Und so vergeht der Tag an Bord der Lyrian. Noch immer sind die Gefühle des Verlustes, der Trauer und auch des Glücks, die Tragödie überlebt zu haben an Bord allgegenwärtig.
Als die Mittagsglocke erklingt, hat die Sturmgalleone schließlich die Eissee erreicht und fährt den Fluß südlich, landeinwärts.
Im Westen sind die Weiten der Karrnwälder zu sehen, deren gigantische und dichte Bäume selbst auf die Entfernung sich in den heftigen Winden biegen.
Im Osten dagegen sind die frostigen Eiswälder zu sehen, dessen Bäume nicht den Hauch einer Bewegung zeigen und nahezu tot wirken. Im Hintergrund des Eiswaldes thront majestätisch das Eisenwurzelgebirge, deren höchste Spitzen von Nebel verhangen nur noch zu erahnen sind.
Nahe des Ostufers befindet sich eine gewaltige, Festungsgleiche Anlage, mit vielen Plattformen und Scharten, welche offenbar einst mit Ballisten bestückt waren, um unerwünscht eindringende Schiffe zu beschießen. Doch die turmhohe Festung ist bauwidrig und mehrere Einschüsse und Beschädigungen sind in unrepariertem Zustand. Eine Erinnerung an den Letzten Krieg.
War in der Karrnbucht von Bord der Lyrian nicht ein einzelnes Schiff zu sehen, so tauchen nun die ersten Boote auf. Die Eissee ist eng genug um einen Blick an Bord der anderen Schiffe zu werfen.
Zwei größere Fregatten haben Flaggen mit den Symbolen der Prinzen Lhazaars gehisst. Die Schiffe der Fürstentümer, so heißt es, wären unberechenbar. Manche ehrliche Händler, andere nach Beute dürstende Piraten. Doch das Karrnische Militär hat den Ruf, dass bereits eine nicht gehisste Flagge ausreichend Grund ist, ein fremdes Schiff zu attackieren und so scheint auch dieser Wasserweg relativ sicher.
Auf dem Weg die Eissee entlang überholt die Lyrian ein kleineres, schwarzes Schiff. Mit Schädeln geschmückt und aus Dunkelholz gefertigt, gleicht es einer schwimmenden Totenprozession. Statt eines Masts verfügt es über einen lebenden Baum, zwischen dessen Zweigen sich hauchdünne Segel spannen - ein Elfenschiff aus Aerenal.
Stille, fast unbeweglich erscheinende Gestalten starren in Richtung der treibenden Elementargeister, welche Wind in die Segel der Sturmgalleone blasen.
Je tiefer die Lyrian landeinwärts fährt, desto mehr Eisschollen sind auf dem Gewässer auszumachen, trotz der Tatsache, dass das Schiff südlich fährt.
Ein weiteres Mal vergeht der Tag und die Nacht bricht ein. Die Winde verlieren allmählich etwas ihrer reißerischen Macht. Dafür regnet es ununterbrochen aus schwarzblauen Wolken.
Kein Unglück und keine Schrecken hält diese Nacht bereit. Nur der strömende Regen ergießt sich auf das Deck der Galleone und die dezimierte, hart arbeitende Mannschaft.
Der nächste Morgen ist grau und von Wolken verhangen. Der Wind hat erheblich nachgelassen. Doch in der Ferne sind Lichtblitze am tristen Firmanent zu sehen. Regen prasselt auf die hölzernen Planken des Decks wie ein nie endenwollender Strom. Weit ist es nicht mehr bis zur Stadt der Geister. In der Ferne führt die Eissee mitten auf einen kleinen, massiv geschützten Ort zu. Graue Steinmauern sind zu sehen, welche jedoch fast mit dem gleichfarbigem und regenverschwommenem Himmel verschmelzen. Fischerboote, sowie weitere ein- und ausreisende Schiffe passieren die Lyrian nun in größerer Zahl. Zu beiden Seiten des Ufers sind Gehöfte auszumachen.
Einige der Händler an Bord des Lyrandarschiffes bringen bereits ihre Fracht an Deck. Auch die drei Helden befinden sich dort und erblicken die ferne, gut gesicherte Stadt.
Von hier aus scheint sie nur erbaut worden zu sein, um den Gefahren des Krieges zu trotzen.
"Lady Montreveaux, Sir Voss, Professor Darlan?"
Ein in die Jahre gekommener, bärtiger Mann mit Filzhut tritt auf die kleine Gruppe zu. Seine Kleidung ist eher schlicht, doch seine Miene freundlich und warmherzig. Ein Wollmantel saugt den nicht enden wollenden Regen eher auf, anstatt ihn fernzuhalten.
"Lassal Eridas. Es freut mich, euch einmal persönlich sprechen zu können. Eure Taten hier an Bord..."
In knappen Worten bedankt sich der Mann nochmals für die Rettung und bei Joanne für die würdenvolle Andacht. Er erzählt über sich, aus Wroat in Breland zu stammen. In seiner Arbeit hält er die Kommunikation zwischen den Tempeln der Göttlichen Herrschar in allen Nationen.
"Der Hintergrund meiner Reise ist es, dem hiesigem Tempel einige Spenden zur Verfügung zu stellen. Dies ist inzwischen eine regelmäßige Sache und wir erhoffen uns mehr Gemeinschaft zwischen den Kirchen und tragen vielleicht sogar etwas zur Entspannung der Verhältnisse bei."
Lassal macht eine rethorische Pause. Es scheint, als wolle er auf etwas hinaus, was er jedoch vorerst nicht ausspricht.
"Vielleicht erzählt ihr mir ein wenig über euch und wie man zu einem fähigem Schiffsretter wird." Der Breländer schließt seine Aufforderung mit einem freundlichem Lächeln.