"Sieben", sagte Will. "Vom Boden aus? Herrje, und ich bin froh über jeden einzelnen von ihnen, den ich umhaue, während ich auf beiden Beinen steh'."
Vielleicht wird es etwas einfacher, mutig zu sein, wenn man schon gebissen ist, wenn man sein Schicksal schon besiegelt weiß? Zida hilf, dass ich es nie herausfinden muss!
"Dann können wir tatsächlich nichts weiter für dich tun, als dir Gesellschaft zu leisten, bis es soweit ist, und dann dafür sorgen, dass du liegen bleibst. Das hab ich ernst gemeint. Du musst nicht denken, wir wären zu zimperlich für sowas."
Entgegen seiner Worte sah Will allerdings doch sehr blass dabei aus, um nicht zu sagen grün, und stünde er auf einer Bühne, seine Stimme hätte kaum die vorderen Stehplätze erreicht. Er sah sich nach einem Platz um, wo er sich hinsetzen könnte—schließlich würden sie unter Umständen eine geraume Weile hier bleiben, je nachdem, wie schnell es mit der armen Frau zu Ende ging—doch innerhalb von drei Schritt Umkreis fand er kein Fleckchen, das nicht mit Blut getränkt war. Sein Blick glitt noch einmal über die ganzen Leichen auf dem Boden und er versuchte zu erkennen, wie viele davon Jeanas eigene Kameraden gewesen sein mochten.
"Ach Barnabas, du tatest recht daran, dich in den Wahn zu flüchten!" Will stutzte. "Ha! Da fällt mir doch noch etwas ein, das ich dir versprechen kann: einen Ehrenplatz in meinem Stück. Aradan, Stadt der Toten. Eine Tragödie in drei Teilen. Wir befinden uns momentan im zweiten Teil. Das ist der, an dessen Ende wir die Untoten besiegen, auch wenn alle Helden dabei sterben. Die Nachwelt, wenn es eine gibt, soll dich als Jeana, die Löwin von Aradan in Erinnerung behalten."
Wie Will so daherredete, kehrte ein wenig Farbe in sein Gesicht zurück und auch seine Stimme wurde wieder fester. Er ging vor Jeana in die Hocke und sponn seinen Faden weiter, obwohl er wusste, dass es eigentlich wichtigeres zu besprechen gab. Wer weiß, wie lange Jeana noch hatte? Doch seine Gedanken beugten sich nicht dem Diktat der Notwendigkeit. Überhaupt, wer definierte, was wichtig war?
"Natürlich kann ich den Namen auch abändern, wenn dir das lieber wär, aber deine Taten sollen nicht vergessen sein. Du musst mir erzählen, was genau hier passiert ist, damit ich das auch richtig mache. Du sagtest vorhin etwas von einer Reststadt? Dann gibt es noch weitere Überlebende, einen echten Widerstand? Wo? Wieviele? Kann man sich dem anschließen? Vielleicht kennst du dort sogar jemanden, der Lissie heißt und ganz viele Kinder dabei hat, so an die zwanzig? Herrje, meine Gedanken sind ja noch wirrer als sonst! Ich muss dir herz- und gefühllos vorkommen, wenn ich so daherschwatze und dir nur noch schnell alles aus der Nase ziehen will, bevor dir die Sinne schwinden und der Tod dich ereilt. Zu recht magst du mir vorwerfen, nur an mich und allenfalls noch an die Geliebte und den Kameraden zu denken, aber zu mehr reicht's gerad' nicht, sonst wird's zuviel, sonst verlässt einen der Mut und man stürzt sich vom Dach und der Leib zerschellt wie das Schiff an der Küste und das Grauen hat ein Ende!"
Das alles sagte er, fast ohne Luft zu holen, während seine Aufmerksamkeit immer wieder zum Gittertor gelenkt wurde, wo die Untoten sich drängten, raunten und schmatzten und die Arme durch die Stäbe streckten und dabei hungrig mit den Mäulern schnappten.
"Was", murmelte er, vom Blick der beiden Lebenden in die Ecke gedrängt, obwohl er den Ausdruck auf ihren Gesichtern nicht deuten konnte. "Es kann halt nicht jeder ein Löwe sein. Manch einer taugt bloß zum Reimer."