"Das klingt doch schon ganz gut", lobte Milo den kleinen Drachen. "Überhaupt, wenn sich einer so redlich bemüht wie du, dann wird Nubnefer das wohl anerkennen. Nur die frechen Burschen, die es gar nicht erst versuchen, denen bringt er gern Manieren bei." Dann grinste und zwinkerte er, damit letzteres nicht etwa wie eine Drohung klang.
Ob Nubnefer wohl gerade zuhörte? Milo wagte es nicht nachzusehen, ob ihm aus dem großen Sonnenstein seines Amulettes ein Auge entgegenblickte – und er war sich auch gar nicht sicher, ob dies wirklich ein verlässlicher Indikator war in dem Sinne, dass er sich in Abwesenheit des spähendes Auges tatsächlich unbeobachtet und unbelauscht wähnen durfte. Überhaupt wusste er noch nicht viel über seinen Mentor und dessen Arbeitsweise, Mächte oder Ziele, noch wie er ihn kontaktieren sollte, wenn es einmal dringend war. (Für weniger dringliche Fälle gab es in ihrem Studierzimmer eine Schale, darin konnte Milo Briefchen hinterlegen, mit denen Nubnefer sich dann zu gegebener Zeit befasste. Nun ja, er war eben kein Dschinn. Hast und Eile waren sein Ding nicht.)
Anders als die beiden Feenwesen schien der Rest der Gruppe sich schwer damit zu tun, Milos Offenbarung zu verdauen. Ihm kam der Gedanke, dass sie womöglich gar nicht wussten, was ein Shaitan war. Auch Dschinne waren hierzulande vielleicht gar nicht bekannt oder verbreitet.
"Shaitan, das ist einer der Dschinne, die ich bereits erwähnte", erklärte er daher. "Die sind bei uns in Osirion und den Nachbarländern recht verbreitet. Also zumindest bevölkern sie unsere Geschichte und unsere Sagen in großer Zahl, auch wenn es heute sicherlich nur höchst selten vorkommt, dass man einen leibhaftigen Dschinn zu Gesicht bekommt. Also strenggenommen heißen sie Genii, oder Genien, und wer da jetzt sogleich an genii loci denkt, liegt ganz richtig. Es handelt sich um ortsgebundene, oder besser territoriale Elementargeister. Dschinne, im strengen Sinne, sind jene, die sich dem Element der Luft verbunden fühlen, Ifrit dem Feuer, Mariden dem Wasser, und Shaitani der Erde. Somit leuchtet auch sofort ein, dass ein Archäologe sich einen Shaitan als Lehrmeister sucht, und umgekehrt dieser einen Archäologen als Lehrling. Das Erdreich mit all seinen vergrabenen Geheimnissen ist das verbindene Element. Und bei einer Grabung haben Nubnefer und ich uns dann auch getroffen. Die Ruine war instabil... ein leichtes Beben erschütterte den Boden... alles stürzte auf mich herab... Nubnefer hat mir damals das Leben gerettet."
Ach, verflixt, da hatte Milo sich so bemüht, das Verhältnis zu seinem Mentor so normal und unspannend wie möglich klingen zu lassen, da rutschte ihm das jetzt zum Schluss heraus. Die Sache mit der Lebensrettung klang, wie Milo sie so aussprach, dummerweise allzu sehr danach, als stünde er auf immer in Nubnefers Pflicht und Schuld – was dieser sicherlich auch so sah, aber das musste man ja nicht jeder neuen Bekanntschaft auf die Nase binden. Also schnell so gut als möglich relativieren!
"Dafür habe ich etwas für ihn wiedergefunden, das er vor über dreitausend Jahren verloren hatte! Da war er auch sehr glücklich darüber. Auf einem derart guten Fuß startet nicht jede neue Bekanntschaft!"