Eine junge Frau betritt den Raum und übernimmt die Kontrolle. Der grobschlächtige Riese ist also doch nur eine Vorhut. Er hat die Gefahr gefunden und handelt nun nach ihren Befehlen. Sie muss Anders also überzeugen.
Sie nähert sich ihm zielstrebig und löst Yasrins Messer gekonnt aus der Tischoberfläche. Die schöne Latina setzt die Klinge unter einem Riemen an und hält inne. Anders bewegt sich nicht. Mit der anderen Hand hält sie ihm ihre Schusswaffe vors Gesicht und spricht die obligatorische Warnung aus. Mit durchdringendem Blick mustert sie den jungen Mann, der sich Mühe gibt harmlos und dankbar auszusehen. Er nickt. Sie schneidet. Sie beugt sich über ihn um an die andere Seite zu kommen. Anders kann sie riechen, sieht ihren angespannten Körper, nimmt sie wahr.
Der erste Riemen reißt und der Schmerz setzt überall dort ein, wo die Fesseln das Blut abgedrückt haben. Die Anführerin setzt ihre Arbeit fort, unbeeindruckt. Sie durchsucht ihn weder nach Waffen, noch nach Nützlichem. Sie vertraut auf ihre Pistole, trotz der Enge des Raumes und der ungünstigen Positionierung des Holsters. Anders sieht an sich herab, als sie seine Fußfesseln löst. Er würde sie erreichen, noch lange bevor sie an die Waffe käme. Unvorsichtig.
Der junge Mann richtet sich halb auf, stöhnt laut und sinkt zurück. Verdammt. Mit der nun freien Linken hält er sich den Brustkorb, das Pochen in seinem Kopf wird wieder deutlicher. Ganz frei rollt er sich über die Seite vom Tisch, landet unelegant auf seinen Füßen und stützt sich mit den Ellebogen auf die Oberfläche um sich eine kurze Atempause zu gönnen. Anders lässt den Kopf hängen und entblößt so die Spitzen einer Tätowierung im Nacken, die sich vermutlich über seinen Rücken erstreckt. Er spürt in sich hinein, fühlt seine Wunden.
Anders richtet sich auf, zieht dabei deutlich hörbar Luft durch die zusammengebissenen Zähne. „Danke.“ Er streckt die Hand nach dem Messer aus, das die verführerische Frau noch immer hält. „Lass mich helfen.“ Anders wartet auf ihre Reaktion und sieht nach der Türe, die ihr Leibwächter gerade versucht zu sichern. Sie zögert. Er lässt den Arm sinken. Ein Messer ist ihm ja immerhin geblieben.
Sich mit Banditen einlassen? Noch eine Frau? Nein, ein dünnes Mädchen steht nun in der Tür, mitten in seinem potentiellen Fluchtweg und starrt ihn an. Ob sie die Paschas kennt? Dimitrij? Yasrin? Die Anderen? Hat er sie schon mal gesehen?
„Anders ist mein Name. Drei Typen und eine Frau haben mich heute morgen überfallen. Einer hieß Dimitrij. Sie haben geklaut was ich hatte und mich zusammengeschlagen. Dann haben sie mich hier gelassen, so wie ihr mich gefunden habt. Keine Ahnung ob die noch in der Nähe sind. Ich hab gedacht der Große hier gehört vielleicht zu denen.“ Anders lehnt sich ein wenig an die nächstgelegene Wand. Er fühlt sich wie vom Lastwagen überrollt. Das der misstrauischen Truppe zu zeigen erscheint ihm für den Moment auch sinnvoll.