin nur oberflächlich feierliche Atmosphäre sofort in ein ausgelassenes Gemurmel und tausend fröhliche Gesichter umschlagen. Bis auf die jungen Weiber und Burschen, deren Gedanken noch mit all den Regeln und Gesetzen beschäftigt sind, die künftig für sie gelten werden und die man sich in ihrer Vielzahl so schwer merken kann – wie macht dieser Skalde das bloß?! – sind alle Anwesenden mit einem Mal in Feierlaune. Das Mahl ist immer eine angenehme Angelegenheit, und der angekündigte Rechtsstreit verspricht spannende Unterhaltung zur Verdauung. Zumindest für jene, die nicht selbst zu den Involvierten in diesem Fall gehören oder eng genug mit ihnen verwandt sind, um persönlich Anteil zu nehmen. Daher zerstreuen sich die kleinen Gruppen um die Feuer zusehends, wimmeln durcheinander und bewegen sich fröhlich plaudernd dem wartenden Genuss entgegen. So mancher diskutiert eifrig mit dem Nachbarn des Skalden Neuerung am altbekannten Vortrag – dieses Thema erhitzt die Gemüter durchaus, und man sieht interessanterweise Weiber und Männer sich jeweils Gesprächspartner desselben Geschlechts suchen, um sich darüber auszutauschen.

Die Gruppe um Lîf hat ebenfalls begonnen, der allgemeinen Marschrichtung zu folgen, nur Elske ist noch bei dem empörten Rotschopf geblieben und hat nun ihrerseits den Arm sanft um die neue Freundin gelegt, redet beruhigend auf sie ein, fast wie auf ein trotziges Kind. Das wenige, das sie gerade noch an Worten vom Jarl aufschnappen konnte, hat Lîf nämlich die Zornesröte gleich wieder ins Gesicht getrieben. Und kaum weniger regt sie sich darüber auf, wie ruhig die Weiber die von Tristan verkündeten Gesetze aufgenommen haben. Sicher: Sie reden untereinander leise darüber, und bei der einen oder anderen sieht man dabei gelegentlich einen leicht mürrischen Gesichtsausdruck. Doch zu Lîfs Entsetzen scheint das wartende Mahl die Weiber weit mehr zu beschäftigen, ganz wie ihre Männer. Sie presst die Lippen zusammen, die Arme noch immer verschränkt, und starrt auf den Boden zu ihren Füßen. Dies alles kommt ihr so ungerecht vor – wo ist Gayas Zorn darüber, dass Ihre Töchter, die Ihr doch gewiss genauso lieb sind wie die Söhne und noch zudem ähnlicher, von diesen so behandelt werden?! Es ist ihr natürlich auch vage bewusst, dass es ebenso wenig gerecht ist, alles Tristan anzulasten, der die Gesetze immerhin nur verkündet und sie nicht gemacht hat.

Doch wie so oft in solchen Situationen kommt die Zeit des Bedauerns bei ihr erst später. Jetzt im Moment ist ihr Zorn entflammt! Daher sieht sie auf, als er sie anspricht, und sagt nur ziemlich kühl: "Natürlich." Für einen Moment drängt es sie danach, sich Elske zuzuwenden und etwas zu ihr zu sagen, das Tristan beschämt, in der Art von "Entschuldige bitte, aber mein Herr und Gebieter ruft..." Aber dann beißt sie sich auf die Lippen und unterlässt es. Sie kann von ihrer Erregung nicht so rasch lassen, ihr Blut erhitzt sich schnell und braucht eine Weile, um wieder kühler und ruhiger zu fließen – doch ihn derart gehässig zu treffen, daran hindert sie etwas: eine unsichtbare Hemmschwelle, die ihr sagt, dass es gemein und niederträchtig wäre, so zu handeln. Wütend, dass sie ihm ihre Empörung zeigen will, es aber nicht kann, ohne womöglich die Kontrolle zu verlieren und übers Ziel hinauszuschießen, flammen ihre Wangen wieder auf. Elske, die nicht allzu viel Einfühlungsvermögen benötigt, um das drohende Gewitter zu ahnen, lächelte Lîfs Mann an, als wolle sie sich für sein Weib stellvertretend entschuldigen.

Sie öffnet schon den Mund, um die beiden mit einem diplomatischen Abschiedswort allein zu lassen, als hinter Tristan eine Männerstimme ertönt: "Skalde! He, Tristan – ich hab' da eine Frage zu dieser Raubehe, von der du sprachst. Du weißt doch sicher, die Torhild, die Mutter meines Weibes, die kam so in ihres Vaters Haus, damals. Da wollt' ich dich fragen, wie das nun ist, wenn meine Jessa als ihre Tochter..." Der Mann, ein Fischer namens Snorri von Ingla, soweit sich Tristan erinnert, ist bei diesen Worten an den Skalden herangetreten und will ihn in ein Gespräch verwickeln. Elske, in diesem Moment besonnener als Lîf, sieht Ruf und Liebe Tristans und seines Weibes in Gefahr, so der Rotschopf hier vor Zeugen gegen ihren Mann womöglich in der Erregung Dinge sagt, die ihn wiederum zwingen würden, sie zu züchtigen, will er nicht als Schwächling gelten... Elske also zieht Lîf mit sich und nickt Tristan zu, als wolle sie ihm sagen: "Es ist gut, widme dich dem Manne, ich passe solange auf dein Weib auf." Und Lîf lässt sich von ihr wegführen, wütend, verwirrt, bestürzt auch über die Macht, mit der die Leidenschaft sie wieder einmal gepackt hat.

Tristan

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Das Disenthing
« Antwort #52 am: 17.09.2017, 22:54:35 »
"Ja, was soll sie schon... Lîf, halt, warte, ich... ja Moment, ich muss nur rasch, du siehst doch, mein Weib... kann das nicht warten...", stammelt Tristan, hin- und hergerissen zwischen Pflicht und dem Wunsch, Lîf zu beruhigen. Aber dann mischt Elske sich einfach rein und zieht ihre neue Freundin mit sich, auf eine Weise, dass man denken könnte, diese sei in akuter Gefahr, von ihrem Gatten verprügelt zu werden und man müsse sie daher rasch aus seiner Reichweite schaffen, bis er sich abgeregt hätte. Verwirrt den Kopf schüttelnd, blickt er den beiden nach, bevor er das einzige tut, was ihm übrig bleibt: er wendet sich dem Fragesteller zu.

"Snorri, jetzt, worum geht's denn? Was ist mit deiner Jessa? Was plagt dich? Hast du Sorge, eure Ehe könnte nicht rechtmäßig sein? Weil Torhild deinem Schwiegervater damals ihre Zustimmung vielleicht nicht gab oder keine Schlüsselübergabe stattfand, kein Hochzeitsmahl? Das Beilager dürfen wir ja wohl als gegeben ansehen. Also schön, nehmen wir an, es wäre nicht alles rechtens gelaufen mit der Torhild, was dann? Im schlimmsten Fall könnte jemand, der es auf ihr Erbteil abgesehen hat, vor Gericht erstreiten, dass sie als seine fridla zu gelten hätte. Aber das beträfe doch deine Jessa nicht! Denn auch in einer Fridelehe sind die Kinder, die der Gatte annimmt, rechtmäßig, also jenen Kindern, die aus einer Vertragsehe hervorgehen, in allem völlig gleichgestellt. Das heißt, es war in jedem Fall deines Schwiegervaters gutes Recht, mit dir und deinem Vater für Jessa einen Verlöbnisvertrag auszuhandeln. Eure Ehe ist also auf jeden Fall rechtens. Oder war es etwas anderes, das dich sorgt?"

~~~

Elske und Lîf schlendern also gemeinsam den Weg zurück, den sie am Morgen getrennt gekommen sind. Nachdem man die Männer und vor allem Tristan weit hinter sich gelassen hat, spricht Elske spricht als erste.

"Ganz schön viel, das man sich da merken muss, nicht wahr? Du hast es gut, Lîf, dass du jederzeit nachfragen kannst, wenn du etwas vergessen hast!"

Das stimmt und es stimmt wiederum nicht. Elske müsste sich nur trauen, dann könnte sie es nämlich auch. Jeder, der eine Frage zu den Gesetzen hat, darf jederzeit den Gesetzessprecher um einen Rat angehen. Also selbstverständlich auch die Weiber, nur tun sie es selten. Seit Lîf in Tristans Haus wohnt, hat es ein Dutzend ratsuchender Besucher gegeben, wenn nicht gar zwei, davon ein einziges Weib. Dabei hat der Gesetzesvortrag Lîf eines ganz deutlich gezeigt: dass die Weiber gewiss nicht weniger Rechtsfragen als die Männer haben. Warum also trauen sich nicht mehr von ihnen, diese zu stellen? Jeden seiner Besucher hat Lîf ihrem Mann das Versprechen abnehmen hören, die Anfrage auch bestimmt ganz im Vertrauen zu behandeln, welches Tristan bereitwillig gab, denn nichts anderes käme ihm in den Sinn. Es gehe schließlich darum, Frieden zu stiften, erklärte Tristan seinem Weib wiederholt, wie wäre es da wohl drum bestellt, wenn der Gesetzessprecher das Tratschen anfinge! Und einmal hat Tristan ein wenig vor Lîf geprahlt, dass er auf diese Weise bestimmt die Hälfte aller Rechtsfälle verhindere, indem er die Leute vorher zur Vernunft brächte.

Was Tristan allerdings 'einen Kerl zur Vernunft bringen' nannte, klang für sie verdächtig nach 'ihm drohen', wie in den beiden Gesprächen, die Lîf, unabsichtlich, in Teilen mitangehört hat: 'Ha, damit kommst du vor Gericht niemals durch, da müsstest du dich noch glücklich schätzen, die Versammlung dreht den Spieß nicht herum und am Ende musst du dem Beklagten eine Sühne zahlen!' oder auch: 'Ja, natürlich kannst du das versuchen—wenn du dich unbedingt vor allen Leuten lächerlich machen willst!' Jedenfalls nimmt er da keinerlei Blatt vor den Mund und ein Weib könnte bei solch grober Rede vielleicht tatsächlich erschrecken.[1] Aber gewiss ist sein Rat dabei ehrlich, ob auch ein Mann oder Weib ihn darum bäte? Sie versucht sich vorzustellen, dass er einem Weib einen schlechten Rat gäbe, nur um einen Mann, den sie vielleicht verklagen wollte, zu decken... oder einfach nur, damit sie Ruhe gäbe und sich brav füge... Kann Lîf sich von Tristan so etwas vorstellen? Selbst jetzt, in ihrem Zorn?

"Ich finde jedenfalls, er hat das alles sehr gut erklärt", fährt Elske fort, als ihre Begleiterin nicht auf die Ansprache reagiert. "Ein wenig hat er mir sogar Mut gemacht! Nicht, dass ich mich jemals trauen würde, beim Vater anzukriechen, er möchte mich doch vor meinem Mann beschützen, aber die Sache mit der Brautnacht... das hat noch keiner so beschrieben! Egal, wen ich gefragt habe, ob Mutter, Tante, Schwester oder Freundin, alle haben mir bloß gesagt: Da musst du als Weib halt durch. Dass man selbst aber dabei nicht nur still erduldet, sondern etwas tut, nämlich seinen rechtmäßigen Platz einnimmt, an die Seite seines Mannes tritt, eine eigene Rechtsperson wird... das ist doch irgendwie ein sehr ermutigender Gedanke, nicht wahr?" Sie kichert plötzlich. "Und wie verdattert die Burschen aus der Wäsche geguckt haben, als er ihnen all ihre Pflichten aufzählte! Dazu die ganzen Warnungen, es nicht zu toll zu treiben, sich nicht zuviel mit uns Weibern herauszunehmen! Ich hab' die ganze Zeit immer wieder zu meinem Ragnar rübergelugt: schreckensweit waren seine Augen und der Mund stand ihm offen!"
 1. Tristan hat nun einmal kein diplomacy, nur intimidate. Wobei, mit +4 Charisma erreicht man ja auch schon einiges ohne einen Rang.

Lîf

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Das Disenthing
« Antwort #53 am: 18.09.2017, 15:04:33 »
Snorri, der Tristan endlich am Ärmel zurückhalten konnte und erleichtert scheint, dass Elske dessen Weib mit sich zieht, sieht sich zunächst noch einmal um, ehe er mit gesenkter Stimme erklärt: "Nein, nein, das ist's nicht. Nur kränkelt Jessas alter Vater jetzt schon eine ganze Weile – da ist es abzusehen, wann er den Löffel ab... hrm. Ich meine, wann er in den Schoß der Großen Mutter zurückkehrt. Der Alte ist ein zäher Knochen, der immer seine Schäfchen beisammen gehalten hat. Da lauern natürlich schon so einige liebe Verwandte darauf, dass es soweit ist" meint er dann mit einer Selbstverständlichkeit, die recht unklar bleiben lässt, was den Fischer denn nun von den erwähnten "lieben Verwandten" unterscheiden soll.

"Deshalb wollt' ich wissen, wie das nun ist, wenn sich rausstellt, dass es mit Torhild damals nicht ganz astrein war... Heißt das, dass meine Jessa dann leer ausgeht? Ihre beiden älteren Halbschwestern haben so was behauptet. Zwei selten dumme Gänse, die der Alte noch von seinem ersten Weib hatte. Der hatte auch ein Pech: erst keinen Sohn, sondern nur Töchter, und dann auch noch so blöde Exemplare mit losen Mäulern, die dafür im Monat kein Tagewerk von meiner emsigen Jessa zu spinnen wissen!" schnappt Snorri erbost, wenn auch immer noch vorsichtig leise. "Na, auf jeden Fall haben sie schon ihre Schandmäuler aufgerissen, dass alles ihnen gehört, das heißt also ihren sauberen Männern, und die sind erst recht zwei Blödköpfe, die zu ihren Weibern passen! Das wär' doch nicht recht, oder? Wir wollen ja gar nicht viel, aber ich bin nur ein Fischer und kann meiner Jessa kaum den Stoff für ein neues Kleid kaufen – und der Alte hat doch Äcker über Äcker!"

~~~

Die junge Frau wirkt abwesend, als sie sich von Elske mitziehen lässt. Sie schwankt noch immer zwischen dem Zorn, der so hell aufgeflammt ist, und jenen anderen Gefühlen für Tristan. Dabei ist sie, ganz gemäß ihrer Natur, sogar so trotzig, dass sie sich gegen das langsame Abebben ihrer Empörung zu stemmen versucht. Wie ihr so immer mehr Argumente einfallen, die zu seinen Gunsten sprechen, kommt sie sich vor, als ob ihre schöne Wut, ihre Tatkraft und Entschlossenheit, ihr zwischen den krampfhaft geschlossenen Händen hervor rinnt wie feiner Sand. "Ich hab's gut?! So, meinst du..." murrt sie missmutig zu Elskes Worten. Es muss ein Zauber sein, mit dem er sie von einer wilden Bärin in eine sanfte Ricke verwandelt! Nicht dass sie in jenen Momenten ihre entflammbare, voreilige Art nicht ebenso verdammen würde wie jetzt ihre vermeintliche Schwäche, dass ihr dann nicht das falsch erschiene, was jetzt richtig ist, und umgekehrt. Aber es gibt ihr doch ein Gefühl der Stärke und Würde, wenn sie den Eindruck hat, selbst Herrin über ihre wechselhaften Gefühle zu sein.

Tristan ist bislang der einzige Mensch gewesen, dem es gelang – wenn auch erst einige Male, viel öfter scheiterte er daran wohl – ihre Wut im höchsten Zenit zu besänftigen, ihren Herzschlag zu beruhigen und sie einlenken zu lassen[1]. Sie hat es ihm zu verbergen gesucht und ist auch noch davon überzeugt, dass er nichts ahnt – aber diese unheimliche Fähigkeit macht ihr manchmal Angst. Die Angst einer überaus stolzen jungen Frau, hier ihren Meister gefunden zu haben. Hat sie nicht schon dem Schluss der Raubehe zugestimmt, und war es nicht so, dass es nicht seine Argumente waren, die sie dazu brachten, sondern... er selbst?

Sie beißt sich auf die Lippen, spürt Elskes verwunderten Blick auf sich ruhen. Am liebsten würde sie sich umdrehen und zu ihm zurück spähen – schaut er ihr nach? Was tut er gerade? Aber sie verbeißt sich den Drang dazu und bemüht sich um eine Antwort auf die Frage, die unausgesprochen zwischen den beiden jungen Weibern hängt. "Ja... Er kann gut erklären" sagt sie leise, als Elske munter fortfährt. Oh ja, das kann er: Er kann erklären, mit seiner Feenstimme, die einem ins Ohr dringt wie eine sanfte Berührung, und er kann einen dabei so intensiv anschauen, dass man Zorn und Aufbegehren vergisst, um in diesem Blick zu ertrinken... Wieder beißt sie sich auf die Lippen und fühlt ihre Wangen glühen. Ob Elske merkt, was ihre bewundernden Worte für Tristan Lîf bedeuten? Sie fühlt sich wie eine, die man mit Stricken fest angebunden hat und der man nun die nackten Fußsohlen mit Gänsefedern kitzelt: Es ist eine Folter, eine süße zwar, aber eine Folter, sich da noch beherrschen zu wollen.

Es kostet sie unendliche Anstrengung, Elske nicht entweder über den Mund zu fahren oder ihr aus vollem Hals zuzustimmen! Doch der Rotschopf glaubt es aus irgendeinem Grund ihrer Selbstachtung schuldig zu sein, dass sie die Unerschütterliche mimt. Schon als Mädchen war sie stolz, hat selten Hilfe angenommen, überall versucht, ihren Kopf durchzusetzen und sich allein zu behaupten. Jetzt, in ihrer neuen und immer noch recht fremd wirkenden Heimat, ist die Furcht noch viel größer, sich zu öffnen und womöglich anderen zu zeigen, dass sie auch verletzbar ist. Wie soll sie sich nur verhalten?! Alle Vorsicht über Bord werfen, sich Tristan anvertrauen, ihm vertrauen? Oder vorsichtig sein, menschliche Wärme meiden, um nicht hernach plötzlich einsam und allein ganz im Kalten zu sitzen, falls sie sich täuscht? "Ach, Elske..!" seufzt sie so tief bei der Erwähnung von deren Ragnar, dass es fast so übertrieben wirkt wie die gespielten Gefühle bei dem Spektakel um die Ahnen der Inselleute. Nur dass ihr Stoßseufzer nicht gespielt ist.
 1. Ich sage einfach mal, dass ein derart hoher Charismabonus wie seiner sich im Alltag trotz fehlender Diplomatie deutlich bemerkbar macht. Und ich glaube deinem Post entnehmen zu können, dass Tristan ihr gegenüber mit Geduld und Friedfertigkeit auftritt, nicht wie gegenüber anderen Männern (?)

Tristan

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Das Disenthing
« Antwort #54 am: 18.09.2017, 19:38:11 »
Ja, natürlich geht es ums Erben. Es geht immer ums Erben. Tristan seufzt innerlich. "Aber genau da haben deine beiden Schwägerinnen unrecht, wie ich bereits sagte", erklärt er geduldig. "Deine Frau ist ihres Vaters vor dem Gesetz anerkannte Tochter, genau wie die beiden, daran gibt es nichts zu rütteln. Schließlich hat er sie in seinem Haus großgezogen; andernfalls hätte er sie nach der Geburt ausgesetzt. Dazwischen gibt es nichts. Und ob die Torhild nun als sein Eheweib oder seine fridla zu gelten hat, tut absolut nichts zur Sache, da können Jessas Halbschwestern gern vor Gericht ziehen, wenn sie sich lächerlich machen wollen. Die Frage, die dich, lieber Snorri, vielmehr interessieren müsste, ist dagegen die: hat dein Schwiegervater noch Brüder? Diese hätten nämlich auch einen Anspruch auf das Erbteil. Wenn du also sagst, er hatte keine, oder diese sind tot und haben auch keine Söhne, so ist die Sache einfach: die Schwestern bekommen jede ein Drittel. Gibt es aber noch andere Ansprüche, so wird's komplizierter. Dennoch kann ich dich schon einmal beruhigen: leer ausgehen wirst du nicht. Bei uns gilt schließlich das Gebot: Unter Brüdern nimmt sich jeder nur das, was er braucht! Haben Jessa und du denn Söhne? Das könnte deiner Sache auch noch einmal helfen. Aber ich sag' dir was: Hör' gleich genau zu, wenn ich nach Thorsteins Klage über das Erbrecht vortrage, und sollten sich deine Fragen dadurch nicht klären, kommst du später noch einmal zu mir. Machen wir es so?"

~~~

"Ja, gut hast du's", bekräftigt Elske. "Ich meine, es klingt schon tröstlich, dass man beim Vater Schutz suchen kann, wenn's der Gatte zu arg mit einem meint, und vielleicht meinst du deshalb, dass du weniger geschützt bist, aber wie oft traut sich ein Weib das wohl, was meinst du? Ich tät's nicht. Also werde ich meinem Mann genauso ausgeliefert sein wie du deinem und ich kann nur hoffen, dass er so geduldig und liebevoll mit mir ist wie der deine mit dir!"

Lîfs Eingeständnis, so mühsam sie es sich auch abringt, nimmt Elske mit einem zufriedenen Nicken auf. "Siehst du, das meinst du doch auch!" Lîfs Stoßseufzer lässt sie dann allerdings die Stirn runzeln.[1]

"Ich, ach, darf ich was sagen? Ich versteh' dich nicht. Du hast doch vorhin erst gesagt, du und Tristan, ihr wäret glücklich miteinander, sprachst gar von eurem ersten Kind, das du dir bald wünschst. Was du von ihm erzählt hast, das klingt so, als könnte ein Weib sich keinen Besseren wünschen, und heute morgen hat man auch gesehen, wie glücklich ihr miteinander seid! Was ist jetzt plötzlich anders? Worüber genau ärgerst du dich? Dass unsere Männer den Mägden unter die Röcke dürfen, aber untreue Weiber verstoßen oder gar erschlagen werden dürfen? Oder ärgert dich, dass Tristan dich geraubt hat? Entscheide dich! Denn beides zugleich, das geht nicht. Entweder du bist eifersüchtig, dass er einer anderen ins Bett steigen könnte—könnte, wohl gemerkt! Getan hat er's ja offenbar noch nicht und ob er's je tun wird, das weißt du doch gar nicht!—dann jedenfalls liebst du ihn und es müsste dir egal sein, ob er dich von deiner Sippe geraubt oder gekauft hat. Oder aber bist du wütend über deinen Räuber, der dich zwingt, ihm zu Willen zu sein? Müsstest du dann nicht erleichtert sein über jedes Mal, das er seinen Kebsen nachstellt, weil er dann einmal weniger dich bedrängt? Ach, ich kann doch sehen, wie es dich mal in die eine, mal in die andere Richtung zieht! Du weißt gar nicht recht, was du willst, nicht wahr? Was besser wäre?"

Nun seufzt Elske selbst, nicht minder herzzerreißend als Lîf zuvor. "Gerade so geht's mir doch auch! Freu ich mich auf die Hochzeit oder habe ich Angst davor? Wird's mir besser oder schlechter gehen? Wird mein Ragnar so gut zu mir sein wie dein Tristan zu dir? Oder wird er mich schlagen? Ständig betrügen? Saufen und alles Geld verspielen? So wär's dir auch gegangen, wenn der Vater einen für dich ausgesucht hätte! Denn ein Vater achtet auf ganz andere Dinge bei der Wahl seines Schwiegersohn, als ein Weib beachtet, wenn sie sich träumend überlegt, welchen sie wohl gerne hätte. Weißt du, ich bin sogar ein wenig neidisch auf dich! Du hast dir deinen Tristan selbst ausgesucht. Ohne deine Zustimmung hätte er dich nicht haben können." Ihre Augen werden plötzlich groß, als begriffe sie endlich etwas. "Hast du deshalb solche Angst, dass es vielleicht die falsche Entscheidung war: weil es deine Entscheidung war? Deine Verantwortung? Also nicht die des Vaters, von dem man gern denken will, er wird schon alles recht bedacht haben... Als Weib aber denkt man mit dem Herzen und wie gern verleitet einen das zu Dummheiten. Da weiß man einfach nie, ob man ihm trauen darf!"

Ein wenig naiv plappert das junge Weib daher—einerseits. Andererseits hat sie Lîf ziemlich gut durchschaut.

Inzwischen nähert man sich den Palisaden, von woher Tristans Stimme ertönt. Wann hat er die Frauen überholt? "Also bis nachher!" oder etwas ähnlich Banales ruft er irgendwem zu und doch schlägt Lîfs Herz auf einmal schneller.
 1. Sense Motive = 21 – Wow, Elske, voll den Durchblick!
« Letzte Änderung: 19.09.2017, 17:00:15 von Tristan »

Lîf

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Das Disenthing
« Antwort #55 am: 19.09.2017, 13:31:14 »
Der Fischer wirkt ehrlich erleichtert, als er Tristan mit jovialem Grinsen auf die Schulter schlägt, dass es nur so kracht. "Ah, hab ich's doch gewusst" erklärt er, nun wieder in gewohnter Lautstärke der Inselmänner – also irgendwo zwischen Brüllen und normalem Sprechen. "Jessa, hab' ich gesagt, Weib, sei unbesorgt, der Gesetzesverkünder ist ein kluger Mann, ein Mann mit was im Kopf! Der zerpflückt diesen dummen fetten Gänsen ihren Blödsinn in der Luft!" Nunmehr offenbar völlig beruhigt, winkt er ab und meint: "Ah was, hat sich was mit Brüdern – ich sag' doch, das Schicksal hat's nicht gut gemeint mit dem armen Kerl: Kein einziger Sohn, nur lauter Mädchen hat ihm seine Alte geworfen. Der tritt im eigenen Haus bei jedem Schritt auf einen Weiberrock. Kann einem direkt leid tun."

Bei Tristans Gegenfrage hellt sich der Blick Snorris weiter auf. Erfreut erwidert er: "Was, wirklich?! Ja, darauf kannst du wohl zählen – mein Weib hat einen gesegneten Schoß, einen strammen Bengel hat sie mir schon geschenkt, erst im Frühling war's. Na, ich hab' ihr aber auch den Acker ordentlich gepflügt, da musste es ja was werden, wie?" Wiehernd lacht er, verspricht sich den Vortrag des Skalden über das Erbrecht aufmerksam anzuhören und scheint Tristan zum Abschied noch einmal alle Knochen im Leib durcheinander bringen zu wollen, so schüttelt er ihm die Hand. "Bist du jemals in der Nähe meiner Hütte, so komm mich besuchen. An einem Humpen Met soll's nie fehlen, und mein Weib bereitet dir eine Scholle mit Kräutern, dafür könnt' man glatt morden!" ruft er ihm noch nach.

~~~

Ohne es zu ahnen, versetzt Elske mit ihren Worten Lîfs Stolz schwere Schläge. Gut hat sie es, und dankbar muss sie sein... Sie presst die Lippen zusammen, doch den Worten des jungen Weibes an ihrer Seite ist kaum zu widersprechen, so gerne sie es würde. Welche andere auf den Inseln hat wohl einen Mann wie Tristan, der sich ihre Tiraden geduldig anhört und sie mit seinen Worten wieder besänftigt, statt einfach die Geduld zu verlieren und das streitlustige Weib übers Knie zu legen? Wohl so gut wie keine. Und dass die baldige Braut in all ihrer Naivität die Gefühle des Rotschopfs so hellsichtig durchschaut und offen ausspricht, entwaffnet Lîf noch mehr. Sie öffnet zwei, drei Male den Mund, um Elske zu unterbrechen, muss ihn aber jedes Mal wieder schließen, weil ihre Begleiterin regelrecht vorherzusehen scheint, was sie sagen will, und ihr vorweg schon den Wind aus den Segeln nimmt. Noch zudem ist ihr ohne große Schwierigkeiten anzumerken, dass sie nur helfen will – was es noch schwerer macht, die Wut von Tristan, vielmehr von den gemeinen Gesetzen, die er verkündet hat, auf die unschuldige Elske zu übertragen.

Leise seufzt Lîf abermals, während ihre Wut weiter verraucht. Gerade scheint sich alles gegen ihr stolzes Aufbegehren verschworen zu haben! Es beginnt sogar schon so etwas wie ein böses Gewissen sich in ihrem Busen zu regen. Hat Tristan das verdient? Ihre bösen Blicke, ihr zorniges Zähneknirschen? Die Antwort fällt nicht gerade zu einem Ehrenmal für die junge Frau aus. Sie schämt sich nun regelrecht und senkt den Blick, während Elske ihr mit klaren Worten vor Augen führt, was sie ja eigentlich schon weiß: Dass sie sich selbst widerspricht. Man kann nicht einerseits darauf beharren, eine geraubte Maid zu sein, eine, die nur widerwillig von der Magd zum Weib eines der Räuber sich hat machen lassen, und andererseits in Eifersucht entflammen, wenn man hört, dass es hier als sein gutes Recht gilt, sich auch andere Weibsleute zu nehmen.

Erstaunt sieht sie auf, als Elske ihr nunmehr auch ein Geständnis macht. "Was denn, du fühlst ebenso?!" entfährt es ihr überrascht. Dann flammen ihre Wangen auf, denn das junge Weib neben ihr trifft noch einmal ins Schwarze. "Ja, ich... ich glaube, das ist es" murmelt sie bedrückt. "Ich habe Angst, dass ich etwas dummes tue, das ich später bedauern werde. Egal, wie ich mich entscheide. Ich traue meinem Herzen nicht recht. Verstehst du?" In diesem Moment hört man die Stimme ihres Mannes, und sie fährt erschrocken auf. "Elske – kein Wort davon zu irgendjemanden! Willst du mir das versprechen?" fragt sie hastig, während sie das junge Weib kurz zurückhält. Denn sie sind ja schon auf dem Weg zu ihm, der offenbar schneller gewesen ist und bereits auf sie wartet.

Tristan

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Das Disenthing
« Antwort #56 am: 19.09.2017, 17:27:19 »
"Nein, Brüder, er selbst, der Alte... dein Schwiegervater, mein ich", versucht Tristan noch zu korrigieren—obwohl er Snorri ja eigentlich loswerden will, er kann nicht anders—aber Snorri hört schon nicht mehr zu und rüttelt Tristan auch gleichzeitig ziemlich durch, was diesem die deutliche Aussprache ein wenig erschwert. Man verabschiedet sich also und endlich kann Tristan sich umschauen, ob er in dem Gewühl sein Weib entdeckt.

Sobald er sie entdeckt, bahnt er sich einen Weg auf sie zu, wobei er voller Sorge ihre Miene prüft: ist sie noch immer zornentbrannt oder hat sie sich inzwischen beruhigt? Ist sie vielleicht gar gut gelaunt? Das schlägt bei ihr manchmal so schnell um, dass man eigentlich immer hoffen darf. Bei guter Laune würde er sie einfach in den Arm ziehen und küssen und dann, während man zusammen in Richtung Feuerstellen schlendert, für ihr Mitwirken an der Alberich-Saga loben und ihr nicht verhehlen, wie stolz er auf sie ist. Im Fall, dass man die Wetterlage nicht so genau bestimmen kann, erwähnt er die Saga lieber nicht, wegen des Weiberraubes, der sie abermals erzürnen könnte, und beginnt statt dessen gleich mit den Freundinnen. "Ich bin so froh, dass du endlich einige der anderen Weiber kennenlernst und dich mit ihnen anfreundest." Im ersten Fall aber, sollte sie also noch zornig blicken, wird er nur ganz vorsichtig fragen, ob sie auch bis unter beide Arme Hunger habe.

~~~

"Und wie gut ich das verstehe!" ruft Elske, dann senkt auch sie die Stimme und verfällt, wie Lîf, ins Flüstern. "Und ich bin so froh, eine getroffen zu haben, die mich dafür nicht triezt oder auslacht oder bei anderen über mich lästert! Du, lass uns einen Handel schließen, nur wir beide: dass wir ab jetzt mutig sein wollen, die eine, solange die andere es ist. Ich will mich darauf freuen, dass mein Ragnar mich in drei Wochen zu sich heimführt, sogar die Brautnacht will ich mit Spannung erwarten und mir sagen, das Herz klopft vor Aufregung, nicht vor Angst! Und du, du traust dich, auf dein Herz zu hören und es Tristan ganz zu schenken und bangst nicht jetzt schon, er könne dir vielleicht irgendwann einmal wehtun. Wir beide machen uns einfach viel zu viele Gedanken, was wohl werden wird, statt uns darüber zu freuen, wie gut wir es heute haben! Aber das ist doch ganz schön dumm, nicht wahr? Was kommt, das kommt, wir ändern's doch nicht."

Auf Lîfs Bitte hin bleibt Elske erschrocken stehen und fasst ihre Hände. "Wie, du glaubst ich könnte... ich dächte daran...!" wispert sie. "Niemals! Nicht ein Sterbenswort... zu niemandem... versprochen! Eher hätte Bjarni Drachensänger seinen færsischen Folterern das Geheimnis verraten, wie er seine Schiffe baut!"

Auf einmal bekommt sie rote Flecken im Gesicht und zuckt mit dem Kopf hierhin und dorthin wie ein aufgeregtes Huhn und druckst herum und schluckt und schluckt nochmal, dann bricht es endlich aus ihr hervor: "Du, wollen wir vielleicht... ach, du wirst mich gleich schelten und laut schimpfen: 'Ja, was sind wir denn, Weiber oder kleine Mädchen?' Aber als kleines Mädchen hatte ich keine, und auch keine Schwester, nur vier Brüder, und deshalb hätte ich so gern... und mir ist's auch gleich, dass wir uns gerade erst kennengelernt haben und noch kaum etwas voneinander wissen, ich hab' einfach das Gefühl, ich muss dich lieb haben! Lîf, willst du vielleicht... bitte, bitte lach mich nicht aus!... meine Busenfreundin sein?" Kaum aber hat sie ihren Wunsch endlich ausgesprochen, da stutzt sie und kichert prustend. "Busenfreundinnen, ausgerechnet wir beide...!" Doch sofort wird sie ernst und schaut Lîf in banger Hoffnung an.

Falls die Antwort so ausfällt, wie Elske es sich ersehnt, so wird sie Lîf darauf mit einem Juchzer an sich drücken und ihr einen Kuss auf die Wange geben. Sofort aber gibt sie Lîf wieder frei, denn da eilt Tristan herbei, nicht jedoch ohne eine dringende Bitte zum Abschied auszusprechen: "Du und dein Mann, ihr müsst unbedingt zu meinem Hochzeitsmahl kommen, ich will gleich mit Ragnar darüber sprechen. In drei Wochen, ja?"

Lîf

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Das Disenthing
« Antwort #57 am: 20.09.2017, 13:49:27 »
Nein, Tristan hat keinen Erfolg mehr mit dem Versuch, Snorri auf das Missverständnis hinzuweisen: Der Fischer ist bereits auf dem Wege, die frohe Botschaft seinem Weib zu bringen, das wahrscheinlich schon zwischen Bangen und Hoffen auf seine Auskunft wartet, was der Kenner der Gesetze wohl gesagt haben mag. Von weitem winkt er dem Skalden noch ein letztes Mal zu, ehe er fröhlichen Mutes davon stapft – ein Bild der Erleichterung.

~~~

Lîf derweil hat Elskes Hände in ihre genommen und impulsiv gedrückt. "Ach, hätt' ich das nur gewusst..!" ruft sie unterdrückt. Also geht es nicht nur ihr so! Erstaunen mischen sich mit Erleichterung und schließlich auch Neugier. Tausend Fragen liegen ihr auf der Zunge. Wie gut, dass sie und Elske sich heute näher gekommen sind, sonst hätte die junge Frau womöglich nie erfahren, dass sie Leidensgenossinnen hat! "Ja, das wollen wir tun!" nickt sie auf die Idee Elskes, einen Handel abzuschließen. Es wäre bestimmt gut, ein andres Weib in ihrer Nähe zu wissen, mit dem sie sozusagen verbündet ist. Sie kam den Inselweibern bislang so wenig nah, hat immer noch mit ihnen gefremdelt, die zwar nicht gar so rau sind wie ihre Mannsleute, aber doch ihr Lebtag nach den Sitten hier lebten, die Lîf nach wie vor befremden. "Vielleicht hast du wirklich recht, Elske" meint sie nachdenklich, ohne deren Hände loszulassen. Ja, ewig zu jammern und zu klagen ist gewiss nicht die weiseste Entscheidung.

Indes, zu wissen, dass es ihr eigentlich wirklich sehr gut geht, und es zu empfinden, sind zwei unterschiedliche Dinge. Verstand und Gefühl... so drückte es einmal Janne aus, ein Weib aus dem Osten, das in ihrem Dorf zu Gast war. Gerade will sie der neugewonnenen Freundin ihr Herz vorsichtig weiter ausschütten, als es aus der hervorbricht und sie einen Wunsch vorbringt, der Lîf erst ganz erstaunt schauen lässt. Dann muss sie auf den kindlichen Scherz hin schmunzeln und unterdrückt mit leichtem Kopfschütteln mühevoll auch ein Kichern. "Also Elske..!" tadelt sie diese sanft, wie es eine größere Schwester tun würde, fühlt aber ihre Wangen brennen und hofft, dass Elske nicht davon mitbekommen hat, wie sie sich danach erkundigt hat, ob wohl eine Schwangerschaft ihren Busen tüchtig schwellen lassen würde. Das Anliegen des jungen Inselweibs selbst ist in solch rührender Naivität und Offenheit vorgebracht, dass sie nicht anders kann, als ihr zuzunicken und einfach zu sagen: "Mein Herz sagt mir, dass ich dich auch lieb haben muss." Und schon wird sie ein weiteres Mal in der herzlichen, etwas ungestümen Art der Inselleute an die Brust gezogen und bekommt einen schmatzenden Kuss, den sie diesmal mit einem Lächeln erwidert.

Da Tristan naht, drückt sie schnell noch einmal die Hand Elskes – nein, ihrer neuen Busenfreundin – und wispert: "Ganz gewiss. Ich bin sicher, Tristan wird auch ja sagen. Ich frag' ihn heut Abend, wenn wir beieinander unter den Fellen liegen – dann ist er meist gut gelaunt und schlägt mir keine Bitte ab" verrät sie noch rasch zwinkernd einen guten Rat unter Eheweibern, den sie durch Einfühlungsvermögen und Beobachtungsgabe selbst erst mühselig herausfinden musste. Als sie sich ihrem Mann dann zuwendet, ist von ihrem Zorn nicht mehr viel übrig. Tristan, der eben erst dazukam, kann kaum ahnen, wie sehr ihm Elske den Boden bereitet hat. Mit ihrer unschuldigen Zuneigung hat sie Lîfs weicher Seite wieder die Oberhand verschafft, so dass er von seinem jungen Weib eine Erwiderung seiner Umarmung und auch – auf den Zehenspitzen stehend – des Kusses erhält. Sie lächelt leise, als er ihren Auftritt in der Saga lobt und dabei nicht die geringste Spur von Eifersucht zeigt, obgleich sie sich doch absichtlich von einem anderen entführen ließ. "Es war sehr schön. Ich wusste nicht, dass man die alten Geschichten auch selbst erleben kann, statt sie nur am prasselnden Feuer zu erzählen wie zuhause" gesteht sie ein, ungewöhnlich selbstkritisch gestimmt ob seines offenkundigen Vertrauens in ihre Treue.

Tristan

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Das Disenthing
« Antwort #58 am: 20.09.2017, 23:40:03 »
Kaum hat Elske sie losgelassen und ist davon, nicht ohne sich noch einmal glückstrahlend nach Lîf umzublicken, da zieht Tristan sein Weib bereits, nach besorgt prüfendem Blick, in die Arme und küsst sie zunächst auch ganz behutsam. "Oh!" entfährt es ihm allerdings, als Lîf seinen Kuss so beherzt erwidert. "Oh", sagt er und holt sich erst einmal einen ordentlichen Nachschlag. "Das...", stammelt er ihr, nachdem er doch einmal Luft holen musste, atemlos ins Ohr, "ist schön, wenn du so forsch und von dir aus... oder auch wie gestern abend, das war... als du mir unters Hemd... oh, Gaja, volltrunken denkt man noch klarer! Aber dass es dir ausgerechnet auf dem Disenthing einfällt, so kess zu werden, wo ich ohnehin schon nur mit Mühe... Oh weh, zwei Nächte noch ohne, Alberich steh' mir bei!"[1]

So rasch gibt Tristan also Lîf diesmal nicht frei, wofür er so manches Weibergekicher und etliche neckende Zurufe vorbeidrängender Fahrtenbrüder erträgt. Erst Karls Zuruf: "Hey, ihr beiden, hebt euch das fürs Diseblót auf!" lässt Tristan zur Besinnung kommen. "Oh", sagt er abschließend. Es klingt erstaunt.

Und wieder hat Lîf etwas dazugelernt über ihr Leben als Eheweib, falls Einfühlungsvermögen und Beobachtungsgabe sie nicht gänzlich im Stich lassen, nämlich mit welch einfachen Mitteln sie ihren Gatten um den kleinen Finger wickeln kann.

Während Mann und Weib sich gemeinsam einen Weg Richtung Hóper Langhaus bahnen, unterhalten sie sich über die Alberich-Saga. "Ja wie, gibt es das bei euch in Fersland nicht, dass ihr eure Ahnen feiert, als lebten sie noch mitten unter euch? Geschichten sind schön und gut, aber so erlebt man es selbst, fast wie am eigenen Leib, und die Sache prägt sich auch viel besser ein. Und falls der alte Seeräuber tatsächlich zuguckt, wird's ihm wohl gefallen, das Spiel zu seinen Ehren! Natürlich machen wir so etwas auch nur zu den Jahresfesten, nicht jedes Mal, wenn wir eine Geschichte erzählen wollen."

Auf seine Rolle in dem Spiel angesprochen, lacht Tristan: "Ja, ich muss jedes Jahr den Ingjold spielen. Das hat weniger damit zu tun, dass ich vom Festland bin, sondern liegt hauptsächlich daran, dass den Ingjold jemand spielen muss, der mit dem Jarl einen Zweikampf nachstellen kann, ohne dass es zu Missverständnissen kommen könnte. Du hast unseren Kampf ja gesehen, da geht's richtig zur Sache. Stell dir nun vor, der Sven oder der Eyvind würde so auf den Jarl einprügeln, da müsste man jeden Augenblick damit rechnen, dass der Kampf plötzlich in eine ernsthafte Herausforderung um Gisles Posten umschlägt. Und selbst wenn nicht, es könnten dabei Verdachtsmomente aufkommen, Zweifel, die sich danach nicht so leicht wieder aus der Welt schaffen lassen und den Frieden bedrohen. Als Gesetzessprecher aber bin ich der einzige, der den Jarl gar nicht herausfordern dürfte, selbst wenn er wollte, wobei ich mir auch gern einbilden will, dass Gisle sich bei mir einfach auch sicher sein kann, dass ich seinen Posten gewiss nicht haben mag. Na ja, mir als 'Festländer' täte auch niemand folgen wollen, selbst wenn ich derlei Ambitionen im Herzen trüge."

Inzwischen haben sie das Langhaus betreten und ihren Platz auf der langen Bank gefunden, vor der noch die Tische vom Frühmahl stehen. Tristan wartet so lange, bis sie beide eine dampfende Schüssel Rübeneintopf vor sich stehen haben und daraus schon etliche Löffel entwendet, bis er das heikle Thema anschneidet.

"Ich hätte dich vorwarnen sollen", beginnt er zerknirscht und nur zu ihr[2]; wenige Sätze aber lassen ihn bereits zu alter Zuversicht gelangen. "Von der Raubehe, da musste ich vortragen, damit erst gar keine Zweifel daran aufkommen, dass unsere Ehe ganz und gar rechtens ist. Denn stell dir nur vor, ich kehrte von der nächsten Fahrt nicht zurück, da fände sich ganz sicherlich ein frecher Kerl, der behaupten wollte, du seist ja bloß meine fridla, nicht mein Eheweib vor dem Recht, und könntest deshalb meinen Besitz nicht erben! Außer, du wärst bis dahin schwanger mit meinem Kind, das würde in jeden Fall erben, und du als Mutter tätest ihm alles so lange verwalten, bis er mündig würde, falls es ein Knabe wäre, oder sie heiratet, falls ein Mädchen. Ohne Kind aber stünde dir als fridla gar nichts zu und was sollte dann aus dir werden! Als Zweitfrau täte dich wohl jemand nehmen, ohne Besitz... und du müsstest ihm dafür noch dankbar sein... welch unerträglicher Gedanke! Solange dir aber mein Besitz zufällt, wirst du frei wählen können, was du tun willst, ob dich neu vermählen und mit wem, du wirst nahezu die freie Auswahl haben, oder aber du könntest den Besitz verkaufen und in die Heimat zurückkehren... Was schaust du so, natürlich muss man an derlei Dinge im voraus denken, muss für diesen Fall vorgesorgt haben als guter Ehegatte! Nicht, dass ich damit rechne, dass mir auf der nächsten Fahrt etwas zustößt, so arg habe ich die Große Mutter gewiss niemals erzürnt noch das Schicksal frech herausgefordert, dass sie mich endlich doch mein Glück finden ließen, nur damit ich gleich das Jahr darauf stürbe..."
 1. will save = 6 vs. DC 12
 2. ich gehe jetzt mal davon aus, dass sich alles momentan so weit verteilt, dass er leise genug sprechen kann, dass die Erklärung hier wirklich nur an Lîf geht
« Letzte Änderung: 21.09.2017, 12:00:49 von Tristan »

Lîf

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Das Disenthing
« Antwort #59 am: 21.09.2017, 12:33:12 »
Erstaunt erst, dann ratlos und schließlich fast ein wenig erschrocken sieht die junge Frau zu ihrem Mann hoch. Es ist das erste Mal, dass sie ihren inneren Widerstand für einen Moment so vollkommen vergessen und aufgegeben hat – und nun erst realisiert sie auch, wie heftig Tristan auf ihre Nähe reagiert. Das ist ihr einerseits unangenehm, vor den Augen aller. Schließlich hat sie ja bislang jedem, der es nur hören wollte, recht klar gesagt, dass sie es für ein himmelschreiendes Unrecht hält, wie man unschuldige, wehrlose Heilerinnen – freie Weiber! – entführt und sie zu Mägden gemacht hat, und dass sie ganz gewiss niemals ein Inselweib werden oder auch nur daran denken wird. Und nun grinsen die anderen Weiber wissend, machen die Mannsleute Scherze, die ihre Wangen rot aufflammen lassen... Andererseits wollen sich in ihr auch Gefühle regen, die durchaus wärmer sind, nachdem sie die erste Überraschung verdaut hat jedenfalls. Es ist natürlich für ein junges Weib zunächst einmal schmeichelhaft und tut dem Selbstbewusstsein gut, wenn es sich als schön und begehrenswert behandelt fühlt, das lässt sich nicht leugnen. Und dann ist auch das, was sie da eben zugelassen hat, noch zu stark in ihr, als dass sie sich dagegen stemmen könnte. "Diese zwei Nächte werden dir wirklich lang werden? Du begehrst mi... begehrst... es... so sehr..?!" fragt sie im Flüsterton und verbessert sich hastig, damit man ihr nicht allzu deutlich anhört, wie wichtig ihr auf einmal seine Antwort scheint[1].

Es fühlt sich nämlich gut an, hier in seinen Armen. Sie legt den Kopf in den Nacken, schaut ihm in die Augen, legt ihre Hände flach auf seine Brust. Der Rotschopf glaubt seinen Herzschlag spüren zu können, durch das dicke Wams hindurch – oder ist es am Ende ihr eigener, der sie narrt? –und fühlt sich sogar fast in der Lage, das neckende Gekicher in ihrem Rücken zu überhören, ja... als Karl mit seinem Ruf den Bann bricht und Tristan sie wieder entlässt. Irgendwo zwischen Geschmeicheltsein und zorniger Verlegenheit über ihre Unfähigkeit, mehr zu sagen, ehe sie gestört wurden, streicht Lîf ihr Kleid glatt und tritt einen halben Schritt zurück. Dann, was bleibt andres übrig, folgt sie ihrem Mann zum Langhaus, wobei sich das Gespräch wieder Themen wie der Saga zuwendet, die jedes Ohr hören darf. "Nein" antwortet sie ihm auf seine Frage. "Es gibt bei uns Geschichtenerzähler, die schmücken manchmal noch aus, was sie berichten. Mancher spielt dazu ein Lied oder singt an den rechten Stellen, und einige vermögen auch, allein mit ihrer Stimme die Figuren in den Sagas lebendig werden zu lassen." Sie lächelte bei der Erinnerung. "Als ich noch ein kleines Mädchen war, übernachtete einmal ein alter Mann auf unsrem Hof. Er konnte jeden nachahmen, dass man meinte, man hörte die Leute selbst reden: betrunkene Seefahrer, lustige Burschen, sogar keifende alte Weiber... alle! Mein Vater gab ihm dafür gern eine warme Suppe und einen Schlafplatz über Nacht, und am andern Morgen sogar noch einen halben Laib Brot und ein Stück Käse für den Weg obendrein."

Auf seine Erklärung meint sie dagegen verwundert: "Das heißt, dass sie dich nicht als Ihresgleichen ansehen? Aber ich dachte, du lebst schon so lange unter ihnen, du verkündest sogar ihre Gesetze..." Dass ihm die Männer nicht folgen würden, kann sie nur schwer glauben. Und es verletzt, ganz unabhängig von seiner Person, Lîfs ziemlich ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie runzelt daher die Stirn und schüttelte unmutig den Kopf zu seinen Worten. "Das ist doch nicht recht..!" murmelt sie. Was er ihr hingegen über die Raubehe sagt, lässt sie erst unwirsch schauen. Doch dann wird ihre Miene wieder weicher, und sie erkundigt sich leise: "Du hast dabei an mich gedacht? Nur an mich und unsere..." Halt! War das nicht etwas, von dem sie sich auch fest geschworen hatte, es würde niemals ein Thema für sie sein? Sie würde es ihm verweigern, wenn sie sich schon nicht selbst verweigern kann..?! Doch dann rutscht es ihr doch über die Lippen: "...unsere Kinder?" Es... fühlt sich irgendwie gar nicht so falsch und schlecht an, das zu sagen, wie sie gedacht hatte, stellte sie verwundert fest. Was geschieht da gerade mit ihr..?
 1. So viel Selbstbeherrschung ist bei einem Willenskraftwurf von 16 denke ich gerechtfertigt.

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