Tag 12 des Abenteuers: 32. Myradane 1382, Tempeltag der Karlswoche
Von hier und da schallten die Glockenschläge heran. Mitternacht war es, der Tempeltag begann und damit der 4te Tag der Festwoche. Ob es ein gutes Omen war, fragte sich Tabor, welcher vor der Gaststätte wartete. Seine Freunde bereiteten sich drinnen auf den nächtlichen "Ausflug" in den Wald vor. Sie wollten die Gegend nur erkunden, herausfinden wo genau das Versteck der Rugarer sich befand, wie es gesichert war, wieviele der Kultisten sich dort aufhielten. Hoffentlich ging alles so harmlos vonstatten wie sie es sich erhofften. Mit Lizk, Farin und Valeria hatten sie gute Kundschafter dabei. Er und Hacathra würden sich ein wenig zurück halten müssen, um die Sache nicht zu verraten. Eigentlich konnte Tabor nur hoffen dass sie beide gar nicht zum Einsatz kamen in dieser Nacht, denn sie sollten nur als Rückendeckung dienen. Für den Fall ... das etwas schief ging.
Wenn er seine geliebte Elvira zücken musste heut nacht, dann war etwas anders gelaufen als erwartet. Und dies bedeutete nichts gutes, wie er in den letzten Tagen immer wieder feststellen musste.
Hacathra, Lizk, er und die anderen waren nun wahrlich keine Anfänger mehr. Jeder von ihnen hatte viel erlebt und überstanden. Ihre Waffen und magisches Repertoire waren beeindruckend. Und doch hatten die Rugarer in den vergangenen Tagen immer wieder gezeigt dass man sie nicht unterschätzen durfte. Viele von ihnen waren wahnsinnig und daher unberechenbar. Aber sie hatten zum Teil sehr beeindruckende Fähigkeiten und ein magisches Artefakt in den Händen eines unbedarften Laien konnte ebenfalls großen Schaden anrichten.
Wenigstens würde alles sich im Walde zutragen und ein Fehlschlag keine Zivilisten gefährden.
Mit Schaudern dachte er an den Elfenball, das Chaos welches dort ausgebrochen war als diese Schattenalfinnen ein Tor zur Hölle aufgestoßen hatten. Valeria, Hacathra und Lizk hatten das Ganze nur mit Glück überstanden. Die Elfenpaladina hatte es sogar geschafft, die Anführerin der Schattenalfen schwer zu verletzen bevor diese sich dem Zugriff entzog. Mehr als 50 andere Gäste hatten weniger Glück und selbst die Tochter des Hausherrn hätte den Abend ohne Lizks Eingreifen nicht überstanden. Die Hintergründe dieses Überfalles waren bis jetzt nicht einmal zu erahnen.
Sie hatten Erfolge erzielt. Den Angriff eines Dämonen abgewehrt, ihn später in eine Falle gelockt und vernichtet mit Hilfe des weißen Dämonologen Androphias und des Dämonenjäger Dr. Klausen. Ein Tempel der Rugarer zerstört, weitere Rugarer gefangen. Doch jedesmal wurden neue Fragen aufgeworfen. Was steckte hinter all den Ereignissen? Was planten die Rugarer ? Gab es den befürchteten Mastermind hinter all den Aktionen ? Eine Vision hatte Tabor gezeigt dass Kassandra in Gefahr war, die Rhyltantemplerin, welche in Rangoon wie eine Volksheldin verehrt wurde und deren Sohn der zukünftige Hohepriester der Kirche der Heilgöttin Schajune werden sollte. Hoffentlich konnte er sie beschützen.
Und neben den großen Problemen dieser Welt gab es noch die kleinen zu lösen. Da war Felicitas. Der Streitkolben, den sein sterbender Freund Zaxarus ihm in einer anderen Welt anvertraut hatte, stellte deutlich klar, dass er die junge Frau als neue Trägerin auserwählt hatte. Doch sie hielt nichts davon. Er konnte es ihr nicht einmal verdenken. Ihr Vater Androphias diente seit Jahrzehnten dem Guten, wie Tabor es verstand. Und dabei riskierte er nicht nur Gesundheit und Leben sondern auch seine Seele.
Er weiß um die Bedeutung und den Wert der Seele und gerade deshalb riskiert er sie immer wieder um die Seelen seiner Mitbürger zu schützen. hatte jemand Tabor dazu erklärt. Ein Weg den Tabor verstand, er hatte ihn selber gewählt. Aber kein leichter Weg. Und ihre Mutter war selber eine Auserwählte der Götter gewesen und in Erfüllung ihrer Pflicht - wie es so schön und irgendwie unbarmherzig hieß - gestorben.
Und wenn all dies geklärt war blieben die Fragen: warum war er hier ? Was war seine Aufgabe ? Wie sollte er sie erfüllen.
Tabor seufzte.
Äängk. Du bist tot.
Eine schmale aber kräftige Hand drehte die Nase des Zwergen um. Innerlich schalt Tabor sich einen Narren als er blitzschnell herum fuhr. Die Hand welche Elvira zücken wollte hielt in der Bewegung an, als er Bruder Agostino erkannte. Auf diesen hatte er ja an sich gewartet, während er unter dem klaren Sternenhimmel allen möglichen Gedanken nach hing. Die Hand gehörte einem Mädchen. Eine Weile musste Tabor überlegen bis ihm ihr Name einfiel: Tamara.
Sie hatte beim Bogenschießenturnier nicht nur erstaunliches Talent gezeigt sondern auch blitzschnelle Reaktionen und ein rasches, kaltblütiges Handeln wie er es bei den wenigsten Veteranen erwarten würde die dreimal so alt waren.
Begleitet wurden die beiden noch von zwei Männern in den Dreißigern. Erst irritierte Tabor die praktische Kleidung da er sie zuvor nur in Uniform erlebt hatte. Dann entsann er sich, dass beide zu den Schiedsrichtern beim Turnier gehört hatten. Soweit er sich erinnern konnte waren die Beiden gute Leute mit scharfen Augen und dem Vermögen schnell und gezielt zu handeln. Bruder Agostino hatte offenbar eine gute Wahl getroffen.
Rasch führte er die Vier hinein, wo Hacathra, Lizk, Valeria und Farin gerade die letzen Sachen einpackten ...