Rhaan, im Jahr 998 nach Gründung des Königreichs, Sul der 2. Woche
Ein weiterer, verregneter Abend in Sharn. Es regnete wohl ständig in der Stadt der Türme. Für die Gruppe, die unterwegs war um nachzufragen, ob eine Nachricht für sie in der Poststation von Haus Sivis angekommen war, war der Regen kaum besonders. Für jeden Neuankömmling war es einfach nur lästig. Mitunter erwischte es einen besonders heftig, wenn eine Brückengeländer nachgab oder sich als zu niedrig erwies, und größere Mengen des lauwarmen Nasses sich urplötzlich in die Kapuzen der Unachtsamen ergossen.
Bereits vor einigen Wochen waren Hammer, der Titan von einem Kriegsknecht, Ethan, ein junger Mann aus Sharn, Rigana, die impulsive junge Frau aus Wroat und Kanatash, der Priester der dem hier nahezu gänzlich unbekannten Pfad des Lichts folgte, der Religion der selten gesehen Kalashtar, dem Ruf des Goldes gefolgt – und kopfüber in ihr erstes Abenteuer gestolpert. Für eine von ihnen war dies wohl zuviel gewesen. Vashana war glücklich, als sie wieder die Ruhe und den Frieden der kleinen Gemeinde von Kalashtar in Sharn geniessen konnte. Und sie blieb dort.
Doch schließlich hatten sie die Aufgabe zur Zufriedenheit von Elaydren d’Cannith, ihrer Auftraggeberin, erfüllt, und diese hatte sie neben Gold auch mit der Andeutung beglückt, wohl noch weitere Aufträge für sie zu haben. Nun warteten sie schon eine Weile. Vielleicht würde heute eine Nachricht angekommen sein. Das Geld war reichlich gewesen, doch waren die alltäglichen Dinge, die die Metropole zu bieten hatte oftmals teuer, und letztlich erblasste ihr Reiz im Angesicht der Spannung, die der letzte Auftrag mit sich gebracht hatte. Als sie sich der Poststation näherten, blitze es.
Ethan blinzelte kurz, und zeigte dann fragend auf die Tür der kleinen Station im Turm Barmin. Dort hing, im Wind klappernd, die Eingangstür, offensichtlich aus den Angeln gerissen. Ein Überfall? Auch dies wäre in Sharn nichts Ungewöhnliches gewesen. Zumindest startete dieser Abend anders als die vorangegangenen – und verblüffend ähnlich wie der Abend, an dem die Gruppe sich zum ersten Mal getroffen hatte.
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Von alledem wusste Dorin nichts, als der Junge in ihn hineinrannte, als ob ihn Khyber persönlich jagen würde. Gehetzt hatte er um sich gesehen, und wild drauflos geplappert, von ihn verfolgenden Kriegsknechten erzählend. Das hätte normalerweise sofort sein Interesse geweckt – hätte es sich nicht bei dem Jungen um ein Mitglied seinesn Hauses gehalten. Und so traf Dorin d’Cannith den wesentlich jüngeren Czeril Garim aus demselben Haus. Er kannte ihn nur flüchtig von früher, aber da der Junge gänzlich ohne Gepäck unterwegs war, und noch dazu klatschnass, nahm er ihn erstmal mit. Er war gerade auf dem Weg, um zu schauen, ob einer seiner Verwandten eine Nachricht geschickt hätte. Die Poststation von Haus Sivis im Turm Barmin war nicht mehr weit. Als sie näher kamen, erkannte er sofort, das etwas nicht stimmte. Die Tür war nahezu aus ihren Angeln gerissen, und der Lichtschein drang ungehindert nach draußen…
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Guamorr war wohl der ungewöhnlichste Anblick der sich einem in diesem Viertel von Sharn bieten konnte. Orks waren selbst in ihren Heimatgefilden selten gesehen. Dass nun einer der ihren, gekleidet in Leder, welches offensichtlich der Wildnis entstammte, die dritte Brücke zum Turm Barmin hinab lief, war schlichtweg unglaublich. Wenn diese Beschreibung auf irgendetwas in Sharn zutreffen konnte. Der Ork zuckte mit den Schultern. Vielleicht würde bald einer der Älteren eine Nachricht schicken, die erklären würde, was in Xoriat’s Namen er in Sharn tat…
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Beschreibung: Turm Barmin
Turm Barmin ist einer der kleineren Türm Sharns. Gut 300 Fuss hoch, mit dem Sockel in einem Konglomerat anderer Türme stehend, ist die Poststation knapp 20 Schritt unter der Spitze des Turms, in gut erreichbarer Nähe für alle fliegenden Boten. Der Turm ist eine steinere Konstruktion mit einer Vielzahl an hölzernen und blechernen Vordächern, und einer Handvoll Balkone, und er läuft nach oben hin spitz zu, wo unter anderem eine Flagge mit dem Wappen von Haus Sivis das Vorhandensein einer der vielen Poststationen Sharns anzeigt. Auch bei diesem Wetter ist sie dank des magischen Lichtes deutlich sichtbar.
Auf der Ebene der Poststation ist eine von einem halben dutzend umlaufenden Plattformen, von der aus die abgestützten Steinbrücken zu den anderen Türmen Sharns gehen. Einige davon laufen waagrecht, andere diagonal in die Höhe oder Tiefe, und nahezu jede sieh ein wenig anders aus.
Der Turm selbst wird durch eine Reihe steiler Treppen und Leitern erschlossen, welche die einzelnen Ebenen verbinden, und einige davon verleihen dank der in der Nähe angebrachten Lichtkugeln dem Turm den Anschein, dass er mehr Fenster habe als es eigentlich der Fall ist.