Ja, geh' nur! dachte Skip, dem Halbling nachblickend, wie dieser sich zu Azrim, Fiona und Dolgrim gesellte. Geh' und erhol' dich von den schlimmen 'Verletzungen', die ich dir zugefügt habe. Herrje, was für ein Scheinheiliger! Und ich, was für ein Narr! Wie oft muss mir die Lektion noch erteilt werden, bis ich sie begreif': ein jeder steht und fällt im Leben für sich allein. Auf niemanden ist Verlass als auf sich selbst.
Eigentlich hatte er diese Lektion ja schon früh im Leben gelernt, aber in den letzten Jahren war er, so ließ sich nicht länger leugnen, weich geworden. Möglich, dass die (eingebildete) Freundschaft zu Gaston ihren Anteil begetragen hatte, doch der Moment, an dem ein kritisches Maß erreicht wurde, war eindeutig der, als er seinen Halbbruder vom Haken ließ, an den dieser schon angebissen hatte. Wie jämmerlich! Und es war alles so wunderbar vorbereitet gewesen! Und dann, weil der Kerl gar so anständig war und seine Familie gar so herzlich... weil sie Skip, oder vielmehr Bendix, gar so warm in ihrer Mitte aufgenommen hatten... da war es passiert. Er hatte sich erlaubt, eitle Gedanken daran zu verschwenden, wie es wohl wäre, irgendwo so richtig dazuzugehören. Sich gar gefragt, und wenn auch halb im Scherz, ob er das mit der Verlobung durchziehen sollte bis zur letzten Konsequenz. Aber ach, auch dort war es reiner Wunschtraum! Wie würde Bertram wohl reagieren, wenn Skip ihm erzählte, wer er wirklich war? Ihn mit den Fäusten traktieren und herauf davonjagen, wenn er ihn nicht gar auf die Wache brächte! Und auch, um sich die Reaktion des Weibes Cäcilie auszumalen, bedurfte es wenig Vorstellungskraft. Was aber Amalie anbelangte, nun, selbst da wäre es albern, sich Hoffnungen zu machen. Den schmucken Kaufmann aus Niewinter liebte sie, nicht den Tunichtgut aus Tiefwasser. Und wahrscheinlich nicht einmal den Kaufmann selbst, sondern nur die Stellung, die sie durch eine Heirat gewönne. Jedes Lächeln ist Fassade, hinter der sich Eigennutz verbirgt. Nur Mutters war ehrlich, nur ihre Liebe wahr.
Nun musste Skip richtig lachen. Was für Gedanken er sich machte, und ausgerechnet jetzt! Wie wäre es, wenn er sich erstmal darauf konzentrierte, den Tag lebend zu überstehen?
Wenn ich ihn aber überleb', was dann? Wohin soll ich gehen? Zurück nach Tiefwasser kann ich nicht. Wie wär's mit Niewinter? Oder noch weiter in den Süden? Oder Verity hinterher? Mit der hätte ich ein Hühnchen zu rupfen. Zweimal hätte sie mich fast ins Grab gebracht (und der zweite Versuch mag ihr ohne weiteres noch gelingen), da wird man ja wohl davon träumen dürfen, ihr von hinten einen Dolch zwischen die Rippen zu stoßen oder über die Kehle zu ziehen!
Aber er griff vor. Wie gesagt, erst mal den Tag überleben. Danach sah man weiter. Nur sein geliebtes Tiefwasser würde er vermissen, egal wie die Sache hier heute ausging.
Sein Blick glitt über die Ebene. Da, kam endlich Bewegung in die Riesen. Tymora, entschied sich gleich ihrer aller Schicksal? Ein kalter Wind ließ ihn frösteln. Als vermöchte dieser, seine Worte gen Süden zu tragen, flüsterte Skip in ihn hinein:
"Warte nicht zu lang auf mich, Amalie. Such' dir einen neuen Schatz. Meine Gebeine liegen zerschlagen im Eiswindtal."