Autor Thema: [Szene 5] Ein ruhiges Auge und eine sichere Hand  (Gelesen 3828 mal)

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Tsuyoshi

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[Szene 5] Ein ruhiges Auge und eine sichere Hand
« am: 31.08.2017, 15:21:53 »
Es ist sehr früh am Morgen, als der junge Ronin sein Nachtquartier verlässt und sich auf den Weg macht, um durch die schmalen Gassen zwischen den Hütten des Dorfes seinen Weg zum nahen Bach zu suchen und sich in dem jetzt eiskalten Wasser zu waschen. Die Sonne beginnt gerade erst langsam auf ihrem täglichen Pfad am Himmel hinauf zu wandern. Ihre sengenden Strahlen haben ihre volle Stärke noch nicht erreicht, und zum ersten Mal seit seiner Ankunft klebt der Kimono dem Samurai nicht schweißnass an den Schultern. Nachdem er sich gereinigt und ein sehr karges Mahl aus Hirsebrei zu sich genommen hat – seinen unfreiwilligen Gastgeberinnen mehr abzuverlangen, würde sie wohl an den Rand der Verzweiflung bringen – bricht er auf und folgt dem Waldpfad, den er bereits kennengelernt hat. Nach kurzem Marsch erreicht er den Schrein, zu dem ihn die Miko am Vortag geführt hat.

Dort blickt er sich um, kann aber niemanden entdecken. Ein weiterer Blick Richtung Himmel, ein zufriedenes Nicken: Gutes Wetter, um sich noch einmal mit dem Bogen zu versuchen. Eine Waffe, mit der er in letzter Zeit zu selten umging – und eine sehr weise Wahl gegen zahlenmäßig überlegene Gegner, die sich nicht an die Ehrenregeln des Duells Mann gegen Mann halten. Angesichts der Banditen, die hier in der Gegend umherstreifen und die Alten, Frauen und Kinder des Dorfes in Angst und Schrecken versetzen, rechnet er nicht damit, ohne einen Kampf davonzukommen, ganz gleich, wohin er sich auch wenden wird. Doch das Gesindel wird sehen, was es davon hat, sich mit einem Samurai anzulegen!  Entschlossen nickt Tsuyoshi, dann geht er zu dem kleinen Schrein hinüber, streift seine Sandalen ab und lässt sich im Schneidersitz vor dem winzigen Heiligtum nieder, um ein Gebet zu sprechen. An Mut fehlt es ihm nicht, doch die Unterstützung der Kami käme ihm in seiner Situation sehr gelegen.

Miko Yumi

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[Szene 5] Ein ruhiges Auge und eine sichere Hand
« Antwort #1 am: 06.09.2017, 18:50:00 »
Noch während der Ronin ins Gebet vertieft ist, wird die Stille von einem dezentem Rascheln unterbrochen. Gleich darauf verrät scharf eingezogene Luft, dass der Besuch unerwartet früh ist. Es folgen leise, hastige Schritte durchs taunasse Gras, im Bogen von der Seite der Lichtung hinter den Schrein. Durch schmal geöffnete Augen kann der junge Krieger den rot-weiß-schwarzen Schatten der jungen Miko erkennen, wie er hinter dem Schrein verschwindet. Sie trägt den gleichen großen Sammelkorb mit sich wie am Vortag. Anschließend vergehen einige Minuten, in denen es leise lärmt und klappert an der Rückseite des Schreines. Erst danach tritt Yumi wieder hinter dem Schrein hervor mit glattgezogener Kleidung und frischgemachter Frisur. Den großen dunklen Bogen und mehrere schmale Köcher hat sie sich über die Schultern gestreift. Geduldig und zurückhaltend wartet sie in gebührendem Abstand vom Betenden, um ihn nicht zu stören. Wenn sie sich unbeobachtet glaubt, liegt der Blick ihrer großen Augen wie fasziniert auf ihm. Sobald allerdings sein Blick ihren trifft, wird sie rot und weicht ihm aus. Gedankenverloren spielt ein Finger mit einer Harrsträhne, was ihrer perfekten Frisur prompt einen charmanten Schaden hinzufügt: "Guten Morgen, Tsuyoshi-san, verzeiht meine Verspätung, ich...war früh auf und dachte, ich könnte meine Vorräte noch aufstocken. Entschuldigt daher meine Verspätung. Steht unsere Verabredung noch?" Schüchtern lächelt sie, während der Ton ihrer Stimme hoffnungsvoll klingt.

Tsuyoshi

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« Antwort #2 am: 07.09.2017, 13:26:28 »
Langsam erhebt sich der junge Samurai, nachdem er seine stumme Zwiesprache mit den Kami beendet hat. Er neigt den Kopf zu einem Gruß und legt die Linke in einer selbstbewussten Geste auf die Griffstücke seines Daisho. "Ich grüße Euch, Dienerin des Schreins" sagt er dabei recht formell. "Ich habe unsere Verabredung nicht vergessen, darum kam ich" erklärt er und fügt mit einem Blick gen Himmel hinzu: "Zu dieser frühen Stunde ist es angenehmer, und die Sonne blendet nicht beim Zielen." Darauf verstummt er und scheint verlegen um weitere Worte. "Ihr hattet mich erwartet?" erkundigt er sich und strafft seine Gestalt unmerklich. Sein Kimono und seine Sandalen sind nach wie vor alt und sichtlich viel gebraucht, doch die Waffen an seiner Seite machen, zumindest für die Augen der Miko, einen hervorragend gepflegten Eindruck, und sein Haarknoten ist just an diesem Morgen von den Händen einer dienstbeflissenen Dorfbewohnerin gerichtet worden, die Haut des Schädels an der Oberseite säuberlich mit einer scharfen Klinge kahl geschoren. Tsuyoshi macht ganz den Eindruck, als habe er an diesem Morgen der Eitelkeit so weit gefrönt, wie es einem Mann möglich ist, der noch nie einen Gold-Ōban aus der Nähe gesehen hat. Schließlich fragt er das Mädchen: "Seid Ihr denn bereit, oder bin ich zu früh?"

Miko Yumi

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« Antwort #3 am: 10.09.2017, 11:57:50 »
Yumi muss sichtlich mit sich ringen nicht ihre Hände abwehrend zu heben. "Aber...ohje, ich habe euch doch nichts unterstellen wollen, herrjeh. Natürlich bin ich bereit, und es war der Morgen verabredet. Es ist mein Fehler, dass ich nicht zum richtigen Zeitpunkt zugegen war. Ich hoffe, ihr habt nicht lange warten müssen?" Ihre Augen schielen unter dem Rand ihrer Augenbrauen hervor, neugierig und um Verzeihung heischend.

Schließlich strafft sie sich, dreht sich um und will in den Wald führen, als ein Einfall sie stoppen lässt. "Aber natürlich...", murmelt sie und fährt sich fahrig über die Stirn. Wieder dem jungen Krieger zugewandt bietet sie ihm den Bogen und erklärt: "Wie ihr es wünscht, San. Und in den Köchern sind jeweils einmal Pfeile mit Spitze, mit Gewicht und ohne Metall, so habt ihr diesmal die volle Auswahl." Für einen Augenblick hält sie den Blick und wartet auf die Übernahme des Bogens und eine Bestätigung, dann setzt sie sich endlich in Bewegung und führt über den gleichen Trampelpfad wie am Vortag zu der Lichtung mit dem Teich.

Tsuyoshi

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« Antwort #4 am: 11.09.2017, 14:30:10 »
Der Ronin schüttelt den Kopf. "Nein. Ich habe die Ruhe hier genossen" beruhigt er die Miko mit leichter Verwunderung. Man erwartet von Frauen zwar, dass sie sich für alle Fehler entschuldigen, selbst für die ihres Gegenübers, doch dass sie derart aufgeregt ist, überrascht ihn. Ihre sogenannte Verspätung kann man selbst mit bösem Willen kaum als solche bezeichnen. Doch schließlich tut er ihre Worte mit einem innerlichen Schulterzucken ab. In seinen Augen ist die Angelegenheit erledigt, der Diensteifer des Mädchens nicht tadelnswert. "Da ich meine Gebete beendet habe, können wir aufbrechen" sagt er in einem Tonfall, der weniger eine Feststellung als einen Befehl andeutet. Immerhin ist er es als Samurai so gewohnt.

Würdevoll will er sich in Bewegung setzen, der vorauseilenden Miko mit gemessenen Schritten zu folgen, als sie sich noch einmal umdreht und ihm Bogen und Köcher entgegenhält. Kurz zögert er, dann nimmt er beides, schultert den Köcher und zieht die Sehne des Bogens ein, zwei Male aus, ehe er zufrieden nickt. "Sehr gut. Geht voran, ich werde den Bogen noch einmal versuchen." Damit weist er auf den Pfad und macht Anstalten, weiterzugehen, dem zweiten Probeschießen entgegen, bei dem er sich vor dem Mädchen nicht noch einmal mit einem Beinahetreffer zu blamieren hofft. Tiefe Konzentration, eine ruhige Hand, sieben Atemzüge! ermahnt er sich in Gedanken. Und vor allem nicht von dem Gedanken ablenken lassen, dass das Mädchen zusieht... glaubt er die Stimme des Meisters zu hören, der ihm Unterricht im Kyudo gab.

Miko Yumi

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[Szene 5] Ein ruhiges Auge und eine sichere Hand
« Antwort #5 am: 19.09.2017, 19:33:54 »
Kurz zögert die junge Miko, als der Krieger ihr auch die drei Köcher abnehmen möchte, dann löst sie diese von ihrem Gewand und überreicht auch diese. Ihre Gedanken dazu scheint sie sich nicht zu trauen, zu äußern. Einzig eine kleine umgehängte Tasche bleibt ihr, als sie den Weg durch den Wald antritt.

Beim Teich angekommen sieht sie sich um und hält kurz einen angeleckten Finger in die Luft, um die Windrichtung und -stärke zu beurteilen, bevor sie sich vom geeigneten Schussplatz entfernt und an die Büsche tritt. Aufmerksam folgt sie den Bewegungen Tsuyoshis, bleibt aber still und weicht seinem Blick schüchtern aus. Dem abgeschossenen Pfeil folgt sie mit konhzentriertem Blick, um sich bereits in Bewegung zu setzen, bevor er endgültig außer Sicht verschwindet. Offensichtlich will sie wieder jeden einzelnen einsammeln mit Metallspitze, um das wertvolle Material nicht zu verlieren.

Bei einem Blick auf die Pfeile mit Spitze könnte dem jungen Ronin auffallen, dass diese tatsächlich wie Kriegspfeile aufgebaut sind: Das Metall bricht sehr leicht vom Schaft und würde bei halbwegs gutem Einschlag im Opfer steckenbleiben. Diese Konstruktion ist relativ aufwendig und bei Jägern wenig verbreitet, da die Spitze aus dem Tier wieder zu entfernen einige Arbeit mit sich bringt ohne den Schaft als Hilfe.

Tsuyoshi

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[Szene 5] Ein ruhiges Auge und eine sichere Hand
« Antwort #6 am: 20.09.2017, 13:51:06 »
Kurz wirft er der Miko noch einen Blick zu, ehe er sich voll und ganz auf sein Vorhaben konzentriert. Regungslos steht Tsuyoshi mit dem Bogen im Anschlag, tut die Atemzüge ruhig und gleichmäßig, atmet ein letztes Mal aus und hält dann die Luft an, um zu warten. "Niemals" hat ihm der Lehrmeister gesagt "darfst du dich verkrampfen, weil du das Ziel treffen willst! Nicht der Schütze tut den guten, den wirklich guten Schuss. Der Schütze wartet auf Es. Er leert seine Seele und seine Gedanken, bis er nur mehr ein Werkzeug ist wie der Pfeil und der Bogen in seinen Händen. Hat er diesen Zustand erreicht, gilt es nur noch zuzusehen, wie Es schießt – dann wird es niemals einen Fehlschuss geben."

Und tatsächlich: Kaum fühlt er sich aus seinem Leib befreit und kann den gesamten Vorgang als reiner Zuschauer erleben, da löst sich der Griff seiner Finger, die den Pfeil auf der Sehne halten, die Sehne schnellt nach vorn und lässt das Geschoss als blinkenden Blitz davonfliegen, ohne dass der Ronin bewusst geschossen hätte. Diesmal bohrt sich der Pfeil exakt an der gewünschten Stelle ins Holz, und sein Herz tut einen freudigen Sprung. Gewiss hat die junge Frau diesen Schuss genau mitverfolgt, und sein Stolz ist nicht eben gering. Äußerlich lässt er sich aber so wenig wie möglich davon anmerken, denn Großtuerei ist eine Untugend. Er nickt nur befriedigt, lässt den Bogen sinken und sagt: "Eine sehr gute Waffe." Während er einen zweiten Pfeil aus dem Köcher zieht, wendet er sich wie beiläufig an seine Begleiterin: "Wie kommt es eigentlich, dass Ihr solche Pfeile besitzt? Sie sind nicht für die Jagd gemacht."

Miko Yumi

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[Szene 5] Ein ruhiges Auge und eine sichere Hand
« Antwort #7 am: 21.09.2017, 23:09:38 »
Die junge Frau war von dem Schuss offensichtlich beeindruckt und rief mit bewunderndem Blick aus: "Ein guter Schuss!" Sie setzt sich schon in Bewegung, dann bremst sie sich und spricht halblaut: "Ach, den findet man leicht wieder, den hole ich später." So dreht sie sich wieder zum jungen Mann, immer noch bewundernd, was für den Moment ihre Schüchternheit überdeckt. Sie wiegt sich etwas unentschlossen, ob sie direkt auf ihren Beobachtungsplatz zurückkehren soll, als seine Frage sie erreicht.

Irritiert schaut sie den Ronin an: "Ähm...nicht? Ich meine - nein, besser" - korrigiert sie sich "Ich habe gelernt, größere Beute mit dickerem Fell braucht richtige Pfeilspitzen. Die Holzspitzen kommen nicht durch und die Gewichte sind zu schwach, sie zu erschlagen." Sie zieht ihre Stirn kraus und scheint nachzudenken: "Also, ähm, diese Spitzen waren die einzigen, die noch zu haben waren, deswegen sammele ich sie auch immer ein, reinige und schärfe sie. Was ist falsch an ihnen?" Sie sieht ihn mit großen Augen, regelrecht um Aufklärung bettelnd, an.

Tsuyoshi

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« Antwort #8 am: 22.09.2017, 11:37:55 »
Die Antwort der Miko verwundert Tsuyoshi nun erst recht. "Ihr jagt großes Wild?! Das ist reichlich gefahrvoll... und ich bin mir nicht sicher, ob der Samurai, der dies Land hier verwaltet, damit einverstanden wäre. Denn seht..." Damit nimmt er einen weiteren Pfeil aus dem Köcher "...eine solche Spitze ist geeignet, um eine Rüstung zu durchschlagen, wo eine hölzerne abprallen würde. Versteht Ihr? Solche Pfeile sind für den Krieg, und ein Kriegsherr sieht sie ungern in Händen, die nicht die seiner eigenen Männer sind." Eigentlich liegt ihm noch ein schärferer Tadel auf der Zunge, doch die junge Frau schaut ihn derart naiv fragend an, dass er sich beherrscht und hinzufügt: "Ihr solltet versuchen, Euch keinen Ärger einzuhandeln, um Eurer selbst willen. Es ist in diesen Zeiten viel zu leicht, seinen Kopf durch eine Klinge zu verlieren..." Damit legt er den zweiten Pfeil auf die Sehne, hebt den Bogen, um das Ziel wieder anzuvisieren, lässt ihn dann aber wieder sinken. Ein kurzes Räuspern, worauf er erklärt: "Es wäre sicherlich auch ein Verlust für die Leute im Dorf. Ihr scheint... äußerst hilfsbereit." Da er irgendwie zu keinem rechten Ende kommt, meint er schließlich noch: "Also versucht auch an die Bauern zu denken, denen Ihr gewiss noch viele Dienste erweisen könnt!" und bemüht sich dabei um einen nachsichtig-tadelnden Ton. Immerhin ist sie sehr jung und hat sich womöglich keine Gedanken über die möglichen Folgen ihres Handelns gemacht.

Miko Yumi

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« Antwort #9 am: 24.09.2017, 07:07:25 »
Yumi nickt eifrig, als Tsuyoshi fragt, ob sie großes Wild jagt: "Ja, alle paar Tage, zusammen mit einigen Frauen aus dem Dorf. Allein wäre das zu gefährlich und ich könnte die Beute nicht zurückbringen." Sie folgt aufmerksam der Belehrung, scheint aber nicht ganz zu verstehen. "Das dies auch Kriegspfeile sind, war mir zwar nicht bewusst, aber ohne sie könnte man kein großes Wild jagen. Ohne diese Nahrungsquelle würden wir hungern, das kann nicht im Sinne unseres Fürsten sein. Wir sind doch seine Schützlinge, also sind diese Spitzen nicht in fremden Händen - wobei, ich mag eine Ausnahme darstellen, aber die Aufgabe unseres Ordens ist der Dienst an den Kami und die Hilfe der Menschen." Ihre großen Augen nehmen den Ausdruck von Verwirrung an, erst recht, als ihr quasi mit schlimmem Schicksal gedroht wird. "Wer sollte das wagen?", fragt sie sich halblaut.

Dann verfällt sie ins Grübeln und registriert erst mit Verzögerung Lob, das ihr gewährt wird. Prompt errötet sie, versteckt ihre Hände und ihre Fußspitze kreist ziellos über den Boden: "Zu-zuviel der Ehre.", stottert sie: "Ich..ich tu-tue doch n-nur meine Pflicht." Am Ende murmelt sie nur noch, kaum hörbar: "Und dabei ist noch zu wenig..." Ein Moment der Stille entsteht, bevor ihr plötzlich eine Erleuchtung gekommen zu sein scheint. Immer noch schüchtern, aber mit wenig zittriger Stimme sagt sie dann: "Bisher hat Oji-san im Namen des Fürsten die Dinge geregelt, nun seid ihr dessen verlängerter Arm, oder? Ein Glück, das ihr das Jagen übernehmt, dann gibt es darüber keinen Ärger. Wollt ihr heute, es-es wäre langsam wieder an der Zeit . das Dorf bräuchte Nahrung?"

Tsuyoshi

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« Antwort #10 am: 24.09.2017, 14:57:58 »
Auf Yumis Antworten lacht der Ronin und lässt damit zum ersten Mal ein Stück weit von seiner eisernen Disziplin ab. Das Mädchen ist in seiner naiven Offenheit direkt amüsant – bis ihm deutlich vor Augen steht, wohin ihre Vertrauensseligkeit sie und die Dörfler führen könnte. Tsuyoshi wird wieder ernst, als er erwidert: "Ich fürchte, das wird der Kriegsherr anders sehen als Ihr, mein junges Fräulein. Fleisch ist ein Luxus, den die Bauern fast nirgends zu kosten bekommen." Er sieht sich um, ruft sich das Dorf und die Umgebung ins Gedächtnis. Es ist allerdings wahr: Reis ist hier nur schwer anzubauen, und auch mit Hirse, dem üblichen Ersatz, wird es nicht einfach. Fisch dagegen, so wie in seinem Dorf, kann man aus den Gebirgsbächen nicht in so hoher Zahl ziehen, dass davon ein ganzer Ort zu ernähren wäre.

Ihre Frage, wer es wohl wagen würde, sie einen Kopf kürzer zu machen, lässt ihn lautlos seufzen. Im Krieg sind heilige Schreine, jahrhundertealte Tempel nicht mehr heilig! Wer dem Gegner die meisten Soldaten erschlägt, siegt – da wird selten gefragt, ob sich unter den Opfern auch unschuldige Bauern, Fischer oder Handwerker finden. Oder eine einsame junge Tempeldienerin... "Nun" greift er ihre gestotterte Erwiderung auf und sagt eindringlich "Ich denke, Ihr tut Eure Pflicht gut – doch achtet darauf, dass Ihr sie auch in Zukunft werdet tun können!" Dann wiegt er den Kopf. Wenn er als Samurai Wild jagt, ist das natürlich eine andere Sache. Man könnte ihn belangen, wenn er dies auf dem Grund eines anderen tut, doch wer will das, jetzt, im Krieg, schon sagen? Ohne zunächst auf ihre Frage zu antworten, erkundigt er sich: "Oji-San – er hatte die Aufsicht über dieses Dorf? Erzählt mir von ihm."

Miko Yumi

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« Antwort #11 am: 26.09.2017, 12:14:23 »
Kurz ist Yumi verwirrt, als Tsuyoshi lacht. Sie scheint es nicht erwartet oder in letzter Zeit nicht mehr erlebt zu haben. Dann lächelt sie und lacht schließlich mit, mit heller Glockenstimme, höchstens etwas schüchterner. Mit seinem Ernstwerden folgt auch sie, wird aufmerksam, aber entspannter als vorher. Seine Worte erreichen sie, wie so häufig, nicht ganz: "Der Kriegsherr braucht sich keine Sorgen zu machen, wir nehmen nicht mehr, als die Kami uns zugestehen würde. Niemand möchte den Zorn der Kami auf sich herabrufen.", teilt sie ihm im Brustton der Überzeugung mit.

Unter den lobenden und mahnenden Worten strafft sie sich und nickt, sie scheinen ihr Selbstbewusstsein zu geben. Eigentlich hat sie eine positive Antwort auf die Frage nach der Jagd erwartet, beantwortet seine Frage auch mit einem leicht verbreiteten Lächeln: "Oji-san ist natürlich nicht sein Name und er ist nicht wirklich mein Onkel. Aber er ist so etwas wie der gute Geist des Dorfes. Ihm gehört das Anwesen im Norden und einiges vom Land hier, das seine Leute für ihn bestellt haben. Er organisiert das Dorf und klärt alles mit den Gesandten des Fürsten, wenn sie vorbeischauen. Im Moment ist seine Nichte, die Josei Matsuoka Kimiko, mit ihren Kindern, zu Besuch. Sie ist dem Krieg ausgewichen, findet hier allerdings nicht das gewohnte Leben vor." Die letzten Worte wirken fast, als wolle sie sich beschämt dafür entschuldigen.

Tsuyoshi

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« Antwort #12 am: 27.09.2017, 10:14:51 »
Für einen kurzen Moment überlegt der Ronin, das Mädchen härter anzufahren, damit sie endlich realisiert, wie gefährlich ihr Vertrauen in die Dinge ist. Dann verzichtet er aber doch darauf. Die Miko scheint nicht ganz von dieser Welt – hier würden sich wohl selbst Götter vergebens bemühen. Er versucht stattdessen mit der Atemtechnik seines Meisters wieder ruhiger zu werden, lässt ohne langes Zielen einen weiteren Pfeil von der Sehne schnellen und wendet sich Yumi danach erneut zu. Ohne nachzuschauen, ob Es getroffen hat.

Mit gerunzelter Stirn hört er ihre Schilderung an, dann meint er: "Ich meine schon von ihm gehört zu haben. Kein Fürst, aber ein ehrenhafter Mann, wie man mir sagte." Im Endeffekt ein Angehöriger des einfachen Landadels, wie auch Tsuyoshis Vater – nur offenbar mit einem reicheren Erbe versehen[1]. Vielleicht der Nachfahre eines geadelten Mannes aus dem Volk. "So, seine Nichte..." murmelt er und fügt hinzu: "Ich habe die Dame schon getroffen, wie mir scheint. Allerdings glaube ich nicht, dass es eine glückliche Wahl war, eine schutzlose Frau hier in Sicherheit bringen zu wollen." Einige Zeit überlegt er, dann gibt er der Miko einen Wink und sagt in der typisch herrischen Art der Samurai: "Ihr werdet mir später mehr über das Dorf und die Verhältnisse hier erzählen. Jetzt zeigt Ihr mir zunächst, wo sich am ehesten Jagdwild auftreiben lässt." Womit ihre Frage wohl als beantwortet gelten kann, denn in einer gebirgigen Gegend wie dieser kann es für einen Ortsfremden lange dauern, Wild aufzuspüren.
 1. Wenn er keinen einzigen Gefolgsmann hat, kann er eigentlich über kaum mehr als ein einzelnes kleines Dörfchen gebieten, würde ich sagen. Was aber nicht ausschließt, dass er wohlhabender ist als Tsuyoshis alter Herr – wahrscheinlich wurde einer seiner Vorfahren aus irgendeinem Anlass von einem Fürsten großzügig beschenkt.

Miko Yumi

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« Antwort #13 am: 02.10.2017, 21:13:06 »
Im Gegensatz zum Ronin folgt die junge Miko dem Pfeil und lächelt, als er offensichtlich etwas getroffen hat. In ihren Augen scheint es ein Ziel gewesen zu sein, das er auch beabsichtigt hatte, zu treffen, obwohl es ein ganzes Stück neben dem ersten liegt. dann hört sie aufmerksam zu, wie der junge Krieger sein Wissen und seine Vermutungen zum Besten gibt. Zunächst nickt sie, das sie verstanden habe, dann wendet sie allerdings ein: "Ich hörte, sie wäre ohne sein Wissen gegangen, da er im Feld ist und der Krieg ihre Stadt zu erreichen drohte. Sie entschied sich wohl, ihre Geburtsfamilie aufzusuchen, um sich und die Erben außer Reichweite der feindlichen Krieger zu halten. Es gibt Gerüchte, ihre niedrigere Geburt hätte ihr einen schweren Stand an seinem Hof verschafft, aber so engstirnig wird doch keiner sein." Sie schüttelt ungläubig den Kopf, nur um sich dann leichtmütig dem nächsten Thema zuzuwenden.

Mit einem eilfertigen Nicken bestätigt sie seine Aufforderung: "Aber natürlich, es freut mich, dass mein Bogen euren Ansprüchen genügt! Lasst mich nur kurz die Pfeilspitzen wieder einsammeln!" und schon ist sie schnell und leichtfüßig unterwegs zu den Treffern. Da der eine recht hoch ist, klettert sie tatsächlich geschickt und geschmeidig den Baum hinauf, um den Pfeil einzusammeln. Ohne Sinn für die Gefahr springt sie anschließend aus großer Höhe ab und fängt sich gewandt auf. Mit einem strahlenden Lächeln eilt sie ihm entgegen, um leicht außer Atem wieder vor ihm zu stehen und zu verkünden: "Nun können wir."

Tsuyoshi

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« Antwort #14 am: 03.10.2017, 10:36:28 »
Auf die nähere Erklärung der Miko runzelt der junge Ronin erneut die Stirn. Nun wird ihm einiges klarer: Die Dame wollte offenbar etwas Kluges tun, um ihren im Krieg stehenden Gemahl zu entlasten – ehrenhaft und pflichtbewusst gedacht, doch leider mit der kriegsfernen Logik einer Frau. Fallen sie und ihr Nachwuchs hier auch sehr wahrscheinlich keinen feindlichen Soldaten in die Hände, so doch umso sicherer Banditen... Er starrt grübelnd vor sich hin. Eine gefährliche Situation, die sich da vor ihm auftut: Nicht nur ist das Dorf praktisch wehrlos, sondern die Räuber könnten auch noch eine äußerst reiche Beute machen. Sicherlich würde ein Fürst, und sei es nur ein unbedeutender, ein beträchtliches Lösegeld zahlen. Wie wenig die Dame dies bedacht haben dürfte, zeigt ihm schon das naive Gottvertrauen der Miko.

Kurz überlegt er, sie in ihrer Unwissenheit zu belassen, die ihr sicherlich ruhigere Nächte bescheren würde. Doch die Ehre andererseits erlaubt ihm kaum, hier zu schweigen. "Ich befürchte, da täuscht Ihr Euch, mein Fräulein" sagt er daher ernst. "Und nicht nur Ihr. Die Dame könnte hier in großer Gefahr schweben!" Er spricht eindringlich, denn wie wenig sich dieses unschuldige Geschöpf um Risiken zu sorgen scheint, zeigt ja das Verhalten des Mädchens. Um ihr nicht allzu große Angst zu machen, fügt er jedoch hinzu: "Ich werde mir später darüber Gedanken machen und mich womöglich noch einmal mit der Dame unterhalten." Dann nickt er Yumi zu und weist in Richtung des Waldes. "Gehen wir."