Milo blickte unglücklich auf den toten Winzling. Diese neue Entwicklung behagte ihm gar nicht, so vorhersehbar sie (im Nachhinein) auch erscheinen mochte. Invasoren. Wie anders hätten die Winzlinge es verstehen sollen, wenn solche (in ihren Augen) Riesen ungebeten in ihr Heim drangen. Und nun war die Befürchtung ja auch bestätigt: der erste Winzling lag tot auf dem Boden. Den Rest würde man nun wohl auch... abschlachten müssen. Nein, Milo war gar nicht glücklich.
"Wollen wir wirklich... ?" fragte er hilflos.
"Wegen eines gestohlenen Ringes...?" Leicht verärgert fügte er in Calxus Richtung hinzu:
"An Kommunikation kann nur interessiert sein, wer unsere Sprache versteht..."Dennoch traute sich Milo nicht, gegen den Vorschlag des Drachengeborenen zu streiten. Noch fühlte er sich in dieser Runde allenfalls geduldet, keinesfalls als volles Mitglied akzeptiert und erst recht keines, das der vorherrschenden Meinung widersprechen dürfte...
"Unsere Verhandlung mit den Kobolden wird dadurch auch eher schwerer", brachte er wohl seine Bedenken vor.
"Womöglich hätten sie uns, als Gegenleistung für unsere Anliegen, darum gebeten, sie gegen die Winzlinge zu unterstützen. Nun, wenn wir ihre Feinde schon vorher und ganz umsonst aus dem Weg geschafft haben, warum sollten sie uns da noch einen Gefallen im Gegenzug erweisen?"Doch natürlich folgte er den anderen, als diese weiter in den Bau der Winzlinge vordrangen. Allerdings fiel es ihm umso schwerer, je tiefer sie vordrangen. Seit dem Einsturz, bei dem er seine Anisyah verlor, hatte er keine Höhle, unterirdischen Gang oder Gewölbe mehr betreten. Panik stieg in ihm auf. Jeder Erdklumpen, der sich von der Decke löste, weil er vielleicht mit dem Kopf dagegen gestoßen war, ließ seine Gewissheit anwachsen: jeden Moment stürzt alles auf uns herab! Der Bau ist für Winzlinge gedacht, nicht für Riesen wie uns! Von diesem schrecklichen Gedanken befangen – mehrmals musste Milo anhalten, weil ein Zittern seinen ganzen Leib erfasste – kam er als letzter in die nächste Höhle, und wurde auch jetzt so recht erst auf die Schmerzensschreie aufmerksam.
Die letzten Schritte rannte Milo, um aufzuholen. Ein Blick in die Höhle zeigte ihm viele Gegner auf engstem Raum. Und einen Kobold, den man womöglich noch retten konnte! (Hurra! Das moralische Dilemma war gelöst: als Retter drangen sie hier ein, nicht als Schlächter und Eroberer!) Jedenfalls konnte es nur ein einziges wildes Handgemenge und -gedränge geben. Und seine stärksten Zauber würde Milo nicht einsetzen wollen, ja, sogar sein Eldritchgeschoss nur ohne den extra Wumms einsetzen aus Furcht, dass hier sonst die Decke auf sie alle herabstürzte.
Er packte also seinen Säbel fester und schnippte mit der Linken einmal über seinem Kopf, wobei er laut
"dir'alsaki!" rief. Kurz stand er von wirbelnden Schneeflocken blickdicht umhüllt da, dann verpuffte der Schnee zu einem feinen Sprühregen, doch seine Kleidung, Gesicht, Hände und Säbel waren darauf mit Frost überzogen.
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