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Kribbelnde Schmerzen, stechend und brennend, durchzogen ihren Rücken. Das aberrante Drachenmal peinigte ihre Trägerin diese Nacht besonders und sie konnte keinen Schlaf finden.
Wie so oft, wenn sie Sorge und Stress empfand, begann auch die Haut um das Mal zu erröten und sich zu entzünden.
Mit pochendem Kopf legte die Drachenmalträgerin ihre Bettdecke beiseite und erhob sich, um mit einer magischen Silbe eine Kerze zu entzünden.
Sie musterte sich vor dem großen Silberspiegel in ihrem Schlafzimmer. Trotz des mittleren Alters war ihr Körper der, einer jungen schönen Frau und ihr melancholisches, zartes Gesicht wie aus Elfenbein gemeißelt. So mancher Mann ist dem Anblick dieser Frau verfallen. Legte sie jedoch ihr Gewand ab, wurde ihr schönes Antlitz durch jenes blutrote Mal gestört, welches von der Taille, über Nacken und Hals, bis zum Haaransatz verlief. Wie ein eingenähter Fremdkörper wirkte es. So oft war es entzündet und trotz des verschwommenen Blickes, konnte die Frau eitrige Pusteln an dem schmerzendem Muster ausmachen.
Während sie sich so betrachtete, glitten ihre Gedanken wieder in die jüngste Vergangenheit. Sie hatte anderen Schaden zugefügt, anderen die nichts Böses im Schilde führten. Dabei wollte sie selbst nur helfen und nun war sie in Machenschaften verstrickt, aus denen es kein Entrinnen mehr gab.
Sollte sie Karrnath verlassen und all das, wofür sie gekämpft hatte aufgeben?
Es schien naheliegend – ihre Pläne waren einfach gescheitert. Der Zirkel musste sich nun zurückziehen und aus dem Schatten weiter agieren. Hätte der Zirkel ihrem Wunsch zugestimmt?
Was wäre aus ihrem Kind geworden? Wäre es in Aundair zurechtkommen? Wenn es einmal älter sein würde, hätte es die Entscheidung seiner Mutter akzeptiert?
Plötzlich zuckte die Frau unruhig zusammen, als sie scheppernde Stiefelschritte durch das geöffnete Fenster wahrnahm. Im unterem Stockwerk, am Eingang hämmerte jemand mit metallenem Handschuh gegen die Tür.
„Im Namen der Wacht und des Stadtrats, öffnet diese Tür.“
Die Frau wurde fahl und bleich. Es war noch zu früh, um zur Rechenschaft gezogen zu werden. Während sie sich rasch eine Robe überstreifte, wurde bereits die Tür unten eingetreten. Hastig murmelte sie eine Formel und öffnete die Fensterladen an der Südseite, um mit einem Satz hinaus zu springen.
Sie fiel jedoch nicht, sondern schwebte gemächlich in Richtung des sternenklaren Nachthimmels, an dem zwölf Monde ihre Bahn zogen und der Siberysring schwach leutete...
...bis sich unerwartet, schmerzhaft und blutig eine Dornenbewehrte Kette um ihr rechtes Bein wickelte und sich tief darin einschnitt.
Sie schrie vor Qual auf. Die Konzentration versagte ihr, als sie durch einen mächtigen Ruck des Kriegsinstruments in den Raum zurück geschleudert wurde. Worte einer geistesbetäubenden Bezauberung lagen ihr auf den Lippen. Doch als sie ihr Gesicht vom Boden weg drehte, um sie ihrem Peiniger entgegenzuschleudern, erkannte sie die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens – ihr Angreifer war nicht lebendig.
Rot glühende, finstere Augen fixierten die aberrante Drachenmalträgerin. Die knöcherne, schwer gerüstete Gestalt schien nur noch auf den Befehl zu warten, den vernichtenden Kettenschwung auszuführen.
Doch der Befehl kam nicht. Ein Blick in den Raum verriet ihr, dass mehrere Soldaten der Wacht, ein verschleierter Mann in Robe und, wie sie mit weit aufgerissenen Augen feststellen musste, jemand, den sie nicht erwartet hätte. Lüge, Intrige, Verrat - Ihre Todesangst wandelte sich in blanken Zorn. Sie würde ihr Schlafzimmer in ein Flammeninferno verwandeln.
Doch die Worte für dieses Unterfangen konnten ihre Lippen nicht verlassen – magische Stille verhinderte dies.
„Ergreift sie und blockiert ihre Hexerei. Sperrt sie zu den anderen. Das Urteil wird in wenigen Tagen ausgeführt.“ Die Stimme des gealterten Mannes mit den messerscharfen Augen war hart und unnachgiebig. Die Frau weinte und klagte. Doch ihr Wimmern und der Name des Kindes den sie vergebens zu schreien versuchte, wurde durch den magischen Stillezauber unterdrückt.
Die Karrnbucht (Karrnath)13. Barrakas 998 NBK
Eiskalte Winde wehen frostig über die peitschenden Wellen. Regen ergießt sich sturzbachartig aus schwarzblauen Wolken und grelle Blitze zerschneiden den finsteren Nachthimmel.
Kein Hauch von Sternen, weder Monde noch der Siberysschweif sind am verdunkeltem Himmel zu sehen.
Im finsterem Kampf der Wellen befindet sich ein Schiff, dessen Bug durch die Wogen schneidet, wie eine Sense durch einen Getreideacker. Um das Heck des Seegefährtes treibt ein gewaltiger, kreisender Ring aus Wolken, der das Schiff durch die Karrnbucht jagen lässt.
Von dem tosendem Unwetter ist an Deck des Schiffes nicht viel zu spüren. Schutzglyphen verwandeln das herabprasselnde Wasser in leichten Nieselregen. Die kalten Winde erzeugen ein sirrendes Heulen, während sie durch einen magisch glimmenden Schutzschild vom Deck fortgeleitet werden.
Auch die Segel sind trotz der Windstille an Bord wie magisch aufgebläht und zeigen großflächig einen blauschimmernden Kraken, der von vier Blitzen umrahmt wird – Das Zeichen des Hauses Lyrandar.
Lyrian, die Krone der Wellen. Einst ein unheilbringendes Sturmschiff, wurde sie von ihrem wohlhabenden Kapitän in eine majestätische Elementargalleone umgewandelt, die nun statt im Krieg zu dienen, den tödlichsten Gefahren der zehn Meere trotzt.
Nicht weniger als drei Luftgeister sind an das Schiff gebunden und nur mächtige Hausmitglieder sind in der Lage, die Wesen sicher zu kontrollieren. Zur Zeit sind etwa einhundert Passagiere und wert volle Fracht an Bord. Es gibt wenig Schiffe, welche Passagiere schneller von einem Punkt zum anderen befördern können, als die Krone der Wellen.
Das Treiben an Bord ist trotz des heftigen Unwetters von Ruhe und entspanntem Arbeiten erfüllt. Einige Seemänner bedienen die Takelage, während der Kapitän vom Heck mit der Haltung eines Königs zufrieden auf das Treiben herabschaut.
Spoiler (Anzeigen) Sein Gesicht ist zwar nicht vom Alter gezeichnet, wohl aber vom Wetter gegerbt und zeugt von einem Leben auf ständigen Reisen. Sein helles platinblondes Haar, welches fast einen Stich ins Grau geht, trägt er kurz geschnitten zu einer praktischen Frisur, welche höchstens der Wind herrichtet. Seine brauen, wachen Augen scheinen ständig von einem Ort zum Nächsten zu springen, als wenn es an jeder Stelle etwas interessantes zu sehen gibt. Doch im Gegensatz zu seiner Frisur wird sein Gesicht von einem fein gestutzten Bart umschlossen, welcher offenbar sehr gepflegt wird. Sonst ist sein Gesicht eher unscheinbar bis auf die kleine Narbe über seinem rechten Auge, doch sein Lächeln wirkt sympathisch und rundet das Gesamtbild zu einem hübschen jungen Mann ab.
Doch dann fällt eure Blick auf seine Gewänder. Der junge Mann trägt ein einfaches weißen Leinenhemd über seinem Körper. Einem geübten Beobachter fallen die unzähligen feinen Kettenglieder seines Kettenhemdes, welche sich unter dem Hemd abzeichnen, auf. Darüber trägt er eine schwarze Jacke, welche mit einem Feuermuster verziert wurde und das Unscheinbare etwas sprengt. Seine Beinkleider bestehen ebenfalls aus einer schwarzen, weiten Leinenhose, welche eine große Bewegungsfreiheit erlaubt, wobei seine Schuhe aus festen Leder zu bestehen scheinen, welche wohl für etwas matschigeren Boden ausgelegt sind.
Doch was euch ebenfalls auffällt sind die unzähligen Taschen an dem Gürtel, der Jacke und der Hose, welche auch noch mit allen möglichen nützlichen Dingen gefüllt zu sein scheinen. Doch was euch am Ende eure Beobachtung stutzen lässt sind die unzähligen heiligen Symbol und Talismane, welche um seinen Hals hängen und an der Kleidung befestigt sind. Wenn man lange genug sucht oder weiß wo man schauen muss, findet man fast alle Götter, von den göttlichen Heerscharen, über der silberne Flamme bis zu den dunklen Sechs und dem Khyber selbst. Seine Bewaffnung hingegen besteht aus einigen Wurfdolchen, welche an seiner Hose befestigt sind, einen fein gearbeiteten Rapier und einer leichten Armbrust.
Talen beobachtet das majestätische Schauspiel. Der Hauptgrund für seine Reise auf der Lyrian ist nicht weit entfernt und befindet sich sogar auf diesem Schiff. Doch trotz der fünf vergangenen Tage, welche seit dem Aufbruch von Sharn aus vergangen sind, hielt er seine Anwesenheit bis jetzt für sich.
Nun fällt ihm auf, dass sich zwei weitere Passagiere ein paar Fuß entfernt an die Reling gesellt haben.
Spoiler (Anzeigen), ebenso wie die sehr gut verarbeitete aber dennoch zweckmäßige Kleidung, die das Emblem des Hauses Cannith zeigt und ihn ebenso als Magieschmied ausweist. An seinem Gürtel hängen sowohl ein Morgenstern als auch eine Armbrust welche in tadelosem Zustand sind. Ebenso am Gürtel hängend ist quer über dem Rücken ein mit Linien aus Silber verzierter Köcher mit Bolzen. Die Linien bilden das Mal der Erschaffung nach und glänzen im Schein der Sonne.
Direkt neben diesem Köcher ist ein weiterer Behälter, der aus dunklem Holz und Leder gefertigt wurde und aus welchem einige Schriftrollen ragen, bereit jederzeit herausgezogen und verwendet zu werden. Auf der Vorderseite des Gürtels hängen einige Tränke mit einer blau schimmernden Flüssigkeit in dafür angebrachten Schlaufen.
Unter der Kleidung funkelt immer mal wieder der Glanz von polierten Kettengliedern, auf welche das Sonnenlicht fällt, ebenso wie am kleinen Finger der linken Hand ein Sigelring funkelt.
Aerin hatte in seinem jungen Leben bereits eine Ausbildung genossen, die ihn über ganz Khorvaire führte. Er hat die geheimnisumwitternden Dschungel von Xendrik gesehen und die Auslöschung seiner Heimat überdauert. Eine stürmische See ist nichts, was ihn oder seinen Magen sonderlich beeindrucken könnte.
Der junge Drachenmaladelige wird jedoch von der Gestalt neben ihm mühelos überragt.
Spoiler (Anzeigen) Dem Aussehen nach entspricht Bollwerk dem Bild, das die Menschen gemeinhin von einem Kriegsgeschmiedeten haben: fein gearbeitete Metallplatten schützen den aus den verschiedensten Materialien aufgebauten Körper, in das ebenso metallene Gesicht ist der grimmige Ausdruck schier eingemeißelt und das rote Leuchten dort, wo bei Menschen die Augen sind, wirkt stechend. Nur bei genauerem Hinsehen offenbaren sich die Unterschiede zu den "gewöhnlichen" Kriegsgeschmiedeten, die während des Letzten Krieges zuhauf in den Schmieden des Hauses Cannith produziert wurden: Die schützenden Rüstungsplatten, die einen Großteil des Körpers bedecken, bestehen aus purem Adamant und sind größtenteils frei von irgendwelchen Verzierungen oder Abzeichen, wie sie die Kriegsgeschmiedeten aus dem Letzten Krieg noch oftmals aufweisen. Stattdessen scheint Bollwerk vor allem für seine Funktion konstruiert zu sein, wobei dann naturgemäß gerade soviel Augenmerk auf die Form gelegt wurde, dass der Kriegsgeschmiedete seine Aufgaben erfüllen kann. Und das tut Bollwerk bis zur Perfektion. Die mit normalen Waffen kaum zu durchdringenden Rüstungsplatten haben ihm schließlich auch seinen Namen eingebracht, denn steht Bollwerk erst einmal im Kampf, noch weiter geschützt durch einen schweren Schild, ist er fast durch nichts zu vertreiben. Um im Kampf auch entsprechend austeilen zu können, ist Bollwerk mit einem ganzen Arsenal an Waffen angetan: Auf dem Rücken befestigt ist ein langer Speer, ebenso wie ein Langbogen nebst Köcher, aus dem die gefiederten Pfeile griffbereit herausragen. Dazu ragt der Griff eines langstieligen Kriegshammers hervor, einer mächtigen, hervorragend gefertigten Waffe, die für gewöhnlich die erste Wahl des Kriegsgeschmiedeten ist. An dem breiten Lederband um seine Hüften - bei einem Menschen würde es wohl die Funktion eines Gürtels erfüllen - sind zudem zwei Schwerter in einfachen ledernen Scheiden befestigt, ein kurzes Schwert und ein langes, das deutlich über Bollwerks Knie reicht. Seine restliche Habe verstaut Bollwerk in einem ledernen Sack, den er mit einem breiten ebenso ledernen Band über seine Brust auf dem Rücken befestigt. Wenn Bollwerk einmal nicht im Kampf ist, verschwinden sowohl sein "Rucksack" als auch die Waffen unter dem großen, stählernen Schild, das er dann auf seinem Rücken trägt, um die Hände frei zu haben.
Er ist einer der seltenen Geschmiedeten, die nicht geschaffen wurden, um im Letzten Krieg zu kämpfen. Der jetzige Sinn seiner Existenz besteht darin seinen Erschaffer und Begleiter, Aerin d’Cannith zu schützen. So zumindest, wurde es ihm aufgetragen und bisher erfüllte er diese Aufgabe mit höchster Effizienz und fehlerlos. Trotz seines konstruktartigen Erbes spürrt Bollwerk den herabnieselnden Regen auf seinen ledernen Sehnen und schwarzen Körperplatten.
Für einen Moment verweilen das menschliche Augenpaar und die rotglimmenden Augenkristalle des Adamantitkriegers auf dem Schauspiel des Meeres, doch dann bemerken sie beinahe gleichzeitig den Blick des jungen, großgewachsenen Mannes.