Niemand möchte auf die Kräfte des Priesters verzichten, mögen sie auch aus zweifelhaft "göttlicher" Quelle stammen, deshalb warten die anderen Ermittler, bis Eberk sein Gebet zu Ende gesprochen hat. Mit Waffenpflege, Übungen, Lektüre oder einfach meditativer Ruhe verbringen die Gefährten die Zeit und brechen anschließlich gemeinsam auf.
Zunächst wandern sie querfeldein durch taufeuchte, leicht umnebelte Wiesen; klirrende Morgenkälte umströmt sie und lässt das warme Nest, Hiberné, immer einladender erscheinen. Etwa eine halbe Stunde und ein paar aufgescheuchte Raben später erreichen die Abenteurer die Straße, die vom Südwesten an das Städchen heranführt. Einige wenige Bauernfuhren sind darauf unterwegs, fahren späte Ernte in die Stadt, um mit Handwerkswaren beladen auf die Gehöfte zurückzukehren.
Neugierige, ja misstrauische Blicke treffen die Gruppe von Kutschböcken, allerdings verliert kein Bauer auch nur ein Wort an die seltsame Prozession.
Erst die Torwache bricht das Schweigen; während sein stoppelbärtiger Kamerad stumm stehen bleibt und die Ermittler im Auge behält, hebt der andere Wachmann, ein recht junger, ordentlicher Aundairer, grüßend wie gebietend zugleich die Hand und hält die Gefährten auf.
"Guten Morgen, Reisende! Weist euch aus, bevor ihr Hiberné, die schöne Stadt seiner Hochgeboren Marquis Lyon ir'Blake, betretet!," grüßt der Mann mit Hellebarde und Eisenhut elanvoll und freundlich, aber nicht ohne denselben aufmerksamen Blick in den Augen, wie sein Kollege.
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Der Morgen in "Rebe und Hopfen" fällt lebhafter und aufregender aus, als Alek es gewohnt ist. Nachdem er mitten in der Nacht und mit etwas zu viel des feinen aundairischen Weines in die Taverne eingekehrt und friedlich eingeschlafen war, muss er sich am Frühstückstisch die unglaublichsten Geschichten anhören, die sich während seiner Reise nach Dal Quor ereignet haben sollen.
Ein karrnatischer Edelmann soll in die Statd gekommen sein, ein Zimmer bezahlt und sich aus dem Staub gemacht haben. Und nicht alleine, sondern mit einem Valenar, einem armen Schlucker aus dem Rattenloch, einem bis an die Zähne bewaffneten Söldner und einem zwergischen Priester der Neun. Eine völlig ulkige Gemeinschaft, aber so soll es gewesen sein.
Und weggerannt seien die fünf, weil ein Besoffener die Dreistigkeit hatte, in die gute Stube zu platzen, den Boden vollzuwürgen und den Herrn Bürgermeister, seine Hochgeboren den Marquis und gleich dazu auf ihre Majestät aufs Übelste zu beschimpfen. Weil seine Tochter am Abend nicht nach Hause gekommen war, sich wahrscheinlich irgendwo herumgetrieben und weiß der Khyber was unanständiges gemacht hat, oder so ähnlich.
Das Beste kommt aber noch. Als es ganz Dunkel geworden war, soll es im Rattenloch Mord und Totschlag gegeben haben. Diese unmöglichen fünf haben sich mit den anderen fünf geschlagen, den, die nach den verschwundenen Leuten suchen wollten. Ganz brutal haben sie aufeinander eingedroschen, wie im Krieg, die Gasse mit Leichen gepflastert haben sie. Und danach haben sie am Müllturm randaliert, so laut, dass das Bettelvolk den Abfall diese Nacht schon verbrannt hat, anstatt am Ende der Woche. In dem Feuer sollen die Störenfriede endlich umgekommen sein, denn niemand hat sie lebend herauslaufen gesehen.
So viel Aufregung ist wirklich selten in Hiberné, ist dem jungen Burschen klar. Selbst die Gerüchte über das Verschwinden von Menschen im Rattenloch, dem Armenviertel, haben die Stimmung unter den Handwerksleuten so sehr aufgeheizt, wie das, was er anscheinend verschlafen hat.