„Sehr wohl, o strahlendes Licht der Weisheit!“, lässt der Homunkulus eine Spur
zu salbungsvoll verlauten. Er verbeugt sich halb, wobei er knirscht wie Glassplitter unter schweren Stiefeln, bevor er sich umdreht und in Richtung des Ofens verschwindet. Gudbrash weicht ihm aus, als handle es sich um einen erzürnten Ahnengeist.
Sein Schöpfer liegt unverändert auf dem Boden, halb bedeckt von den Fellen, die vor ihrer Flucht aus dem Magen noch auf seinem Bett lagen. Neben ihm hat sich eine scharf riechende Absinth-Pfütze ausgebreitet, in deren Mitte der Buchständer steht. Senesta muss ihn etwas zur Seite schaffen, will sie nicht in Glassplittern und Alkohol stehen. Seine Dämpfe erschweren die Konzentration. Völlig unverständlich, wie ihre einstigen Kommilitonen dergleichen Gesöff jeden Abend in sich hineinkippen konnten.
Angesichts des Lärms, den Davis und der Ork verursachen, fällt es ihr schwer, sich angemessen zu konzentrieren. Ähnlich behäbig ging ihr Lernfortschritt zuletzt in Firopolis voran, als ihrer Stube ein junges Weib aus Tvjodal zugeteilt wurde. Ihr Studium normalisierte sich erst wieder, nachdem die Nordfrau von einem marodierenden Nishruu ausgesaugt wurde.
Davis findet in den dem Salon vorgelagerten Kojen jede Menge Kissen und Decken, die er im Salon ausbreiten kann. Stühle gibt es nicht und der einzige Tisch ist festgeschraubt. Dafür könnte er sich die Felle des Gnoms „borgen“. Gudbrash liest derweil die Reste der nicht ausreichend gesicherten Einrichtung auf und wirft sie hinab in die Torpedoschächte. Er scheint froh darüber, wieder etwas zu tun zu haben, wenn er schon nicht seine Ahnen treffen darf.
Die beiden Männer haben schon bald aus dem verwüsteten Salon ein wohnliches Plätzchen gemacht, angenehm warm und im Gegensatz zum Rest des Schiffs beleuchtet. Zwar liegen noch einige Scherben und Holzsplitter herum, doch schützen sie die Sohlen ihrer Stiefel vor Verletzungen.
Die nächsten Tage vergehen recht ereignislos. Vor dem Sichtschirm zeigt sich nichts als ein Strom aus Trümmern, Magensäure und halb verdauten Überresten, der sie mit sich trägt. Es ist minimale Maschinenleistung nötig, um sie nicht untergehen zu lassen. Ab und zu bleibt etwas Größeres in den Falten des Darms stecken, dem sie dann ausweichen müssen. Regelmäßig erschüttern Gaseruptionen die Außenhülle, richten aber keinen Schaden an. Das Bizarrste sind eine Art organische Stalaktiten, die von oben herabhängen. Sie scheinen komplett aus weißlichem Schleim zu bestehen.
Einmal, als sie eine Pause von ihrem unablässigen Studium einlegt, kann Senesta draußen seltsame, fliegende Kreaturen entdecken, die über dem Strom aus Unrat ihre Kreise ziehen. Da die Außenlichter lediglich auf halber Leistung laufen, kann sie nur Schemen erkennen. Immer wieder stoßen sie herab, um sich Überreste aus dem Magen zu sichern.
Abgesehen davon lässt sich kaum mehr über Atuin und ihre inneren Vorgänge sagen. Weiterhin ist nichts erkennbar, was ihre Anwesenheit in ihrem Leib rechtfertigen würde. Was die Fee auch immer gemeint hat, muss sich entweder tiefer befinden und von ihnen übersehen worden sein.
Gnax erwacht irgendwann mit brummenden Schädel. Er glaubt, zu viel getrunken zu haben und klagt, sich nicht mehr an ihre Flucht erinnern zu können. Das erleichtert den Umgang mit ihm erheblich, da er weder beleidigt noch besonders misstrauisch ist. Zwar könnte er durchaus freundlicher sein, gibt sich aber Mühe, nicht zu sehr zu nerven. Stattdessen hilft er Senesta sogar bei ihren Arbeiten
[1] und erledigt das Steuern. Er besteht allerdings darauf, die Administrationsrechte für den Homunkulus übertragen zu bekommen, um seine eigene Kreation wieder selbst scheuchen zu können.
Da kein Absinth mehr verfügbar ist, bleibt der Gnom zwangsläufig nüchtern. Je länger er die Menschen in seiner Nähe hat, desto mehr öffnet er sich ihnen gegenüber. Oft verliert er sich in philosophischen Erörterungen oder senilem Geschwafel, aber alles in allem hat er viel Interessantes zu sagen. Unter anderem berichtet er lang und breit von den Elfen
[2] und ihrer Hohezeit. Seinen Diener verwandelt er zurück in eine kleine Statuette, nachdem er das vierte Mal von ihm korrigiert worden war.
Das einzige Problem, das vor allem Gudbrash regelmäßig beklagt, sind die schwindenden Vorräte. Erstens gibt es nichts außer Speck, getrockneten Früchten, Walnüssen und Reis und zweitens geht davon langsam alles zur Neige. Sind sie nicht in zwei Tagen draußen, könnte es kritisch werden.
Am vierten Tag sitzt Senesta gerade an ihren Studien und Davis an einem neuen Stück, als das Schiff spürbar abbremst. Gudbrash grunzt verärgert, als sich der Reis in seiner Schale auf dem Boden verteilt. „Was´s los?“, grollt er.
„Äh...seht selbst!“, kommt die Antwort aus der Kanzel. Vor dem Sichtfenster ist eine gewaltige Schutthalde aufgetürmt, in der Rippen von der Größe eines ausgewachsenen Mannes neben den Überresten eines mithrahelischen Balkons zu finden sind. Steinquader stapeln sich auf Krötenpanzer, Hügel aus verwesendem Holz stopfen die Fenster ganzer Häuserfronten. Alles, was Atuin jemals verschlungen zu haben scheint, wird von irgendetwas zu einem gewaltigen Staudamm aufgetürmt. Biber sind es definitiv nicht.
„Hat jemand eine Idee, wie wir da hindurch können?“, fragt Gnax in die Runde.