Cireval Oloandiel stammt aus einer kleineren Waldelfen-Siedlung in die Weißen Bergen. Bereits in seiner Jugend machte sich bemerkbar, dass das Schleichen in den Wäldern und die Jagd nicht seinem Wesen entsprachen. Auch war seine Bande zu den Geistern des Waldes und den Göttern der Elfen nur schwach. Lediglich für das Bearbeiten von Holz zeigte er eine gewisse Begabung. Und so waren die Ältesten sicher, dass er sein Leben als einfacher Holzschnitzer leben würde.
Doch während einer Sonnenwendfeier in seinem 80. Lebensjahr sollte das Schicksal ihm seine wahre Bestimmung offenbaren. Cirevals Clan hatte Besuch von den Hochelfen, die hinter den Weißen Bergen an den Seen von Esbargard wohnen. Alle 144 Jahre feiern die Elfen des Waldes und die der Seen gemeinsam das Sonnenwendfest, um an den Zusammenhalt der Elfenvölker zu erinnern und neue Bündnisse aus Treuerschwüren und Blut zu weben. Einer der Besucher von den Seen war Lidrandiel, der Meister der Nebel, in seinem Volk als großer Zauberer bekannt. Er bemerkte sofort, dass dieser junge Waldelf mit der besonderen Gabe ausgezeichnet war, den nur wenige in seinem Volk in sich tragen: Cireal war geeignet, die arkanen Künste zu erlernen.
Viele Wochen blieb Lidrandiel in den Wäldern. In langen Gesprächen überzeugte er die Ältesten des Waldelfen-Clans und Cirevals Eltern, dass es das beste für den jungen Elfen sei, den Pfad des geheimen Wissens zu beschreiten. Bald darauf zogen Cireval und sein neuer Lehrmeister über die Weißen Berge hinunter in die Ebene von Dor’ashal und an die Ufer von Esbargad. Dort lebten die Hochelfen ganz anders als Cirevals Brüder aus den Wäldern, nicht in Baumhäusern und Zelten, sondern in Häusern aus hellem Holz, die auf Pfeilern halb in die ewig nebelverhangenen Seen hineingebaut waren. Auch viele Türme aus hellem Marmor zählte die Siedlung der Elfen. Einer von ihnen sollte für die nächsten 60 Jahre Cirevals Heimat sein: Im Turm seines Lehrmeisters lernte der junge Elf die geheimen Kräfte kennen, die unter der sichtbaren Oberfläche der Welt wirken. Er lernte ihre Gesetze und schließlich auch, wie man sie Stück für Stück dem eigenen Willen unterwerfen kann.
„Cireval“, sprach eines Tages sein Meister. „Nun habe ich dir alles beigebracht, was ich dich lehren kann. Doch für dich fängt die Zeit des Lernens gerade erst an. Sechs Jahrzehnte hast du mir treu gedient, sechs Jahrzehnte waren die Mauern meines Turmes deine Heimat. Doch nun ist es an der Zeit, dass du, der du die unsichtbare Welt kennst, hinaus in die sichtbare Welt ziehst. Denn dort gibt es noch weitaus mehr zu entdecken, als du hier lernen kannst. Sei dir bewusst, dass alle Schritte, die wir tun, Teile eines großen Weges sind. Was vor uns liegt, ist in den Nebeln verborgen. Nur den Weg in unserem Rücken kennen wir. Kehre deshalb in die Wälder deiner Geburt zurück, um dort zu erfahren, in welche Richtung dein Schicksal dich führen wird.“ Mit diesem Worten entließ Lidrandiel seinen Schüler.
Auf den verborgenen Wegen der Elfen fand Cireval in den heimatlichen Wald zurück. Doch die Wiedersehensfeier seines Clans war kaum ein Jahr zu Ende, da machte sich bei dem Elfen eine zunehmende Unruhe bemerkbar. Irgendetwas würde geschehen, irgendetwas schien ihn aus dem Wald hinaustreiben zu wollen. In einer düsteren Nacht, während eines der seltenen Wintergewitter an den Wipfeln des Waldes zerrte, rief ihn Aramane, die alte Seherin des Stammes, zu sich. „Cireval Oloandiel, Cireval Spruchweber, Cireval Hochelfenfreund. Dein Schicksal hat dich schon einmal aus den Wäldern hinfort geführt. Es wird sich auch nicht zwischen diesen Stämmen erfüllen. Wohin es dich führt, weiß ich nicht zu sagen, es liegt im Nebel. Aber eines haben mir die Geister verraten: Auf dem Weg zu deiner Bestimmung werden dich deine Schritte in die Stadt der Menschen führen. Besser du begibst dich gleich auf den Weg. Zögere nicht.“
Wenige Monde später, als der Frühling bereits seine Blumenpracht über die Waldwiesen ausgestreut hatte, machte Cireval sich auf den Weg. Er wusste, wo die Karawanen der Menschen auf ihrem Weg nach Aleria den Wald durchquerten. Dort wartete er einige Tage, um sich schließlich einem Händlerzug anzuschließen. Die Menschen wunderten sich zwar, als einfach ein schlanker und schweigsamer Elf aus dem Dickicht auftauchte und sich ihrem Zug anschloss. Doch da er harmlos erschien und helfend zur Hand ging, wo er konnte, fanden sie sich schließlich mit dem seltsamen Gast ab.