Auf einer kleinen Lichtung im Wald schien die Sonne auf einen weißen Felsen. Der Stein war mehr als mannshoch, und lief nach oben spitz zu. In den vielen kleinen Kanten hatte sich Erde gesammelt, in der kleine grüne Pflanzen wuchsen. Verletzlich wie sie waren, reckten sie sich dem Sonnenlicht entgegen, als wollten sie eines Tages den Himmel selbst erreichen.
Vor dem Felsen hatte man ein tiefes Grab ausgehoben, in dem eine kleine, in weißes Leinentuch gehüllte Gestalt lag. Eine Halbelfe von etwa vierzig Jahren erwartete die Gruppe. Sie trug ein grünes Gewand, das mit einer einfachen Kordel zusammengehalten wurde. An der Kordel waren verschiedene Gegenstände angebunden, von Tierpfoten über Pflanzenteile bis hin zu kleinen Lederbeutelchen.
Die Frau mit ihren langen blonden Haaren stellte sich als die Druidin Teslana vor. Sie erklärte ruhig, dass Rongas Geist seinen Körper bereits verlassen hatte. Dennoch würde das Ritual seiner Seele Frieden geben, und vor allem verhindern, dass jemand in böser Absicht seine Ruhe stören würde.
Obwohl die Druidin Ronga nicht gekannt hatte, hielt sie eine kurze Ansprache, die scheinbar genau auf den verstorbenen Halbling zugeschnitten war. Sie sprach davon, wie jeder Einzelne, egal, wie viele Freunde er finden mochte, doch stets in seinem eigenen Geist alleine blieb. Und wie dennoch, im großen Geist der Natur, alle Seelen verbunden waren. Wie schwer es war, andere zu verstehen, gerade jene, die einem besonders fremd waren. Und wie leicht es dennoch sein konnte, wenn man die Sprache der Worte vergaß, und nur die Sprache des Herzens nutzte.
Das Ritual endete damit, dass der Leichnam mit Erde begraben wurde. Danach pflanzte jeder der Anwesenden einen Samen in diese Erde ein. "Dies sind die Samen der Rokash-Bäume", erklärte die Druidin. "Wenn sie wachsen, verbinden sich ihre Äste miteinander, und aus mehreren Setzlingen wird ein großer, starker Baum, der dennoch mehrere Wurzeln behält. Seine Früchte wachsen im Winter, und sie werden von Heilern genutzt, um die Krankheiten der Seele zu behandeln."
Dann geschah etwas Unerwartetes. Kaum hatte das letzte Mitglied der kleinen Gruppe einen Samen in der Erde vergraben, begann es zu regnen. Es war ein sanfter Regen, und die immer noch strahlende Sonne ließ einen Regenbogen am Horizont erscheinen.
Beldin erblickte eine Gestalt, die er schon einmal gesehen hatte. Hinter dem großen Felsen trat die schimmernde Gestalt des Einhorns hervor, die bereits bei Rongas Tod erschienen war. Das Wesen senkte seinen Kopf, als wolle es sich vor dem Toten verbeugen, und der Elf hörte den Klang einer wunderschönen Stimme in seinem Geist.
"Durch meine Macht und seinen Körper soll an dieser Stelle eines Tages ein heiliger Hain entstehen."
Kaum hatte das Einhorn seinen Satz beendet, wandte es sich ab und galoppierte davon in den Wald.