Als die Banner am Horizont erschienen, hatte Damian für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl, wieder kurz vor dem Beginn einer Schlacht zu sein. Das Donnern der Pferdehufe und Soldatenstiefel, das sich wie ein Erdrutsch auf die Stadt zubewegte. Nur mühsam unterdrückte er den Reflex, den Überlebenden von Kenabres Befehle zu geben und die heranrückende Armee in vernichtende Magie zu hüllen.
Erschrocken über sich selbst, schließt er die Augen und versucht, in einem Stoßgebet an Iomedae um Vergebung zu bitten, doch die Bilder der letzten Tage fluten seinen Geist. Die Schreie der Tausenden, die in den letzten Tagen in Kenabres ihr Leben ließen. Die von den Dämonen zerrissen wurden. Die Kultisten und Abtrünnigen, die Damian selbst getötet hatte.
Damian atmet tief durch. Dies war der falsche Ort und die falsche Zeit für Kontemplation. Er hebt den Blick wieder zum Horizont.
Kurz nach Beginn des 2. Kreuzzugs, hatte Damian einst einen Kleriker des Gorum kennengelernt. Sie hatten damals eine hitzige Diskussion geführt, weil der Gorumnit ihm lachend erklärt hatte, dass die Weltenwunde eine einzige Lobpreisung des Herren der Schlachten wäre. Damian hatte ihm damals wütend widersprochen und auf den Konflikt der Ebenen, der himmlischen Heerscharen mit den Abgründen des Abyss hingewiesen, doch beim Anblick des heranrückenden Heeres war sich Damian nicht mehr so sicher. So mächtig die Armee aus Nerosyam wirkte, solange sie keinen Weg finden würden, die Weltenwunde zu schließen, wären die Streitkräfte nur ein Opfer auf dem Altar des Krieges.
In der Stahlkapelle hatte er Astoraths Anschuldigungen unbeantwortet gelassen, weil auch Damian die Zweifel kannte. Wie konnten die Götter die Weltenwunde zulassen? Warum halfen sie ihren sterblichen Herolden im Wissen, dass diese gegen den Ebenenriss selbst nichts in der Hand hatten. Ängste, Zweifel und Wut. Damian kannte sie aus den Lazaretten und von den Versehrten. Er wusste, dass sie Bestandteil der Kriegsführung der Dämonen waren und auch, dass die Inquisitoren es als Häresie verstanden.
Während der einzelne Ritter das Nahen der Königin ankündigte und den Kniefall verlangte, wie es die Tradition vorschrieb, fragte sich Damian, ob Galfrey ähnliche Gedanken hatte. Wie gelang es ihr, als Verkörperung des Kreuzzugs dessen Vision zu vertreten, im Wissen, dass bisher niemand einen Weg gefunden hatte, diesen Kampf zu gewinnen? Verstand sie die Weltenwunde etwa tatsächlich als Metapher auf den ewigen Krieg, wie es Astorath in seiner Bitterkeit vermutete? Würde sich die Gelegenheit ergeben, würde Damian die Königin darauf ansprechen.
Das Knie beugend, wartet Damian auf die Begegnung mit Galfrey. Er weiß, dass alle Worte, die vor so großem Publikum gesprochen werden, ihren Zweck erfüllen müssen und reiht sich daher in Razgrims Huldigung ein.
"Auch mir ist es eine Ehre, Euch kennen zu lernen, Eure Exzellenz. Mein Name ist Damian. Wir haben Eure Ankunft sehnsüchtig erwartet."