Der Marquis war nicht zu sprechen. Kein Problem. Fischer hatte eh nicht viel zu sagen. Der Berater des Marquis dagegen schon. Dafür, dass er so tat, als sei er ein ganz furchtbar beschäftigter Mann, dem diese unerwartete Unterbrechung seiner wichtigen Tätigkeiten nun ganz und gar in Zeitnot brächte, redete er wirklich erstaunlich viel und ausnahmslos Zeug, das für jeden offensichtlich war. Natürlich war die Gruppe, die Fischer durch die Wildnis hätte geleiten sollen, längst abgereist und außer Reichweite. Wie hätte es anders sein können, nach
sechs Wochen? Aber deswegen musste Fischer doch trotzdem kurz vorbeischauen und berichten, was ihn verhindert hatte und dass er jetzt wieder zur Verfügung stand. Ja, was
hatte ihn denn bloß so lange aufgehalten? wollte der Mann darauf wissen (und brauchte dreimal so viele Worte für diese Frage, als Fischer benötigt hätte).
"Wölfe, am Pass", antwortete Fischer.
Daraufhin musterte der Mann ihn von Kopf bis Fuß und wieder bis zum Kopf. Fast schon beleidigend lange. Als dränge ihm Fischers Erscheinungsbild Zweifel an seinen Worten auf. Dabei hätte bereits ein flüchtiger Blick ausreichen müssen, ihre Wahrheit zu bestätigen. Die Kleidung schlotterte dem Besucher am abgemagerten Leib, Hemd und Hose waren zerfetzt, steif und mit altem Blut befleckt, die daraus entstandenen Blößen notdürftig umwickelt von grob bearbeiteten Wolfsfellen—vier Welpen zierten die Beine, während die Mutter und zwei Jährlinge, grob vernäht, ihm als Mantel um die Schultern hingen—und schließlich war da noch Kleiner selbst. Überwältigt von den vielen neuen Eindrücken, den vielen Menschen in der Stadt, drückte der junge Wolf sich ängstlich in Fischers Arme. (Eigentlich war er dafür schon zu groß und Fischer hatte ihm bereits letzte Woche erklärt, dass er ihn nicht mehr durch die Gegend tragen würde, hatte sich aber noch einmal erweichen lassen: er selbst fand den Trubel der Stadt fast so schwer erträglich wie die Welpe.)
"Komm, lass dich nicht einschüchtern, Kleiner", ermunterte Fischer sein tierisches Mündel, bevor er ihn auf den Boden setzte, worauf dieser sich schutzsuchend gegen seine Beine drängte.
Endlich schien der Mann des Marquis seine Betrachtungen abgeschlossen zu haben und nickte zufrieden.
"Können wir dann gehen?" fragte Fischer.
Doch ganz so einfach ließ der Mann des Marquis Fischer nicht vom Haken. Am Vormittag seien hier zwei Leute aufgetaucht, die er für geeignet hielte, den vor sechs Wochen losgezogenen Agenten als Verstärkung ins Eiswindtal hinterher zu schicken. Wenn der Marquis das am morgigen Tag auch so sähe, so träfe sich Fischers Ankunft gerade geschickt, denn er könne die beiden, die von weither stammten und sich hier nicht auskennten, gen Norden führen und sich, dort angekommen, mit ihnen der besagten Agentengruppe anschließen.
[1]"Gut, mach' ich", sagte Fischer und wandte sich zum Gehen.
Den Namen der Unterkunft rief der Berater ihm noch nach und fügte hinzu:
"Nur zwei Gassen weiter gibt es ein Badhaus, das hat bis Mitternacht geöffnet."Fischer fletschte die Zähne, aber das bekam der Mann nicht mehr mit.
~~~
So sehr er sich selbst nach einem Bad sehnte, lenkte Fischer doch seine Schritte zuerst in Richtung der genannten Unterkunft. Sein Magen knurrte einfach noch ein wenig lauter als sein Körper (und seine Nase) nach Seife und warmem Wasser verlangte.
Und so war es eine ziemlich abgerissene Gestalt, die den wohlgefüllten Schankraum des "Zornigen Ebers" zur besten Vesperstunde betrat. Abfällige Blicke und demonstratives Naserümpfen anderer Gäste ignorierend, suchte er den Raum nach einem freien Platz wie auch nach den beiden beschriebenen Personen
[2] ab. Kleiner lugte zwischen seinen Beinen hervor und schnupperte aufgeregt.