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Erstes Kapitel - Das Grollen am Horizont
Skip:
"Freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Baric. Und ich bin ganz ruhig. Wenn Ihr also meint, ich sei erregt, dann ist vielleicht doch etwas dran an der Behauptung, je weiter nach Süden man käme, desto lebhafter und erregbarer würden die Leute. Mir schien ja bislang immer, da machte es sich jemand allzu leicht, wenn er sagt: Süden gleich heißblütig, Norden gleich kaltmütig. Wobei ich mich nun eigentlich zu den Nordmännern zählen würde und nicht zu den Südländern, aber so ist eben alles relativ."
Nach diesem Vorgeplänkel, und einem ordentlichen Schluck aus seinem Humpen, kommt Skip dann aber zur Sache. "Geschichten von der Straße, ja, die habe ich wohl auch."
Tatsächlich war er auf einmal sehr gut gelaunt. Denn wie es der Zufall wollte hatte er just die Persona parat, die sich bestens damit auskannte, welche Neuigkeiten von der Straße wohl einen Karawanenwächter interessierten: Bendix Grünschild, von den Grünschilds zu Niewinter, Fernhändler. Auf diese Rolle, die er vor vier Jahren erfand, hatte er sich damals gründlich vorbereitet und hielt sich seither auch weiterhin auf dem Laufenden, was man als Kaufmann so wissen musste. Und weil er sie seit vier Jahren regelmäßig, in den verschiedensten—auch privaten—Situationen spielte, fiel es ihm besonders leicht, sogleich in sie zu verfallen. Fast so etwas wie seine zweite Haut war dieser Bendix. (Nur verwirrte es ein wenig, dass er sich bereits als Skip vorgestellt hatte, nun aber innerlich den Bendix annahm, aber solange er eine Rolle nur mit Skip mischte und nicht zwei Rollen miteinander, Bendix Grünschild mit dem leicht vertrottelten Glasmaler Phineas Pennywetter etwa oder dem äußerst gestrengen Eichmeister Anselm Fink, so würde er wohl schon alles auseinander halten können.)
Und so setzte denn ein Mann, der sich mit kaufmännischen Belangen bestens auskannte, zu einem Bericht über die aktuelle Lage auf der Straße zwischen Mirabar und dem Eiswindtal an.
Da war zunächst die Beschaffenheit der Straße: wo war sie unterschwemmt, wo hatten Steinschlag und entwurzelte Bäume sie nahezu unpassierbar gemacht, wo war eine Furt im Hochwasser versunken, wo eine Brücke einsturzgefährdet. Als nächstes die Begegnungen: wer war ihnen entgegengekommen, mit welchen und wievielen Waren (so erkennbar), wer hatte ihren Weg gekreuzt, wer war in nämlicher Richtung unterwegs; was wussten die Leute an den Wegstationen zu berichten, wie war die Stimmung dort. Dann alles, was man nicht getroffen hatte—den Göttern sei Dank!—aber dessen Fährten man vorfand. (Mit 'man' meinte Skip hier Dolgrim, den einzigen Naturburschen unter ihnen.) Da wäre Wolfsspuren vorneweg—sehr weit im Süden seien sie in diesem Jahr, hatte Dolgrim gebrummt—aber auch diverse andere, und nicht nur Getier. Ein etwa zwei Wochen altes Nachtlager von etwa einem Dutzend Orks hatten sie links liegenlassen, zwei Tage später einen Ort, an dem ein Überfall auf einen kleinen Händlerzug von drei, vier Wagen stattgefunden haben musste.[1] Dann die Pässe...
Doch bevor er zu den Pässen kam, ließ Gastons unbekümmertes Geschwätz ihn aufmerken. Was fiel dem Halbling ein? Auftrag erledigt! Toll, jetzt wusste jeder hier im Raum, dass sie den Auftrag hatten, hier nach Riesen zu suchen. Das konnte nicht im Sinne der Fürstenallianz sein. Jemand, der sich den eigenen Agenten nur mit Maske zeigte, würde es unmöglich gutheißen, dass diese gleich in der nächsten Kneipe lauthals verkündeten, dass sie offenbar Agenten waren! Überhaupt schien der Kerl den Auftrag gar nicht ernst zu nehmen. Erledigt? Nicht durch Schnee und Wildnis stapfen wollen? Ha, was glaubte er wohl? Dass sie sich hiermit schon hundert Gold und einen Fellmantel verdient hatten? (Ganz zu schweigen von einer Anzahlung auf Skips Begnadigung?)
"Enteneier!" fluchte er kopfschüttelnd. Dann wandte er sich wieder an Baric und konzentrierte sich mit verstärkter Hingabe darauf, den Kaufmann zu mimen—in der Hoffnung, dass man ihn und seine Reisebegleiter für Kaufleute hielt oder für von solchen Beauftragte.
Die Pässe also. Nur einer von dreien war passierbar und dass auch nur so gerade eben. In der Nähe des zweiten waren offenbar Yeti-Spuren gefunden worden, weshalb von dieser Strecke abgeraten wurde; der dritte, höher gelegene, lag noch hoffnungslos unter Schnee begraben.
An dieser Stelle wurde Skip seine Erzählung dann doch zu langweilig und er beschloss, sie ein wenig aufzumischen. Es folgte also eine—höchstspannende!—Episode, in der die Gefährten auf einen Trupp solcher Yetis trafen. Mehrere Dinge ließen aber keinen Zweifel daran—außer, Baric wäre ein gutgläubiger Trottel—dass die Geschichte erfunden war. Erstens der Umstand, dass sie so spannend erzählt war, während der Rest der Reise völlig ereignislos verlaufen war und Skips Beobachtungen dazu so vollendet sachlich. Zweitens aber hatte Skip nur eine sehr, sehr ungefähre Vorstellung davon, was eigentlich ein Yeti war, und nahm sich in dieser Hinsicht so manche künstlerische Freiheit. Aber wie gesagt, eine derart spannend erzählte Geschichte hörte man nicht alle Tage, und so steht zu hoffen, dass Baric (und vielleicht noch einige der Gäste an den Nachbartischen) ihr trotzdem mit einigem Vergnügen lauschte.
Dann folgte noch der restliche Straßenbericht, also vom Pass aus bis nach Bryn Shander, welchen Skip ein weiteres Mal unterbrach, aus reiner Langweile, um Baric die drei verschiedene Arten, auf welche ein Zwerg schweigen konnte, vorzuführen und den vier verschiedenen, auf die ein Elf schweigen konnte, gegenüberzustellen. Sieben verschiedene Arten also, auf die sich schweigen ließ!
"Und die Halblinge kennen nicht eine davon!" endete er mit bösem Seitenblick auf Gaston. "So, das waren also meine Neuigkeiten, und was wisst Ihr, werter Baric, über die Gegend hier zu berichten?"
1. Wenn ich das einfach mal so behaupten darf? Es ist so gedacht, dass Skip hier tatsächlich wahrheitsgemäß berichtet.
Azrim:
Rein zum Spaß erhitzte der Hochelf ungesehen den Feuerbrand von Gaston um zu sehen wie der Halbling auf warmen Schnaps reagierte. Neugierig geworden, erhitzte er auch seinen eigenen leicht um zu sehen in welche geschmackliche Richtung er den ehemaligen Koch da schickte.
In der Nähe des Feuers einen Platz findend, an dem er seine Beine ausstrecken konnte und dabei die Wärme genießen, sah er Skip für einige Minuten zu, ehe Fiona dankbar für ihre Großzügigkeit zuprostete und auf ihr Wohl trank. Er selbst würde seine Münzen sparen wo er nur konnte um sich weitere Zauber erkaufen zu können, nun da er von der Heimat abgeschnitten war.
An Gaston gewandt sprach er mit ruhiger Stimme: "Warten wir auf die Torwächterin und was sie uns berichten kann. Aber ich fürchte der Weg in Richtung Wildnis wird uns nicht erspart bleiben." In der Hoffnung den redseligen Kerl nicht ganz entmutigen, versuchte er es mit einem kleinen Scherz in der Gemeinsprache: "Sozusagen ein etwas anderer "Lokal-Augenschein"." und betrachtete ein wenig unsicher die Reaktion des Gourmets.
Gaston:
Gaston nippte sogleich an seinem Weinbrand und zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Fragend sieht er sich um und kennt eigentlich nur zwei Personen, die seinen Drink verzaubert haben könnten. “Fiona, kommst Du von der Küste? Kennst Du den alten Seebären-Spruch: 'Rum mut, Zucker kann, Water bruuk nich.'? Ist das Deine Antwort auf meine Frage? Zucker ist Dein Gewürz? (Eine süße bist Du ja schon...) Und Grog Dein Getränk? Aber was magst Du für ein Gemüse?“
Fiona:
Fiona zog eine Augenbraue hoch und blickte etwas irritiert drein. Es dauerte einen Augenblick, bis ihr die Frage wieder einfiel, die Gaston kurz zuvor gestellt hatte, allerdings hatte sie keine Ahnung, was er damit nun meinte.
Sie schüttelte den Kopf, so als ob sie sich von ihren Gedanken losreißen müsste und antwortete schließlich: "Ich komme in der Tat von der Schwertküste, aber wie Du Dir den Rest zusammenreimst ist mir schleierhaft. Zucker? Grog? Mein liebstes Getränk ist auf jeden Fall ein guter Wein. Obwohl der Brandy hier wirklich auch nicht schlecht ist. Aber Gemüse? Wie kommst Du denn auf Gemüse?" Jetzt musste sie doch etwas schmunzeln. "Da weiß ich auf Anhieb garkeine Antwort drauf. Worauf es wirklich ankommt ist doch, dass es gut zubereitet ist. Oder nicht? Beeren mag ich sehr gerne. Aber ich fürchte, die zählen nicht, oder? Und Gewürze... vor einigen Jahren war mal ein Händler aus Calimport in Tiefwasser, der hatte sehr interessante Gewürze dabei. Bei den meisten wüsste ich aber nicht, wie man sie überhaupt nennt."
Idunivor:
Der Brandy wurde seinem Namen leicht gerecht, dass spürten direkt sie direkt, als er gleichsam glühend ihre Kehlen hinabfloss. Er tat also was er sollte und er war kein billiger Fusel, das war auch klar. Dolgrim und Gaston hatten aber beide schon besseres getrunken als das hier. Für eine kurze Weile unterhielten sich die vier Agenten noch miteinander, wobei es eher ein Gespräch zwischen dreien war, denn Dolgrim war gewohnt wortkarg und trank schweigend seinen Brandy. Nachdem das Getränk leer war, verabschiedete sich Fiona und machte sich auf zum "Nordblick", um Zimmer für die Gruppe zu besorgen und ein Bad zu nehmen.
Indessen lauschte Baric ruhig Skip elaborierter Geschichte und fragte von Zeit zu Zeit höflich nach, damit der andere Mann seine Geschichte noch etwas weiter ausführen konnte. Als er dann schließlich fertig war sagte er noch: "Eine sehr gute Geschichte, Skip. Aber lasst mich euch fragen, seid ihr auf eurer Reise hierher auch irgendwelchen Zwergen begegnet. Ich hatte gehofft einen alten Freund hier zu treffen, Worvil Spaltbart, auch einfach bekannt als "Rüsselkäfer". Aber ich habe ihn nicht getroffen. Seid ihr ihm zufällig begegnet?"[1]
Es vergingen so mehr als zwei Stunden, in denen die Agenten sich langsam wieder aufwärmen konnten. Ihre Glieder schmerzten zunächst und je länger sie hier blieben, desto weniger gefiel es ihnen, dass sie wohl oder übel wieder hinaus in die Kälte mussten irgendwann. Aber zumindest fürs erste war dem nicht so, denn schließlich betrat die Zwergendame, die sie am Südtor getroffen hatten die Taverne mit einem der anderen Torwächter, nickte dem Wirt zu und kam dann am Tisch der Agenten zum Stehen: "Ich sehe, ihr habt auf mich gehört. Gut für euch!"
Fiona erreichte indessen ohne allzu große Probleme ihr Ziel, auch wenn es nicht unbedingt angenehm war wieder durch die Kälte des Eiswindtales gehen zu müssen. Aber wenigstens gingen die namensgebenden Winde hier nicht so stark. Der Nordblick war ein dreistöckiges Gebäude mit einem kleinen Turm, von dem man tatsächlich gen Norden in Richtung von Klevins Hügel blicken konnte. Fiona hörte schon als sie zur Tür kam lautes Gelächter von drinnen und sobald sie eintrat sah sie auch die Quelle. Der Schankraum war gefüllt mit sicherlich einem Dutzend Männer und Frauen, die sich um einen Tisch in der Mitte versammelt hatten. Dort war gerade ein Halbork damit beschäftigt einen vernarbten Zwerg im Armdrücken zu besiegen, doch die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und der Zwerg blickte völlig entspannt in die Runde, bevor er lächelte und in einer einzelnen fließenden Bewegung den Arm seines Gegner herumriss und auf die Tischplatte schlug. Jubel erklan und Münzen wechselten die Hände, während Bierkrüge gen Decke gehoben wurden.
Die hier versammelte Truppe war zweifelsohne nicht einheimisch. Das war Leute von der Straße, das zeigte ihre Kleidung, ihre Haltung und die Waffen die an ihren Gürteln hingen. Es stimmte schon, Fiona und ihre Begleiter würden unter dieser Truppe nicht so sehr auffallen wie unter den Bewohnern der Stadt.
Das ganze Treiben beobachtet von seinem Tresen hinter dem ein Langschwert an der Wand hin, ein Mann mittleren Alters, dessen Schultern nicht weniger schmal waren als die seiner Gäste. Als Fiona dann zu ihm trat sagte er: "Ah weitere Gäste. Willkommen im Nordblick! Ich bin Skramsax, was kann ich für euch tun?" 1. Du kannst noch einmal einen Insight-Check machen
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