Obwohl er bereits einige Zeit in Himmelstor verbracht hatte, fiel es Beldin noch immer schwer, sich auf dem Weißen Markt zu orientieren. Die Straßen sahen jeden Tag ein wenig anders aus, und die vielen Besucher – selbst zu dieser noch recht frühen Stunde – lenkten ihn zusätzlich ab. Schließlich aber hatte er die letzte Station auf seinem Weg gefunden.
Gerom hatte ihn gebeten, einige Dinge für ihn zu erledigen. Das meiste hatte Beldin bereits hinter sich gebracht, zwei Dinge standen ihm aber noch bevor. Zum einen sollte er einen Cousin Geroms aufsuchen. Der Gnom, Dartan Delegoi, führte einen Edelsteinhandel in Himmelstor, und hatte Gerom über einen Boten einen beunruhigenden Brief geschickt. Offenbar gab es eine Gruppe von Händlern, die sich selbst „Die Ergebenen“ nannten, die ihn und eine Reihe weiterer Händler in Himmelstor bedroht hatten.
Gerom erwartete heute morgen einen wichtigen Kunden, deshalb hatte er Beldin gebeten, seinem Cousin einen Besuch abzustatten. Vielleicht konnten sie helfen, und falls nicht, würden sie zumindest mehr über die auch für sie relevante Bedrohung erfahren.
Der zweite und letzte Punkt auf seiner Liste war der Stand der Wahrsagerin Kay. Gerom hatte erfahren, dass eine alte Frau namens Kay einen eigenen Laden eröffnen wollte, der eine direkte Konkurrenz zum Geschäft von Gerom und Beldin darstellen würde. Gerom hatte den Elfen gebeten, einen freundlichen ersten Kontakt zu Kay aufzunehmen, um so herauszufinden, ob sich statt der eher unangenehmen Konkurrenz-Situation eine freundliche Partnerschaft entwickeln ließe.
Er hatte den Stand der alten Kay gefunden und beobachtet, wie die – auf den ersten Blick sehr unangenehm wirkende – Frau einer jungen Marktbesucherin aus der Hand gelesen hatte. Nun könnte er zu ihr gehen… allerdings hatte er auch den nicht weit entfernten Stand von Meister Delegoi im Auge, und dort schien sich gerade ein handfester Streit zu entwickeln. So überlegte Beldin, ob er zunächst Geroms Cousin aufsuchen oder in sicherer Entfernung die Situation beobachten sollte.
Mit einem freundlichen Lächeln füllte die Halblingsfrau Rins Teller und nahm dankend die Bezahlung entgegen. Die Suppe war heiß und dampfend, und roch wirklich schmackhaft. Genüsslich die Suppe essend, wandte sich Calfay wieder dem Marktgeschehen zu, wobei ihr Blick auf einen Elfen fiel, der offenbar Kay beobachtete. Hatte dieser Mann sie nicht vorhin schon im Auge gehabt? Der kränklich und missmutig wirkende Elf mit seinem streng gekämmten Scheitel ließ seinen Blick zwischen Kay und einem anderen, ein paar Schritt entfernten Stand hin- und herwandern, scheinbar unentschlossen, welche Richtung er einschlagen sollte.
Seinen Blick starr auf die seltsame Frau gerichtet, nickte der Gnom mit zusammengebissenen Zähnen. "Ja, eine gute Idee. Allerdings möchte ich meinen Stand nicht aus dem Auge lassen. Könntet Ihr…?" Er blickte kurz zu Eretria, deutete dann mit seinem Kopf in Richtung eines Bierstandes ganz in der Nähe. "Ich glaube, er ging in diese Richtung. Ich will keine Unruhe verursachen, indem ich laut nach ihm rufe."
Einer der zuletzt hinzu gekommenen Männer beugte sich nun ein wenig über den Stand, um Eretria etwas zuzuflüstern. "Lasst das lieber. Ihr solltet nach Hause gehen und Euch nicht um Dinge kümmern, die Euch nichts angehen."
Tryann nickte verständnisvoll, während er einen großen Schluck von seinem Bier nahm. "Frauen, Geld, Gesetz oder etwas anderes?" Bevor Milan antworten konnte, fügte er hinzu: "Ich komme eigentlich aus Nachtsang. Meine Eltern waren Straßenräuber. Gemeine, hinterhältige Straßenräuber. Irgendwann haben sie sich mit den falschen Leuten angelegt und sind dabei umgekommen. Ich war elf, als ich aus der Stadt geflüchtet bin. Und mit sechzehn wurde ich Mitglied der Stadtwache von Himmelstor."
Beim Kauf des Biers musste Waldemar feststellen, dass der Händler ausschließlich große Krüge anbot. Als er den ersten Schluck nahm, war er darüber aber eigentlich ganz froh, denn das Bier schmeckte wirklich gut.
Viel Kundschaft war noch nicht an diesem Stand. Zwei Elfen debattierten darüber, ob der Siddhai wohl auf einer wissenschaftlichen Reise war, oder sich doch eher um die Probleme des Landes kümmerte, während sich drei junge Menschenfrauen über ihre Männer-Erlebnisse des vorigen Abends unterhielten. Außerdem unterhielt sich noch ein junger Mann mit einem Mitglied der Stadtwache.