Rhaan, im Jahr 998 nach Gründung des Königreichs, Far der 2. Woche, später Nachmittag
Schließlich klettert die Gruppe geschlossen auf Failins Fuhrwerk, das selbst unter Hammers Gewicht kaum spürbar ächzte.
Schließlich setzte sich das Gefährt mit einem mahlenden Rumpeln, das sich anhörte als würde Eberron selbst sich aus seinem ewigen Schlaf erheben, in Bewegung. Jetzt fiel den Gefährten auch auf, dass Failin nicht ganz ohne Vorsichtsmaßnahmen unterwegs war – verschiedene Banner, darunter auch eines, dass dem unlängst erworbenen nicht unähnlich war, hingen an dem Karren, um ansonsten aufsässige Hobgoblins davon zu überzeugen, dass bereits bezahlt worden war.
Die Räder des Fuhrwerks versanken zu einem Teil im Boden, und Dorin betrachtete angetan, wie sie über jede Unebenheit in der Straße glitten, ohne die Insassen auch nur im Mindesten durchzuschütteln.
Schließlich verließ das Gespann ohne Zugtiere Rhukaan Draal und überführ den Ghaal in Richtung Norden. Nach einer Weile verschwand Rhukaan Draal hinter einer Hügelkette und nur noch die endlos erscheinenden Kornfelder erstreckten sich im Sichtfeld der Reisenden. Wäre nicht hier dort ein tierisch aussehender Hobgoblinschädel zwischen den Pflanzen erschienen, der zu einem Bauern, der in der Spätnachmittagssonne schuftete, gehörte, hätte man sich auch in Breland befinden können.
“Drei Tage wird es dauern“, stellte Failin noch fest. Dann schwieg er.
Rhaan, im Jahr 998 nach Gründung des Königreichs, Zul der 3. Woche, Morgen
Die Idylle hatte sich als trügerisch erwiesen. Auch wenn in Darguun die Landwirtschaft florierte – nichts hatte dies mehr mit dem gemein, was einst das südliche Cyre gewesen war. Bis zum Tag des Klagens ein ewig umkämpftes Gebiet, hatte sich seit dem nicht viel geändert. Hier und dort standen Hütten, Höfe, Dörfer, die einst von menschlicher Hand erbaut worden waren. Die Humanoiden hatten sie wieder zusammengeflickt, das den zivilisierten Völkern innewohnende Gespür für Ästhetik und Komfort schien ihnen dabei jedoch nicht Eigen gewesen zu sein. Darguun war heruntergekommen und seine Bewohner warfen dem Wagen argwöhnische, manchmal feindselige Blicke zu.
Wenig später passierte man Sammelstein. Die riesige Festung stand wie ein monolithischer Fels in einer Brandung aus Zelten. “Haus Deneiths Fundgrube. Hier sammeln sich ihre Söldner und werden nach ganz Khorvaire ausgesendet. Ihr wisst schon – diese Söldner, die vor dreißig Jahren Cyre überrannt haben und nun hier die Felder bestellen…“
Was auch immer der Erbfolgekrieg mit sich gebracht hatte – an vielen Orten war die Veränderung drastisch und unübersehbar.
Rhaan, im Jahr 998 nach Gründung des Königreichs, Zul der 3. Woche, Mittag
Im frühen Morgen verließ man die Strasse und wendete sich nach Norden. Die Sonne wärmte die Glieder und vertrieb das beklemmende Gefühl, dass die Nacht hinterlassen hatte. Irgendwoher war stundenlang ein leises Wehklagen gedrungen, dass sich erst in der Morgendämmerung gelegt hatte. Failin deutete nach Osten und erläuterte kurz den Grund: „Lyrenton. Oder besser gesagt was davon übrig ist. Sehr nahe am Klageland. Der Ort macht krank. Und die Schrecken aus dem Nebel treiben sich dort herum, als ob etwas sie magisch anziehen würde. Daher kamen auch die Schreie in der Nacht. Wir halten uns fern.“
Failins Finger folgend konnte man in der Ferne nur ein paar dunkle Schatten ausmachen. Ob es sich um die Gebäude Lyrentons handelte – Failin schien es nicht herausfinden zu wollen.
Rhaan, im Jahr 998 nach Gründung des Königreichs, Mol der 3. Woche, kurz nach Sonnenuntergang
Failin hatte sich während der ganzen Zeit als äußerst dürftiger Gesprächspartner gewesen. Nun schien er jedoch etwas mitteilen zu wollen: “Rosenbruch – wir werden gleich ankommen – gehörte vor dem Krieg zu Cyre. Nun liegt es auf Darguun-Territorium. Haus Cannith gründete den Ort, als man hier eine große Ader roten Marmors fand. Sie brachten zwergische Bergarbeiter aus den Festen von Mror her um ihn auszugraben und abzubauen. Überall wo ihr Cannith-Architektur sehr, könnt ihr auf den Stein treffen – Sharn, Flammenfeste, Korth und sogar in Rhukaan Draal. Wahrscheinlich kommt der halbe rote Marmor ganz Khorvaires aus dem Steinbruch hier.“
Schließlich fuhr das Fuhrwerk über einen Hügel, und Failin stoppte.
“Merkwürdig. Hattet ihr ein paar Freunde eingeladen?“
Die Gruppe stieg aus dem Wagen und schaute von der Hügelkuppe hinab. Dort lag Rosenbruch. Der Steinbruch selbst musste mehr als eine Quadratmeile messen, und eine nur zu erahnende Tiefe haben. Über das ganze Plateau erstreckten sich die Reste des Ortes – alles schien niedergebrannt zu sein. Hier und dort ragten verkohlte Holzbalken in die Luft und ansonsten dominierten die Kamine und Fundamente der zerstörten Siedlung das Bild.
Und noch eine Merkwürdigkeit drängte sich auf: Trotz der sommerlichen Wärme schien es so als ob das ganze Plateau unter einer glitzernden Schicht aus Eis begraben sei in der sich die aufgehenden Monde Eberrons widerspiegelten.
Eine einzige weitere Lichtquelle war im Tal auszumachen. Ein großes Feuer brannte im südlichen Teil des Dorfes. Vier Zelte waren rundherum aufgebaut und vereinzelt konnte man sehen, wie Personen sich in dem Lager hin und her bewegten.
Ethan schaute eine ganze Weile angestrengt hinunter und sagte dann:
“Ich zähle 16 Pferde, 2 Karren und mindestens sieben Personen – nein, dort im Schatten stehen noch zwei… Skelette! So wie man das bei dem schlechten Licht sagen kann, tragen die anderen Kettenpanzer und Helme. Und die Helme scheinen halb geschlossen zu sein. Irgendwie sehen sie merkwürdig aus. Als ob sie etwas Besonderes darstellen sollten. Jedenfalls tragen alle die gleichen Rüstungen…“
“Still", Unterbrach Rigana den jungen Mann im selben Moment. “Hört ihr das auch?
Alle lauschten eine Weile angestrengt. In der Tat schien vom Steinbruch in regelmäßigem Abstand ein singender Ton herüber zu finden. Als würde jemand mit einer Spitzhacke auf Stein schlagen, dachte Hammer.