Nach einer kurzen Diskussion - immerhin stand immer noch die Ankunft einer weiteren Gästegruppe im Raum - entschloss die Gruppe sich dafür, von einer aufwändigen und riskanten Zwiesprache mit Asvigs Geist abzusehen. Stattdessen packte man die Beute zusammen
[1], informierte Helva und die anderen Ulfen offiziell, dass die Blutrache Fynn Snaevalds nun erfolgt ist
[2], und machte sich mit der gefesselten Witwe des Langmuskels auf den Weg zum See, um dort das Totenschiff zu untersuchen.
Als sie gemeinsam das Haus verließen, sahen die Gefährten am Horizont den Fackelschein einer sich nähernden Gruppe - etwa eine halbe Stunde würde es allerdings noch dauern, bis diese ebenfalls am Haus angelangte. Eine gewisse Erleichterung stellte sich jedoch bei allen ein, den Angriff rechtzeitig gestartet zu haben. Der Weg zum See war kurz und gelang ohne Zwischenfälle - Helva zeigte sich bisher kooperationsbereit und schien sich soweit mit der Situation abgefunden zu haben. So erblickten sie nach kurzer Zeit ein Stück vom Ufer entfernt ein Ulfen-Langboot von beachtlicher Größe, und setzten mit einem Ruderboot, das für diesen Zweck am Ufer vertäut lag, zu dem Schiff über.
Auf dem Schiff angelangt, war das erste, was sie alle bemerkten, der Ölgeruch, der überall in der Luft lag. Die Quelle war schnell ausgemacht, denn in der Mitte des Schiffes, neben dem Mast, war ein großer Scheiterhaufen aufgeschichtet, auf dem ein in Leinen gewickelter Leichnam lag. Der Scheiterhaufen war mit Öl getränkt, und diejenigen, die bereits eine Weile in Kalsgard gelebt hatten, kannten das Ritual, mit dem die Toten in die nächste Welt geschickt wurden: Das Schiff würde frei im See treiben, und ein Krieger - vermutlich der Nachfolger des Toten - den Scheiterhaufen mit einem brennenden Pfeil entflammen. Der Leichnam, das Schiff, und alle Beigaben, würden gemeinsam in die nächste Welt einziehen.
Ohne Fackeln, im Schein von Rumars magischem Licht, erkundeten die Gefährten das Schiff. Die Grabbeigaben fanden sie schließlich unterhalb einer Falltür im Heck des Langbootes, wo diverse Schätze, aber auch etliche Gegenstände des täglichen Lebens und Waffen verstaut waren. Doch so sehr sie sich auf mühten, das gesuchte Schwert war nicht zu finden, und schließlich mussten sie einsehen, dass es wohl nicht hier an Bord war. So machten sie sich auf den Weg zurück in die Stadt, um noch ein wenig Nachtruhe zu bekommen und am nächsten Tag neue Pläne zu schmieden.
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Die Nacht verbrachten die sechs in dem Gasthaus, das Garridan und Mugin bereits bezogen hatten, als sie vor einigen Tagen hier in Kalsgard angekommen waren. Es war ein komisches Gefühl, dass ihre Gemeinschaft sich so sehr verändert hatte in den wenigen Tagen. Waren damals noch Shuo, Gorog und Cliff bei ihnen gewesen, blickten sie nun beim Frühstück in immer noch unvertraute Gesichter, auch wenn die gemeinsame Vision sie in gewisser Weise zusammengeschweißt hatte. Es gab auf jeden Fall noch vieles, was sie über den jeweils anderen in Erfahrung bringen konnte, und ein gemeinsames Mahl war ein guter Anlass, sich etwas besser kennenzulernen.
Noch während sie in der Schankstube beim Frühstück saßen, kam plötzlich eine Botin zur Tür herein, und trat nach einem kurzen Gespräch mit dem Wirt an den Tisch der Gruppe.
"Frau Grau?" sprach sie Jehanna direkt an - durch das leuchtende rot ihrer Haare war es wenig überraschend, dass sie leicht zu identifizieren war.
"Ich habe eine Botschaft für Sie." Dabei drückte sie der verdutzten Kinetikerin einen versiegelten Umschlag in die Hand, den diese gleich öffnete.
Verehrte Jehanna,
von unserer gemeinsamen Freundin weiß ich, dass Sie auf der Suche nach meinem Partner Ulf Gormundr sind. Ich habe eine neue Spur gefunden und würde mich gerne zu Mittag mit Ihnen am Schrein von Shelyn im Jadeviertel treffen.
Werte Grüße
Uksahkka