Mit unnatürlichen, wenn auch einem Raubtier nicht unähnlichen aquamarinen Augen blickt der anthrazithäutige, rotbraunhaarige Tiefling Ameiko forschend an. Weder die spitzen Ohren, noch die Hörner als Ausdruck seines dämonischen Erbes sind verborgen. Mit geradem Rücken und unverhohlenem Stolz sitzt am Tisch ein Tiefling, der gelernt hat, sich seines Erbes nicht mehr grundsätzlich zu schämen und der gelernt hat, zumindest in Teilen, den düsteren Schatten über seiner Existenz zu bändigen. Wie lang sind die Tage zurück, in denen er Kopf bis Fuß verhüllt in dunklen Spelunken saß und nach Brotkrumen fischte?
Heute sieht seine Rüstung nach bearbeitetem, dunklem Malachit aus, die rotbraunen Haare fallen lang bis zu den Schultern.
Vor ihm steht kein Speis, kein Trank. Er sitzt am äußeren Rand einer Sitzbank, und ein großes, dunkles und fremdartig wirkendes Schwert - welches fern ab seiner Heimat aus den Tiefen Minkais stammt - lehnt neben ihm. Umwickelt mit bearbeiteten Leder, im selben Stil wie seine Rüstung.
Sein Blick ist klar und mustert die Gäste im Schankraum. Der Blick eines Mannes, der in jeder Ecke Gefahr wittert und der Wacht nicht mehr müde wird.
Sein Blick verliert erst seine Vorsicht, als Ameiko sie danach fragt, ob sie ihr Wanderleben an den Nagel hängen wollen.
Thynedos Arrakir erhebt langsam seine Stimme. Sie ist ungewöhnlich weich für einen Mann seiner Statur, fast schon ein wenig zu melodisch und durch den Akzent doch mit einem dunklen, manchmal drückenden Unterton belegt. Ein Akzent, der unweigerlich an das Zischende, Bedrohliche der Dämonen erinnert, verbunden mit der Sanftheit der menschlichen Sprachen. Seine Gefährten kennen es schon von ihm. Thynedos hat die Angewohnheit, fast jede seine Äußerungen im Spiegel der Philosophie zu erblicken; wohl verzerrt durch eine kleinliche Selbstkritik.
"Auch wenn ich den Nutzen des Geschenkes von Abadar zu schätzen weiß, der mir einstmals nach meiner Weihe jegliche Angst nahm; ich vermisse die Zeiten, in denen ich das Leben noch umso viel mehr zu schätzen wusste, da ich Furcht empfand. Ich glaube, dass viel Übel durch diese Unbedachtheit entsteht, die den Furchtlosen zu eigen ist. Es ist mehr eine Verkrüppelung des Geistes, als es ein wirkliches Geschenk ist. Ein Teil eines Ritus, der die ersten Gotteskrieger noch willfähriger machen sollte, und ihnen dabei die Illusion belassen sollte, dass sie nicht aus Furcht vor einem Herren zu kuschen brauchen. Ich weiß gleichwohl, dass ich in dieses bittersüße Vergnügen nicht mehr eintauchen werde und meine Seele durch andere Emotionen zu heilen versuche. Mein Blut lässt mich eine seltene Wut spüren, die dem nächsten von euch nicht vertraut erscheinen mag, doch ich kann sie kanalisieren. Meine Erziehung lässt mich Freude verspüren, wenn ich jemand anderem Gutes tue oder ihm zum Vorteil auf Gutes für mich verzichten. Doch nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass dies alles..."
Er blickt zwischen seinen Gefährten umher und nickt ihnen etwas traurig zu. "...nur ein Substitut ist. Ein hoher Preis, den ich für meine Mächte zahlte. Ich blicke zwischen meinen Gefährten hin und her und schäme mich, nie ihre Ängste verstehen zu können. Blind zu sein für diese entscheidende Komponente des Lebens. Das brachte mich dazu, einen Weg zu finden. Wenn ich schon ihre Ängste nicht fühlen kann, vielleicht kann ich sie von etwas viel Schlimmeren befreien, um es wieder gut zu machen? Wenn ich nicht ihre Ängst spüren kann und mich darob schämen muss, kann ich dann nicht zumindest ihre Schmerzen leiden?"
Thynedos lässt die Frage einen Moment verklingen und blickt sich wieder im Schankraum um. Er weiß, er redet wieder zu viel über seine Beweggründe. Seine Freunde haben diese Diskussion etliche Male geführt oder zugehört, wie der bekehrte Tiefling sie mit sich selbst ausgefochten hat. Sein Blick wird schwächer, etwas dunkler, überführt.
"Als wir gegen die Sündenmagier kämpften, wurde mir erstmals so richtig bewusst, wie verwandt wir und sie waren. Wie schmal der Grat zwischen verantwortungsvollem Umgang und Exzess ist. Aus dem Leiden für andere; daraus ihre Schmerzen zu leiden, wurde eine abstruse Lust. Aus meiner kanalisierten Wut wurde bisweilen ein absichtsvoller Zorn. Wie oft kämpfe ich selbst dagegen an, damit ich diesen Todsünden nicht verfalle? Wie oft ist dies insgeheim oder offensichtlich schon passiert? Wie viele Stunden verbrachte ich am Altar, in der Hoffnung auf Vergebung?"
Wieder eine kurze Pause, seine rechte Hand spielt jetzt mit dem Schwertgriff aus Elfenbein. In der Scheide verborgen die malachitfarbene Klinge des Adamantnodachis, welches unzählige Köpfe vom Rumpf schlug, Arme abtrennte, Monster schlachtete. Wie viele Opfer waren wirklich nötig? Wie oft hat Thynedos erst im Nachhinein, mit schlechten Gewissen, eine Rechtfertigung erdacht?
Endlich beantwortet er Ameikos Frage. "Ich kann dieses Abenteuerleben nicht beenden. Ich muss...meine Kämpfe ausfechten. Mit mir. Mit den Feinden des Lebens. Mit Tyrannen und Mördern. Nur, wenn ich mich immer wieder in der Welt messe, werde ich meinen Geist behalten. Alles, was mir an Furcht bleibt, ist die blasse Erinnerung daran, als ich ein junger Abenteurer war und noch Goblins jagte. Wie aufregend und nervenzerreibend waren diese ersten Kämpfe auf Leben und Tod? Das Adrenalin? Der Stolz, der kam, als man seine eigenen Ängste überwand und triumphierte?"
Thynedos atmet gedrückt aus, als würde ihn sein eigenes Schicksal bedrücken. Andere nennen ihn einen Helden, doch er sehnt sich nur nach Ganzheit. Endlich wieder ein ganzes, fühlendes Wesen sein. Ja, ohne Furcht ist es ein Leichtes, sich einem Drachen zu stellen. Aber es ist so leicht, dass die wirkliche Leistung des Arrakirs darin liegt, überhaupt noch zu Leben bei all dem furchtlosen Leichtsinn, der sein Leben geprägt hat. Wie oft haben seine Gefährten Thynedos vor seiner eigenen Torheit gerettet? Er kann es nicht zählen.
"Ich werde weiterziehen, immer noch das Schwert auf dem Rücken. Ich werde noch immer Schmerz erleiden, für jene, die sich fürchten. Es wird sich nichts ändern, bis das Ende mich blutig und grausam findet."