"Und wären Knaben noch so trutzig,
Und wären Mädchen noch so stutzig,
In meine Saiten greif ich ein,
Sie müssen alle hinterdrein."
J.W. GoetheHiberné, 999 Jahr nach Gründung des Königreiches, Rhaan, 4ter Mol des Monats, kurz vor Sonnenuntergang. Taverne "Rebe und Hopfen".Ein weiterer schweißgetränkter Arbeitstag in der vom Krieg gezeichneten Kleinstadt neigt sich seinem Ende zu, das die untergehende Sonne, die bereits den Rand des Horizonts berührt, bald besiegeln wird. Es ist bereits Herbst, die Tage werden kürzer, und die Handwerker legen ihre Arbeit früher nieder, um sich bei einer deftiger Mahlzeit und schäumenden Getränken in den Tavernen zu treffen.
"Rebe und Hopfen" ist eine solche, eine Taverne für die halbvolle, halbleere Börse der Mittelschicht. Das gemütliche Kaminfeuer, die warme, angenehme Beleuchtung durch immerbrennende Fackeln und die gewohnt freundliche Bedienung haben bereits eine Fülle von arbeitsamen Gästen in den Schankraum gelockt. Krüge werden gehoben, das Besteck klirrt, geselliges Geplaunder wogt durch die Luft.
Der Wirt, seine Frau und auch ihre Tochter und Nichte, haben alle Hände voll zu tun, das Essen zu kochen, Bier und Wein nachzuschenken und voller sowie leere Teller und Gefäße zwischen Küche und Gastraum hin und her zu tragen.
Unter den Gästen befinden sich heute nicht nur Stammkunden. Hrothgar Hagrendt, ein stämmiger Mann mittleren Alters mit buschigem Bart und sonnengegerbter Haut, besucht "Rebe und Hopfen" selten, seine Mittel sind meist knapp bemessen und der Söldner muss sich hauptsächlich mit der schäbigen Kneipe "zum Singenden Lurch" begnügen. An diesem Tag aber hat der berüchtigte, manche würden sagen, verrückte Kerl, ein gnomischer Magieschmied und Forscher namens Hugo, um Hilfe gebeten: er hatte einen Mann fürs Grobe gebraucht, der ihm bei Festigkeitsproben seiner neuersonnenen Materialien behilflich sein könnte. Dafür hat der bullige Mann einige Regenten und eine warme Mahlzeit in "Rebe und Hopfen" spendiert bekommen - die er nun alleine vertilgen muss, denn der hektische und ungedulige Hugo ist nicht lange geblieben.
Aber auch Ortsfremde finden sich im Schankraum, und sorgen für neuen Gesprächsstoff für die Gerüchteküche. Zum einen ist es der schwarzgewandete, düster wirkende Karrn, der schon allein seiner edlen, wenn auch einfach geschnittenen Bekleidung und des ordentlich gestutzen Bartes, der die Wangen ausspart wegen ziemlich fehl am Platz in der Handwerkertaverne wirkt. Da er aber durch das Westtor - aus Breland anfahrend - in die Stadt gelangt ist und sich, müde und nicht für lange Irrgänge auferlegt, nach der nächsten annehmlichen Gastlichkeit erkundigt hat, wurde er prompt auf "Rebe und Hopfen" verwiesen, wo er nun zwar keine Ruhe, aber zumindest schmackhafte Kost genießen kann.
Zum anderen befindet sich im Raum ein Zwerg mit feuerrotem Bart, glänzender Rüstung und dem unverkennbaren Durst auf Bier. Dem Symbol nach zu urteilen, das er um seine Hals trägt, ist er ein Priester der Göttlichen Heerschar; seinem Bauch nach - ein Schrecken für die Biervorräte.
Auch ein gerüsteter Halbelf sitzt vor seinem Essen und mustert die Anwesenden aus hellen, eisblauen Augen, während er die Mahlzeit ohne Hast zu sich nimmt.
Doch für viel mehr Getuschel, als über die anderen drei Fremden, sorgt der vermummte Elf, ein valenarischer Sölnder, der in der Stadt zwar nicht unbekannt ist, seit der Friedenspakt von Thronfeste geschlossen wurde, doch selbst nach den unzähligen Monaten in Hiberné muss er mißtrauischen Blicken, kurz angebundenen Antworten und hinter dem Rücken geraunten, wahrscheinlich wenig schmeichelhaften Worten begegnen. Dennoch, steht der Tairnadal über all dem - und auch diesen Abend kümmert es ihn wenig.
Ganz gleich jedoch, wie lang oder kurz der eine oder der andere in Hiberné verweilt hat - die Gerüchte um verschwindende Menschen im Rattenloch, dem Armenviertel, und auch die über selbsternannte 'Ermittler' mit einer schwarzhäutigen, weißhaarigen Elfe im Schlepptau, haben alle Anwesende ohne Ausnahme bereits gehört, und sei es nur aus dem unfreiwillig mitgehörten Gerede anderer Gäste. Das arbeitsame Volk scheint zwar nur wenig beunruhigt, aber das Gelächter über diese Geschichten will womöglich doch Änsgte vertuschen?