Damian hat die Pergamentrolle auf dem Schreibtisch ausgebreitet und folgt den Zeilen hochkonzentriert mit den Augen, die Stirn in Falten. Razgrim hat insoweit Recht, als dass es in der Natur des Teufels liegt, einen solchen Vertrag auf eine Weise zu formulieren, dass er eine Falle ist. Handelt es sich bei dem Vertragsaussteller zusätzlich um einen Höllenschlundteufel, ist sich Damian sicher, dass er diesem mächtigen Fürst des Abgrunds nicht gewachsen ist.
Hier wird es aber interessant. Vhane hat seine Seele Deskari versprochen, ob willentlich oder durch eine schreckliche Fügung. Wie kommt nun ein Höllenschlundteufel ins Spiel? So mächtig diese Kreaturen sind, gegen einen Dämonenfürsten wäre ein Kampf aussichtlos und welcher Richter sollte dem Höllenschlundteufel zum Recht verhelfen? Nur ein Gott wäre dazu in der Lage, doch Pharasma würde keine Variante des Seelenhandels gestatten. Also eine andere Macht, nur welche?
Millorns Worte kamen Damian wieder in den Sinn, aber das würde bedeuten, dass eine höhere infernalische Macht Interesse daran hätte, Deskaris Siegszug in der Weltenwunde zu sabotieren. Ein Erzteufel? Asmodeus selbst? Die Vermutung wurde immer konkreter, dass Vhane eine Spielfigur ist, was auch erklären würde, warum die Seele des Kommandanten Wards immer noch als Geist in den Fugen der Realität ausharrt. Warum sonst sollte sich der Höllenschlundteufel die Seele des verdammten Zwerges nicht einfach nehmen, sondern ihm vielmehr die Möglichkeit gestatten, andere Opfer auf seine Fährte zu locken.
Wurden sie vielleicht sogar ausgesucht? Ein Höllenschlundteufel verfügt über die Macht, eine Seele zu kommandieren. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass Ward sie gezielt angesprochen hat, im Wissen des Höllenschlundteufels, dass Damian und seine Gefährten mächtig genug sind, Vhanes Seele wieder zusammensetzen und Deskari so eines wichtigen Dieners zu berauben. Das sie ein Spielball der Götter sind, wissen sie bereits. Ist es so unwahrscheinlich, dass nun auch Diener der Höllen mitmischten? Welches Interesse hat aber Pharasma, ihm diese Schriftrolle zu zeigen und ihn so auf die Fährte eines Höllenschlundteufels zu setzen?
Damian schaut sich um, ob Shiva bei ihnen ist. Die Nachricht vom Verrat Nurahs ruft Erinnerungen an Lisandra wach. So schmerzlich es ist, sie müssen von nun an damit rechnen, dass Spione aller Seiten Interesse an ihnen haben. Wäre es geschickter, Nurah zu enttarnen oder über sie eine falsche Fährte zu legen? Damian hält es für ausgeschlossen, dass sie den Teufel beschworen hat. Wenn sie für den Höllenschlundteufel arbeitet, müsste sie ihn nicht beschwören. Ist sie einem Dämonenfürsten ergeben, würde es nicht zu einem Pakt kommen. Eine dritte Partei kann Damian auch nicht ausschließen. Möglich, dass sie für die Hexen Irisens oder die Mammutfürsten spioniert, vielleicht sogar für Königin Galfrey selbst, schließlich kann sie sich nicht sicher sein, ob Damian und seine Gefährten der Weltenwunde wirklich trotzen können, wenn Helden wie Vhane fallen.
Damian kneift kurz die Augen zusammen und reibt sich den Nasenrücken. Zu viele Variablen. Zu viele kontrafaktische Konditionale. Sollte er Blut vergießen, um Klarheit zu haben? Was sollte den Höllenschlundteufel hindern, ihnen die Essenz des Wächtersteins samt ihrer Seelen einfach zu entreißen? Sie stünden in keinem Vertragsverhältnis und jeder Schutzkreis, den Damian erschaffen könnte, wäre der Macht des Erzteufels nicht gewachsen. Er seufzt und wendet sich an seine Gefährten.
"Zumindest haben wir nun Klarheit, das der Vertrag existiert. Gehen wir davon aus, dass dieser Vertrag tatsächlich einen Höllenschlundteufel beschwört, können wir nicht mehr ausschließen, dass Vhanes Seele gespalten ist und eine Möglichkeit besteht, sie wieder instand zu setzen.
Die Frage ist nur, wie gehen wir weiter vor?"