Während man sich also in Richtung Ausgang begab (nicht ohne sich rasch noch ein paar Vorräte vom Büffet für den morgigen Tag zu schnappen), grübelte Skip über eine Sache, die der Marquis nur im Nebensatz erwähnte: Zehnstädte... War das der Name einer Stadt oder tatsächlich ein zehn einzelne Städte? Ja, gab es denn tatsächlich so viele Städte hier in der Gegend? An der gesamten Schwertkünste kannte Skip nicht mehr, als er Finger an der Hand besaß (Mirabar noch nicht mitgezählt, aber da stand sein Urteil auch noch aus, ob man dies eine Stadt nennen konnte): Tiefwasser, Niewinter, Baldurs Tor, Dolchfurt und ja, auch von Luskan hatte er schon gehört.
[1] Moment mal, sind wir nicht mit Luskan verfeindet? Und da sollen wir hin?[2]Aber ZEHN Städte in oder in der Nähe eines einzigen Tales? Das konnte nicht sein! Er hatte einmal eine Weltkarte gesehen, über die Schulter eines Gelehrten hinweg, der furchtbar viel mit den Händen fuchtelte, hierhin und dorthin zeigte und in einem fort dabei brabbelte, und Skip hatte, um so kundig zu wirken, wie es zu seiner damaligen Rolle passte, immer nur wissend "Genau!" oder "Meine Rede!" einwerfen können, und so hatte er leider bei der ganzen Sache nichts gelernt. Außer einem. Es gab Punkte auf der Karte, die stellten Städte da. (Leicht zu erkennen, weil bei einem dieser Punkte
Tiefwasser stand, bei einem zweiten ganz in der Nähe aber Niewinter.) So etwa acht Punkte hatte er an der gesamten Schwertküste gezählt, und noch einmal so viele nördlich des großen Binnenmeers, und dann mal so im Kopf überschlagen und geschätzt und war auf etwa dreißig Städte auf der ganzen Welt gekommen. Davon konnte sich nicht ein Drittel an einem Ort namens
Eiswindtal befinden. Es musste sich also doch um einen einzelnen Ort handeln. Vielleicht, dass dort eine Handelsstraße entlangführt, die zu zehn Städten führt? Ja, das war eine gute Erklärung.
Derart in Gedanken hätte Skip in der Nähe der Tür fast den kleinen Halbling übersehen. Ein Zusammenstoß konnte so gerade eben noch verhindert werden. Gaston warf ihm einen bösen Blick zu und stolzierte ohne ein Wort davon. Skip malte sich die bevorstehende Reise aus: ein Begleiter, der nur das nötigste redete, einer, der am liebsten gar nicht redete, und der dritte, der sich geschworen hatte, nicht mehr mit ihm zu reden und sollte er auch an den ungesagten Worten ersticken. Es würde eine sehr lange Reise werden.
Er eilte Gaston nach in der vagen Absicht, ihn eloquent um Verzeihung zu bitten, wenn's ihm denn so wichtig war, und danach wäre alles wieder beim Alten.
"Warte, Gaston!" rief er also, doch die nächsten Worte aus seinem Mund waren, zu seiner großen Überraschung, keine glattzüngige Entschuldigung, sondern ein zweiter Hieb in dieselbe Kerbe.
"Mir willst du nicht verzeihen, mit 'F' verglichen zu werden? Du vergleichst dich doch ständig mit ihm. Ein Dutzend Mal schon musste ich mir deine Tirade anhören! Leidenschaft, harte Anstrengung, Ehrgeiz, glaubst du, ich spräche dir irgendwas davon ab? Aber in letzter Zeit hast du dich verrannt, Gaston, hängst dich zu sehr an Rezepten auf, an exotischen Zutaten, deren Name kein Mensch aussprechen kann, und ja, alles dreht sich bei dir nur noch um François: was er macht, was er nicht macht, was man über ihn sagt, was er selbst über sich sagt, was er über dich sagt, was man über euch sagt... das ist nicht gesund! Davon musst du dir endlich mal den Kopf freimachen!"All dies hatte er wohl schon einmal gedacht, aber normalerweise war Skip jemand, der sich noch ärger als die Katze vorm Wasser davor hütete, seine Gedanken über andere laut auszusprechen. Aber jetzt, da die Worte schon einmal aus ihm herausbrachen, jetzt war er noch lange nicht fertig.
"Und wenn du schon Kartoffeln erwähnst: wann hast du denn das letzte Mal ein einfaches Kartoffelgericht gekocht? Wann das letzte Mal den Mut besessen, Pellkartoffeln beim Namen zu nennen, statt sie deinen Gästen als pommes de terre en robe de chambre anzudrehen? Ist das denn weniger Augenwischerei als ein Illusionszauber? Und bin ich nicht jemand, der sich mit Augenwischerei auskennt? Habe ich diese Kunst nicht von Kindesbeinen an erworben, mit harter Anstrengung und zähem Ehrgeiz, mit Leidenschaft und nur allzu oft trotz Todesgefahr? (Übrigens bin ich mir sicher, dass du noch in den Windeln lagst, als ich mich schon auf der Straße alleine durchschlagen musste, aber das nur nebenbei.) Und deshalb sage ich dir: auch bei dir im Restaurant wird immer mehr auf den schönen Schein gesetzt statt auf die Substanz. Leugne es oder verschließe die Augen davor, das ändert nichts daran, dass es Tatsache ist. Aber ob das nun daran liegt, dass die Leute es tatsächlich so wollen oder dass du dich zu sehr bemühst, François zu übertreffen und dabei zu ähnlichen Mitteln greifst wie er, das kann ich nicht erkennen, da bist du der Fachmann. Und wenn jemand, der es gut mit dir meint, dir diese Dinge nicht sagen darf, dann... dann..." Skip wusste nicht, was
dann wäre. Eine solche Rede wie gerade hatte er noch nie gehalten. Welcher Teufel ritt ihn da gerade? Warum war ihm nicht, wie er beim Öffnen seines Mundes selbst noch glaubte, eine ebenso charmante wie unehrliche Entschuldigung von der Zunge geperlt?
"... dann gehörst du eben auch zu den Leuten, die lieber belogen werden und die nicht einmal von einem guten Bekannten ehrliche Worte ertragen, so gut dieser sie auch meint!"