Victor gelang es mit seinen Worten und natürlich auch durch die Unterstützung der anderen tatsächlich, das Ehepaar sichtbar zu beruhigen. Bei Svetlana war das nicht schwierig, schließlich musste er ja nur auf ihre Frage oder Bitte eingehen. An Oleg heranzukommen, war da schon schwieriger, aber er traf offenbar genau den richtigen Nerv und man merkte auch bei ihm langsam einen Umschwung zur Freundlichkeit. Gut, man musste schon sehr genau hinschauen, aber es war zumindest ein Anfang.
Während des Abendessens, Svetlana bestand nun wirklich darauf, dass sie ihren Eintopf kosten mussten, und es wurde auch Wein und Bier aufgetischt, erzählten die Lewetons noch mehr über die aktuellen Umstände mit den Banditen. Auch wenn es eher bodenständig war, das Essen schmeckte einfach hervorragend. Svetlana war offensichtlich eine geübte Köchin. Komplimente darüber zauberten auch schnell ein Lächeln auf ihr hübsches Gesicht. In ihrer Begeisterung meinte Svetlana noch, dass sie unbedingt mal wieder ihre Mondradieschensuppe kochen sollte, wenn sie doch nur die passenden Zutaten dafür hätte.
Varis Frage nach einem etwas offeneren Lagerplatz traf zu seinem Erstaunen nicht auf die erwartete Verständnislosigkeit. Gerade Oleg schien dies sogar für einen recht sympathischen Wesenszug des Waldelfen zu halten. Am Stall oder auch an der Palisade würde sich schon ein geeignetes Plätzchen finden.
Zu der Bemerkung mit den Feenkreaturen konnten die beiden allerdings auch nicht viel konkretes beisteuern. Gerüchte gab es natürlich. Tiefer in den Hügeln im Süden sollte es wohl einen Koboldstamm geben, das sind zwar keine Feenwesen aber immerhin, und Winzlinge plagten die Gegend auch immer wieder einmal, auch wenn sie nicht so schlimm waren wie die Banditen. Die hatten sicher auch irgendwo ein Nest.
Das Hauptthema des Abends waren aber die Banditen selbst.
Sie tauchten vor drei Monaten zum ersten Mal am Handelsposten auf. Zuvor gab es natürlich immer wieder einmal Berichte von den herumstreifenden Jägern und Fallenstellern, aber das war neu. Sie drohten damit, die Gebäude niederzubrennen und Svetlana zu entführen, wenn die Lewetons ihnen nicht alle ihre Handelswaren übergeben würden. Sie hatten keine Wahl. Man merkte deutlich, wie sehr dies den stolzen Oleg getroffen haben musste, dass er seine Svetlana gegen diese Gefahr nicht anders beschützen konnte.
Seitdem sind die Banditen regelmäßig erneut aufgetaucht, um ihre "Steuern" einzutreiben, immer in den ersten Tagen jedes Monats. Die Lewetons rechnen jeden Tag mit einem erneuten Besuch. Da ihnen keine andere Wahl blieb, gaben sie den Räubern immer was sie verlangten. Sie vermuteten, aufgrund verschiedener Bemerkungen, dass es irgendwo innerhalb eines Tagesritts ein Camp der Banditen geben musste.
Bei ihrem ersten Besuch waren es ein Dutzend von ihnen. Zehn Schlägertypen, die von einem Bogenschützen mit Kapuzenumhang angeführt wurden und von einer wilden Frau, die zwei Handäxte mit sich führte. Sie war es auch, die die meiste Zeit über geredet hatte und ihre grausame Art und ihre Scherze, die für die beiden Händler wirklich alles andere als lustig waren, hatten Svetlana nachhaltig verängstigt. Sie schien auch der Kopf der Bande zu sein und gerissen, während der Mann eher grob und töricht wirkte. Einmal hatte sie sogar damit gedroht, Oleg die Hand mit einer ihrer Äxte abzuschlagen, und das auch sehr bildlich vorgeführt. Als Ausgleich dafür, dass sie davon nocheinmal abgesehen hatte, nahm sie dann Svetlanas Ehering von ihrem Finger und warf ihn einem ihrer Leute zu. Das machte die junge Frau natürlich auch alles andere als glücklich, auch wenn sie sagte, dass es ja nur ein kleines Opfer sei im Vergleich zu den Dingen, die die Frau ihnen sonst noch angedroht hatte.
Bei den nächsten beiden Besuchen waren es nur noch der Kapuzenmann mit erst sechs und dann sogar nur vier weiteren Banditen. Offensichtlich waren sie sich ihrer Sache mittlerweile sehr sicher und glaubten, dass die Lewetons hinreichend eingeschüchtert waren. Das würde bei ihrem bald anstehenden Besuch sicher auch nicht anders sein.