7. Efferd, 4 Hal, früher Abend.
Merklingen ist in der Tat ein kleines verschlafenes Nest: die drei Dutzend Häuser und Hütten stehen recht dicht beieinander und bilden grob einen Kreis. In der Mitte des Dorfes befindet sich das einzige Gebäude, welches zum Teil aus Stein besteht. Da Ulfried mit euch genau dorthin schreitet, scheint es sich um den Gasthof zu handeln. Interessanterweise ist dieser Gasthof ein Rundbau mit Schießscharten an der Stelle von Fenstern und einem Eisenbeschlagenen Tor, welches jedoch offene steht. Auch das zweite Stockwerk ist größtenteils aus Stein, an manchen Stellen jedoch hölzern. Das Dach - das so gar nicht zum Bau passen will, ist ebenfalls wie die besseren Häuser des Hauses aus Holz; auch die Schindeln wecken den Blick des Beobachters: nur auf den ersten Blick sind die Schindeln der Häuser aus schwarzem Schiefer. Wenn man genauer hinschaut erkennt man, dass es sich um ein sehr dunkles, fast schwarzes Holz handelt.
Der Wehrturm scheint also eher das Überbleibsel einer unbekannten Vergangenheit zu sein. Gerade Maduuns geübter Blick eines Führungsoffiziers wird dies offenbaren: du schätzt den Turm auf wenigstens 400 Jahre.
Ein Knabe der sich um dein Gepäck kümmert ist schnell gefunden - und der Heller verschwindet schneller in die mannigfaltigen Schichten seiner Gewandung, als es manch einer für möglich halten würde. Malan muss unweigerlich an sich selbst in seiner Jugend denken: der Knabe hat Talent, soviel ist sicher.
Die Merklinger gehen wieder ihren Beschäftigungen nach und lassen sich nun nicht mehr von der Anwesenheit der Fremden stören. Aus ihrem Verhalten lässt sich eine Geduld ableiten, welche nur aus Jahren der friedlichen Langeweile erwachsen sein kann. So, oder so werden sie erfahren, was es Neues gibt, ob heute, oder morgen, ob von euch direkt, oder vom Schulzen; die Neuigkeiten werden schon nicht verschwinden.
Einige Dörfler reagieren jedoch anders als der Rest: offensichtlich die wenigen Bauern, welche nebenher noch einem Handwerk nachgehen: sie eilen zu ihren (besseren) Häusern, öffnen die Türen und tragen ihre Kunstwerke nach draußen, damit man sie besser begutachten kann; dem ein oder anderen Thaler extra scheinen auch diese Dörfler nicht abgeneigt zu sein. Maduun kann anhand er eilig herbeigetragenen Ware einen Schmied, einen Kürschner, einen Seiler und eine Krämerin ausmachen - damit ist die "Handwerkskammer" Merklingens auch schon erschöpft.
Das einzige Gebäude, jenseits der Schänke, welches sich von den anderen abhebt, ist ein ebenfalls zweieinhalb stöckiges Gebäude ihr gegenüber. Der kunstvoll geschnitzte Bau mit dem Türmchen muss eine Kirche sein; welchem Gott sie geweiht ist, ist nicht ersichtlich, aber wahrscheinlich handelt es sich um ein Travia-, oder Pheraineheiligtum - die Göttinen, die beim einfachen Volk den größten Respekt genießen; es könnte sich sogar um einen "Tempel der dreifachen Göttin" handeln: einem dem Pragmatismus entsprungene Orden, der die ländlichen Kirchen Pheraine, Travias und Rahjas locker verbindet.
"Hier" wendet sich Ulfried an die Gefährten und geht auf den Wehrturm zu "ist unser Gasthaus. Ich werde auch ein Bier vorsetzen, von dem ihr noch lange träumen werdet" sagt er voller Stolz und ehrlicher Überzeugung, während sich ein Lächeln auf seinen Lippen zeigt. "Travine, wir haben Gäste. Heiz das Feuer an und mach den Eintopf warm." Er wendet sich etwas unsicher an euch zurück: "Oder möchtet ihr etwas anderes? Sprecht nur: die Küche des Gasthausen ist weit ins Land hinein berühmt; selbst die Fuhr- und Schauerleute aus Finsterwalde und die Händler aus Froschmoorstetten sprechen nur in den besten Tönen von uns!" Ulfried strahlt euch an, als wäre gerade verkündet worden, dass Sonnwende und Mittwinter auf einen Tag gelegt worden seien und sich seine Geschenke deshalb verdoppeln!