Mol, 2. Dravago, 999 YK
Es ist ein Abend wie vieler im Wilden Hund. Und doch, er ist anders. Die letzten Nächte des Eyre waren unnatürlich finster, und das Gerücht, dass in den Minen Arbeiter vom Schatten verschlungen wurden, hält sich wacker in den Gesprächsrunden der Ärmsten und Armen in der schäbigsten Absteige Diamantsees.
Während in der Grube zwei magere, aber hungrige Hunde kläffend übereinander herfallen, haben an einem Tisch in der Ecke zwei Gestalten Platz genommen, die ein ebenso elendes Bild abliefern, wie der Rest des Publikums. Doch unterscheiden sich die beiden deutlich in ihrem Aussehen. Der eine ist ein großer, breitschultriger Mann, fast noch ein Junge, der andere ein graubärtiger Gnom, der den Menschen bereits um ein vielfaches überlebt haben dürfte. Beide eint jedoch die Tatsache, dass sie offenkundig vor Kurzem in eine wüste Schlägerei verwickelt wurden – und kräftig einstecken mussten. Während man sich bei dem Gnom ob seiner Kleidung und seines Auftritts sich nicht so recht vorstellen mag, wie er in ein Handgemenge verwickelt werden könnte, stellt sich bei dem doppelt so großen Mann eher die Frage, wie seine Widersacher nun wohl aussehen mögen.
Doch diese beiden sind nur ein Anblick unter vielen. Unweit von ihnen sitzt eine andere Gruppe von Männern um einen hünenhaften Halbork geschart. Diese ungewöhnliche Gestalt – ein Albino – hört auf den Namen Kullen, und ist im Wilden Hund bestens bekannt – und gefürchtet. Er und seine Crew von kriminellen Schlägern gehören eindeutig zum Bodensatz von Diamantsees Gesellschaft. Dass sie für Balabar Smenk, den reichsten Minenbesitzer der Stadt arbeiten, wirft kein besseres Licht auf die Zustände, die wenige Jahre nach dem Ende des Kriegs in Diamantsee herrschen. Obwohl dies naheliegend wäre, scheinen Sie mit den beiden Opfern der Schlägerei nichts zu tun zu haben. Zumindest würdigen sie diese keines Blickes, sondern beobachten eine andere Gruppe, welche im Messerwerfen wetteifert.
Tiira ist eine Abenteurerin aus Sharn, der Stadt der Türme, der größten Metropole Khorvaires, der Stadt der Städte, dem heimlichen und selten erfüllten Traum eines jeden Jugendlichen Diamantsees, der an klaren Tagen die Silhouette der gewaltigen Türme Sharns, weit im Süden Brelands, von den Klippen auf denen der heruntergekommenen Ort liegt, zu erahnen versucht. Doch nur wenige können das Geld für die Reise fort aus Diamantsee aufbringen oder haben den Mut sich auf einem der Erztrasporter, die den Dolchfluss hinterfahren, zu verstecken, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Diese Tiira steht nun dort, lachend, in einer Gruppe von Männern, die versuchen, Sie im Wettkampf zu schlagen. Doch in den Tagen seit sie und ihre Gefährten in Diamantsee angekommen sind, hat das noch niemand geschafft, während die brünette Elfe einen Mann nach dem anderen um den Finger gewickelt hat. Die drei Abenteuer, die Elfe und ihre Begleiter, die laut dem Tavernengeschnatter wohl Khellek und Auric heissen, sind vor einigen Tagen nach Diamantsee gekommen, um eins der vielen alten Gräber in der Umgebung, das „Blutmückengrab“ zu untersuchen. Khellek scheint ein Magier von gewissem Können zu sein, Auric ein mächtiger Krieger und der Träger des sogenannten Heldengürtels der Arena von Sharn.
Doch was auch immer dieser Gürtel sein mag, selbst der Gedanke daran diesen zu tragen, dürfte an diesem Abend den meisten Anwohnern Diamantsees im Wilden Hund nicht einmal in ihren wildesten Träumen als erreichbar erscheinen. Diese beschäftigen sich lieber mit den naheliegenden Geschichten und die beste scheint gerade das ungleich aussehend, aber gleichermaßen verprügelte Pärchen in einer Ecke der Kneipe zu sein. Dieses hat mittlerweile die Aufmerksamkeit einiger Jugendlicher, die vielleicht fünfzehn oder sechzehn Sommer erblickt haben, auf sich gezogen, welche trotz der späten Stunde noch bei schlechtem Bier zusammenhocken. Wenig verstohlen blicken Sie zu den beiden hinüber und lachen ein ums andere Mal...