Der alte Mann hatte keine echte Überzeugungsarbeit nötig: Die beiden Adligen überboten sich beinahe in ihrem Eifer, der jungen Frau zur Hilfe zu eilen, und Gerôme (so der Name des Alten, wie sie schließlich erfuhren) zögerte nicht, ihnen die Richtung zu weisen. Inzwischen war die Dämmerung angebrochen, und es dauerte nicht allzu lange, bis sie dem Suchtrupp begegneten, der ihnen mit hängenden Köpfen entgegenkam. Sie hatten den ganzen Tag über gesucht, dabei auch Spuren gefunden: Fußspuren, schließlich sogar ein abgerissenes Stück vom Rock des Mädchens. Die Spuren führten wie befürchtet, mitten in den Salzsumpf, doch die Männer hatten all ihren Mut zusammengenommen und waren gemeinsam selbst in diese verfluchte Gegend vorgedrungen. Doch nun, da es dunkel wurde, verließ selbst den Tapfersten der Dorfbewohner der Mut, denn nachts, so versicherten sie Finnegan und Louis, spukte es im Sumpfgebiet.
Die beiden Ausländer jedoch ließen sich nicht so leicht entmutigen und setzten ihren Weg, gefolgt von den ängstlichen Blicken der Dörfler, in Richtung des Zentrums des Sumpfes fort.
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Die Wirtin versicherte Erich, dass sie den Herd noch bis spät in die Nacht befeuern werde, und wenn die beiden den Schrecken zur Strecke bringen würden, könnte er so viel von dem Eintopf essen, bis er platzen würde. Wenig später, als sie draußen gepackt und gewappnet warteten, stieß der junge Mann zu ihnen, der sich ihnen als Karl vorstellte. Er trug eine rostige Klinge bei sich, eher ein großes Messer, das schon unter Erichs kritischem Blick beinahe zu Staub zu zerfallen drohte, und schien eher freudig erregt als ängstlich zu sein.
"Seid Ihr Monsterjäger?" fragte er aufgeregt.
"Ich möchte auch einer werden, aber mein Vater zwingt mich, auf dem Hof zu bleiben. Ich könnte so viel mehr tun als den ganzen Tag auf dem blöden Acker zu schuften. Ich weiß ganz genau, was in mir steckt. Ich will Prinzessinnen vor üblen Monstern retten, die Fürsten würden mich an ihrem Tisch speisen lassen! Und ich würde gerne einen echten Drachen sehen! Meint Ihr, es gibt noch echte Drachen? Die Leute sagen, sie sind alle ausgestorben, aber irgendwo gibt es sie noch, ich weiß es ganz sicher!"Es war nicht einfach für die beiden, den Jungen zu beruhigen, und langsam wurde ihnen klar, was die Wirtin meinte, als sie sagte, sie sollten ihn zurückhalten, damit er keine Dummheiten beging. Vielleicht wäre es sogar heilbar für sein Draufgängertum, wenn er einem echten Schrecken gegenüberstehen würde - doch viel wahrscheinlicher wäre es, dass er die Begegnung nicht überleben würde.
Dennoch ließen sich die beiden Kreuzritter von Karl in Richtung des Sumpfes führen, bis sie an den Punkt kamen, an dem er das Heulen gehört hatte. Es war nun schon recht dunkel geworden, und immer noch waren sie außerhalb des Sumpfes.
"Von dort kam das Heulen." deutete Karl in eine bestimmte Richtung.
"Dort muss das Monster sein. Wollt Ihr mich nicht doch mitnehmen? Ihr seid doch dabei, da kann mir nichts passieren. Und ich kann mich durchaus selbst zur Wehr setzen." Um seine Worte zu unterstreichen, hieb er einige Male mit seinem Messer durch die Luft, was in Erichs Augen seine Unbeholfenheit mit der Klinge nur noch unterstrich. Da die beiden hart blieben, führten sie die Pferde bald alleine weiter in den Sumpf hinein, immer aufmerksam nach Bewegungen oder Geräuschen lauschend, die den Schrecken verraten würden.
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Don Tristan war den Spuren nun bereits eine ganze Weile gefolgt, und der Abend wurde ständig dunkler. So langsam musste er sich überlegen, bis wann er umkehren musste, denn ganz geheuer war ihm dieser Sumpf in der Dunkelheit nicht. Doch noch war die Spur gut zu sehen, und Tristans Neugier siegte über seine Vorsicht.
Gerade als er zu dem Schluss gelangte, nun wirklich umkehren zu müssen, machte er gleich zwei unwahrscheinliche Entdeckungen: In einiger Entfernung näherten sich Männer - und das nicht nur von seiner linken Seite, sondern auch von der Rechten. Noch waren sie kaum zu sehen, und er vermutete, dass er selbst bis jetzt unentdeckt geblieben war. Doch von beiden Seiten näherten sich jeweils zwei Männer, die wie er ihre Pferde hinter sich herführten.