Kleiner scherte sich nicht um die Mahnung. Stolz trug er den zerkauten Pantoffel des Marquis durch die Straßen Mirabars, während Fischer Einkäufe machte, um verlorenes Hab und Gut zu ersetzen und sich für die Reise gen Süden zu rüsten. Auch ein Pferd musste her, da Fiona energisch darauf bestand, dass jeder in ihrer Gruppe ein solches besäße. Fischer wollte schon erwidern, er können genausogut zu Fuß mithalten, da erinnerte er sich gerade noch rechtzeitig, wie fußlahm er gestern abend, nach einem ganzen Tag auf den Beinen, dahergehumpelt kam. Sein rechtes Bein war halt doch noch nicht normal belastbar. Ein paar Wochen Schonung wäre vermutlich gar nicht mal so schlecht.
Die Wahl des Pferdes fiel ihm leicht. Jedem Tier, dass nicht schon beim Anblick des jungen Wolfes nervös wurde, hielt er seinen (ebenfalls sehr aufgeregten) Begleiter vor die Nase. Eine einzige Stute im Stall ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Offenbar hatte die nicht mehr ganz so junge Dame in ihren Leben schon seltsamere Dinge erlebt als rosenduftende Wolfsjungen. Ein wenig länger als normal beschnupperte sie ihn wohl und ihre Ohren zuckten mehrmals, doch dann kehrte der Gleichmut zurück. Probehalber saß Fischer mitsamt dem Kleinen auf—immer noch kein Protest. Gut, die soll's sein. Wie nennen wir sie?
"Rosamunde, das ist Kleiner. Kleiner, das ist Rosamunde."Erstaunt nahm Fischer zur Kenntnis, dass Fiona die Reittiere für alle, also für ihn, Kara und Kylre, bezahlen wollte. Natürlich lehnte er nicht ab (und sagte sogar artig
"Besten Dank"). Nur beim Sattel legte er lieber noch ein paar Münzen aus eigener Tasche nach und hatte dafür ein ordentliches Stück, so wie er es von früher gewohnt war.
[1] Danach ging's los.
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Doch auch als er die Stadt endlich wieder im Rücken hatte, war Fischer noch nicht so ganz wohl. Seit dreieinhalb Jahren war er nur noch allein unterwegs. Es war seltsam, plötzlich wieder in einer Gruppe zu sein, beritten... Stimmen wisperten in seinem Ohr, so fern, dass er die Worte gerade nicht erhaschen konnte, Schatten huschten durch sein Sichtfeld, lauerten im Augenwinkel...
Wenn es zu schlimm wurde, saß Fischer ab, reichte das Halfter seiner Stute einem willigen Helfer, und schlug sich, Kleiner im Gefolge, nach links oder rechts von der Straße ab und suchte nach Auffälligkeiten. Alte Lagerplätze, Kadaver oder Abfälle, Huf- oder Stiefelspuren, geeignete Plätze für einen Hinterhalt oder für die Nachtrast... Vor allem wollte er die Gegend kennen lernen. Und Kleiner konnte nicht den ganzen Tag still vor ihm im Sattel sitzen. Fischer auch nicht. Außerdem mussten die anderen seine wachsende Unruhe ja nicht unbedingt mitbekommen.
Hin und wieder dachte er sich, dass es eigentlich gescheit wäre, mit den anderen ins Gespräch zu kommen, um herauszufinden, wie sie so ticken, bevor man tatsächlich auf Riesen oder auch bloß Straßenräuber stößt. Während der kurzen Mittagsrast ringt er sich einen ebenso wackeren wie wenig beachteten Vorstoß ab.
"Ihr seid also von der Fürstenallianz", bemerkt er in Richtung Fiona und Gaston (was, im Nachhinein betrachtet, nicht wirklich eine Frage war, von daher durfte der mangelnde Erfolg nicht verwundern.) Als er später hinter Kylre und Kara ritt, versuchte er es erneut:
"Wie lange seid ihr schon bei der Enklave?" (Hier immerhin hatte er dazugelernt. Vielleicht lag's also am Thema und nicht an der Formulierungsweise?)
"Herrje, das konnt' ich schon mal besser", murmelte er vor sich hin. Kleiner schreckte kurz aus dem Schlaf hoch und leckte ihm gutgläubig die Hände. Rosamunde dagegen warf ihm einen skeptischen Blick über die Schulter zu.
Als man am Nachmittag von entgegenkommenden Reisenden angesprochen wurde, rangen verschiedene Instinkte in Fischer. Misstrauen einerseits. Ein möglicher Feind! Schon tastete die Hand nach dem Bogen, schon wurde die taktische Lage mit flinkem Blick erkundet. Runter vom Pferd und lautlos in die Büsche schlagen, riet dagegen die zweite Stimme. Eine dritte warf sich mit der Autorität eines Schwertcaptains in die Brust: He, deine Aufgabe wär's zu erwidern, du bist hier der Anführer! (Worauf Fischer nur hämisch erwidern konnte: Etwas spät dran, mein Lieber... bald vier Jahre...)
"Harpells?" wandte er sich fragend an Kylre.
"Sagt mir nichts."