Wie alles beginnt...
Blau, überall Blau. Unten das Grau-Blau der See des Sternenregens, unruhig, schäumend, und doch unendlich weit erscheinend. Oben das tiefe, helle Blau des Himmels, nur unterbrochen von einigen dicken Quellwolken, die der stetig wehende Wind vor sich her trieb. Dieser Wind war es auch, der die Segel der "Stolz von Alaghôn" blähte und die kleine Pinasse ihrem Ziel an der Küste des riesigen, mitten in Faerûn gelegenen Meeres näherbrachte. Der "Stolz von Alaghôn".... ein hochtrabender Name, dem die Pinasse kaum gerecht werden konnte. Hunderte Male geflickte Segel hingen von den mindestens ebenso oft reparierten Masten, dem Rumpf sah man nur zu gut an, dass er schon viele Wassereinbrüche hinter sich hatte, und doch befuhr dieses Schiff immer noch die Meere...
Mehrere Wochen ist es nun her, dass Gaerdin auf der kleinen Handelspinasse angeheuert hat. Seitdem ist er schon viel herumgekommen: Von Thesk, seiner Heimat aus, ging es nach Lyrabar, nach Tantras, Yhaun, Selgaunt und noch viele weitere Städte fuhr das Handelsschiff an. DIe Arbeit war hart, besonders für einen Gnom unter so vielen Menschen, die die See des Sternenregens als Seeleute befuhren, und mehr als einmal musste sich Gaerdin den beißenden Spott des Kapitäns, ein raubeiniger, einäugiger Mann mit einem Oberkörper so breit wie ein Fass, gefallen lassen. So auch an diesem schicksalhaften Tag, an dem Gaerdin einen weiteren, frierenden und zitternden Gnom anschleppte. Der Kapitän hatte zuerst lauthals gelacht, doch war der schmächtige Gnom mit dem merkwürdigen metallischen Ding am Gürtel bereit für eine Passage nach Freihafen zu bezahlen. Die Aussicht auf Gold ließ die Augen des Kapitäns gierig glitzern, und so akzeptierte er Lundal an Bord. Und dessen Anwesenheit machte sich schnell bezahlt, als der Gnom nach einem heftigen Sturm fast im Alleingang sämtliche Schäden reparierte...
Über all das denkt Gaerdin nach, als er nach einem langen Tag harter Arbeit an der Reling lehnt. Wobei "lehnt" wohl eher der falsche Ausdruck ist, kann doch der Gnom kaum sie hinwegsehen. Einen halben Tag würde es wohl noch dauern, bis sie in Suzail wären, hatte der Kapitän verlauten lassen. Dort würde die in Selgaunt aufgenommene Ladung - schwere Fässer gefüllt mit dem berühmten sembischen Wein und allerhand Kisten mit Töpferwaren - gelöscht und anderes aufgenommen. Von Suzail aus sollte es nach Alaghôn gehen, und von da aus - endlich! - nach Freihafen....
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Der unendlich lang erscheinende Marsch scheint nun endlich ein Ende zu haben, als die dicken Stadtmauern von Suzail am Horizont auftauchen. Adrian und Talvra, die beide als bewaffnete Begleiter einer Handelskarawane aus Baldurs Tor in Diensten eines reichen Kaufmanns stehen, atmen erleichtert auf. Sobald sie in Suzail waren, würde ihr Dienst enden und sie wären wieder ihre eigenen Herren. Merkwürdig ist es ja schon gewesen: Zwei Menschen aus Tiefwasser, beide auf dem Weg nach Freihafen, fast quer durch Faerûn. Und das konnte kein Zufall sein! Oder doch? Tymoras Wege sind manchmal unergründlich, das weiß auch Talvra, der sich Oghma, dem Herr des Wissens, verschrieben hat.
Kurz bevor sie die Stadt erreichen, werden Adrian, der erhaben wirkende junge Mann mit den beiden gekreuzten Kurzschwertern, und Talvra zu ihrem Herrn gerufen.
„Unsere Reise endet bald. Ihr habt mir gute Dienste erwiesen,“ beginnt der feiste Mann, dessen breites, mehrere Goldzähne enthüllendes Grinsen fast eingemeißelt scheint, „Wollt ihr mir nicht auch auf meinen weiteren Reisen zur Seite stehen?“