Als der Abend in Klauenhafen Einzug hielt, füllte sich die Gaststube des kleinen Wirtshauses rapide und Bolin hatte alle Hände voll, die hungrigen und durstigen Leute mit allerlei dringend Notwendigem zu versorgen. Diese geschäftige Zeit nutzte Felodin um letzte Vorbereitungen in der Stube zu treffen, ehe er sich etwas zurück zog.
Etwas später, nun da die meisten Teller bereits geleert waren, die Bäuche satt und gut gefüllt, und die Hände sich bereits zur Bestellung einer zweiten Runde hoben, tauchte der Halbelf langsam im Gastraum auf und bezog gemächlich seinen Platz gleich neben dem freundlich lodernden Feuer, welches alles in einem warmen Schein tauchte.
[1]Das Reisegewand hatte er gegen Hose und Wams aus schwarzem Samt getauscht, die bei jeder Bewegung des jungen Darstellers kräftige bunte Farben offenbarten, die geschickt in die zahlreichen Falten des Kostüms eingearbeitet worden waren. Lächelnd begrüßte er die Anwesenden und ließ seine Augen über die Menge wandern. Als sein Blick Sè`s kreuzte zwinkerte er der jungen Frau für den Bruchteil eines Herschlags verschmitzt zu, ehe seine Laute aus dem Schatten hervor auftauchte und er sie mit einem bestimmten Streich seiner Finger zum Erklingen brachte. Die ihm nun sichere Aufmerksamkeit nutzte der Geschichtenerzähler augenblicklich für eine begeistert vorgebrachte Vorstellung:
"Felodin werde ich genannt; Reisender in vielerlei Welten war ich! Gast von Fürsten und Begleiter von Helden! Und heute Nacht will ich euch, geschätzte Leute aus Klauenhafen, mit meiner Kunst erfreuen! Lehnt euch zurück - genießt, lauscht, singt und lacht ganz wie euch der Sinn steht!" Sich einen Humpen schnappend, prostete er seinem Publikum zu und nahm einen guten Schluck.
Die erste Zeit verbrachte der wandernde Schausteller damit die Neuigkeiten von Silbrigmond, Niewinter und Baldurs Tor zu künden. Und als letztes: Tiefenwasser! Ein Name, so bekannt und aufregend wie kaum ein zweiter in den Reichen! Lachend berichtete Felodin, das ein oder andere Gerücht aus der fernen Stadt. Und als besonderen Leckerbissen eine Begebenheit die sich erst kürzlich ereignet hatte. Eine bezaubernde, junge Dame aus Amn hatte einen der Prinzen des hohen Adels so bezirzt, dass er seinen Platz in der großartigsten aller Städte aufgab und mit ihr gemeinsam in ihre sonnige Heimat zurück kehrte. Sehr zum Verdruss seiner wohlfeilen Sippe, die schäumte und so gar nicht damit umzugehen wusste.
Diesen Teil des Abends schließlich zu einem guten Ende bringend, stärkte sich der Halbelf mit einem weiteren Zug aus dem Krug und streifte sich die dunkelroten, halblangen Haare aus dem Gesicht, ehe er die gute Laune nutze und zum nächsten Teil überleitete. Dem Gesang!
Bekannte Trinklieder zum Klatschen und Becher auf den Tisch schlagen, berührende Balladen, anzügliche Gassenhauer die einen fast von selbst zum vergnügten Mitgröhlen zwangen, unterhaltsame Spottgesänge, Lieder die von Heldenmut und Treue kündeten und alles was das Publikum wünschte und Kurzweil versprach.
Nachdem der letzte Ton verklungen war, strahlte Felodin sein Publikum an und wischte sich außer Atem den im Feuer glitzernden Schweißfilm von der Stirn und verkündete, dass es nach einer Pause mit einer Geschichte aus fernsten Landen weiter ginge.
Und tatsächlich. Als sich die Menschen wieder etwas beruhigt, die Blasen geleert, die Becher erneut gefüllt und wieder zu ihrem Platz zurück gefunden hatten, erschien der Halbelb erneut an seinem Platz. Es war nun schon spät geworden und das Feuer war mittlerweile ein gutes Stück herunter gebrannt und nicht alle waren bis zu diesem letzten Teil geblieben. Nichts desto trotz, klatschte der Geschichtenerzähler in die Hände und mehrere Kerzen im Raum entflammten gemeinsam und veränderten erneut die Stimmung im Wirtshaus.
Zwischen den Anwesenden herum gehend, begann Felodin nun seine Geschichte zu weben. Im fernen Calminshan, ward ein Pasha Herrscher der Stadt am Rande der hungrigen Sandwüsten. So stolz und arrogant war er, künden die Geschichten, dass niemand mit ihm sprechen durfte außer dem Großwesir. Und so entspann sich eine Erzählung von Hochmut, glühendem Stolz, dunkelstem Verrat und einem kleinen Schneiderlein, welches unschuldig in die Ränke des Wesirs hinein gezogen worden ward und nun um sein Leben fürchten musste.
Immer wieder unterstrich Felodin seine Worte mit in die Luft geworfenen Porträts der Charaktere. Der hackennasige Wesir, der tumbe Henker des Pashas, die schlaue Köchin die stets nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht war und viele mehr. Doch dabei beließ es Felodin nicht. Wenn es die Situation erforderte gab es einen kurzen, aufrüttelnden Windstoß oder es stoben unverhofft die Funken um seine Zuhörer zu überraschen oder noch tiefer in die Erzählung zu führen.
[2] Als das Schneiderlein nach vielerlei Verwechslungen, packenden Momenten und schlauer Rede seinen Kopf im letzten Moment vom Richtblock ziehen konnte und eilig mit Eseln reich bepackt aus der Stadt ritt während der grausame Wesir seinen Platz einnahm und die Geschichte damit ein gutes Ende fand, verneigte sich Felodin, der mitten zwischen seinen Zuhörern stand und strahlte in die ihn umgebenden Gesichter.
“Habt dank.“