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Autor Thema: Das liederliche Spiel  (Gelesen 85896 mal)

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Lu Chieng

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Das liederliche Spiel
« Antwort #135 am: 06.01.2011, 17:01:16 »
"Nun Herr," sprach Lu Chieng ein wenig der Suppe gegessen hatte, bisher hatte er immer nur von dieser Köstlichkeit gehört hatte. Hoch im Norden war sie ihm noch nie begegnet und wenn er ehrlich war war es keine besonderer Verlust.

"mich trieb das Neujahrfest tief in den wunderschönen Süden Chuangs. Wobei wenn ich gewusst hätte was hier für lächerliche Anschuldigungen gegen mich erhoben werden, hätte ich die Reise wohl nicht unternommen." Aber da der Prinz nach der Verbindung zum Hof gefragt hatte, nahm Lu Chieng erst einen Schluck Tee um Zeit zu gewinnen. Sollte er die Wahrheit verlauten lassen und sich somit entlasten oder sollte er die Fassade seines Beamtentums weiter aufrecht erhalten.

"Und was wir 'hier bei Hofe' machen ist mir zumindest nicht klar, Herr. Selbst als Boss uns unsere angeblichen Verfehlungen, die zu unserer Inhaftierung geführt haben war kein Wort von dem Mord an unserem himmlichen Kaiser zu vernehmen." zuerst wartete Lu Chieng auf eine Antwort oder ein Wort der Anderen. Anscheinend war er versucht sein Dilemma auf später zu verschieben.
"Furchtlosigkeit ist die Tugend der Narren. Sie entsteht nicht aus Mut, sondern aus mangelnder Vorstellungskraft. Der Weise fürchtet sich und lässt sich trotzdem nicht von seinem Weg abbringen. Er wird nur vorsichtig."

Sūn Ai

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Das liederliche Spiel
« Antwort #136 am: 06.01.2011, 21:30:22 »
Sūn Ai schlief in der Nacht schlechter als in der Letzten. Es war wohl kein Wunder, dass man keinen ruhigen Schlaf fand. Die Wände waren nicht dick und es gab genügend Geräusche, die einem immer wieder die Augen öffneten. Zuletzt stieg auch von Tag zu Tag der Druck, der auf jedem einzelnen lastete und die junge Frau war sehr angespannt unter der Anklage. Während sie versuchte etwas Schlaf zu finden, machte sie sich innerlich Sorgen um den Gnom. Schließlich konnte sie nicht anders und ihre Gedanken verschwammen und sie schlief.

Der Schlaf hielt nicht lange, da sie von der knallenden Tür aufschreckt. Schlaf ummantelt stand sie auf. Sie musste sich zunächst auf ihre Bettkante setzen um nicht ohnmächtig zu werden. Kräftig rieb sie sich die Augen, um klarer zu sehen. Erst nach und nach nahm sie alles war, was passiert und auch das was passiert war. Wie schwebend wirkte sie noch. Doch plötzlich knallte sie auf und erinnerte sich an alles.

Hastig stand sie auf und kleidete sich. Von draußen hörte man nur einen leises Knallen, als sie sich selbst so sehr gehetzt hatte, dass sie beim Anziehen hinfiel. Zwar konnte sie sich noch Abfangen und Schlimmeres verhindern, trotzdem war es etwas unangenehm. Sie richtete ihre Frisur mit ihren Haarstäben und öffnete dann die Tür.
Sofort kniete sie vor dem Kaisersohn nieder und erwies ihm den Respekt dem man ihm zollen muss als Sohn des Kaisers. Dann setzte sie sich zu den anderen, um an dem Mahl teilzunehmen. Die Wärme des Tees tat gut gegen die Müdigkeit, die immer noch präsent war, die sie aber zu verbergen wusste. "Ich bin geehrt von eurer Anwesenheit." sagte sie, nach der ersten Tasse Tee. "Vor den letzten Ereignissen verband mich nichts direkt mit dem Kaiserhof, dessen ich mir bewusst bin. Allerdings bin ich mir sehr wohl bewusst, dass ich nicht mehr bin als eine junge Dame und damit, dass es genügend Sachen gibt, obwohl sie mir entgehen." Auch Sūn Ai ließ sich noch einmal nachschenken. Es war deutlich dass sie mehr den Tee genoss, als die Suppe, welche sie zwar nicht komplett ablehnte, aber ihr war wohl einfach nach keiner Mahlzeit. "Jetzt verbindet mich eine schwere Anklage mit dem Kaiserhof und ihr werdet es wohl verstehen, dass mir das beschriebener Urteil zu schaffen macht."

Besorgt schaute sie zu der Tür des Gnomes, als sie merkte, dass dieser noch nicht hervor gekommen war. Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Noch einen Toten kann dieser Raum nicht noch gebrauchen.

Xū Dǎnshí

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Das liederliche Spiel
« Antwort #137 am: 09.01.2011, 18:46:08 »
Danshi schwieg auf die Frage hin. Es war unnötig darauf zu antworten, war doch allen bekannt, warum er in diesen Tagen am Hof weilte. Unterdessen machte er sich seine Gedanken. Es war sehr, sehr seltsam, dass bisher alle Besucher - mehr oder weniger - gewogen und höflich auftraten. Aus irgendeinem Grund schien es ein großes Interesse an den Gefangenen zu geben. Manchmal, so schien es ihm jetzt, konnte es sogar so interpretiert werden, dass sie sich bemühten, die Häftlinge für sich zu vereinnahmen. Doch zu welchem Zweck?

Anscheinend ging es nicht nur darum, einen Mörder zu fassen. Sündenböcke konnten willkürlich bestimmt, Geständnisse unter Folter erpresst und Rache kollektiv verübt werden. Da musste mehr an Bedeutung dahinter stecken und die Gefangenen waren der Schlüßel dazu. Das bewiesen die vielen Fragen der Besucher. Danshi legte bei diesen Gedanken unwillkürlich die Stirn in Falten und strich sich durch den weißen Bart. Seine Suppe blieb zunächst unangerührt.

Es gibt da ein Detail, dass allen offensichtlich ist, außer denen, um die es sich dreht.
« Letzte Änderung: 09.01.2011, 19:01:38 von Xū Dǎnshí »

Menthir

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Das liederliche Spiel
« Antwort #138 am: 09.01.2011, 23:15:44 »
03.01.1042 - Tag des Affen - Morgen

Ein Klopfen. Stille. Ein zweites Klopfen. Stille. Der barbarisch gekleidete Mann blickte ratlos zum Sohn des ermordeten Kaisers und ließ dann entschlossen die Peitsche knallen. "Ich komm euch jetzt holen, Oda Zektau!" Der Mann versuchte die Tür mit einem Ruck zu öffnen, doch der Schließregel hielt die Tür auf. Der Gnom hatte sich eingeschlossen. Er gab keinen Laut von sich. Der Mann trat gegen die Tür, noch mal und auch ein drittes, ein viertes und fünftes Mal, dann erst gab die Tür nach. Ein dumpfes Stöhnen entfuhr dem barbarischen gekleideten Mann. "Uff." Ein Schritt in die Tür, man musste gar nicht hinsehen, um zu wissen, was passiert war[1]. Der Mann schloss die Tür wieder und verneigte sich mit einem Kotau vor dem Kaisersohn. "Mein Herr. Ich kann Oda Zektau nicht bestrafen. Er hat sich mit Draht selbst gerichtet." Er verharrte auf dem Boden, als würde ihm der Umstand, dass er nicht strafen konnte, zutiefst verletzen und bedrücken. Seine Stimme war bitter, nicht wegen des Todes des Gnomes selbst. Der Kaisersohn nickte nur stumm und verzog den Mund zu einem missmutigen Strich. Er blickte zu den Denunzianten und seufzte langgezogen und stricht sich mit der ganzen Hand durch das Gesicht, als könnte er schwere Gedanken einfach wegwischen.

"Es ist die zweite Person von euch, die sich augenscheinlich das Leben nimmt. Die Last der Situation ist kaum zu tragen. Wie törricht von mir, glauben zu wollen, dass ich sowas nachvollziehen könnte.", sagte er mit nun deutlich dünnerer Stimme. "Was kann in einem Wesen vorgehen? Ist alles so aussichtlos, dass man sich umbringt, selbst wenn man scheinbar nur für Lappalien eingesperrt wurde und vielleicht fälschlicherweise verdächtigt wurde?" Der Mann schüttelt den Kopf, er konnte das scheinbar alles nicht glauben. "Meine Hoffnung war, dass der Selbstmord der Halbelbin das Zeichen schlechthin, dass sie sich mit ihrem schlechten Gewissen wegen des Kaisermordes das Leben genommen hatte und wir davon ausgehend eure Unschuld beweisen könnten. Es war ein erster Funke Hoffnung, unsere Kerze in der tiefen Dunkelheit. Und nun hat sich diese Hoffnung zusammen mit einem verzweifelten Gnom umgebracht." Er schlug sich mit den Handflächen auf die Oberschenkel und raunte die nächsten Worte. "Warum? Das frage ich mich. Wieso bringt sich jemand um, der sich sicher ist, dass er ungerechtfertigterweise eingesperrt wurde? Wurdet ihr gefoltert? Mit miesen Mittel verhört? Wenn der Tod sowieso einkalkuliert wird, warum sagen sie dann nicht einfach, dass sie sterben wollen? Warum nehmen sie dann auch noch die Geheimnisse mit in den Tod? Sie machen es doch nicht leichter. Belasten eure Leben genauso, wie unsere." Chuang Wang war ein wenig bleich und er ließ den barbarischen Mann erst einmal aufstehen. Er ließ sich Tee nachschenken, seine Hand zitterte etwas, als sie die Tasse hielt. "Ich habe euch am heutigen Morgen aufgesucht, weil ich davon hörte, dass Oda seine Werkbank von Männern bekommen hätte, die nicht zum Stab Shǎzis gehörten. Ich wollte es untersuchen, weil ich solche Dinge, wie gefährliche Werkzeuge vermutete..." Seine Stimme stockte. "Ich war zu spät, obwohl ich schneller erschien, als ich eigentlich konnte." Er blickte auf den Boden und nahm einen Schluck Tee zu sich, seine Hand zitterte etwas stärker inzwischen. "Sind lächerliche Anschuldigungen ein Grund sich umzubringen, Lu Chieng?", er blickte den falschen Beamten plötzlich an, als sei ihm eine Idee gekommen. "Muss ich alles aus diesem Raum entfernen lassen? Oder um euch Hoffnung zu machen, ist es so, dass sich der Hof leisten kann, massenhaft Männer und Frauen sterben zu lassen? Chuang ist ein riesiges Reich mit vielen Gesichtern, aber keines ist weniger wert als das nächste. Wir können euch nicht einfach sterben lassen."
Er blickte Sūn Ai an und kniff sich in die Nase, rieb sie wild und sprach danach. "Ihr seid nur eine junge Dame? Nur? Was kann jemand mehr sein als ein Lebewesen?"
Er schwieg wieder abrubt. Das Knarzen der Peitsche war im Rücken der Denunzianten zu hören. Die pfeifende Stimme bemerkte nur. "Ich werde die Leiche wegschaffen lassen und Diener die Kammer säubern lassen." Die drohende Gebärden im Raum verschwanden mit dem Peitschenträger. Chuang Wang hingegen war ein wenig zusammengesunken und rieb sich die Nase und die Augen beständig, als würde er nachdenken. Die Situation machte ihm offenbar zu schaffen.
 1. Wahrnehmenwurf, wer schnell einen Blick in die Kammer riskieren möchte
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Hong Gil-dong

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Das liederliche Spiel
« Antwort #139 am: 10.01.2011, 13:04:37 »
Hong versuchte die Frage nach dem Grund für das Hiersein ignorieren, da es seiner Ansicht nach klar war. Die Stille aus Oda's Zimmer nagte in seinem Innern und er traute sich nicht hinein zu blicken. Seine Befürchtung wurde bestätigt. Der kleine Mann hatte sich selbst gerichtet. Und nun verhöhnte der angeblich so scharfsinnige und kluge General des Südens mit seiner Einfalt ihre Situation. Grollend knurrten die Worte aus Hongs Kehle
"Ich bin als Glied einer Kette hier, die meine Familie an den Hof binden soll. So war es die letzten Jahre und so wird es auch immer noch sein. Eingepfercht in engen Räumen wo die einzige Gesellschaft oft die Einsamkeit ist. Ausgesetzt einem ungewissen Schicksal. Im Unklaren gelassen wieso man selbst hier ist. Sicher, meine Situation wird sich nicht geändert haben und auch hier bin ich als Glied der Kette. Das einzige was sich geändert hat, ist dass der Kaiser Tot ist und wir am Beginn interessanter Zeiten stehen. Der Kaiser ist von uns gegangen, es lebe der neue Kaiser. Doch wer wird es sein? Der Himmel hat vier Richtungen und ebensoviele Söhne des Kaisers stehen als General einer der vier Himmelsrichtungen vor.
Zhào Làn wollte anscheinend einen Beamten vergiften. Konnte sie nicht damit rechnen gefoltert zu werden um aufzudecken an welcher Verschwörung sie beteiligt war? Oda Zektau sabotierte eine riesige Seidenlieferung. Auch wenn jedes Gesicht gleich viel wert ist wie das nächste, wird man für eine solche Tat nicht zum Tode verurteilt werden? Ist es nicht besser wenn man selbst den Zeitpunkt wählen kann? Dang Di hat sich für ihn eingesetzt, doch wie lange würde dies in der Unruhe im Palast noch haltbar sein. Er hat einfach sein Urteil vorneweg genommen.
Xū Dǎnshí kontrolliert eine militärische Streitmacht und ist so ein möglicher Spieler in Shǎzis spiel um die Himmlische Ordnung. Hier wird er verwahrt um besser kontrolliert zu werden und als versteckte Karte im richtigen Moment gespielt zu werden. Mako Jinsei ist zur Beruhigung von Kun Shi hier oder weil er etwas über seinen Beitrag in der Verschwörung heraus gefunden haben könnte oder er bleibt in der Hinterhand für die List der Schönen Frau[1]. Sūn Ai ist mit Han Hao, einem weiteren Spieler verwickelt.
Das alles erkennt man bereits innerhalb dieser Wände ohne einen Blick ins tatsächliche Geschehen werfen zu können. Ihr seid der sibenköpfige Tiger. Ihr werdet uns besser sagen können, was uns mit dem Kaiserhof verbindet, vielleicht sogar besser als wir selbst.[/b]"
 1. 
Bitterer Tee, mit Wohlwollen dargeboten, schmeckt süßer als Tee, den man mit saurer Miene reicht.

Lu Chieng

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Das liederliche Spiel
« Antwort #140 am: 10.01.2011, 17:58:23 »
"Nun Herr, wenn ihr mir meine Offenheit verzeiht. Niemand kann es nachvollziehen zwischen vier Wänden eingesperrt zu sein, wenn er selbst die Gunst der Sonne genießt. Ebenso wie niemand die Schrecken eines Feldzuges ermessen kann der niemals eine Schlacht erblickte. Ein jeder hier wartet auf sein Schicksal und die meisten auf ihren Tod wenn die Anschuldigungen korrekt sind. Doch nichts erzeugt soviel Schrecken wie das warten auf selbiges."

Lu Chieng verbeugte sich tief vor dem Kaisersohn: "Und die Anschuldigen unseren himmlichen Kaiser umgebracht zu haben könnt ihr doch wohl kaum als lächerlich betrachten. Es sei denn es gibt einen anderen Grund uns hier zusammen festzuhalten, auch wenn mir keiner kommen würde."

Sachte pustete Lu Chieng an seinem Tee bevor er einen Schluck nahm.
"Furchtlosigkeit ist die Tugend der Narren. Sie entsteht nicht aus Mut, sondern aus mangelnder Vorstellungskraft. Der Weise fürchtet sich und lässt sich trotzdem nicht von seinem Weg abbringen. Er wird nur vorsichtig."

Xū Dǎnshí

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Das liederliche Spiel
« Antwort #141 am: 11.01.2011, 21:04:01 »
Zornesröte stieg dem alten Mann in die Wange und bildete einen deutlichen Kontrast zu seinem weißen Bart. Unruhig rutschte er für einen Moment hin und her, dann stand er ruckartig auf und stieß die Tür zu Odas Kammer auf. Er besah sich des Toten und dreht sich dann ruckartig zu Chuang Wang um.

"Lu Chieng hat es bereits gesagt. Ich für meinen Teil kann damit leben, meine letzten Tage in einem Kellerverlies zu verbringen, und klage darüber nicht. Alles Leben ist Leiden, doch jede mir bekannte Heilslehre schließt das Wohl der anderen mit ein. Und auch Konfuzius sagt, was sittliches Verhalten ist, nämlich: "Was man mir nicht antun soll, will ich auch nicht anderen Menschen zufügen.“ Ich lebe seit sehr langer Zeit mit diesen höchsten aller Grundsätze. Was hier geschehen ist, macht mich zornig und ich will schreien vor Zorn.", sagte er mit gepresstem Zorn und mit deutlich vernehmbaren Dialekt. Damit schloss er die Tür wieder.

Zwei Sekunden vergingen, dann setzte er wieder an. "Sündenböcke können willkürlich bestimmt, Geständnisse unter Folter erpresst und Rache kollektiv verübt werden. Tut nicht so, als würde hier recht gehandelt, denn es geht gar nicht um das göttliche Gesetz! Hier wird mit fremden Messern gemordet, das wird sich jeder leicht überlegen können. Sagt mir, welche verdeckten Züge werden hier getan!?"[1]

Wer die Sitten Danshis Heimatregion kannte, wusste wie außergewöhnlich dieser Ausbruch war. Nicht nur weil er mit einem Kaisersohn sprach, sondern weil er seine Tatamae[2] fallen ließ. Sein Sprechen war Ausdruck höchster Indignation, für die er sogar riskierte, sein Gesicht zu verlieren.
 1. 
 2. 
Tatemae = Maskerade (Anzeigen)

Mako Jinsei

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Das liederliche Spiel
« Antwort #142 am: 12.01.2011, 16:47:54 »
"Ich fühle mich geschmeichelt, Herr. Mein Yueqinspiel ward schon oft gelobt, aber mit Kui selbst wurde ich noch nie verglichen. Sendet der Wache meinen Dank.", sprach Mako mit einer leichten Verbeugung und nahm einen kleinen Schluck Tee.
"Liebend gern würde ich Euch eine Kostprobe meiner Kunst geben, damit Ihr selbst richten könnt, ob der Vergleich gerechtfertigt war."
Er nahm sich eine große Portion Suppe. Der Barde hatte schon einige Male von dieser Delikatesse kosten dürfen, als er in reicheren Häusern vorspielte und liebte das seltsame Aroma und gelatinöse Konsitenz dieser Speise.
Er aß sie langsam und genießerisch und ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen. Dieses gefror jedoch sofort als er von Odas Tod erfuhr. Nun war schon der zweite Gefangene gestorben. Wieder mit hoher Wahrscheinlichkeit Selbstmord.

Entsetzt über den Tod den quirligen Gnoms verfolgte Mako das folgende Gespräch. Xū Dǎnshís Ausbruch überraschte ihn sehr, dachte er doch, der alte Mann wäre ruhig und besonnen.
"Auch wenn ich nicht alle von Xūsans Ansichten teile kann ich nicht bestreiten, dass mir nicht die gleiche Frage auf den Lippen brennt. Also sagt bitte auch mir, weshalb wir wirklich hier sind.
Solltet Ihr es wissen."
, fügte er höflich hinzu. Mako hatte bei weitem nicht den Mumm mit einem Kaisersohn so zu reden wir Xū.
"An einem edlen Pferd schätzt man nicht seine Kraft, sondern seinen Charakter." -Konfuzius

Menthir

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Das liederliche Spiel
« Antwort #143 am: 12.01.2011, 17:47:10 »
03.01.1042 - Tag des Affen - Morgen

Chuang Wang strich sich die Augenbrauen und blickte noch einen Augenblick auf den Boden. Während des Ausbruches des Beamten Xū Dǎnshí suchte er dessen Augen und blickte sichtlich verstimmt drein, alle anderen Worte ließ er mehr oder weniger über sich ergehen. Er ließ sich abermals Tee einschenken und nahm wieder eine ernsthaftere Sitzpose ein. "Nun...", begann er mehr stockend, denn militärisch straff, "ich hätte nicht gedacht, dass meine Zusage, dass ich euch nicht obrigkeitlich behandeln würde, dafür sorgen würde, dass ich wie Dreck behandelt werde." Er klang etwas bitter. "Derartiger Dreck, der von Soldatenstiefel im Krieg aufgenommen wird." Er blickte, nein, er funkelte Xū Dǎnshí an. Er atmetete tief ein. "Können, können, können. Was ist nicht alles möglich! Es geht hierbei, Xū, bei weitem nicht, um das was potentiell möglich ist, es geht um das, was wahrscheinlich ist. Ein erpresstes Geständnis bringt nichts, wenn der Hof sich entzweit, weil die Antwort nur einen erfreuen kann. Ein Sündenbock kann eben deswegen nicht einfach bestimmt werden. Rache kann nur dann kollektiv geübt werden, wenn es eine Gemeinschaft gibt." Er trank einen Schluck Tee. "Hongs Worte beweisen die größte Weisheit.", merkte er fast schnippisch an, scheinbar war er gekränkt und wollte Xū Dǎnshí etwas reizen. "Und deswegen muss ich ihm danken, denn ich habe mich nicht völlig über euch informieren können. Ich bin erst gestern vom Feldzug zurückgekommen. Das ist das umfangreichste, was ich jetzt weiß. Aber selbst ich habe bemerkt, dass dieser Hof keine himmlische Einheit bildet. Würde er dies, dann wäre es zumindest möglich, Xū Dǎnshís Erwartungen zu erfüllen. In der Andersartigkeit der Situation liegt die Gefahr, welche nur der Hofweise bisher zu entschärfen wusste. Und ihr glaubt, ich hätte einen Überblick? Wie törricht. Und die ewigen Bekundungen, dass ich mehr wissen müsste und diese Selbstsicherheit, die in diesem Raum hinter dieser Erwartung steht, diffamiert mich allzu schnell als Lügner. Und das ist nicht nur falsch, es ist erniedrigend!" Er hatte bei seinen letzten Worten drohend seinen Zeigefinger gehoben und atmete durch, ließ sich noch einen Tee einschenken.

Er saß jetzt recht formal da, diese Anschuldigungen hatten ihn die Bequemlichkeit verlieren lassen, er suchte Schutz in einer festen Position. Er beruhigte sich wieder. Seine Stimme war vorher immer strenger geworden, jetzt nahm sie einen sanften Ton an. "Lu Chieng spricht wahr. Ich würde sogar noch weitergehen. Man vergisst die Schrecken des Krieges auch schnell wieder, wenn man nicht in der Schlacht steht. Nur in dem Moment, in dem man eine schreckliche Niederlage erleidet, ob im Gewissen, ob im Stolz, vergisst man die Schrecken des Krieges nicht mehr. Die Feuchtheit dieses Gemäuers scheint schwer auf euch zu lasten. Ich verzeihe euch eure Ausbrüche. Aber Lu Chieng hat nicht gesehen, dass ich den Mord an meinem Vater, dem Kaiser, garantiert nicht als lächerlich abhaken kann und werde. Jedoch habe ich aus der Sicht eines Gefangenen gesprochen. Und aus dieser Sicht kann der Gefangene nichts fürchten, wenn er nichts getan hat, was er fürchten müsste. Hong hat jedoch gezeigt, dass jeder etwas getan zu haben scheint oder eine Verbindung zum Hof hat." Er legte die Hände an die Schläfen. "Wenn euch genannt wurde, dass dies auch die Taten sein, die man euch anlastet, dann wird das der Stand des Hofes sein. Auf jeden Fall ist es im Moment mein Stand." Er legte die Teetasse das erste Mal lieber ab, seine Hand zitterte nun stark. Es wurde offenkundig, dass er nicht nervös war[1]. "«Wenn im Staate Ordnung herrscht, ist es eine Schande, ein armer und gewöhnlicher Mensch zu sein. Wenn im Staate Verwirrung herrscht, so ist es eine Schande, reich und Beamter zu sein.» Auch diese Worte sollten Xū Dǎnshí dann bekannt sein.", setzte er an. "Wenn hier mit fremden Messer gemordet werden sollte, dann müsst ihr mir nicht die ganze Zeit vorwerfen, dass dies getan wird. Ihr müsst mir helfen, zu verstehen, damit ich etwas dagegen tun kann. In der ecclesialen Sprache gibt es ein Sprichwort, welches die Männer Vecors aussprechen, wenn sie von einer möglichen Anomie in einem Vielgötterstaat sprechen. Es lautet «bellum omnium contra omnes»[2]. Es ist nicht die eigentliche Bedeutung des Satzes, aber man in der Kirche Vecors sieht man dies in Zeiten der Krise auch zwischen Religionen so. Ich sehe es in Zeiten der Krise gar zwischen Brüdern so."

Sein Blick wurde wieder milde. "Ich bin nicht erschienen, um euch Vorwürfe zu machen. Ich bin gekommen, weil ich in der Hoffnung war, dass ich mich auf eure Hilfe verlassen könnte. Weil ich hoffte, jemanden zu finden, der von seiner Unschuld überzeugt ist und für diese zu kämpfen bereit ist. Ob mit Geist oder Schwert, was macht's? Euer Geist ist aber in diesen Wänden schärfer. Und es gibt alleine die Möglichkeit, dass eure jeweiligen Verbindungen zum Hof diese Krise ausgelöst haben. Jeder scheint ja, nach Hongs Worten, zumindest eine gewisse Anbindung an den Hof zu haben."
Er seufzte. "Also? Können wir wie Menschen miteinander reden oder sollen wir anfangen, weiter haltlose Vorwürfe auszutauschen?[3] Und beantwortet mir bitte, seid ihr gefoltert worden oder dergleichen, damit man an eure Worte kam?"
Er verbarg seine zitternden Hände in seinem feinen Kleidung und saß ansonsten still da und blickt mit beruhigter Miene auf die Denunzianten. Der merkwürdige und wütende Mann war noch nicht zurückgekehrt.
 1. Heilkundewurf
 2. Naturzustand
 3. Motiv erkennen-Wurf - Keine Sorge, es handelt sich nicht um einen simplen Bluff. Solche Bluffs sage ich nämlich natürlich nicht immer einfach an. Das würde einem Dialogspiel auch ein bisschen seinen Sinn nehmen ;)
« Letzte Änderung: 12.01.2011, 17:51:05 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Lu Chieng

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Das liederliche Spiel
« Antwort #144 am: 13.01.2011, 11:12:10 »
"Nun Herr, wie nennt ihr das Abschirmen einer Person ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne das Licht des Tages zu sehen, ohne hingehen zu können wo er möchte. Ich nenne es Folter, wenn am Ende dieser Periode der sichere Tod steht." fragend schaute Lu Chieng den Sohn des Kaisers an. Ihm war natürlich bewusst das die Einkerkerung nicht der üblichen Definition von Folter gleich kam.

"Das Problem ist, dass wir in allererster Linie uns selbst helfen wollen und nicht euch. Nehmt an ihr wärt in unserer Position und ihr wärt unschuldig. Ihr wüsstet, dass ihr unschuldig seid. Ihr kennt aber auch keinen der anderen Inhaftierten. Also könnt ihr auf nichts vertrauen was sie sagen, geht ihr doch davon aus, dass einer von ihnen oder sogar mehrere Mörder sind.

Da wir uns nicht kennen, haben wir aber auch keine Chance die Wahrheitsgehalt von Aussagen zu erkennen. Es sei denn ihr hört auf euer Gegfühl, was in einer solch heiklen Situation durchaus trügerisch sein kann.

Was bleibt uns also anderes übrig als darauf zu hoffen, dass sich der Mörder, sodenn er sich unter uns befinden, zu erkennen gibt. Gemäß dem Fall wir sind alle Unschuldig sind wir tot. Denn es gibt keinen Mörder. Wenn es einen Mörder gibt und er sich nicht zu erkennen gibt sind wir alle tot. So sind die Regeln und wir sind nur Steine in einem Spiel."


Von seiner eigenen Rede deprimiert schaute Lu Chieng einige Augenblicke vor sich auf den Boden, bevor er seine Mitgefangenen anschaute
"Furchtlosigkeit ist die Tugend der Narren. Sie entsteht nicht aus Mut, sondern aus mangelnder Vorstellungskraft. Der Weise fürchtet sich und lässt sich trotzdem nicht von seinem Weg abbringen. Er wird nur vorsichtig."

Xū Dǎnshí

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Das liederliche Spiel
« Antwort #145 am: 16.01.2011, 22:15:29 »
Während Lusan sprach, hatte Danshi Zeit gefunden, eine würdevolle Contenance wiederzufinden. Nur seine vom Blut noch heißen Wangen verrieten, was eben geschehen war. Er trat von der Tür weg, wieder zu dem Tisch und setzte sich. "Ein Wunder, dass wir das Blut nicht gerochen haben, das die halbe Bodenfläche bedeckt. Eine seltsame Art des selbstgewählten Todes, vielleicht eine Mischung zwischen der infamen Hinrichtung eines einfachen Kriminellen[1] und dem ehrvollen Seppuku[2], der jede Schande austilgt. Der Draht schnitt wie eine Garrote durch den Hals, doch Caput und Torso blieben durch einen Hautlappen verbunden. Wie schätzen wir seinen Tod nun ein? Ist seine Ehre wieder hergestellt?", sagte Danshi sardonisch. Er nahm einen Löffel Suppe.

Danshi war sich bewusst, dass er in der Wunde des Kaiserssohn bohrte. Es war keine taktische Entscheidung, obgleich sie den Effekt haben konnte; solches konnte Danshi nicht einschätzen. Es war Ausdruck eines tiefen Schmerzes, der sich in diesem Moment in sein Herz bohrte. Seltsam, dass der Tod der Halbelbin ein solch intensives Gefühl nicht ausgelöst hatte. Doch auch dieses würde bald verblassen und schließlich vergehen. Ryokan sagte: 'Wir begegnen einander, nur um uns zu trennen. Wir kommen und gehen, wie die weißen Wolken'.

"Ich will jetzt nicht weiter über ihn sprechen und ihr auch nicht. Nur eines noch: Ich erbitte, dass sein Körper gereinigt und Räucherwerk für ihn entzündet wird.", er sah den Kaisersohn mit einem schwer zu deutenden Blick an. "Ihr sagt also, dass das himmlische Reich auseinander zu brechen droht. Nicht umsonst spricht man von der Zeit der streitenden Reiche. Wie kommt Ihr darauf, dass wir etwas mit dieser Krise zu tun haben[3]? Und zudem, welchen Nutzen seht Ihr in einem geeinten himmlischen Reich? Ist eine solche Krise nicht ein guter Hinweis darauf, dass der Lebensvollzug in einer wichtigen Hinsicht gedrückt wird?"

Nach einer kurzen Pause fügte er erklärend hinzu: "Sicherlich könntet Ihr den Aufstand blutig niederschlagen - auch im Widerstreit der Interessen. Meiner Ansicht nach hat auch ein verwundeter Kavalerist oft noch die Kraft, das aufgebrachte Pferd an den Zügeln herumzureißen. Doch Ihr müsst Euch gewiss sein, dass solche Gewalt weitere nach sich zieht, wenn der Dorn weiter in der schwärrenden Wunde steckt."
 1. Hängen oder Enthaupten
 2. 
Seppuku (Anzeigen)
 3. Der Satz ist mit Absicht unbestimmt. (a)"Was haben wir damit zu schaffen?" und (b) "Welchen Einfluss haben wir?"
« Letzte Änderung: 16.01.2011, 22:26:51 von Menthir »

Menthir

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Das liederliche Spiel
« Antwort #146 am: 17.01.2011, 11:31:02 »
03.01.1042 - Tag des Affen - Morgen

Der Kaisersohn saß immer noch in der disziplinierten Position und nichts deutete darauf hin, dass er es irgendwie ändern würde.  Inzwischen hörte man das Knarzen der Peitsche wieder, obgleich sie an den Gürtel gebunden war, arbeitete der Körper des kleinen, pfeifenden Mannes andauernd gegen das Leder. In dessen Gefolge betraten drei einfache Diener das Zimmer und der Kaisersohn zögerte nicht, die Bitte Xū Dǎnshís zu wiederholen. "Reinigt seinen Körper und entzündet Räucherwerk für ihn. Bahrt ihn in der kaiserlichen Halle der Toten auf, wo auch Generale und wichtige Gelehrte aufgebahrt werden. Holt auch die Halbelbin in den Saal. Jeder Höfling soll sehen, was ihr Streit anrichtet." Der Kaisersohn, der seine Diener angeschaut hatte, welche den Blick nicht erwiederten und vorher noch kräftig in den Kotau gefallen waren, schaute nun zu Xū Dǎnshí, während die Diener anfingen den Raum zu säubern und Oda an den Denunzianten vorbeizutragen. Es war ein furchtbarer Anblick. "Ich wünschte, ich wäre des Wu Weis[1] mächtig, aber ich bin scheinbar weder edel noch weise genug. So muss ich mich mit den Notwendigkeiten begnügen. Man sehe es mir nach, wenn ich den Toten keine Ruhe gönnen kann und ihren Geist auf solch niederträchtige Art beschwören muss, um ihr Andenken hoch zu halten." Er atmete tief ein, unter seiner Kleidung war das Zittern der Hand noch leicht zu sehen. "Ich werde mir Ärger einhandeln, denn wenn ich euch, so unausweichlich es nach Lu Chiengs Worten scheint, schließlich alle dort aufbahre, wird nach der Anklage auch dem Mörder diese Ehre erwiesen. Aber wenn es dazu käme, würde ich nicht letztendlich den ganzen Hof aufbahren können? Wenn ich davon ausginge, dass der Mörder hier unbedingt säße, wäre es eine Schande für einen himmlischen Hof, wenn er keinen trivialen Mordfall aufklären könnte, auch wenn der himmlische Kaiser selbst betroffen ist. Aber ist es auch eine Schande, wenn der Hof selbst darin involviert ist? Ich sage ja. Genauso wie ich nur wiederholen kann," der Blick Chuang Wangs trifft streng Lu Chieng, "dass es kein unveränderliches Ende gibt. Es ist vielleicht eine schwere Situation, aber keine Folter. Es ist kein Vergnügen, aber es ist auch nicht unbedingt das Ende. Es liegt durchaus in euren Händen, genauso gewichtig wie in meinen oder in denen eines Shǎzi oder in den Händen meiner Brüder."

Die Diener, welche Oda rausgetragen hatten, kamen wieder rein und ließen sich, nachdem sie mit Wasser die Kammer ausgewischt hatten, von Chuang Wang rausschicken und Chuang Wang schickte auf den Mann mit der Peitsche mit einem Fingerzeig weg. Chuang Wang war kein furchtsamer Mann und das Guan Dao[2] neben ihm war auch Warnung genug. Er hatte seine zitternde Hand inzwischen aus dem Stoff hängen lassen und griff wieder zu einem kleinen Schälchen Tee. Die Teedienerin blieb anwesend. Es war augenscheinlich, dass Chuang Wang nicht auf die sardonische Äußerung des alten Beamten eingehen wollte, weshalb er wieder einen Moment schwieg und darauf wartete, dass hinter der geschlossenen Tür die Schritte verhalten. Er beschloss dabei, dass er weiter auf Lu Chieng eingehen sollte.
"Die Regeln des Spiels, davon sprecht ihr. Gibt es noch mehr Regeln, die ich beachten sollte? Scheinbar seid ihr ein Meister dieses Spiels. Das Xiangqi[3] des Hofes oder gar ein anderes Spiel? Lehrt mich alles, was ihr über die sogenannten Regeln wisst, dass man euch nicht davon überzeugen kann, dass ihr mehr als ein schnöder Spielstein seid? Weil wenn ihr ein schnöder Spielstein seid, frage ich mich langsam, warum ich mich weiter mit euch aufhalten sollte. Krieg ist leider kein Spiel. Und wie Xū Dǎnshí angemerkt hat, wird es wohl eine Zeit der streitenden Reiche geben, wenn man dies nicht verhindert. Und nicht nur das, auch Xian wird sich die Hände reiben und sich in unserem Untergang laben. Ich werde mich dann lieber mit den Planungen meines Überlebens herumärgern, wenn ihr es nicht wert seid, dass wir ein loses Bündnis knüpfen, damit wir beide und der Hof eher überleben können." Es wurde schnell klar, dass Chuang Wang sich darüber im Klaren war, dass nicht jeder die Absicht haben konnte, dem Hof zur Hilfe gereichen zu wollen. "Oder wollt ihr tatsächlich jemanden überreden, dass er sich eine plausible Geschichte überlegt, wie er den Kaiser umgebracht hat und sich selbst opfert für die anderen? Wenn sich jemand also opfert und den Mord auf sich nimmt und diesen plausibel gestaltet, könntet ihr euch vielleicht retten und vielleicht sogar Teile des Hofes?" Das erste Mal nahm Chuang Wang fast einen gerissenen Ausdruck an.

Doch diesmal ließ er nicht viel Stille entstehen, sondern ging direkt auf Xū Dǎnshí ein. "Aber davon ab. Natürlich habt ihr mit der Krise zu tun. Hong gil-Dong hat die Zusammenhänge ausreichend zusammengestellt. Ihr alle seid mit dem Hof verbandelt auf die eine oder andere Weise. Alleine eure Provinz, Xū Dǎnshí, reicht aufgrund ihrer Ressourcen und ihrer positiven geographischen Lage gegenüber Qinglong aus, um für den Hof wieder von Interesse zu sein. Und wenn man von eurer Tätigkeit als Gelehrter am Hof vor einigen Jahren ausgeht, wird es doppelt bedeutend. Zumal eine positive Verbindung zu euch eher solch ein Gebiet zur Realisierung individueller Interessen, viele werden um euch buhlen, gereichen lässt. Euch und euer grünes Juwel in diesen Zeiten okkupieren oder gar annektieren zu wollen, das wäre wahrhaft törricht." Chuang Wang gab dem Ausspruch Xū Dǎnshís, dass Gewalt Gegengewalt provoziere Recht. "Es würde die Anomie nur schneller herbeirufen. Daraus erkennt ihr euren Einfluss. Die meisten von euch, gerade jene, die nicht am Hof waren, kenne ich nicht. Aber ich denke, ich hoffe und ich fürchte, dass sie einen ähnlichen Einfluss, wenn auch auf anderen Gebieten, ausüben könnten, wenn sie wollten."

Der Kaisersohn überlegte, dass er die Antwort über den Nutzen eines geeinten Reich an das Ende stellen sollte, weil ihm der Punkt am wichtigsten schien. "Schaut euch den Kontinent an. Schaut euch unsere Länder an. Fast alle Länder sind Brachländer mit wenig Regen und viel Trockenheit. Das Land ist umgeben von Barbaren und Reitennomaden, welche immer wieder Dörfer angreifen und Menschen verschleppen. Die Zwerge sind ein Volk geworden, welches aus militärischen Despoten besteht und einzelne Landstriche immer wieder mit Krieg überziehen. Die Elben und die Alben schließen sich den Ouroboroi an oder bekämpfen sie sogar dort, wo es sie gar nicht gibt. Und auch feindliche Reiche überziehen uns mit Krieg. Piraten machen unsere Küsten unsicher. Das himmlische Reich der Chuangs ist das Einzige in diesen, unseren wilden Landen ein wenig Ordnung zu schaffen in der Lage ist. Und wenn das Reich zerbricht, würde der darauffolgende Bürgerkrieg die zivilisatorischen Errungenschaften eines ganzen Jahrtausend zerreißen. Vielleicht würden sich an zwei, drei Stellen, den fruchtbarsten und am leichtesten zu verteidigenden Stellen, des Reiches Usurpatoren einnisten, welche ein Stück weit Zivilisation erhalten können. Aber sie würden nicht einig werden und sie würden über eintausend Jahre brauchen, um die alte Kulturstufe wieder zu erreichen. Dieses Land ist hart genug und trotz der Härte haben wir durch das Umleiten von Flüssen, der Erfindung von Dünger und dergleichen über achtzig Millionen Bewohner in diesem Reich. Wenn es zerfällt, wird alleine wegen der ungünstigen Versorgungslage und durch Krieg und Krankheiten mindestens die Hälfte sterben. Alleine daraus lässt sich sehen, warum man euch Denunzianten nicht wie Fruchtfliegen sterben lässt." Chuang Wang nutzte die Zeit, um jeden Denunzianten ausgiebig zu mustern und in die Augen zu schauen.
Es schien, als würde dieses Spiel eine völlig neue Stufe erreicht haben. Es ging nicht nur um den Kaiser und das Problem einer Thronfolge. Das Land war wie ein Fläschen Alchemistenfeuer, welches einen Riss erhalten hatte. Noch drang keine Luft ein, aber wenn es das tat, würde es Feuer fangen, Ein Feuer, welches mit einfachen Mitteln kaum zu löschen war. Es ging nicht nur um die Zukunft eines Hofes, es ging nicht nur um die Zukunft eines Kunstgebildes, welches sich Reich nannte. Es ging um die Zukunft von mindestens achtzig Millionen Wesen.
 1. Wu Wei
 2. Hellebardenähnliche Stangenwaffe, berühmtester Träger war der General Guan Yu
 3. Chinesisches Schach
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Hong Gil-dong

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Das liederliche Spiel
« Antwort #147 am: 18.01.2011, 22:12:00 »
Hongs Mine offenbarte wie er mit dem Monolog des Kaisersohns innerlich aufgewühlt wurde und letztlich doch versteinerte. So erfolgreich wie der Sprecher mit der Grosszügigkeit gegenüber dem Gnom Sympathie gewann, so verspielte er sie gleich wieder, indem er das arrogante Selbstverständnis des kaiserlichen Hofes offenbarte. Denjenigen, die mit dem Schwert andere unterjochten und vertrieben, kam es nicht in den Sinn welches Leid sie zu anderen trugen. Sie lebten tatsächlich in ihrem Garten und rotteten dafür die Gärten anderer aus[. Und sich dann beschweren, dass die Alben nicht still sind.[1]
Hong wandte sich an Xū Dǎnshí, dem er mehr vertraute als einem Blender vom Hofe "Was denkt Ihr darüber Xūsan? Die Elben wissen, dass Chuang zu viele Menschen hat. Diese zerstören unsere Wälder und damit die Grundlage allen Lebens[2]. Es ist der Lauf der Dinge, dass wenn die Wölfe zu viele werden, fressen sie zu viel Wild, so dass sie im nächsten Winter verhungern müssen und über sich gegenseitig herfallen. So kann sich der gesamte Wald erholen. Wieso soll nicht das gut für Cuang sein, was gut für den Wald ist? Noch ist es kein unveränderliches Ende" greift er die Worte des Kaisersohns auf, "es liegt in vielen Händen. Können wir zittrigen Händen vertrauen ein starkes Ruder zu halten?"
 1. 
 2. 
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« Letzte Änderung: 19.01.2011, 23:49:27 von Hong Gil-dong »
Bitterer Tee, mit Wohlwollen dargeboten, schmeckt süßer als Tee, den man mit saurer Miene reicht.

Xū Dǎnshí

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Das liederliche Spiel
« Antwort #148 am: 19.01.2011, 13:46:55 »
Danshi war überrascht, als Hong das Wort an ihn richtete, und nicht an den Kaisersohn. Es war sicherlich nicht zufällig, dass er den Dialog auf ihn ausweitete, denn es konnte schon als ungesittetes Verhalten aufgefasst werden, einen Kaisersohn im Gespräch zu übergehen. Es war durchaus möglich, dass Hong versuchte, als lachender Dritte die beiden gegen einander auszuspielen. Aber hatte Hong nicht gesagt, die Menschen von Chuang zerstörten "ihre Wälder"? Ist er gar unter den Elfen aufgewachsen? Das hatte ich nicht vermutet. Hm... wenn ich das bedenke und ihn mir besehe, dann glaube ich, dass er wirklich aufgebracht ist und sich von mir Unterstützung erhofft. Sein Argument ist gut, es erinnert mich sehr an den Weisen Mengzi."

Mittlerweile hatte sich Danshi auch selbst wieder beruhigt, so dass er sich eine Antwort überlegen konnte. "Ich glaube, ich verstehe Euer Argument, werter Hongsan. Ich verstehe, dass Ihr vielfach erlebt habt, dass die Menschen von Chuang in das Dao eingriffen, um ihre ungeheure Zahl zu versorgen mit dem, was sie meinten zu brauchen. Ihr seht erregt und frustriert aus, wenn Ihr darüber sprecht und sprecht davon dass ihr die Grundlage allen Lebens bedroht seht, weil die Menschen unweise und selbstsüchtig handeln.

Der hochgeachtete Chuang Wang hingegen betrachtet den Naturzustand als einen, in dem die Menschen schlecht sind, weil sie keine Tugenden kennen. Sie bauen sich keine Häuser, weil sie vertrieben werden können. Sie bestellen keine Felder, weil sie Raub befürchten. Sie können sich nur bekriegen, weil sie kein Vertrauen zu vergeben haben. Man sagt, dieser Naturzustand sei bei den Barbaren und Reitervölkern noch immer zu sehen. In Chuang habe man erkannt: Der Mensch ist schlecht und nur der Staat kann die Menschen zum Guten zwingen.

Mit Verlaub, die beiden scheinen mir nicht zu weit von einander entfernt zu sein. Sie sorgen sich um das Wohl der Menschen, und sehen die Krise an verschiedenen Orten. Sie glauben, dass der gemeine Mensch zu eigennützig lebt, um sich dafür zu entscheiden, was weise wäre. Sie wünschen sich, dass die Wesen des Reichs in Frieden leben können. Doch die Frage ist, zumindest für mich, noch offen, wie ihr beider Sinn nach Ordnung übereinstimmen könnte.

Bitte beantwortet mir einige Fragen, Chuang Wang, damit ich Euch besser verstehe. Ihr sprecht von Kultur und ich frage Euch, in welcher Weise die Kultur des Reichs  zum Wohl und Erhaltung des Lebens beigetragen hat.  Für mich ist ersichtlich, dass die Kultur des Reichs dazu beigetragen hat, dass mehr Menschen auf der gleichen Fläche überleben können, als früher. Doch damit ist meine Frage nicht beantwortet.

« Letzte Änderung: 19.01.2011, 13:58:42 von Xū Dǎnshí »

Menthir

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Das liederliche Spiel
« Antwort #149 am: 19.01.2011, 22:39:24 »
03.01.1042 - Tag des Affen - Morgen

Es war sogar eine gewisse Erleichterung in den Augen des Kaiserssohnes zu sehen, sodass er die zumindest angedeutete Insubordination für den Moment ertrug, auch wenn er sich innerlich sicherlich darüber ärgern würde. Er behielt die starre Position ein und bekam sein Zittern wieder mehr in den Griff und das von der Ruhe getragene Gespräch verschlung mehr Zeit, als erwartet wurde, sodass die Dienerin neuen Tee aufsetzen musste, falls noch jemand Nachschub haben wollte. Und das, obwohl die Schüsselchen kaum mehr als zwei Schlücke bereit hielten. Der Verbrauch an gelben Tee musste auf Seiten des Generals immer recht groß sein. Aber während Hong Gil-dong und Xū Dǎnshí Gedanken austauschen, wie sie auch Worte austauschten, war der Kaiser aufmerksam und gerade als der alte Beamte aus Cui Bao seine Frage beendet hatte, kamen die beiden Ganbrüder, welche den Denunzianten bereits bekannt waren, in den Raum, ohne zu Klopfen, ohne eine Reaktion. Und erst als sie sich des Kaisersohnes gewahr wurden, vollführten sie knapp die respektvollen Notwendigkeiten, wenn auch mit ausreichender Präzesion und Disziplin. Ohne ihre schrecklich hohen Stimmen überhaupt zu erheben, gingen sie wortlos auf die Werkbank zu, aus dessen Repertoire sich Oda bedient hatte, um sich selbst zu richten.
Es genügte bereits der funkelnde Blick des Kaiserssohnes, um die beiden Eunuchenbrüder innehalten zu lassen.
Beide warfen sich fast synchron zurück auf die Knie, beide stocksteif und unbeholfen, hinab auf die Knie mit solcher Wucht, dass ihre Kniegelenke unter dem Gewicht ächzten. Ein schmerzhafter Fall, um Respekt auszudrücken. Der General brauchte nicht einmal eine Frage zu formulieren, die Ganbrüder wussten, dass eine Rechtfertigung gefordert wurde. Als der rote Gan jedoch seine Stimme erheben wollte und ein tiefes Einatmen den Versuch pfeifend unterstrich, hob Chuang Wang seine recht Hand, streckte den Gangebrüdern die Handfläche hin. Ein unmissverständliches Zeichen, dass sie zu schweigen hatten. Der unsanfte, wenn auch Selbst verschuldetet, Aufprall auf die Knie musste die gehaltene Stellung nun fast unerträglich machen, während das Blut langsam in den Knien zusammenlief und der Schmerz nicht wich. Chuang Wang ließ sie in dieser Position verharren. Hier hielt Chuang Wang nichts von falschem Verhalten und ungewollter Insubordination. Wollte er damit irgendetwas unterstreichen oder gar drohen?

Chuang Wang rückte seine blaue Hofkleidung mit zwei, drei einfachen Bewegungen zurecht, sodass sie wieder glatt lag und fing an, mit dem Finger am Bart entlangzufahren. Nachdenklich verharrte er, ließ sich einen Moment Zeit. Er lächelte das erste Mal sanft und nickte Xū Dǎnshí zu. "Was bringt uns Kultur?" Seine Hand zeigte zu den Ganbrüdern, welchen die Anstrengung ins Gesicht gemeißelt stand. "Unwirschheit, mangelnder Respekt vor anderen Wesen und das unerklärte Handeln im eigenen Interesse und im Interesse Dritter ist nicht nur innerhalb der Kultur ein Problem, sondern vor allem außerhalb, denn außerhalb der Kultur gibt es keinen Schutz. Xū Xiansheng, es mag euren Mitgefangenen im Moment verwunderlich vorkommen, wenn ich sage, dass euch auch Gesetze und soziale Normen, selbst jene von Chuang, euch mehr Schutz gewähren, als wirkliche Willkür in einer entkulturisierten Ebene dies tun würde. Ein einfacher Kriegsherr könnte euch wahrlich einfach erschlagen. Despotie wäre eine grausame Folge. So wie die beiden jungen Eunuchen hier neben euch beweisen." Seine Hand ruhte noch immer stoisch, nicht mehr zitternd; zeigte auf die Ganbrüder. Diese schwiegen noch immer und blickten beschämt auf den Boden. "Wären sie nicht so vorbildlich erzogen, würde sie ihr Können und Wissen nutzen, um euch einfach zu hintergehen in einem Moment, in dem ihr es nicht erwartet."
Chuang Wang nahm seine Hand zurück und legte sie in seinen Schoß zu der anderen Hand. "Unsere Kultur schafft Blüte, denn vor allem lehrt sie uns, dass es auch Zeiten geben kann, in denen man auf die Waffe verzichten kann. Sie schafft Frieden und zeigt uns, dass Pfirsich- und Kirschblüten im Frühsommer am schönsten sind, lässt uns sogar die gelbliche Färbung der Flüsse durch das Löss genießen, wenn sich fahl die morgendliche Sonne in diesen Flüssen bricht. Sie beschenkt uns mit einem Blick für Sanftheit, Schönheit und einem Volksfrieden und einem persönlichen Frieden. Sie gibt uns eine Lebensgrundlage und ein Mindestmaß an Versorgung, sodass wir nicht fortwährend nur um das Überleben kämpfen muss.
Ich weiß, dass viele arme Menschen dies tun müssen, aber auch sie haben ein leichteres Los durch Almosen und Suppenküchen, durch Ernteschenkungen und Saatgutschenkungen. Ohne sie, wären viele noch schlechter dran."


Chuang Wang nahm jetzt wieder eine kleine Schüssel des Tees, welcher jetzt wieder dargeboten werden konnte, dann führte er weiter aus. "Ich will nicht bestreiten, dass Barbaren von außerhalb auf diese Kultur eindrängen und im Inneren sich erheben, an den Stellen, an denen unsere Kultur versagt hat. Aber das Große, das Ganze, es hat dazu beigetragen, dass das Leben auf eine andere Stufe gehoben werden konnte. Dass wir das animalische Leben immer häufiger vergessen können und uns sogar Künsten widmen können. In einer mit Krieg überzogenen Welt kann sich der müßige Mann nicht frei dazu entscheiden," er blickte mit einem fast schon diebischen Lächeln auf Mako "sich der Musik und dem Weibsvolk mit Finesse und Lust hinzugeben. Im Gegenteil wird diese Spirale der Gewalt selbst einen so begabten Yueqinspieler wie Mako Jinsei dazu bringen, dass er sich die Frauen mit Gewalt nimmt und seine Hoffnung zu überleben, wird von Listen, echten und falschen Koalitionen und dem Schwert bestimmt, nicht von der Kunst der Musik allein. Aber was versuche ich euch zu erzählen, Xū Xiansheng, ihr habt mit überzeugter und doch nicht rücksichtloser Freundlichkeit und Friedfertigkeit eure Provinz zu einem Juwel gemacht, so sagt man. Wäre in einer Welt voller reiner Machtgier und Geltungssucht sowas möglich? Die Aufgabe der Kultur ist es nicht nur, dass häufig so abgewertete einfache Volk zu disziplinieren und die Undisziplinierten zu Barbaren zu machen, damit die Gesetze sie betreffen. Ihre Aufgabe besteht auch darin, zu verhindern, dass ein Kaiser ein von Macht nebelter Autokrat wird. Auch ihn zwingt die Kultur dazu im Einklang mit ihr zu leben, sonst kann er kein himmlischer Kaiser sein. Vielmehr ist seine Kultur, der er ja ohne Zweifel vorstehen will, dem Verfall preisgegeben, wenn er sie selbst im gelben Fluss ertränkt."
Er nahm noch einen Schluck Tee und stellte sein Schälchen dann vor sich ab. Er blickte den Beamten freundlich an.
"Xū Xiansheng, ihr habt scheinbar immer ein Sinn dafür gehabt, wie ihr eure Untergeben mitnehmen kann, ohne euren Blick für den Fortschritt außer Acht zu lassen. Aber ich hoffe, ihr seid nicht der Einzige im Reich, der zu solch edlen Taten fähig ist. Ein Vielvölkerreich ist immer insoforn problematisch, weil ich nicht immer einfach Kultur oktroyieren kann, schon gar nicht, wenn jemand tief mit einer anderen Kultur verwurzelt ist. Dieses Problem erleben wir mit den Alben, den Zwergen, den Elben im Norden, von denen ihr alle sprecht, ja sogar mit Einwanderern aus Xian und Aufständischen in diesen Landen. Aber dass wir, auch durch einige Uneinigkeit verschuldet, nicht dazu in der Lage sind, alles mit bloßen Wort zu befrieden, das soll den bisherigen Kaisern nicht angelastet werden. Unsere Kaiser waren seit jeher Friedenskaiser, doch wenn falsche Freunde und Feinde nur auf Gewalt aus sind, können wir manchmal die Waffen nicht schweigen lassen. In Zeiten der Waffen vergessen aber viele Wesen gleichermaßen wieder die Gesetze und die Kultur. Und so leben wir in einem schweren Widerstreit der Erhaltung der Kultur. Momentan sogar in einer äußerst schweren Phase davon, da unser Kaiser tot ist und die Nachfolge zu einer Farce zu verkommen droht, für dessen Lösung jeder den Mörder kennen will. Aber auch hier kann Kultur für das Wohl und den Frieden notwendig sein! Denn wenn kein Mörder gefunden wird, kommt es unvermeidlich zum Krieg. Und dann schreibt er der Sieger die Geschichte und bestimmt den Mörder. Nur wird er dann kein Chuang mehr besitzen."
Chuang Wang ließ die Gan noch immer warten, die inzwischen hochrote Köpfe hatten.
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

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