• Drucken

Autor Thema: Eine neue Ordnung  (Gelesen 24443 mal)

Beschreibung: Einstieg für Will und Arjen

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Arjen Bucalo

  • Beiträge: 134
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #165 am: 25.03.2015, 15:05:06 »
Als Will seinen Zauber sprach, die Untoten jedoch ohne mit der Miene zu zucken weiter auf ihn zumaschierten, schluckte Arjen und fasste den Griff seiner Klinge fester. Ohne Zweifel - so sollte es enden. Doch dann, plötzlich, brachen die Wiedergänger zusammen - einer von Ihnen nur eine Armlänge von seinem Kameraden entfernt.

Die plötzliche Ruhe, die sich über die Szenerie legte, war fast schon wieder verstörend, so überraschend und unverhofft kam sie über die beiden. Ein Augenblick verstrich, in dem Arjen wie versteinert darstand. Dann hörte er wieder das Schmatzen und Raunen hinter der Tür, die er mit seinem ganzen Gewicht zudrückte und diese Geräusche holten ihn wieder ins Hier und Jetzt zurück.

"Eine tolle Überraschung, Will!", rief er zum Stückeschreiber hinüber. "Aber bevor wir rausfinden, ob die Wiedergänger noch ein drittes Mal zu wandern beginnen können, oder ob sie nun endgültig tot sind, ziehe ich es vor, von hier zu verschwinden."

Mit diesen Worten deutete Arjen mit dem Schwert auf die Brücke zum Dach des Nachbarhauses. "Ich würde sagen, wir versuchen unser Glück dort!", rief er. "Auf drei?"

Sobald Will ihm ein Zeichen gäbe, dass er bereit war, würde Arjen runterzählen und loslaufen. Er wollte sich vor seinen Kameraden setzen, insbesondere mit Blick auf die beiden Gestalten, die auf der Brücke lagen und sich eventuell noch einmal erheben wollen würden.[1]
 1. Ready Action

William Marlowe

  • Beiträge: 489
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #166 am: 25.03.2015, 19:37:06 »
Will war noch viel überraschter als Arjen, als die vier Untoten vor ihm umfielen.

"Ha, die Götter sind doch noch mit uns!" rief Will, denn er wusste: das war er nicht allein gewesen, da hatte das Schicksal oder ein Gott die Hand im Spiel. "Auch wenn's das letzte As in meinem Ärmel war: der Stich ging an uns!"

Doch Arjen dämpfte sein Triumphgefühl sofort. Stimmt, die sind ja gar nicht tot! Dazu müsste man ihnen einzeln den Schädel einschlagen, doch dazu bleibt keine Zeit. Nach unseren Füßen werden sie schnappen, ha, da schnappt schon einer, schnapp der nächste, und dort kriecht eine Hand, abgetrennt unter dem Ellenbogen, aber trotzdem genug, uns zum Stolpern und zu Fall zu bringen...

"Drei!" rief Will panisch und rannte los, ohne auf Arjen zu warten, doch stolperte er bei jedem Schritt oder sprang erschrocken zur Seite, weil er dachte, eine Bewegung zu sehen, oder machte einfach bloß zick, wo er hätte zack machen müssen. Taumelnd stand er schließlich an der Brücke, die ihm entsetzlich schmal vorkam, und entsetzlich tief war der Abgrund.[1]

Melonen! Melonen! Wie Melonen werden unsere Schädel beim Aufschlag zerplatzen. Und das Werk, oh, das Werk wird nie geschrieben, weil mein Hirn am Pflaster klebt.

Zitternd blieb er stehen. Er probierte es mit Zureden: Hinüber muss ich dort, es hilft ja nichts. Und wenn ich fall, so fall ich halt. Besser ist der Tod in der Tiefe als der Tod hier oben! Dann mit Beschwören: Fabrizio, Barnabas, wenn's sein muss auch Claudio: wo seid ihr denn, so helft mir doch!

Doch keiner der drei eilte ihm zur Hilfe und allein brachte er den Mut nicht auf und so stand Will noch da, als Arjen ihn erreichte.

 1. Acrobatics = 6 (nat. 1) Ich interpretier das mal so, dass er sich gar nicht von allein darauf wagt (besser als runterfliegen...)
« Letzte Änderung: 25.03.2015, 19:44:15 von William Marlowe »
Hell hath no limits, nor is circumscribed
In one self place, for where we are is hell,
And where hell is must we ever be.

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Eine neue Ordnung
« Antwort #167 am: 25.03.2015, 20:03:20 »
Tatsächlich griffen und schnappten die Toten, zerstückelt wie sie waren, noch immer nach den beiden Männern. Ein einzelner Strang aus Nerven und Sehnen, der einen Arm noch mit dem Körper verband, reichte aus, damit Wills Fuß gegriffen wurde, doch konnte der Barde sich gleich wieder befreien.

Kurz darauf war Arjen bei ihm, und so standen sie vor der Brücke, den Blick auf die letzten beiden Leichen gerichtet - eine an der Balustrade, eine auf der Brücke selbst liegend -, die sich zumindest bis jetzt noch nicht erhoben hatten. Nur drei Meter entfernt lag das gegenüberliegende Dach - und nicht nur das: Es gab ein Tor! Im Moment stand es offen, doch es schien intakt. Schmiedeeisern ragte es drei Meter nach oben, unüberwindbar für jeden wandelnden Toten, noch dazu mit einem ebenfalls eisernen Riegel von der Dicke eines Unterarms versehen.

Im gleichen Moment wurde hinter ihnen die Tür aufgestoßen. Knurrend, grunzend und stöhnend strömten die wandelnden Leichen heraus wie aufgescheuchte Fliegen von einem toten Tier.

"Ist... ist da jemand? Ein Lebender? Bitte... ich... brauche Hilfe..."

Die weibliche Stimme kam vom anderen Dach, irgendwo hinter der Mauer, die an das Tor angrenzte.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Arjen Bucalo

  • Beiträge: 134
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #168 am: 29.03.2015, 12:20:38 »
Mit hastigen Schritten erreichte Arjen Will. Um sie herum schien das Tollhaus vollkommen geworden zu sein. Er sah, wie sein Kamerad - wohl vor Schreck erstarrt - vor der reglosen Leiche auf der Balustrade stand, ohne sich auf die Brücke zu trauen. Um sie herum zuckte Leichenteile. Abgetrennte Gliedmaßen schnappten nach ihnen und auch ein Kopf ohne Körper klapperte mit den Zähnen. Der Anblick war erschaudernd grotesk. plötzlich viel Arjen ein, dass es ein berühmtes Stück gab, in dem der Hauptprotagonist immerzu mit einem Schädel sprach. Er kannte weder den Namen des Stücks, noch seinen Autor, noch irgendwelche anderen Einzelheiten. Bei Gelegenheit konnte er ja Will fragen - der wüsste sicher die Antwort. Das heißt - falls sie hier überhaupt lebend rauskamen.

Hinter ihnen flog die Tür auf und die Wiedergänger strömten heraus, wie Feuerameisen aus einem Loch in der Erde. 'Wir müssen hier weg. Jetzt - sofort! Ich muss ihn hier wegschaffen', schoss es Arjen durch den Kopf. Der Hauptmann in seinem Kopf übernahm wieder. Ohne weitere Zeit zu verlieren, hob er seine Klinge und ließ sie mit voller Wucht auf den Kopf des Leichnams vor Ihnen niederfahren und diesen wie eine Axt einen Holzscheit spalten.[1]

Danach drehte sich Arjen zu Will und versuchte seinen zwanglosesten Tonfall, um seinen Kameraden aufzurütteln. "Der macht uns keinen Ärger mehr. Und jetzt komm!"[2] Mit diesen Worten griff Arjen mit der Linken den Oberarm des Stückeschreibers und versuchte ihn mit sich zu ziehen, während er seinen Fuß auf die Brücke setzte und diese bestieg.[3] In diesem Moment hörte er auf der anderen Seite - wohl durch die offenstehende Tür - den Hilferuf der Frau. 'Bei den Göttern - hört das denn nie auf. Nun gut - da sind also noch mehr von denen, aber vielleicht weniger als hier. Und zumindest gibt es da noch lebende Menschen. Vielleicht hilft diese Stimme, Will wieder zu sich zu bringen. Hoffentlich.'

Mit diesen Gedanken schlurfte Arjen nach vorn und zog Will mit sich. Die Augen und die Schwertspitze waren auf die Leiche vor ihnen gerichtet. Sollte sich diese rühren, würde er ihr sofort die Klinge in den Kopf jagen. Falls sie reglos blieb, bis Arjen sie erreichte, hatte er vor, sie mit einem kräftigen Fußtritt von der Brücke nach unten zu befördern und zügig weiterzugehen.
 1. Standard Action; Angriff: 14, Schaden 9
 2. Sprechen: Free action
 3. Standard Action: Will mitziehen. Da es sich um eine Aktion mit einem SC handelt, habe ich nicht gewürfelt. Meister, gib bitte Bescheid, falls ich einen Stärke-Wurf machen soll, oder etwas anderes.

William Marlowe

  • Beiträge: 489
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #169 am: 29.03.2015, 17:04:11 »
Die Geräusche um Will waren seltsam gedämpft und er sah alles wie durch einen Nebel: Arjen, der dem Untoten den Schädel spaltete, der ihm dann etwas zurief, sich vorbeidrängte, seinen Arm ergriff. Auch der Sinn der Worte ging an Will vorbei, berührte ihn nicht. Einen Fuß auf die Brücke setzen? Den Mumm hab ich nicht! Wenn einer der drei mir nur helfen tät!

Kaum hatte er dies gedacht, kam ihm tatsächlich jemand zu Hilfe—einer, mit dem er im Leben nicht gerechnet hätte. Und dieser ließ sich ohne Widerspruch von dem Kameraden auf die Brücke ziehen, wobei er deklamierte:

"Don Pedro, ach, wo bleibst du denn?
Hier stehe ich vor Schreck erstarrt.
Bin Spielmann bloß und kein Soldat,
Auch wenn ich deren Lieder kenn.
Frügst du mich jetzt, mir fiel keins ein.
Zu tief ist der Abgrund, zu schmal die Brück',
Zu zahlreich der Feind, oh sieh nicht zurück!
Da soll ein Mensch noch mutig sein.
Halt mich, Don Pedro, nein lass lieber los,
Sonst gibt's von uns beiden gleich Kalbsbries mit Soß'!"


Thomas der Reimer blieb gerade lang genug, um Will in Reichweite des eisernen Tores zu bringen und auch noch den letzten Schritt hindurch, dann war Will wieder allein mit seiner Angst. Und doch, obwohl er noch immer am ganzen Leib zitterte—so kam es ihm vor, wenn tatsächlich nur hier und da mal ein Muskel zuckte: der Rest war Einbildung und sein rasender Puls—und trotz alledem schien er längst nicht mehr so panisch wie Augenblicke zuvor.

Tom, das bin ich! Wenn er mir geholfen hat, war ich es selbst! Wenn sein Mut mich über die Brücke brachte, dann war es mein eigener!

Und natürlich Arjen.

"Danke", sagte er, beide Hände am Tor, bereit, es zuzuschlagen. Die Untoten drängten heran.
« Letzte Änderung: 29.03.2015, 17:25:34 von William Marlowe »
Hell hath no limits, nor is circumscribed
In one self place, for where we are is hell,
And where hell is must we ever be.

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Eine neue Ordnung
« Antwort #170 am: 29.03.2015, 19:39:24 »
Noch bevor sie ihrer Umgebung einen genaueren Blick widmeten, kümmerten sich die beiden Männer - Freunde inzwischen, obwohl sie sich erst so kurz kannten - um das eiserne Tor. Arjen schob es zu, Will legte den Riegel in die an der Mauer befestigte Halterung. Durch die Stäbe des Tors konnten sie die wandelnden Toten noch immer sehen, die weiter unbeirrt in ihre Richtung liefen, wie Jagdhunde auf der Fährte eines Fuchses. Doch dieses Hindernis würden die geistlosen Kreaturen, die bereits an der Brücke angekommen waren, nicht ohne Weiteres überwinden.

Nun endlich sahen Arjen und Will sich genauer um. Das Dach war ähnlich aufgebaut wie das, von dem sie kamen; ein Verschlag in der Mitte führte durch eine Tür in das Innere des Gebäudes. Auf dem Boden lagen weit verteilt eine ganze Reihe Leichen - reglos, zumindest im Moment. Nur ein Körper regte sich noch: Links von ihnen, an die dortige Mauer gelehnt, eine junge Frau in Rüstung, ein Breitschwert neben sich auf dem Boden.

Sie hob ihren Arm, ließ ihn aber gleich wieder kraftlos fallen. "Keine Sorge, sie sind alle tot. Endgültig."

Es war schwer zu sagen, was genau hier passiert war, aber die Frau musste mitten im Geschehen gewesen sein. Ihr Haar war so voller Blut, dass man ihre Haarfarbe nicht mehr erkennen konnte, Rüstung und Schwert wie auch das Gesicht unter den dunkelroten Spuren kaum noch zu erkennen.

Sie lächelte. "Mir ist egal, ob ihr nur plündern und mir die Kehle durchschneiden wollt. Macht es ruhig. Ich hätte nicht zu hoffen gewagt, noch einmal lebende Gesichter zu sehen, bevor ich sterbe."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

William Marlowe

  • Beiträge: 489
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #171 am: 29.03.2015, 20:26:12 »
"Und vorher vergewaltigen, hast du vergessen", ergänzte Will trocken. "Dürfen wir das auch?"

Doch er wurde sofort wieder ernst. Soweit er es aus der Entfernung—sie war noch gut vier Schritt entfernt und saß zusammengesunken auf dem Boden und vor lauter Blut sah man nichts—aber auch von ihren Worten her beurteilen konnte[1], war sie schwer verletzt. Und selbst wenn sie nicht tödlich verletzt war, bestimmt hatte sie etwas von all dem in den Mund bekommen, und dann war sie schlimmer noch als tot.

"Aber eigentlich sind wir auch einfach nur froh, eine Lebende zu sehen. Aber wenn wir dir helfen sollen, du weißt schon, dann..." An dieser Stelle versagte die trockene Kehle ihm kurz ihren Dienst und er musste sich räuspern, "... also, dann machen wir das. Ich heiße Will und das hier ist Arjen."
 1. perception = 18; sense motive = 7, Antwort des SL hier
« Letzte Änderung: 29.03.2015, 20:39:39 von William Marlowe »
Hell hath no limits, nor is circumscribed
In one self place, for where we are is hell,
And where hell is must we ever be.

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Eine neue Ordnung
« Antwort #172 am: 29.03.2015, 20:40:00 »
Die junge Frau stieß ein bitteres Lachen aus, sagte aber sonst nichts zu Wills Ausspruch. "Ich bin Jeana, Mitglied der Stadtwache. Wir waren auf einer Mission unterwegs, die..." Sie sah sich um, sah zu den Leichen auf dem Boden. "Ist wohl ziemlich schiefgelaufen. Seid ihr alleine unterwegs? Wisst ihr von der Reststadt?"
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Arjen Bucalo

  • Beiträge: 134
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #173 am: 29.03.2015, 22:08:21 »
Auf dem anderen Dach angekommen und die Gittertür verschlossen, wandte sich auch Arjen der Szenerie zu. Seine Gedanken waren bei Will und den Zeilen, die er aufgesagt hatte, als sie über die Brücke liefen. 'Man muss es ihm lassen, belesen ist er. Und wenn die Texte etwas einfacher gestrickt wären, könnte er damit auch Soldaten vor einem Kampf anfeuern. Aber ich bin froh, dass sie es nicht sind. Das Leben ist viel zu kompliziert für die einfachen Texte unserer Kampflieder - da passen Wills Werke besser.'

Sein erster Gedanke bei der vielen Leichen, die sie erblickten, war der gleiche, wie vor einer Minute: Schwert fester fassen und alle Köpfe einschlagen. Dann bewegte sich eine Gestalt und er wollte schon darauf losstürmen. Erst als die Frau sprach, erkannte er, dass es sich um die Stimme handelte, die nach Hilfe gerufen hatte.

Zunächst war er geschockt von dem Zustand der Frau. Während Will wortgewandt antwortete, versuchte Arjen, seine Sprache wiederzufinden. Als Jeana sich dann vorstellte, gingen ihm tausend Fragen durch den Kopf. So viele Jahre waren vergangen, doch die eingeimpfte Denkweise eines Soldaten drängte an die Oberfläche, wie Gischt an eine stürmische Küste. Alles in ihm sagte, dass dies hier eine Schlacht war. Und dort vorne lag ein Kamerad, der Hilfe brauchte.

"Wir müssen ihr helfen", sagte er schlicht zu Will und lief zu Jeanna los. Wieder einmal bedauerte er, in den sechs Jahren beim Heer keine Weiterbildung in der Heilkunst in Anspruch genommen zu haben. Aber nun gut, er hatte genug offene Brüche geschient, Hieb- und Stichverletzungen abgebunden und genug Männer am eigenen Blut ersticken gesehen, um zumindest laienhaft erste Hilfe zu leisten. Mit drei schnellen Sätzen war er da un kniete schon neben der Wächterin. Er besah sich ihre Wunden und hielt sich nicht mit Höflichkeitsfragen auf, sondern griff auch durchaus an Arm, Bein und Rücken, um Verletzungen zu prüfen oder zu ertasten.[1]

Tausend Fragen brannten ihm auf der Seele: 'Welche Reststadt? Wo ist diese? Was war eure Mission? Gibt es einen organisierten Widerstand? Was wisst ihr über diese Plage?' Aber all das musste jetzt warten. Stattdessen sagte er: "Ich bin kein Heiler. Nur Soldat. Bitte hilf mir und sag, welche Verletzungen du hast." Dann fiel sein Blick auf ihre blutverschmierten Lippen und er fügte nach kurzem Zögern hinzu: "Hast du etwas von deren Blut verschluckt?"
 1. Untrained Heal check: 15
« Letzte Änderung: 29.03.2015, 22:08:59 von Arjen Bucalo »

William Marlowe

  • Beiträge: 489
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #174 am: 29.03.2015, 22:28:34 »
Helfen, dachte Will. Richtig. Natürlich denkt Arjen zuerst daran, während ich selbst der guten Frau zur Begrüßung gleich anbiete, ihr den Schädel einzuschlagen.

Er folgte Arjen und beobachtete, wie dieser Jeana durchaus fachmännisch untersuchte—zumindest sah es für Wills Laienauge so aus. Er selbst behielt das Schwert in der Hand.

"Draußen ist eine ganze Horde unterwegs, Jeana. Ist das Dach hier nach unten hin abgesichert?"

Und zu Arjen gewandt, fügte er noch leise hinzu. "Mein letztes As ist gespielt, sonst könnt ich helfen. Ach, hätt' ich heut nicht schon versucht, einen Toten zu heilen!"
« Letzte Änderung: 29.03.2015, 22:38:07 von William Marlowe »
Hell hath no limits, nor is circumscribed
In one self place, for where we are is hell,
And where hell is must we ever be.

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Eine neue Ordnung
« Antwort #175 am: 29.03.2015, 22:59:16 »
Jeana ließ Arjens Untersuchung wortlos über sich ergehen, während sie Will antwortete. "Wir haben die Tür abgeriegelt, da kommt keiner mehr durch - nicht mal ein Lebender."

In dem Moment schob Arjen seine Hand zwischen sie und die Mauer, um ihren Rücken zu untersuchen. Die Soldatin hatte eine Menge kleiner und mittelschwerer Verletzungen. Sie musste wie eine Löwin gekämpft haben, bis zur völligen Selbstaufgabe. Arjen hatte so etwas schon früher gesehen. Wenn er sich nicht irrte, dann hatte diese Frau nicht einfach nur ums Überleben gekämpft. Sie hatte jemanden beschützt. Und war gescheitert, wie es schien.

Seine Hand glitt in Richtung ihrer unteren Wirbelsäule - und er spürte ein Stück Stahl, das in ihrem Körper steckte. Sie stöhnte bei der Berührung leicht auf, dann grinste sie ihn schief an. "Ein Unfall. Carnis warf einen Dolch, verfehlte aber sein Ziel. Genau in dem Moment, als ich mich runtergebeugt hab, um eine der Bestien zu erledigen, traf mich das Ding. Genau zwischen die Platten, zwischen dem Rückenpanzer und dem Beinschutz. Es hat ihn so geschockt, dass er gleich drauf gebissen wurde, weil er nicht aufgepasst hat."

Sie zeigte auf ihre Beine. "Ich spür sie nicht mehr. Keine Kontrolle. Aber ich hab trotzdem noch sieben von denen erlegt. Wurde aber gebissen, mehrmals. Verschwendet eure Energie also nicht mit dem Versuch, mich heilen zu wollen."
« Letzte Änderung: 29.03.2015, 23:06:48 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

William Marlowe

  • Beiträge: 489
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #176 am: 30.03.2015, 13:21:26 »
"Sieben", sagte Will. "Vom Boden aus? Herrje, und ich bin froh über jeden einzelnen von ihnen, den ich umhaue, während ich auf beiden Beinen steh'."

Vielleicht wird es etwas einfacher, mutig zu sein, wenn man schon gebissen ist, wenn man sein Schicksal schon besiegelt weiß? Zida hilf, dass ich es nie herausfinden muss!

"Dann können wir tatsächlich nichts weiter für dich tun, als dir Gesellschaft zu leisten, bis es soweit ist, und dann dafür sorgen, dass du liegen bleibst. Das hab ich ernst gemeint. Du musst nicht denken, wir wären zu zimperlich für sowas."

Entgegen seiner Worte sah Will allerdings doch sehr blass dabei aus, um nicht zu sagen grün, und stünde er auf einer Bühne, seine Stimme hätte kaum die vorderen Stehplätze erreicht. Er sah sich nach einem Platz um, wo er sich hinsetzen könnte—schließlich würden sie unter Umständen eine geraume Weile hier bleiben, je nachdem, wie schnell es mit der armen Frau zu Ende ging—doch innerhalb von drei Schritt Umkreis fand er kein Fleckchen, das nicht mit Blut getränkt war. Sein Blick glitt noch einmal über die ganzen Leichen auf dem Boden und er versuchte zu erkennen, wie viele davon Jeanas eigene Kameraden gewesen sein mochten.

"Ach Barnabas, du tatest recht daran, dich in den Wahn zu flüchten!" Will stutzte. "Ha! Da fällt mir doch noch etwas ein, das ich dir versprechen kann: einen Ehrenplatz in meinem Stück. Aradan, Stadt der Toten. Eine Tragödie in drei Teilen. Wir befinden uns momentan im zweiten Teil. Das ist der, an dessen Ende wir die Untoten besiegen, auch wenn alle Helden dabei sterben. Die Nachwelt, wenn es eine gibt, soll dich als Jeana, die Löwin von Aradan in Erinnerung behalten."

Wie Will so daherredete, kehrte ein wenig Farbe in sein Gesicht zurück und auch seine Stimme wurde wieder fester. Er ging vor Jeana in die Hocke und sponn seinen Faden weiter, obwohl er wusste, dass es eigentlich wichtigeres zu besprechen gab. Wer weiß, wie lange Jeana noch hatte? Doch seine Gedanken beugten sich nicht dem Diktat der Notwendigkeit. Überhaupt, wer definierte, was wichtig war?

"Natürlich kann ich den Namen auch abändern, wenn dir das lieber wär, aber deine Taten sollen nicht vergessen sein. Du musst mir erzählen, was genau hier passiert ist, damit ich das auch richtig mache. Du sagtest vorhin etwas von einer Reststadt? Dann gibt es noch weitere Überlebende, einen echten Widerstand? Wo? Wieviele? Kann man sich dem anschließen? Vielleicht kennst du dort sogar jemanden, der Lissie heißt und ganz viele Kinder dabei hat, so an die zwanzig? Herrje, meine Gedanken sind ja noch wirrer als sonst! Ich muss dir herz- und gefühllos vorkommen, wenn ich so daherschwatze und dir nur noch schnell alles aus der Nase ziehen will, bevor dir die Sinne schwinden und der Tod dich ereilt. Zu recht magst du mir vorwerfen, nur an mich und allenfalls noch an die Geliebte und den Kameraden zu denken, aber zu mehr reicht's gerad' nicht, sonst wird's zuviel, sonst verlässt einen der Mut und man stürzt sich vom Dach und der Leib zerschellt wie das Schiff an der Küste und das Grauen hat ein Ende!"

Das alles sagte er, fast ohne Luft zu holen, während seine Aufmerksamkeit immer wieder zum Gittertor gelenkt wurde, wo die Untoten sich drängten, raunten und schmatzten und die Arme durch die Stäbe streckten und dabei hungrig mit den Mäulern schnappten.

"Was", murmelte er, vom Blick der beiden Lebenden in die Ecke gedrängt, obwohl er den Ausdruck auf ihren Gesichtern nicht deuten konnte. "Es kann halt nicht jeder ein Löwe sein. Manch einer taugt bloß zum Reimer."
« Letzte Änderung: 30.03.2015, 13:35:44 von William Marlowe »
Hell hath no limits, nor is circumscribed
In one self place, for where we are is hell,
And where hell is must we ever be.

Arjen Bucalo

  • Beiträge: 134
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #177 am: 30.03.2015, 14:49:05 »
Als Jeanna davon sprach, bereits gebissen worden zu sein, malmte Arjen mit den Kiefern. "Verdammt!", entfuhr es ihm, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte. Er wusste nicht, was mit ihm los war. Nach all dem Tod - wieder und wieder - hatte er gerade jetzt ausgerechnet gehofft, jemandem tatsächlich helfen zu können. Zumindest eine Menschenseele in dieser Hölle retten zu können. Aber sie kamen zu spät. Warum ging ihr nur dieses Opfer so viel näher, als all die anderen Toten um sie herum in den letzten Tagen?

'Weil sie Soldat ist? Ein Kamerad? Nein - das allein ist es nicht', dachte er. 'Ich habe genug meiner Männer sterben sehen und schlimmeres, damit mich ein blutender Soldat nicht aus der Fassung bringt, auch wenn man um jeden einzelnen trauert. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie eine Frau ist. Von klein auf habe ich gelernt, dass es Frauen zu beschützen gilt. Auch wenn wir im Heer auch weibliche Soldaten hatten - an den Anblick habe ich mich nie gewöhnen können.'

Wills Worte rissen ihn wieder aus seinen Gedanken. Er faselte etwas von einem Theaterstück, an dem er arbeitete. Was sollte das? War Will nun vollständig verrückt geworden. Hatten die letzten Vorkommnisse ihm gänzlich den Verstand geraubt? Diese Frau war die erste, die etwas von anderen Überlebenden erwähnt hatte, und sie könnte jede Sekunde sterben und dieses Wissens mit ins Grab nehmen, und er wollte mit ihr über die feinen Künste sprechen?

Arjen wollte seinen Freund gerade unterbrechen und die Fragen laut aussprechen, die er sich vor einer Minute noch verkniffen hatte und die auf ihr Überleben abzielten, da hörte er, wie der Stückeschreiber ihm zuvorkam. So war das also. Soldat und Künstler. Er hätte wohl die Fragen frei heraus gestellt und Jeannas letzte Minuten in einen Bericht, wenn schon kein Verhör verwandelt. Will hatte es geschafft, die gleichen Fragen in ein zwangloses Gespräch über die schönen Dinge des Lebens und eine posthume Erwähnung in einem großen Theaterstück einzuflechten. Sicherlich würde er ihr damit angenehmere Augenblicke vor dem bevorstehenden Tod bereiten, als er es getan hätte.

Also bliebt Arjen stumm, nickte der Soldatin nur zu, als Zeichen, dass er verstanden hatte, und hörte nur zu. Wills abermaliges Versprechen, ihr das Untotendasein zu ersparen kam ihm wieder in den Sinn. 'Reden kann ich vielleicht nicht. Aber zumindest diesen Dienst werde ich gut verrichten können', dachte er sich und schloss umschloss den Schwertgriff fester.

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Eine neue Ordnung
« Antwort #178 am: 30.03.2015, 15:16:06 »
Jeana nickte bei Wills Angebot, ihre "Auferstehung" zu verhindern, wenn es soweit war. "Ich will keiner von denen werden. Ich verrate euch etwas. Ich spüre es schon. Ich verändere mich. Ich habe euch gerochen, bevor ich euch gehört habe. Und ich hatte... Bilder im Kopf. Dinge, die sich kein gesunder Geist vorstellen würde." Bei ihren letzten Worten wurde ihre Stimme leise, fast flüsternd.

Als Will dann von seinem Stück sprach, lächelte sie wieder. "Es ist schön, dass es noch Menschen gibt, die an mehr als das reine Überleben denken. Behaltet es bei. Das macht uns zu Menschen." Sie hob ihre Hand, und griff damit nach Wills. Ihr Griff war schwach. Ruhig, nicht zitternd, aber kaum zu spüren, so sanft war ihre Berührung. "Wer heute noch an Poesie denkt, der kann nicht herzlos sein."

Sie ließ Will wieder los, und brauchte einige Sekunden, um neue Kraft zu schöpfen. "Die Reststadt. Es gibt ein Stadtviertel, der letzte Verteidigungswall, an dem sich die Stadtwache versammelt hat. Wir schafften es, die Toten zurückzuschlagen. Immer wieder gab es neue Katastrophen, Leute in unseren Reihen, die gebissen worden waren und die Seuche wieder in unsere Mitte brachten, aber seit gut einem Tag herrscht Ruhe. Es gibt provisorische Mauern, der Ort ist abgeriegelt, die Überlebenden sind sicher, zumindest für den Moment."

Jeana schien erschöpft nach ihrer Erklärung, lehnte kurz ihren Kopf an die Mauer und schloss die Augen. Etwa eine halbe Minute später öffnete sie sie wieder. "Es gab einen Magierzirkel, sie haben uns unterstützt. Das Feuer in der Stadt... sie haben Portale geöffnet, und riefen Elementarwesen herbei. Wir haben die Stadt niedergebrannt, mussten es tun, weil die Toten ansonsten alles überrannt hätten. Viele der Magier haben so viel von ihrer eigenen Energie gegeben, dass sie selbst dabei starben. Aber sie haben die Toten zurückgeschlagen, unser Überleben überhaupt ermöglicht."

"Die Wache macht mehrmals täglich Rauchsignale, um weitere Überlebende anzulocken. Von den Dächern aus müsstet ihr sie sehen können. Aradan mag gefallen sein, aber ein paar Tausend Überlebende gibt es noch. Und die Stadtwache, oder was von ihr übrig ist, sorgt dafür, dass kein wandelnder Toter und kein Infizierter die Schwelle in die Reststadt überschreitet."

Sie lächelte wieder, sah Will dabei in die Augen. "Frauen, Männer, Kinder. Vielleicht ist deine Lissie auch dort."

Dann wurde ihr Blick wieder ernst. "Wir waren auf einer Mission unterwegs. Ein Zauberbuch für die Überlebenden des Zirkels. Magie, die unser weiteres Überleben sichern kann." Ihr Blick wanderte über die Leichen auf dem Boden. "Tellas hatte einen schwarzen, ledernen Rucksack dabei. Er muss hier irgendwo liegen. Ihr müsst das Buch zurückbringen. Als ich euch gerufen habe... das ist es, wobei ihr mir helfen müsst. Lasst mich und meine Freunde nicht umsonst gestorben sein."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

William Marlowe

  • Beiträge: 489
    • Profil anzeigen
Eine neue Ordnung
« Antwort #179 am: 30.03.2015, 16:53:41 »
Verdammt! Das hätte Will doch wenigstens sagen können, um der Frau seine Anteilnahme an ihrem Schicksal zu zeigen. In einem Wort hatte Arjen mehr ausgedrückt als er selbst in hundert! Vielleicht hatte Ben doch recht gehabt, als er seinerzeit über eines von Wills Stücken schrieb—war's die Kaufmannstochter oder Eine Reise im Winter? ein Frühwerk jedenfalls—'Jeder andere Dichter hätte in der halben Zeit das doppelte gesagt.' Und noch bissiger: 'Statt seine Figuren über ihre Gefühle reden, sollte Marlowe sie lieber einmal etwas fühlen lassen, sollte er den Schauspielern lieber einmal zutrauen, dass sie die passenden Gefühle zeigen mit ihren Gesten und ihrer Mimik, statt ihnen diese mit seinen Worten in den Mund zu legen, wo sie nicht hingehören.' Letzteres war eine billige Forderung für jemanden wie Ben, der glattweg unfähig war, Gefühle in Worte zu fassen, und daher von vorneherein darauf angewiesen, dass die Schauspieler seinen Figuren Leben und Gefühl einhauchten.

Verdammt! Das wäre trotzdem nicht zu viel verlangt gewesen. Will wollte es gerade nachholen, da ergriff Jeana seine Hand und er musste sich zusammennehmen, sie der Sterbenden nicht zu entreißen.

Nein, nein, nein, bloß nicht berühren! Das macht dich zu Fleisch und Blut, zu einem lebenden, leidenden Menschen, wenn ich doch gerade schon versucht habe, dich zu einer Figur auf der Bühne zu machen, mit der man lieben und leiden kann und dann geht man nach haus, und wenn's ein gutes Stück war, denkt man noch den Abend und am nächsten Tag drüber nach, und dann geht das Leben weiter!

Doch er zog seine Hand nicht zurück, erwiderte vielmehr den Druck, und dachte an Lissie. 'Ein krankes Kind will nur gehalten werden, Will, nicht unterhalten, auch wenn dir das leichter fällt. Denk doch einmal bloß nicht nur an dich!' Dabei hatte sie nicht bös geguckt, nur müde.

"Den Rauch, den haben wir gesehen, aber wir wussten nicht, ob er etwas gutes oder schlechtes bedeutet", sagte er. Seine Miene hellte sich auf. "Aber wenn mehrere Tage hintereinander immer an derselben Stelle Rauch aufsteigt, dann muss es einem klar werden, dass eine Absicht dahinter steckt! Dann kommt Luca vielleicht von allein auf die Idee, mit seinen Mädchen dorthin zu fliehen. Und vielleicht hat er ja inzwischen andere Helfer gefunden. Und sonst müssen wir ihn eben holen gehen."

Wie immer war Will im Geist ein Dutzend Schritte voraus. Er drückte Jeanas Hand noch einmal. "Danke, Jeana. Du machst uns Mut."
« Letzte Änderung: 09.04.2015, 19:19:53 von William Marlowe »
Hell hath no limits, nor is circumscribed
In one self place, for where we are is hell,
And where hell is must we ever be.

  • Drucken