Als sich Kiran mit raschen Schritten den Steinen nähert, wird er von ihrem Licht stark geblendet. Bevor sich weitere der Flugkreaturen auf ihn stürzen, reckt er den Arm und greift nach dem erstbesten Objekt. Als sich seine Finger darum schließen, durchfährt ihn ein brennender Schmerz, so als würde er glühendes Metall umklammern. Sternengleiches Licht flutet durch seine transparente Hand - die Knochen unter der Haut zeichnen einen dunklen Kontrast zum gleißenden Strahl. Und dann verbrennt er. Die Haut seiner Finger fängt Flammen und schält sich ab wie poröser Papyrus. Der Geruch seines eigenen lodernden Fleisches zieht ihm in die Nase, wandelt sich aber binnen Sekunden in den Gestank von Asche und Ruß, als sein kompletter Unterarm zu schwarzer Kohle verbrennt. Kiran schreit, ohne sich selbst zu hören, doch er lässt aus Gründen, die tief in seinem Unterbewusstsein wurzeln, nicht los.
[1] Als sein Verstand ebenso zu zerfallen droht, wie sein poröser Arm, taumelt er wie trunken mehrere Schritte zurück. Kalter Schweiß läuft ihm in Strömen die Stirn hinab, als er auf seine Glieder starrt. Nichts. Seine Hände sind heil und in der zur Faust geschlossenen Rechten hält er den aus der Formation gerissenen Regenbogenstein. Es ist der Gelbe, nun vollständig erloschen, so als wäre es nur ein bemalter Stein...
Yalena wehrt sich etwa zur gleichen Zeit gegen ihren bärenstarken Kameraden. Ihre Hände und Arme suchen vergeblich nach Schwachstellen, kratzen und schlagen ohne Wirkung auf Gesicht und Körper des Tharagiers ein, der ihr mit ausdrucksloser Miene so nahekommt, dass sie seinen Atem spüren kann. Während sich die mächtigen Finger immer tiefer in ihre Kehle drücken, verlassen sie mehr und mehr die Kräfte. Die Welt verliert ihre Konturen und weicht zum Rand ihres Blickfeldes dunklen Schatten, die sich immer enger zusammenziehen. Dies ist das Ende. Getötet von einem Mann, der ihr schon mehr als einmal das Leben rettete. Getötet von einem Freund...
Für Yalena kaum wahrnehmbar erhebt sich im Hintergrund Kirans geheulter Schmerzensschrei über die allgegenwärtige Kakophonie aus tosendem Wasser und plärrenden Kreaturen. Als wäre es ein Signal, lässt Einar plötzlich von ihr ab, steht auf und dreht sich um.
[2] Yalena hustet rau und schnappt gierig nach Luft. Eine ihrer Hände wandert unwillkürlich zum gemarterten Hals. Sie ist noch da; sie lebt! Doch sie hat nicht mehr viel in sich, wenn es zu einer zweiten Runde kommen sollte. Einar widmet ihr aktuell jedoch keine Aufmerksamkeit, sondern starrt zur nun unvollständigen Steinformation - dann hinüber zu Kiran. Ohne weiteres Zögern sprintet er auf den Bestienmeister zu.
[3]Kiran bemerkt den Angriff des Tharagiers erst verspätet, denn kaum hat er sich halbwegs von seinem Schock erholt, stürzen sich auch schon mehrere der Flugkreaturen auf ihn. Für einen Moment wird der Bhangari aus der Luft angerempelt, wie von lebenden Geschossen. Klauen und Mäuler schnappen nach ihm und er taumelt davongedrängt mal in die eine, mal in die andere Richtung. Verzweifelt schwingt er seinen Dolch mit der Linken, während er mit der Rechten fest den Stein umklammert. Und obgleich er mehrfach getroffen wird, bleibt das Glück ihm hold: Einige Attacken prallen gegen das, was ihm von dem abgestreiften Brustpanzer noch verblieben ist, andere kann er mit seiner Waffe im Keim ersticken, während weitere nur harmlose Schrammen sowie blutende Kratzer verursachen, die in seiner Situation kaum der Rede wert erscheinen und die er aktuell nicht einmal ansatzweise spürt.
[4] Als sich die Biester nach ihrem Sturzangriff wieder erheben, erblickt Kiran in einer kurzen Sekunde des Verschnaufens endlich das viel größere Problem, das ihm mit mächtigen Schritten und absolut toten Augen entgegen sprintet...
Anderswo:
Der Hüne verzieht spöttisch das Gesicht. "Erkennst du dich nicht, Tharagier?!" Er macht einen Schritt nach vorne und blickt auf die Großaxt seines Gegenübers, die seiner eigenen gleicht. "An diesem Ort bist du mir nicht gewachsen, Barbar." Er schmunzelt und spielt mit dem Schaft seiner Waffe, wendet das mächtige Blatt, das Einar einst selbst schmiedete. "Wer ich bin?!" Er schnaubt belustigt, antwortet aber nach kurzem Zögern, um einem inneren Drang zu folgen, den viele Mächtige verspüren...
"Du kennst mich. Du kennst mich als ein Flüstern in deinem Kopf, das dich auf die richtigen Pfade leitete. Du kennst mich als das Feuer, das die Schatten der Verräter und Diebe vertrieb. Du kennst mich aus den nachgeplapperten Überlieferungen eines alten Schamanen. Und du kennst mich von den Malereien meines entweihten Hortes, dessen Schätze du stahlst... Du kennst mich! Und ich kenne dich - Einar, Sohn von Skarr. Ich kenne dein Land, deine Sprache, dein Leben... Ich kenne alles was du bist und zu sein begehrst, denn ich besitze dich! Deinen Körper und deinen Geist! Das, was du glaubst zu sein, ist nichts weiter als das letzte Flackern eines niedergebrannten Feuers!" Er macht einen weiteren Schritt nach vorne, die Axt zum Kampf erhoben. "So kämpfe, wie es deine Art ist! Und scheitere, so wie du es immer tust, wenn dir deine Kraft nicht helfen kann!"
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